Urteil vom Verwaltungsgericht München - M 26 K 18.4128

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht.

Die Klägerin wird seit dem … Januar 2013 zur Zahlung von Rundfunkbeiträgen für die von ihr bewohnte Wohnung herangezogen. Ihr Ehemann lebt dauerhaft in einem Pflegeheim und erhält laufend Grundsicherung sowie Hilfe zur Pflege vom zuständigen Sozialhilfeträger, dem Bezirk O.

Am … November 2017 beantragte die Klägerin die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht beim Beklagten. Zur Begründung gab sie an, dass ihr Ehemann sich im Pflegeheim befinde und sie deshalb Grundsicherung beziehe.

Die Klägerin legte ein Bestätigungsschreiben des Bezirks O. vom 2. Juni 2017 vor, dem zufolge sie einen eigenen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen habe. Ihr im Heim lebender Ehemann habe hingegen keinen Anspruch auf Grundsicherung. Die Klägerin brauche jedoch keinen eigenen Antrag zu stellen, da der Bezirk O. bei Ehepaaren, bei denen ein Partner im Heim lebe, die Grundsicherungsleistungen mit auszahle. Vorgelegt wurde des Weiteren der Bescheid des Bezirks O. vom 27. April 2017 nebst zugehörigem Berechnungsbogen, mit dem dem Ehemann der Klägerin im Zeitraum vom … Januar 2017 bis zunächst … Februar 2019 unter anderem Hilfe zur Pflege, Grundsicherung und Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen gewährt wurde.

Mit Bescheid vom 20. Dezember 2017 wurde der Antrag auf Befreiung abgelehnt. Über den hiergegen eingelegten Widerspruch wurde nicht entschieden.

Am 20. August 2018 ließ die Klägerin Untätigkeitsklage erheben; sie beantragt (sinngemäß),

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 20. Dezember 2017 zu verpflichten, die Klägerin ab 1. November 2017 von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien.

Zur Begründung wurde ausgeführt, aufgrund der hohen Kosten für die Pflege des Ehemanns und der geringen Altersrente erhalte die Klägerin Grundsicherung in Höhe von derzeit 140,78 €. Dies ergebe sich aus dem Schreiben des Bezirks O., an das der Beklagte gebunden sei. Als Empfängerin von Grundsicherung sei die Klägerin daher gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 RBStV von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien. Dass die Grundsicherungsleistungen tatsächlich auch ausbezahlt werden, sei nicht Voraussetzung für eine Befreiung.

Vorgelegt wurde des Weiteren der Bescheid des Bezirks O. vom 11. April 2019 nebst Berechnungsblatt, mit dem für den Ehemann der Klägerin im Zeitraum vom … Februar 2019 bis auf weiteres unter anderem Hilfe zur Pflege, Grundsicherung und Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen gewährt wurde. Die Bedarfsgemeinschaft, bestehend aus der Klägerin und ihrem Ehemann, wurde verpflichtet, aus ihrem Einkommen bis … April 2019 weiterhin einen Betrag in Höhe von monatlich EUR 460,71 und ab dem … Mai 2019 einen Betrag in Höhe von monatlich EUR 504,35 zur teilweisen Deckung der Heimkosten einzusetzen und bei der Einrichtung einzuzahlen.

Der Beklagte beantragte unter Vorlage der Behördenakte,

die Klage abzuweisen.

Durch Beschluss der Kammer wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Auf Bitte des Gerichts um Erläuterung des Schreibens vom 2. Juni 2017 teilte der Bezirk O. mit Schreiben vom 29. Juli 2019 mit, dass der Klägerin ein sog. Garantiebetrag verbleibe, der über dem Grundsicherungsniveau liege. Die Formulierung im Schreiben vom 2. Juni 2017, dass die Klägerin einen eigenen Anspruch auf Grundsicherung habe, sei daher falsch.

Der Bevollmächtigte der Klägerin führte mit Schreiben vom 14. August 2019 aus, das Schreiben des Bezirks O. vom 2. Juni 2017 stelle eine Bestätigung im Sinne des § 4 Abs. 7 Satz 2 RBStV dar, zumal der Rundfunkstaatsvertrag keine Beschränkung dahingehend vorsehe, dass Bestätigungen in diesem Sinne ein bestimmtes Format aufweisen müssten. Die Klägerin habe sich auf diese Bestätigung verlassen dürfen und der Beklagte habe diese ungeprüft zugrunde legen müssen. Der Fall, dass die Behörde später - wie hier der Bezirk O. mit Schreiben vom 29. Juli 2019 - ihre Auffassung ändert, sei in § 4 Abs. 5 RBStV abschließend geregelt. Danach entfalle die Befreiung mit dem Zeitpunkt des Widerrufs, nicht rückwirkend.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die vorgelegte Behördenakte des Beklagten, die beigezogene Sozialhilfeakte des Bezirks O. zum Sozialhilfeverfahren des Ehemanns der Klägerin sowie auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 31. Juli 2019 Bezug genommen.

Gründe

Die gemäß § 75 VwGO zulässige Klage bleibt ohne Erfolg.

Der Bescheid des Beklagten vom 20. Dezember 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für den streitgegenständlichen Zeitraum, da die Voraussetzungen hierfür im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht nachgewiesen sind.

1. Die Klägerin ist gemäß § 2 Abs. 1 des am 1. Januar 2013 in Kraft getretenen Rundfunkbeitragsstaatsvertrages grundsätzlich verpflichtet, als Inhaberin einer Wohnung einen Rundfunkbeitrag zu entrichten.

a) Die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Beitragspflicht nach § 4 Abs. 1 RBStV erfüllt die Klägerin nicht. Eine Befreiung kommt nur in Frage, wenn durch Vorlage einer Bestätigung des Leistungsträgers oder eines behördlichen Bescheids die Bewilligung von Sozialleistungen gemäß § 4 Abs. 1 Nrn. 1 bis 10 RBStV nachgewiesen wird (§ 4 Abs. 7 Satz 2 RBStV). Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin nicht vor. Ihr wurde keine der genannten Sozialleistungen bewilligt. Insbesondere ist sie nicht Empfängerin von Grundsicherung im Alter gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 RBStV. Aus den den streitgegenständlichen Zeitraum betreffenden Bewilligungsbescheiden des Bezirks O. vom 27. April 2017 und vom 11. April 2019 geht hervor, dass allein für den Ehemann der Klägerin Soziallleistungen, insbesondere Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel des 12. Buches des Sozialgesetzbuches (§ 61 SGB XII) sowie Grundsicherung und Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen gewährt werden und dass das Einkommen der Klägerin im nach den sozialrechtlichen Vorschriften zumutbaren Maß zur Deckung der Heim- und Pflegekosten herangezogen wird. Dabei wird ihr ausweislich der Bescheide und der diesen beigefügten Berechnungsbögen ein Einkommen belassen, das über dem Grundsicherungsbedarf liegt. Denn bei der Gewährung von Hilfe zur Pflege soll dem Ehegatten ein sog. Garantiebetrag zuerkannt werden, der oberhalb des sozialhilferechtlich notwendigen Lebensunterhalts liegt (vgl. § 92a Abs. 2 und 3 SGB XII). Aus den Berechnungsbögen ergibt sich, dass dies auch vorliegend geschehen ist. So ist den Berechnungen zu den Bescheiden vom 27. April 2017 und vom 11. April 2019 zu entnehmen, dass von einem Bedarf der außerhalb der Einrichtung lebenden Person - mithin der Klägerin - in Höhe von 964,00 Euro bzw. 979,00 Euro ausgegangen, zugleich jedoch für sie ein Garantiebetrag, der keinesfalls zum Kostenbeitrag heranzuziehen ist, in Höhe von 1.123,45 Euro bzw. 1.152,67 Euro angesetzt wird.

Entgegen der Auffassung der Klägerin musste und durfte der Beklagte die Aussage des Bezirks O. im Schreiben vom 2. Juni 2017, wonach der Klägerin ein eigener Anspruch auf Grundsicherungsleistungen zustehe, seiner Entscheidung über den Befreiungsantrag nicht ungeprüft zugrunde legen, sondern hatte sich an die den in einem rechtsförmlichen Verwaltungsverfahren ergangenen Bewilligungsbescheiden zugrunde liegenden Berechnungen zu halten. Die der Aussage im Schreiben vom 2. Juni 2017 zugrundeliegende Berechnung entspricht nicht der mit den - nach Aktenlage bestandskräftigen - Bewilligungsbescheiden geschaffenen und auch vollzogenen tatsächlichen sozialhilferechtlichen Gestaltung, sondern ist rein fiktiv, indem isoliert das Einkommen der Klägerin zugrunde gelegt und davon ausgegangen wird, dass dem Ehemann kein Anspruch auf Grundsicherung zusteht. Dies entspricht nicht der tatsächlichen, mit den Bewilligungsbescheiden festgelegten Situation, in der dem Ehemann der Klägerin Grundsicherungsleistungen gewährt und der Klägerin ein oberhalb ihres Grundsicherungsbedarfs liegender Garantiebetrag belassen wird. Die vom Bezirk O. mit den Bewilligungsbescheiden geschaffene sozialhilferechtliche Gestaltung liegt angesichts des über dem Grundsicherungsniveau liegenden Garantiebetrags im Interesse der Klägerin. Das Schreiben des Bezirks O. vom 2. Juni 2017 steht mithin im Widerspruch zu dem für denselben Zeitraum ergangenen und das Einkommen beider Ehepartner als Bedarfsgemeinschaft zugrunde legenden Bewilligungsbescheid vom 27. April 2017. Diese daher unrichtige und unabhängig von einem Sozialhilfebescheid ausgestellte Bescheinigung vom 2. Juni 2017 stellt keine Bestätigung im Sinne des § 4 Abs. 7 Satz 2 RBStV dar. Bescheinigungen einer Sozialleistungsbehörde über einen angeblich bestehenden Anspruch auf Sozialleistungen, die nicht auf einen als Ergebnis eines rechtsförmlichen Prüfverfahrens ergangenen Leistungsbescheid Bezug nehmen, sondern außerhalb eines Verwaltungsverfahrens ausgestellt werden, genügen generell nicht, um das Vorliegen der Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht als gegeben nachzuweisen. Anderenfalls würde Rechtsunsicherheit entstehen und die Rundfunkanstalten wären zu einer Überprüfung gezwungen, die sie mangels hinreichender Informationsgrundlage nicht zu leisten im Stande sind und die von den Gesetzgebern des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags erkennbar nicht gewollt ist (vgl. auch VG München, U.v. 4.5.2016 - M 6 K 16.652 - juris).

Als Empfänger von Hilfe zur Pflege kann der Ehemann der Klägerin gemäß § 4 Abs. 1 Nummer 7 RBStV eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht beanspruchen. Diese Befreiung erstreckt sich jedoch nicht auf die Klägerin. Nach § 4 Abs. 3 Nummern 1 und 4 RBStV erstreckt sich die Befreiung des nach § 4 Abs. 1 RbStV Befreiungsberechtigten innerhalb der Wohnung auf dessen Ehegatten bzw. auf die Wohnungsinhaber, deren Einkommen und Vermögen bei der Gewährung einer Sozialleistung nach Absatz 1 berücksichtigt worden sind. Die Klägerin erfüllt diese Voraussetzungen nicht, da ihr Ehemann dauerhaft in einem Pflegeheim und deshalb nicht zusammen mit der Klägerin innerhalb einer Wohnung lebt.

b) Die Klägerin kann auch nicht dem Personenkreis der Empfänger von Grundsicherungsleistungen gleichgestellt werden.

Zum einen verbleibt der Klägerin - wie bereits ausgeführt - ausweislich der Bewilligungsbescheide des Bezirks O. und der zugehörigen Berechnungsbögen nicht lediglich ein Einkommen, das dem Grundsicherungsbedarf entspricht. Zum anderen ist eine analoge Anwendung des § 4 Abs. 1 RBStV ausgeschlossen. Ausweislich des unmissverständlichen Wortlauts der Norm ist keine planwidrige, dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers entgegenstehende Regelungslücke feststellbar. Die Aufzählung der zu befreienden Leistungsempfänger in § 4 Abs. 1 RBStV ist nach dem gesetzgeberischen Ziel der Verfahrensvereinfachung und Begrenzung des begünstigten Personenkreises abschließend (vgl. BVerwG, U.v. 12.10.2011 - 6 C 34.10 - juris). Eine Befreiung wegen geringen Einkommens allein ist nicht (mehr) möglich. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, dessen Rechtsauffassung sich das erkennende Gericht anschließt, hat hierzu in seinem Beschluss vom 3. Dezember 2013 (Az. 7 ZB 13.1817 - juris) ausgeführt:

„a) Bereits nach der bis 31. Dezember 2012 geltenden Rechtslage war die Gebührenbefreiung für einkommensschwache Personen gemäß § 6 RGebStV „bescheidabhängig“ und setzte den Nachweis der Befreiungsvoraussetzungen durch Vorlage einer entsprechenden Bestätigung des Leistungsträgers im Original oder die Vorlage des entsprechenden Bescheides im Original oder in beglaubigter Kopie voraus (§ 6 Abs. 2 RGebStV). Mit dieser durch den Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag eingeführten bescheidgebundenen Befreiungsmöglichkeit für einkommensschwache Personen wollte der Normgeber eine Vereinheitlichung des Befreiungsrechts einschließlich einer Vereinfachung des Verfahrens erreichen (LT-Drs. 15/1921 S. 19). Die Ersetzung der zuvor bestehenden Befreiungsmöglichkeit für Personen, deren monatliches Einkommen bestimmte an Sozialhilfemaßstäben orientierte Einkommensgrenzen nicht überstieg, durch die Anknüpfung der Gebührenbefreiung an bestehende und behördlich bereits festgestellte Sozialleistungen zielte auf eine deutliche Verfahrenserleichterung, weil damit insbesondere die bislang umfangreichen und schwierigen Berechnungen bei der Befreiung wegen geringen Einkommens durch die Rundfunkanstalten entfielen, die hierfür - anders als die sozialrechtlichen Fachbehörden - nicht über die erforderlichen Sachaufklärungsmittel verfügen (vgl. LT-Drs. 15/1921 S. 20 f.). Auch eine Gebührenbefreiung in besonderen Härtefällen gemäß § 6 Abs. 3 RGebStV allein aufgrund geringen Einkommens und Vermögens wurde in ständiger Rechtsprechung verneint, weil sich ansonsten die gewollte Beschränkung der Befreiungstatbestände auf durch Leistungsbescheid nachweisbare Fälle der Bedürftigkeit allzu leicht umgehen ließe (BVerwG, B.v. 18.6.2008 - 6 B 1.08 - NVwZ 2008, 704, U.v. 12.10.2011 - 6 C 34.10 - NVwZ-RR 2012, 29; BayVGH, U.v. 16.5.2007 - 7 B 06.2642 - NVwZ-RR 2008, 257; NdsOVG, B.v. 14.5.2009 - 4 LC 610.07 - NVwZ-RR 2009, 845; OVG NW, U.v. 21.11.2012 - 16 A 1942.11 - juris; OVG Saarl, B.v. 30.3.2012 - 3 A 242.10 - juris).

Die bloße Einkommensschwäche als solche hat damit nach den zuletzt geltenden Regelungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrags grundsätzlich nicht mehr zur Gebührenbefreiung geführt.

b) An dieser nach ständiger Rechtsprechung (s.o.) mit höherrangigem Recht, insbesondere mit dem Sozialstaatsgebot (Art. 20 Abs. 1 GG) und dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) im Einklang stehenden Beschränkung der Befreiung für einkommensschwache Personen auf durch Leistungsbescheid nachweisbare Fälle der Bedürftigkeit hat der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag nichts geändert. Vielmehr sind - anknüpfend an die Regelung des § 6 Abs. 2 RGebStV (LT-Drs. 16/ 7001) - auch nach § 4 Abs. 7 Satz 2 RBStV die Voraussetzungen für die Befreiung oder Ermäßigung durch die entsprechende Bestätigung der Behörde oder des Leistungsträgers im Original oder durch den entsprechenden Bescheid im Original oder in beglaubigter Kopie nachzuweisen (Gall/Siekmann in Hahn/Vesting, Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, § 4 RBStV Rn. 4, 73; VG Gelsenkirchen, B.v. 7.10.2013 - 14 K 2595.13 - juris). Dies gilt nach dem Willen des Normgebers (LT-Drs. 16/7001, S. 16) auch für den im Hinblick auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 9. November 2011 (1 BvR 665/10, BVerfGK 19,181) und vom 30. November 2011 (1 BvR 3269/08 und 1 BvR 656/10, ZUM 2012, 244) ausdrücklich in § 4 Abs. 6 Satz 2 RBStV geregelten Fall, wonach eine besondere Härte vorliegt, wenn eine Sozialleistung nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 10 RBStV in einem durch die zuständige Behörde erlassenen Bescheid mit der Begründung versagt wurde, dass die Einkünfte die jeweilige Bedarfsgrenze um weniger als die Höhe des Rundfunkbeitrags überschreiten.

Allein die nicht durch entsprechende Leistungsbescheide nachgewiesene materielle Bedürftigkeit führt daher auch nach neuem Recht nicht zu einer Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht gemäß § 4 Abs. 1 oder Abs. 6 RBStV (Gall/Siekmann in Hahn/Vesting, Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, § 4 RBStV Rn. 52).“

2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Beitragsbefreiung im Rahmen der Härtefallregelung des § 4 Abs. 6 RBStV.

a) Nach Satz 1 dieser Vorschrift hat die Landesrundfunkanstalt unbeschadet der Beitragsbefreiung nach § 4 Abs. 1 in besonderen Härtefällen auf Antrag eine Befreiung von der Beitragspflicht auszusprechen. Unter dem Begriff des „besonderen Härtefalls“ wird nach dem allgemeinen Sprachgebrauch in der Regel ein Fall verstanden, der mit den in § 4 Abs. 1 RBStV genannten Fällen weitgehend vergleichbar ist und in dem es deshalb nicht hinnehmbar erscheint, eine Beitragsbefreiung zu versagen (vgl. zu dem insoweit vergleichbaren § 6 Abs. 1 RGebStV BVerwG v. 12.10.2011 - 6 C 34/10). Härtefallregelungen wie § 4 Abs. 6 RBStV stellen eine gesetzliche Ausprägung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dar. Sie sollen gewährleisten, dass auch in Ausnahmefällen, die wegen ihrer atypischen Ausgestaltung nicht im Einzelnen vorherzusehen sind und sich daher nicht mit den abstrakten Merkmalen der Gesetzessprache erfassen lassen, ein Ergebnis erreicht wird, das dem Regelergebnis in seiner grundsätzlichen Zielsetzung gleichwertig ist (s. VG Gelsenkirchen, B.v. 4.6.2013 - 14 K 1739/13 - juris m.w.N.).

Eine solche vom gesetzlich geregelten Normalfall abweichende Sondersituation kann vorliegend nicht angenommen werden. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Klägerin - würde ihr Ehemann Hilfe zur Pflege erhalten und zu Hause gepflegt - unabhängig davon, ob ihr ein höheres Einkommen als der Grundsicherungsbedarf verbliebe, in den Genuss der Befreiung nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 RBStV käme. Zum einen ist eine derartige Situation jedoch weder in finanzieller Hinsicht (es würden sich andere Kosten und Bedarfe ergeben) noch in der alltäglichen Lebensführung und damit auch der Rundfunknutzung vergleichbar. Zum anderen knüpft die Konzeption des Rundfunkbeitrags durchgängig an das Innehaben einer Wohnung an. Dieser allein an die Wohnung anknüpfende Verteilungsmaßstab der Beitragspflicht wurde durch die obergerichtliche Rechtsprechung gebilligt (vgl. BVerfG, U.v. 18.7.2018 - 1 BvR 1675/16 u.a.; BVerwG, B.v. 9.3.2017 - 6 B 27/17- juris Rn. 6 ff m.w.N.; U.v. 25.1.2017 - 6 C 12.16- juris Rn. 51). Diese Konzeption setzt sich in den Befreiungstatbeständen fort (vgl. insbesondere § 4 Abs. 3 RbStV). Es muss daher auch insoweit von einer ganz bewussten Entscheidung des Gesetzgebers ausgegangen werden, die nicht durch eine hiervon abweichende Handhabung der Härtefallregelung unterlaufen werden darf. Schließlich begründet auch der Umstand, dass der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum möglicherweise lediglich ein Einkommen zur Verfügung stand, das dem in § 4 Abs. 1 Nrn. 1 bis 10 RBStV benannten Personenkreis der Höhe nach üblicherweise zur Verfügung steht, für sich genommen ebenso wenig eine „atypische Fallkonstellation“, wie es bei anderweitigen Empfängern niedriger Einkommen der Fall ist. Denn der Normgeber des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags hat, wie oben ausgeführt, die hier gegebene Fallkonstellation der „bloßen Einkommensschwäche“ nicht ungeregelt gelassen, sondern ganz bewusst aus dem Katalog der Befreiungsgründe ausgeklammert.

b) Die Klägerin konnte und kann sich auch nicht aufgrund von § 4 Abs. 6 Satz 2 RBStV auf einen Härtefall berufen. Danach liegt ein Härtefall insbesondere dann vor, wenn eine Sozialleistung nach Absatz 1 Nr. 1 bis 10 in einem durch die zuständige Behörde erlassenen Bescheid mit der Begründung versagt wurde, dass die Einkünfte die jeweilige Bedarfsgrenze um weniger als die Höhe des Rundfunkbeitrages überschreiten. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Gemäß der obigen Ausführungen (s. oben 1. a)) lässt sich den Sozialhilfebescheiden vom 27. April 2017 und vom 11. April 2019 bzw. den zugehörigen Berechnungsbögen nicht entnehmen, dass der der Klägerin verbleibende Betrag den Grundsicherungsbedarf um weniger als die Höhe des Rundfunkbeitrags übersteigt. Vielmehr ergibt sich unter Zugrundelegung der Berechnungsbögen, dass der Klägerin über ihren dort festgestellten Bedarf hinaus ein Betrag verbleibt, der höher als der monatliche Rundfunkbeitrag ist (im Berechnungsbogen vom Januar 2017 sind dies 159,45 Euro, im Berechnungsbogen vom April 2019 173,67 Euro).

3. Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.

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