Urteil vom Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße (3. Kammer) - 3 K 13/20.NW

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Heranziehung des Klägers zur Kostenerstattung für eine Abwasserleitung, die im öffentlichen Verkehrsraum verlegt und mit der Entwässerungsleitung seines Grundstücks verbunden wurde.

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Der Kläger und seine Ehefrau sind seit 1988 Eigentümer des Anwesens "Im F..", Plannummer (Pnr.) .., im Stadtgebiet der Beklagten.

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Der Mischwasserkanal in der Straße "Im F..." stammt aus dem Jahr 1953. Er endete an der südwestlichen Ecke des Anwesens "Im F..." (Grundstück Pnr. .../...) im früheren Schacht 93560. Ausweislich einer Baugenehmigung für die Rechtsvorgänger des Klägers vom 10.11.1959 verfügte deren Anwesen zunächst über eine Dreikammerfaulgrube zur Aufnahme des häuslichen Abwassers. Nach Aufgabe der Dreikammerfaulgrube wurde in den frühen 1960er Jahren eine Leitung von ca. 17 m Länge im öffentlichen Verkehrsraum verlegt und an den damaligen Anschlussschacht 93560 des ursprünglichen Mischwasserkanals angeschlossen. Die Leitungsverlegung erfolgte parallel zu den Grundstücksgrenzen. Diese Leitung bestand aus Steinzeug oder Beton und war nach den Feststellungen der Beklagten an den Verbindungsstellen der einzelnen Teile entweder textil oder mittels Teermaterial gemufft.

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Im Mai 2006 meldete der Kläger eine Absenkung der Straßendecke vor seinem Grundstück. Im Verlauf der folgenden Reparaturarbeiten stellte man fest, dass schadensursächlich ein weiteres, in 40 cm Tiefe verlegtes Regenfallrohr - DN 100 - war, das der Dachentwässerung des klägerischen Grundstücks diente. Repariert wurde nach einer vorgelegten Rechnung der Firma F... lediglich eine Teilstrecke von 1 m. Die hierfür anfallenden Kosten waren Gegenstand der Verfahren beim Amtsgericht Neustadt/Weinstraße (Az.: 4 C 374/07) und bei dem Landgericht Frankenthal (Az.: 2 S 392/09), in denen die Zahlungsklage der Stadt Neustadt/Weinstraße abgewiesen wurde.

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Im Jahr 2016 wurde in der gesamten Straße "Im F..." im Zuge des Ausbaus der Fahrbahn und der Sanierung der Ver- und Entsorgungsleitungen ein neuer Mischwasserkanal aus Polypropylen (PP) mit einem Nennwert DN 250 bis zur südöstlichen Ecke des Grundstücks des Klägers verlegt. Zudem wurden dort der neue Schacht 93560 hergestellt sowie der alte Schacht und die 17 m lange Altleitung entfernt. Zugleich wurde für das Grundstück des Klägers ein ca. 5,2 m langer Hausanschluss verlegt.

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Die Arbeiten für diesen Hausanschluss wurden von der Firma B... GmbH ausgeführt, die der Beklagten hierfür einen Betrag von 1.730,91 € in Rechnung stellte.

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Mit Bescheid vom 23.10.2017 zog die Beklagte den Kläger zum Ersatz von Aufwendungen für eine Grundstücksanschlussleitung gemäß § 13 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) i.V.m. § 19 Abs. 1 Nr. 2a ihrer Entgeltsatzung Abwasser (ESA) in Höhe von 1.730,91 € heran. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass sie den Grundstücksanschluss für Mischwasser innerhalb des öffentlichen Verkehrsraums erneuert habe. Die hierfür angefallenen Aufwendungen seien in tatsächlicher Höhe zu erstatten.

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Hiergegen hat der Kläger am 20.11.2017 Widerspruch erhoben und diesen im Wesentlichen damit begründet, dass den Anwohnern bei einer Informationsveranstaltung zugesichert worden sei, dass lediglich Kosten für die Verlegung von Leitungen auf dem eigenen Grundstück anfallen würden, nicht jedoch Kosten, die im Bereich der öffentlichen Verkehrsfläche entstünden. Da sein Haus grenzständig sei, habe er gemäß der Zusicherung keine Kosten für Anschlussleitungen zu übernehmen. Unabhängig davon sei die Anschlussleitung nicht erneuerungsbedürftig gewesen. Bei seiner Nachbarin sei daher von einer Kostenforderung abgesehen worden. Außerdem bestünden Bedenken gegen die zugrundeliegende Rechnung der Firma B... GmbH. Ein Betrag von 165,00 € für die Position "Verkehrsflächen absperren, aufstellen, räumen" sei von jedem Betroffenen erhoben worden, weshalb davon auszugehen sei, dass hier eine mehrfache Abrechnung erfolgt sei. Auffällig sei zudem, dass offensichtlich weniger Boden ausgeschachtet als verfüllt und verdichtet worden sei. Hinzukomme, dass in den Schacht noch Leitungen verlegt worden seien und aufgrund deren Verlegung in der Ausschachtung weniger Boden hätte verfüllt und verdichtet werden müssen als ausgeschachtet worden sei.

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Die Beklagte half dem Widerspruch nicht ab und erwiderte: Die Aussage in der Informationsveranstaltung sei so nicht getroffen worden, da der Grundstücksanschluss die Verbindung vom öffentlichen Kanal und der Grundstücksgrenze zum öffentlichen Verkehrsraum sei und die Beklagte grundsätzlich nicht auf privaten Grundstücken tätig werde. Die Firma Bi... sei im Ausschreibungsverfahren der günstigste Anbieter gewesen, man könne Einzelpositionen nicht isoliert betrachten. Auf Kosten der Beklagten sei der Sammelkanal um 17 m verlängert worden. Der neue Anschluss des Klägers habe eine Länge von nur 5,20 m, der alte habe eine Länge von 17 m gehabt. Durch die Verkürzung der Anschlussleitung habe der Kläger die Aufwendungen von 12 m Anschluss erspart. Zudem habe er nur den Aushub für 1 m³ zu zahlen, weil dessen Hausanschluss den Kanalgraben mit nutze. Hätte die Firma alles in Rechnung gestellt, dann wären Kosten für eine Leitung von 17 m und für Bodenaushub von 25 m³ erhoben worden. Auch sei dem Kläger der Rückbau, der normalerweise vom Eigentümer zu leisten sei, nur teilweise in Rechnung gestellt worden. Der Kanal sei weit über 40 Jahre alt und erneuerungsbedürftig gewesen. Die Verbindung der alten Steinzeugrohre an den neuen Kanal sei aus Altersgründen und aus technischer Sicht nicht vertretbar gewesen. Der angesprochene Fall in der Nachbarschaft sei nicht vergleichbar, dort sei der Grundstücksanschluss noch recht neu gewesen.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 2.12.2019 wies der Stadtrechtsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus: Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 KAG i.V.m. mit § 19 Abs. 1 Nr. 2a ESA seien der Beklagten die Aufwendungen für die erstmalige Herstellung und die Erneuerung der Grundstücksanschlüsse und Grundstücksentwässerungseinrichtungen innerhalb des öffentlichen Verkehrsraums in der tatsächlichen Höhe zu erstatten. Nicht nur die erstmalige Herstellung, sondern auch die Erneuerung eines Grundstücksanschlusses sei erstattungspflichtig, da die Anschlusspflicht nach § 6 Abs. 1 der Allgemeinen Entwässerungssatzung (AES) die Grundstückseigentümer nicht nur verpflichte, sich an die Anlage anzuschließen, sondern auch, an die Anlage angeschlossen zu bleiben. Dieser Verpflichtung, den Anschluss dauerhaft aufrechtzuerhalten, könnten die Grundstückseigentümer nur nachkommen, wenn der Anschluss durch notwendige Maßnahmen der Erneuerung funktionsbereit bleibe (vgl. § 17 Abs. 4 AES). Die Beklagte habe die durchgeführten Arbeiten zutreffend als Erneuerung des Grundstücksanschlusses im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 2a ESA eingeordnet. Dessen Nutzungsdauer sei mit weit mehr als 40 Jahren überschritten. Die ursprünglich vorhandenen Steinzeugrohre entsprächen nicht mehr dem Stand der Technik. Demnach sei die Beklagte dem Grunde nach berechtigt, die ihr entstandenen Kosten für die Erneuerung des Grundstücksanschlusses innerhalb des öffentlichen Verkehrsraums im Wege der Kostenerstattung gegenüber dem Kläger geltend zu machen. Hinsichtlich der Höhe der erstattungsfähigen Aufwendungen seien keine Fehler ersichtlich. Das Argument, dass die Position "Verkehrsflächen absperren aufstellen, räumen" mehrfach abgerechnet worden sei, sei nicht schlüssig dargelegt. Baustellen seien zwingend und generell abzusichern. Resultierend aus der Verkehrssicherungspflicht müssten geeignete Maßnahmen zur Gefahrenverhütung getroffen werden. Dies beinhalte, dass die Gefahrenstellen entsprechend abgesichert würden, insbesondere die offenen Gräben, damit niemand hineinfalle. Hierzu gehöre auch das sichere Überqueren derselben. Dementsprechend müssten die offen gelegten Hausanschlüsse jeweils gesichert werden, so dass diese Kosten bei jedem Kostenpflichtigen angefallen seien. Die Behauptung, dass mehr Boden verfüllt, als ausgeschachtet worden sei, könne nicht nachvollzogen werden. Ausweislich der Massenberechnung habe die Firma B... 1 m³ ausgeschachtet und wieder verfüllt. Da bereits vor Beginn dieser Arbeiten der Straßenunterbau anderweitig beseitigt worden sei, bestünden keine Bedenken gegen die errechneten Mengen.

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Nach Zustellung des Widerspruchsbescheids am 5.12.2019 hat der Kläger am 6.1.2020, einem Montag, die vorliegende Klage erhoben.

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Der Kläger trägt ergänzend vor: Die Straße "Im F..." sei in der Vergangenheit mit schweren Fahrzeugen befahren worden, obwohl sie hierfür nicht ausgelegt gewesen sei. Infolge der hierdurch verursachten Absenkung des Straßenniveaus sei auch der Kanalanschluss des Klägers schon einmal erneuert worden. Da der erneuerte Hausanschluss funktionsfähig und lediglich 10 Jahre alt gewesen sei, habe kein Erneuerungsbedarf bestanden. Die Leitung, die Gegenstand des benannten Zivilprozesses gewesen sei, sei von der Beklagten vollständig erneuert worden. Die Erwägungen der Zivilgerichte seien auf den vorliegenden Fall übertragbar. Dass die Beklagte sich im Zuge der Erneuerung der Straße auch zur Erneuerung der dort verlegten Leitungen entschlossen habe, sei deren Entscheidung gewesen. Die von der Beklagten genannten Gründe für die Verlegung der bisherigen Kanalleitung fielen nicht in seine - des Klägers - Verantwortungssphäre. Auch die Verlegung des bisherigen Hausanschlusses sei nicht von ihm veranlasst worden. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die ursprüngliche Leitung in seinem Eigentum stehen solle. Auch das LG Frankenthal habe ausgeführt, dass die rechtlichen und tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeiten auf diese Leitung allein bei der Beklagten gelegen hätten. Er bestreite, dass der frühere Anschluss als Privatkanal/verlängerter Hausanschluss verlegt worden sei. Dieser sei vielmehr ordnungsgemäß abgenommen und genehmigt worden und Teil der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage gewesen. Ansonsten hätte der Bau nicht genehmigt und kein Abwasser in den Kanal eingeleitet werden dürfen. Die von der Beklagten vorgelegte Baugenehmigung betreffe nicht sein Grundstück. Eine Kostentragungspflicht zu seinen Lasten bestehe mit Blick auf § 16 Abs. 6 AES nicht.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 23.10.2017 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 2.12.2019 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie erwidert ergänzend: Der Mischwasserkanal in der Straße "Im F..." habe an der südwestlichen Ecke des Anwesens "Im F..." (Grundstück Flur-Nr. .../..) geendet, weil die Grundstücke Im Falkenhorst 13 und 15 damals noch über eine Dreikammerfaulgrube verfügt hätten. Diese sei auch Gegenstand der damaligen Baugenehmigung für das Doppelhaus gewesen. Die Baugenehmigung habe auch das Grundstück des Klägers betroffen. Denn als Bauherren seien zwar J...L... und M... G... angeführt, die nicht namensgleich mit dem Verkäufer seien, der das Grundstück an den Kläger veräußert habe. Allerdings sei die damalige Verkäuferin eine geborene L.... Die Bebauung mit einem Doppelhaus sei damals also "in der Familie" erfolgt. Nach Aufgabe der Dreikammerfaulgrube sei der Hausanschluss an den damaligen Anschlussschacht ... des ursprünglichen Mischwasserkanals parallel zu den Grundstücksgrenzen im öffentlichen Verkehrsraum, damals als "Privatkanal" (verlängerter Hausanschluss) verlegt worden. Der verlängerte Hausanschluss aus Steinzeug oder Beton sei an den Verbindungsstellen der einzelnen Teile entweder textil oder mittels Teermaterials gemufft gewesen. Diese Leitung sei zu keinem Zeitpunkt von der Beklagten abgenommen worden und habe sich auch nicht im Anlagen- bzw. Vermögensverzeichnis befunden. Im Mai 2006 sei vom Kläger eine Absenkung der Straßendecke vor seinem Grundstück gemeldet worden. Die Reparaturarbeiten im Jahr 2006 hätten ergeben, dass schadensursächlich für eine Straßenabsenkung ein privat, also nicht von der Beklagten bzw. dem ESN in nur 40 cm Tiefe, demgemäß unsachgemäß verlegtes Regenfallrohr - DN 100 - gewesen sei, das vom Grundstück des Klägers in die Straßenhauptleitung geführt und der Dachentwässerung gedient habe. Repariert worden sei lediglich eine Teilstrecke von 1 m. Im Jahr 2006 sei also lediglich eine Maßnahme an dem ungenehmigten und unsachgemäß verlegten Regenwasseranschluss erfolgt. Der "Privatkanal" (verlängerter Hausanschluss) sei 2006 (oder danach bis 2016) weder erneuert noch repariert worden. Genauso wenig habe bis 2016 eine bauliche Maßnahme am Mischwasserkanal im öffentlichen Verkehrsbereich stattgefunden. Die Reparatur im Jahr 2006 habe keinen ordnungsgemäßen Hausanschluss hergestellt, da ausweislich der Rechnung der Firma F... im Bereich der Zusammenführung der einzelnen Rohre aus dem Anwesen der Kläger lediglich ein Rohr mit der Nennweite von DN 100 eingebaut worden sei. Die Satzung schreibe allerdings eine Nennweite von DN 150 vor. Wegen der Länge des Hausanschlusses wäre eigentlich sogar eine Nennweite von DN 200 erforderlich gewesen. In 2016 sei in der gesamten Straße "Im F..." ein neuer Mischwasserkanal bis zur südöstlichen Ecke des Grundstücks des Klägers und abweichend vom Verlauf des früheren Kanals verlegt worden. Der neue Kanal ende mit dem neuen Schacht 93560. Der alte Hausanschluss habe schon wegen Materialunverträglichkeit nicht unmittelbar mit dem neuen Mischwasserkanal aus Polypropylen (PP) verbunden werden können. Die Herstellung lediglich eines Teils des alten Hausanschlusses in PP und dessen Verbindung mit dem alten Hausanschluss aus Steinzeug oder Beton wäre, wenn überhaupt technisch zulässig, mindestens genauso kostenaufwändig gewesen wie der neue Hausanschluss zum neuen Mischwasserkanal. Der Verlauf des neuen Mischwasserkanals aus PP - mittig in der Straße - entspreche dem Stand der Technik. Die neue Linienführung sei gewählt worden, um die generelle Versorgung mit Wasser, Strom etc. der Anlieger aufrechtzuerhalten. Der Kanal sei aufgrund neuer Richtlinien insbesondere in Bezug auf den Verlauf von Gas und Wasser notwendig gewesen.

Die vom Kläger angeführte Eigentümerin des Grundstücks "Im F..." habe einen Anschluss gehabt, der aufgrund seines im Vergleich zu dem des Klägers deutlich geringeren Alters (ca. 30 Jahre) habe repariert werden können. Es habe sich bereits um einen Anschluss aus PP gehandelt, der mit dem neuen Mischwasserkanal aus PP technisch kompatibel gewesen sei. Insbesondere wegen dessen Alters sei die Grundstückseigentümerin nicht zu einem Aufwendungsersatz herangezogen worden. Daher sei die Beklagte in Bezug auf das Grundstück Im F... nicht von einer Erneuerung ausgegangen.

Der Anspruch auf Aufwendungsersatz für die Erneuerung des Hausanschlusses sei damit nach § 19 Abs. 1 Nr. 2a ESA berechtigt. Es handle sich bei dem Hausanschluss um eine Grundstücksanschlussleitung im öffentlichen Verkehrsraum. Eine Erneuerung sei nach KVR-Leitlinie (Leitlinien zur Durchführung dynamischer Kostenvergleichsrechnungen) 50 - 80 (100)a der LAWA das vollständige (Wieder-)Herstellen einer Leitung, wohingegen es bei einer Reparatur nach KVR 2 - 15a um eine Maßnahme gehe, bei der der überwiegende Teil eines Kanalabschnitts oder eines Hausanschlusses unverändert bleibe. Zur Definition der Erneuerung verweise sie auf DIN EN 752 und das DWA-Merkblatt 143-1. Erstattungspflichtig sei der Kläger als Grundstückseigentümer (§ 19 Abs. 3 ESA). Der neue Hausanschluss sei Bestandteil der öffentlichen Einrichtung Abwasserbeseitigung der Beklagten; er liege im öffentlichen Verkehrsraum. Die Straße "Im F..." sei auch vor den Grundstücken "Im F..." neu hergestellt worden. Wäre es im Verlauf des alten Hausanschlusses aus den 1960er Jahren zu einem Schaden gekommen, hätte die gerade neu hergestellte Straße geöffnet werden müssen. Dieses Risiko habe die Beklagte vermeiden wollen. Unabhängig davon seien aufgrund der Abnutzung in absehbarer Zeit verschleißbedingte Störungen zu erwarten gewesen, die die unschädliche Abwasserbeseitigung gefährdet hätten. Der Kläger nehme nicht zur Kenntnis, dass 2006 lediglich 1 m der weiteren Anschlussleitung zur Ableitung des Regenwassers repariert worden sei. Der verlängerte Hausanschluss sei hiervon nicht betroffen gewesen. Der Träger der Abwasserbeseitigung dürfe nach seinem Ermessen eine Erneuerung vornehmen, wenn die Anlage verschlissen und/oder zumindest die übliche Nutzungszeit abgelaufen sei. Maßgeblich sei nach der Rechtsprechung allein, ob sich diese Entscheidung noch im Rahmen des Vertretbaren bewege. Dabei komme es nicht darauf an, ob ein Hausanschluss z.B. bereits ge-/zerbrochen sei und Abwasser einschließlich Niederschlagswasser in das Erdreich austrete. Das Urteil des AG Neustadt a.d.W. vom 28.10.2009 entfalte keine Bindungswirkung l für das anhängige verwaltungsgerichtliche Verfahren. § 16 Abs. 6 AES, der Änderungen und Unterhaltungsarbeiten betreffe, sei nicht heranzuziehen, denn § 16 Abs. 10 Satz 2 AES verweise auf die hier einschlägige Anspruchsgrundlage des § 19 Abs. 1 Nr. 2a ESA. Der Anspruch auf Aufwendungsersatz für die Erneuerung des Hausanschlusses mit einer Nennweite von DN 150 sei auch der Höhe nach berechtigt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts-, Widerspruchs- und Verwaltungsakte verwiesen. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Anfechtungsklage ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 23.10.2017 und der Widerspruchsbescheid vom 2.12.2019 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

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Dabei geht das Gericht davon aus, dass die Beklagte zu Recht einen Erstattungsanspruch wegen der Erneuerung eines zuvor bestehenden Grundstücksanschlusses im öffentlichen Verkehrsraum geltend macht (A). Selbst wenn man aber (hilfsweise) unterstellt, dass die von den Voreigentümern verlegte 17 m lange Leitung lediglich ein Provisorium war, ändert sich an der Erstattungspflicht des Klägers nichts, denn es liegt dann ein Fall der erstmaligen Herstellung einer Grundstücksleitung vor, die gleichfalls einen Erstattungsanspruch in der hier geltend gemachten Höhe auslöst (B).

(A)

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Der angefochtene Bescheid, mit dem die Beklagte den Ersatz von Aufwendungen für die Erneuerung der Abwasserhausanschlussleitung des Anwesens des Klägers verlangt, findet seine Rechtsgrundlage in § 13 Abs. 1 Satz 1 KAG i.V.m. § 16 Abs. 10 Satz 2 AES i.V.m. §§ 1 Abs. 5a und 19 Abs. 1 Nr. 2a ESA.

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Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 KAG können die kommunalen Gebietskörperschaften bestimmen, dass ihnen die Aufwendungen für die Herstellung von Grundstücksanschlüssen, die Herstellung zusätzlicher Grundstücksanschlüsse und die Erneuerung von Grundstücksanschlüssen an leitungsgebundene Anlagen sowie Aufwendungen für Änderungs- und Unterhaltungsmaßnahmen, die von den Erstattungspflichtigen verursacht wurden, in der tatsächlich entstandenen Höhe, als Pauschalbetrag oder als Pauschalsatz je laufendem Meter erstattet werden. Von dieser gesetzlichen Ermächtigung hat die Beklagte in § 19 Abs. 1 Nr. 2a ESA dergestalt Gebrauch gemacht, dass ihr die Aufwendungen nicht nur für die Herstellung, sondern auch für die Erneuerung aller für ein Grundstück vorhandenen Grundstücksanschlüsse innerhalb des öffentlichen Verkehrsraum in der tatsächlichen Höhe zu erstatten sind. Erstattungspflichtig ist dabei gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 KAG i.V.m. § 19 Abs. 3 ESA, wer bei Fertigstellung der Maßnahme Eigentümer oder dinglich Nutzungsberechtigter des Grundstücks ist.

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Dementsprechend konnte die Beklagte mit Bescheid vom 23.10.2017 vom Kläger Aufwendungsersatz in der festgesetzten Höhe verlangen, denn er ist gemäß § 19 Abs. 3 AES als (Mit-)Eigentümer des Grundstücks "Im F..." der Beklagten in tatsächlicher Höhe erstattungspflichtig, weil es sich bei der Maßnahme um die Erneuerung eines Grundstücksanschlusses im öffentlichen Verkehrsraum im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 2a Satz 1 ESA handelt.

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1) Die von der Firma B... im Auftrag der Beklagten verlegte 5,2 m lange Leitung ist eine Grundstücksanschlussleitung, denn sie verläuft von der nunmehr bis in den Bereich des klägerischen Grundstücks verlegten Straßenleitung bis zur Grundstücksgrenze (vgl. § 2 Abs. 2a, Abs. 4 AES).

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2) Die neu verlegte Grundstücksanschlussleitung diente der Erneuerung der zuvor verlegten 17 m langen, mit Betonrohren oder Steinzeug ausgeführten überlangen Hausanschlussleitung (vgl. §§ 4 Abs. 1; 16 Abs. 10 Satz 1 AES). Diese verband seit den frühen 1960er Jahren - nach Aufgabe einer Dreikammerfaulgrube auf dem Grundstück des Klägers - das Anwesen "Im F..." mit dem nächstgelegenen Abwasserstutzen 93560 am südwestlichen Bereich des Nachbargrundstücks "im F...", an dem auch die damals vorhandene Abwassersammelleitung endete. Zwar haben die Beteiligten keine gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AES nach heutiger Satzungslage erforderliche Genehmigung für einen solchen überlangen Hausanschluss vorgelegt. Ebenso fehlt eine Kostenübernahmeerklärung der Voreigentümer des klägerischen Grundstücks. Dies steht aber in Anbetracht des seit der Leitungsverlegung verstrichenen Zeitraums sowie des Eigentümerwechsels, bei dem möglicherweise auch ältere Unterlagen nicht übergegangen sind, der lebensnahen Annahme nicht entgegen, dass mangels einer an das Grundstück des Klägers herangeführten Abwassersammelleitung den Voreigentümern durch die Verlegung eines überlangen Hausanschlusses die Möglichkeit eröffnet wurde, ihr Abwasser statt wie zuvor über eine Dreikammerfaulgrube, nun mittels Hausanschlussleitung an den alten Abwasserstutzen 93560 anzuschließen. Die Tatsache, dass der Eigentümer des Anwesens "Im F..." entsprechend dieser Rechtslage die Kosten der ersten Herstellung des Grundstücksanschlusses möglicherweise selbst getragen hat, lässt die grundsätzliche Erstattungspflicht im Falle der Erneuerung des Anschlusses unberührt. Dies gilt auch für den Umstand, dass für dieses Anwesen möglicherweise in den vergangenen Jahrzehnten Abwassergebühren und wiederkehrende Abwasserbeiträge bezahlt wurden, denn die Beklagte hat von der Möglichkeit des § 13 Abs. 1 Satz 2 KAG, wonach die Kosten für die Herstellung und Erneuerung von Grundstücksanschlüssen im öffentlichen Verkehrsraum in die Gebühren und Beiträge einbezogen werden können, in den §§ 1 Abs. 5a, 9 Abs. 1 und 19 ESA gerade keinen Gebrauch gemacht.

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3) Der hiergegen gerichtete Einwand des Klägers, dass nach seiner Einschätzung die in den frühen 1960er Jahren verlegte Leitung als regulärer Abwasserkanal - und nicht als Hausanschlussleitung - verlegt worden sei, greift nicht durch. Denn nach den unbestrittenen Darlegungen der Beklagten und den vorgelegten Plänen existierte bis 2016 keine Abwassersammelleitung im Bereich des klägerischen Grundstücks, auch nicht in Gestalt der 17 m langen Beton- oder Steinzeugleitung. Dies ergibt sich zunächst aus dem Bauantrag aus dem Jahr 1959, wo als Entwässerungsart für das Grundstück des Klägers eine Dreikammerfaulgrube angeführt ist. Diese vermittelte dem Grundstück zunächst eine ordnungsgemäße Entwässerung. Die Beklagte hat mit Hinweis auf die verwandtschaftlichen Verhältnisse zum damaligen Zeitpunkt schlüssig dargelegt, dass diese Baugenehmigung auch das Anwesen "Im F..." betraf. Weiter belegt der zur Verwaltungsakte genommene Bestandsplan, dass bis 2016 eine öffentliche Abwassersammelleitung in Gestalt einer Steinzeugleitung nur bis zu dem alten Abwasserstutzen 93560 am südwestlichen Ende des Grundstücks "Im F... " bestand. Projektiert war hingegen zu diesem Zeitpunkt die Verlegung einer Abwassersammelleitung aus Polypropylen - ausgeführt als Mischwasserkanal - bis zum südöstlichen Ende des klägerischen Anwesens sowie die Herstellung eines neuen Abwasserstutzens an dieser Stelle, ebenfalls mit der Stutzennummer .... Auch ein Bestandsplan vom November 2015 weist als Kanalbestand lediglich eine aus Steinzeug gefertigte Leitung bis zu dem alten Abwasserstutzen ..., nicht jedoch im Bereich des klägerischen Grundstücks aus. Ergänzend hat die Beklagte darauf verwiesen, dass östlich des alten Stutzens ... weder nach ihrem Entwässerungsplan, noch nach ihrem Vermögens- oder Anlageverzeichnis eine Leitung erfasst war. Dieser Umstand korrespondiert mit der Annahme, dass damals nur ein überlanger Hausanschluss, aber keine Abwassersammelleitung verlegt wurde. Denn das Fehlen dieser Leitung in den soeben erwähnten Unterlagen erscheint konsequent, weil nach der Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 19.9.2006 - 6 A 10506/06.OVG und Urteil vom 31.10.1996 - 12 A 13386/95.OVG) Grundstücksanschlüsse an leitungsgebundene Anlagen im öffentlichen Verkehrsraum - jedenfalls im Bereich der Abwasserbeseitigung - nicht Bestandteil der Entwässerungseinrichtung sind, wenngleich diese dennoch dem öffentlich-rechtlichen Kostenregime unterfallen.

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4) Weiter liegen hier auch die Voraussetzungen einer Erneuerungsmaßnahme vor.

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a) Unter den Begriff der Erneuerung fällt jede Wiederherstellung eines nach bestimmungsgemäßer Nutzung abgenutzten Anschlusses durch die Ersetzung der ganzen Leitung oder eines nicht unerheblichen Teils der Leitung. Die Beklagte hat die zuvor 17 m überlange Hausanschlussleitung entfernt und stattdessen eine 5,2 m lange Hausanschlussleitung verlegt. Die damit verbundenen Arbeiten gestalteten nicht lediglich die alte Leitung im Sinne einer nicht erstattungsfähigen Änderung um (vgl. hierzu: OVG RP, Urteil vom 29.6.2017 - 6 A 11639/16.OVG). Diese Maßnahme geht vielmehr quantitativ und qualitativ erheblich über die Reparatur oder Unterhaltung einer vorhandenen Leitung hinaus. Denn die neue Hausanschlussleitung unterscheidet sich von der bisherigen Leitung sowohl was die Länge und den Verlauf, als auch das Leitungsmaterial und die Dimensionierung (DN 150 statt bisher DN 100) betrifft. Die neue Leitung tritt somit funktional vollständig an die Stelle der in den 1960er Jahren verlegten Altleitung.

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b) Im Jahr 2016 bestand auch Erneuerungsbedarf.

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aa) Gemäß § 6 Abs. 1 AES ist jeder Anschlussberechtigte verpflichtet, sein Grundstück an die Abwasseranlage anzuschließen, wenn für das Grundstück eine betriebsfertige öffentliche Abwasseranlage hergestellt wurde und vorgehalten wird. Die Befolgung dieses Anschluss- und Benutzungszwangs setzt das Vorhandensein funktionstüchtiger Grundstücksanschlüsse voraus (vgl. § 16 AES). Bei der Entscheidung, ob und wann Kanalanschlussleitungen infolge Verschleißes einer Erneuerung bedürfen, hat die Gemeinde einen Einschätzungsspielraum. Als Folge ihrer kraft Gesetzes vorgegebenen Pflicht zur unschädlichen Beseitigung der im Gemeindegebiet anfallenden Abwässer (vgl. § 18a WHG) muss die Gemeinde die Abwasseranlage und die Grundstücksanschlussleitungen in einem technisch einwandfreien Zustand halten, um eine Störung der Ortsentwässerung möglichst zu vermeiden. Diese gesetzgeberische Zielsetzung gebietet es daher, dass eine Gemeinde Grundstücksanschlussleitungen nicht erst bei Eintreten eines Schadens erneuert, sondern bereits dann, wenn deren Zustand in absehbarer Zeit nach den Regeln der Entsorgungstechnik - etwa verschleißbedingte - Störungen erwarten lässt (vgl. OVG NRW, Urteil vom 8.2.1990 - 22 A 2053/88). Voraussetzung für eine Verschlissenheit ist also nicht, dass der Kanal auf Grund der Abnutzung nicht mehr bestimmungsgemäß genutzt werden kann. Vielmehr genügt, dass in absehbarer Zeit verschleißbedingte Störungen zu erwarten sind, die die unschädliche Abwasserbeseitigung gefährden (vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 17.3.2014 - 13 L 235/14). Erweisen sich also Anschlussleitungen für die unschädliche Abwasserbeseitigung als untauglich, z.B. weil sie schadhaft geworden sind oder (z.B. aus Altersgründen) in absehbarer Zeit untauglich zu werden drohen, und werden sie deshalb von der Gemeinde erneuert, so nimmt die Kommune Handlungen vor, die der ordnungsgemäßen Erfüllung der Anschlusspflicht an die gemeindliche Abwasseranlage dienen, und damit zum Pflichtenkreis des Grundstückseigentümers gehören und die ihn von der diesbezüglichen Last befreien. Dabei hat die Gemeinde bei der Frage, ob eine Grundstücksanschlussleitung erneuerungsbedürftig ist, einen Einschätzungsspielraum (zusammenfassend: VG NW, Urteil vom 9.2.2017 - 4 K 883/16.NW; VG Düsseldorf, Urteil vom 20.3.2009 - 5 K 4176/08). Damit ist die Verantwortung für die Feststellung der Erneuerungsbedürftigkeit nach der von § 13 KAG gedeckten Normstruktur der §§ 16 AES, 19 ESA der Gemeinde übertragen, wobei die Ermächtigungsnorm im Hinblick auf die erforderliche Prognoseentscheidung der Gemeinde eine Bandbreite von zulässigen Entscheidungsalternativen eröffnet. Die Prüfung der Gerichte beschränkt sich deshalb auf die Rechtmäßigkeit der aufgrund willkürfreier Ermittlungen vorgenommenen Bewertung durch die Gemeinde. Es ist dagegen nicht Aufgabe der Judikative, die der Exekutive zugewiesene Wertung durch eine eigene Prognose zu ersetzen. Die Rechtmäßigkeitsprüfung erfolgt dabei aus der Sicht ex ante. Es können also nur solche Umstände, Daten, Erfahrungssätze und Entwicklungstendenzen verwandt werden, die zum maßgeblichen Zeitpunkt (hier: der Entscheidung, die Altleitung zu ersetzen) vorlagen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den in den einschlägigen Richtlinien enthaltenen Angaben lediglich um Anhaltspunkte handelt, die keine starren Vorgaben oder gar Bindungen für den Einzelfall enthalten (vgl. zu den vorstehenden Ausführungen OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8.2.1990, a.a.O.). Dass eine Erneuerung i.S.d. § 13 Abs. 1 Satz 1 KAG im Allgemeinen erst nach Ablauf der Nutzungsdauer eines Grundstücksanschlusses in Betracht kommt, folgt nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Begriffe "Erneuerung" einerseits und "Änderung" andererseits. Dies ergibt sich aber aus dem vom Gesetzgeber mit der Bestimmung des § 13 Abs. 1 Satz 1 KAG verfolgten Zweck unter Berücksichtigung der normativen Risikoverteilung (OVG RP, Urteil vom 29.6.2017, a.a.O.).

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bb) Daran gemessen ist die Entscheidung der Beklagten, die Grundstücksanschlussleitung des Anwesens "Im F..." im Zuge der Straßenausbau- und Kanalarbeiten im Jahr 2016 zu erneuern, rechtlich nicht zu beanstanden.

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Die in den frühen 1960er Jahren des letzten Jahrhunderts verlegte Hausanschlussleitung war im Zeitpunkt ihrer Erneuerung über 50 Jahre alt. Damit war ihre reguläre Nutzungsdauer abgelaufen. Die für die Erneuerung anzusetzende betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt. So beträgt die übliche Nutzungsdauer nach VG Düsseldorf (Urteil vom 20.3.2009, a.a.O.) nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik bei Leitungen aus Steinzeug mit vorgefertigter Dichtung 120 Jahre, Steinzeugrohren ohne vorgefertigte Dichtung 80 Jahre, Gussrohren 50 Jahre, Betonrohren 40 Jahre, Kunststoff (Kanalgrundleitungsrohre) 50 Jahre und bei PE-HD Druckrohrleitungen 50 Jahre. Es sei, so dieses Gericht weiter, bei dieser Sachlage mithin sachgerecht, dass die Satzung einen Erneuerungsbedarf für Anschlussleitungen entsprechender Qualität nach 80 bzw. 50 Jahren vorsieht, um der Gefahr verschleißbedingt schädlicher Abwasserbeseitigung vorzubeugen. Nach OVG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 6.6.1997 - 9 A 5899/95) beträgt die übliche Nutzungsdauer bei Kanalleitungen 80 und bei sonstigen Bauwerken 50 Jahre. Das VG Gelsenkirchen (Urteil vom 13.1.2011 - 13 K 774/09) geht hingegen davon aus, dass die technische Lebensdauer von Abwasserkanälen für Haltungen aus Betonrohren, unterschieden nach ihrer jeweiligen Funktion, für Schmutzwasserkanäle auf 30-50 Jahre beträgt; Voraussetzung für eine Verschlissenheit ist nach dieser Entscheidung, dass der Kanal auf Grund der Abnutzung nicht mehr bestimmungsgemäß genutzt werden kann oder in absehbarer Zeit verschleißbedingte Störungen zu erwarten sind, die die unschädliche Abwasserbeseitigung gefährden. Das VG Gelsenkirchen führt dazu weiter aus, dass zur Ermittlung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer auf die der Vermögensbewertung dienenden Wertermittlungsrichtlinien des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zurückzugreifen sei. Das selbe Gericht hat später (Urteil vom 10.11.2016 - 13 K 3414/14) nochmals entschieden, dass die technische Lebensdauer von Abwasserkanälen für Haltungen aus Betonrohren, unterschieden nach ihrer jeweiligen Funktion, für Schmutzwasserkanäle auf 30-50 Jahre und für Regenwasserkanäle auf 40-60 Jahre festgesetzt wird. Das OVG Rheinland-Pfalz ging jedenfalls bei einem Mischwasserkanal nach 44 Jahren vom Ablauf der üblichen Nutzungsdauer aus (OVG RP, Beschluss vom 29.6.2007 - 6 B 10418/07.OVG). Das OVG Rheinland-Pfalz tendiert in einer weiteren Entscheidung (Urteil vom 29.6.2017 - 6 A 11639/16.OVG) bei Hausanschlüssen zur Auffassung, dass bei einer technischen Abnutzung der Anschlussnehmer die Erneuerungskosten ebenso tragen soll, wie im Fall der erstmaligen Herstellung, und zwar unabhängig davon, ob bereits 40 Jahre seit der Installation des Grundstücksanschlusses verstrichen sind. Bei der anzusetzenden Nutzungsdauer geht das OVG Rheinland-Pfalz danach offenbar von 40 Jahren aus. Dieser Auffassung folgt die erkennende Kammer auch mit Blick auf die zur Bekräftigung herangezogene Regelung in § 37 KAG 1986. Dort ging der rheinland-pfälzische Gesetzgeber bei Hausanschlüssen von einer üblichen Nutzungsdauer von 40 Jahren aus. Für diese Auffassung spricht der Gedanke der Rechtskontinuität und Rechtssicherheit.

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cc) Selbst wenn der Ablauf der gewöhnlichen Nutzungsdauer einer Hausanschlussleitung allein nicht als Grund für deren Erneuerung angesehen würde, ist die Entscheidung der Beklagten die Altleitung zu erneuern, mit Blick auf die Besonderheiten des vorliegenden Falls rechtlich nicht zu beanstanden. Denn die Beklagte hat zutreffend darauf verwiesen, dass die Erneuerung jedenfalls der über 50 Jahre alten Hausanschlussleitung vertretbar erscheint. Denn deren Anschluss an die neuverlegte Polypropylen-Leitung war materialbedingt nicht mehr ohne Zusatzaufwand möglich. Zudem war die alte Leitung teilweise mit 100 DN nicht hinreichend dimensioniert. Außerdem erneuerte die Beklagte 2016 nicht nur die Hausanschlussleitungen, sondern führte ihre bisher nur bis zum südwestlichen Bereich der Fnr. .../... reichende Kanalleitung bis zum Grundstück des Klägers fort. Sie versetzte zudem den Abwasserstutzen von der Fnr. ..../.. weg in den östlichen Bereich auf Höhe des klägerischen Grundstücks. Zugleich erfolgte auch noch der Ausbau der Verkehrsanlage "Im F...". Gerade im Ausbaubeitragsrecht ist anerkannt, dass der Straßenbaulastträger Kanalarbeiten zum Anlass nehmen kann, bei Ablauf der Nutzungsdauer der Verkehrsanlage diese zeitgleich mit den Leitungsarbeiten auszubauen (OVG RP, Urteil vom 11.5.2020 - 6 A 11143/19.OVG; Beschluss vom 23.6.2010 - 6 A 10399/10.OVG; Urteil vom 14.3.2008 - 6 A 11227/08.OVG; Beschluss vom 25.2.2000 - 6 B 10257/00.OVG; Urteil vom 13.10.1992 - 6 A 12299/91.OVG). Diese Erwägung gilt freilich auch im umgekehrten Fall der Kombination von Leitungs- und Straßenbauarbeiten. Demnach ist nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte zur Vermeidung erneuter Ausschachtungs- und Leitungsarbeiten, bei Gelegenheit der Straßenausbauarbeiten und der Verlängerung und Umplanung ihrer Kanalleitung, in der Straße "Im F..." jedenfalls die Hausanschlussleitungen erneuert, die ein fortgeschrittenes Alter (hier über 50 Jahre) erreicht hatten, nicht hinreichend dimensioniert waren und aufgrund unterschiedlicher Materialien nicht mit normalem Aufwand an die Kanalleitung angeschlossen werden konnten. Zuletzt ist die Erneuerungsentscheidung der Beklagten auch deshalb nicht zu beanstanden, weil eine von den Voreigentümern des klägerischen Grundstücks im öffentlichen Verkehrsraum verlegte Dachentwässerungsleitung eine Leckage ausgewiesen hatte, die 2006 zur Ausspülung und Absenkung der Straßenfläche geführt hatte. Der Kläger hatte dies auf ein Befahren der Straße durch einen Tanklastwagen zurückgeführt. Vor diesem Hintergrund war es nicht sachwidrig, die 17 m lange Leitung anlässlich der geschilderten umfangreichen Arbeiten an der Kanalisation und an der Verkehrsfläche zu erneuern, bevor auch diese Leckagen aufweist.

34

Damit bleibt festzuhalten, dass mit Blick auf die Besonderheiten des vorliegenden Falls die Beklagte nicht verpflichtet war, mit der Erneuerung der Anschlussleitung zuzuwarten, bis diese nicht mehr funktionstüchtig wird.

35

dd) Der Kläger kann schließlich nicht mit Erfolg darauf verweisen, seine Hausanschlussleitung sei bereits im Jahr 2006 erneuert worden, womit eine Erneuerung im Jahr 2016 nicht erforderlich gewesen sei. Hierbei verkennt der Kläger, dass Gegenstand der Reparaturarbeiten im Jahr 2006 - ausweislich der Rechnung der Firma Faust vom 14.9.2006 - nicht der 2016 erneuerte Hausanschluss, sondern eine weitere - wohl von den Voreigentümern verlegte - Leitung war, die der Fortleitung des von den Dachflächen abfließenden Niederschlagswassers diente. Diese weitere Leitung wurde zudem nur auf einer Länge von 1 m repariert und damit nicht erneuert.

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5) Sollte die ursprüngliche Hausanschlussleitung nicht von der Beklagten, sondern von den Grundstückseigentümern auf deren Kosten verlegt worden sein, ist dies im Hinblick auf die hier streitgegenständliche Erstattungspflicht unerheblich. KAG und ESA sehen nämlich einen Aufwendungsersatz des Grundstückseigentümers nicht nur für die Erneuerung, sondern auch für die Herstellung von Grundstücksanschlüssen vor (VG NW, Urteil vom 9.2.2017, a.a.O.). Sollte die 17 m lange Leitung also nicht als Hausanschlussleitung verlegt und genehmigt gewesen sein, läge in diesem Fall im Jahr 2016 eine erste Herstellung einer Hausanschlussleitung vor, die gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 KAG i.V.m. § 16 Abs. 10 Satz 2 AES i.V.m. §§ 1 Abs. 5a und 19 Abs. 1 Nr. 2a ESA ebenfalls den hier streitigen Erstattungsanspruch begründet.

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6) Schließlich begegnet auch die Höhe des geltend gemachten Aufwendungsersatzes keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

38

a) Der Erstattungsanspruch des § 13 Abs. 1 Satz 1 KAG stellt einen öffentlich-rechtlichen Anspruch eigener Art dar, der in der Sache mit dem Aufwendungsersatzanspruch eines auftragslosen Geschäftsführers gemäß §§ 683, 670 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – vergleichbar ist. Diese Bestimmungen sind daher auf den geltend gemachten Erstattungsanspruch mit Einschränkungen entsprechend anwendbar. Eine Geschäftsführung ohne Auftrag verpflichtet den Geschäftsherrn nach § 670 BGB (nur) zum Ersatz solcher Aufwendungen, die der Geschäftsführer den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Diese Begrenzung der Erstattungspflicht durch das Merkmal der Erforderlichkeit ist nicht gleichbedeutend mit dem beitragsrechtlichen Grundsatz, dass nur der erforderliche Aufwand beitragsfähig ist. Wenngleich im Erschließungsbeitragsrecht der Gemeinde bei der Beurteilung der Angemessenheit von Kosten ein weiter Entscheidungsspielraum zugebilligt wird, der durch die Erforderlichkeit begrenzt wird, und ein solcher auch im Ausbaubeitragsrecht anerkannt ist, gilt dies nicht in gleicher Weise für Aufwendungen, die der Geschäftsführer in analoger Anwendung des § 670 BGB den Umständen nach für erforderlich halten darf. Denn die Erstattungspflicht des Grundstückseigentümers für einen Hausanschluss unterscheidet sich in wesentlicher Hinsicht von der Erhebung von Beiträgen. Während die letztgenannten errechnet werden, indem man den beitragsfähigen Aufwand nach einem vorteilsorientierten Maßstab verteilt, bedeutet Erstattung von Aufwendungen, dass die Kosten, die für ein bestimmtes Grundstück angefallen sind, in der tatsächlich entstandenen Höhe ersetzt werden. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass der Erstattungsanspruch – anders als der Beitrag – nicht durch einen Gemeindeanteil gemindert wird, der erwarten lässt, der kommunale Entscheidungsträger werde sich schon im finanziellen (Eigen-)Interesse der Gemeinde an den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit halten. Eine solche Erwartung wird nicht in jedem Falle auch dann bestehen, wenn von der abwasserbeseitigungspflichtigen Gemeinde verursachte Kosten ausschließlich von den Grundstückseigentümern getragen werden müssen. Da sich die Kosten von Baumaßnahmen, die nicht beitragsfinanziert, sondern in vollem Umfang erstattet verlangt werden, mithin unmittelbar auf die Höhe der Geldleistungsforderung des Herangezogenen auswirken, muss eine Kommune in einem solchen Fall die Interessen des Erstattungspflichtigen in besonderer Weise bei der Beurteilung der Erforderlichkeit kostenverursachender Maßnahmen berücksichtigen (OVG RP, Urteil vom 14.7.2015 - 6 A 11179/14.OVG, m.w.N.).

39

b) Diesen Vorgaben wird die Höhe des hier streitigen Erstattungsanspruchs gerecht.

40

aa) So hat die Beklagte, ohne dass dem der Kläger substantiiert widersprochen hat, dargelegt, dass die Firma B... nach einer vorausgegangenen Ausschreibung das günstigste Gesamtangebot unterbreitet hat.

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bb) Weiter hat der Stadtrechtsausschuss der Beklagten in seinem Widerspruchsbescheid vom 2.12.2019 überzeugend ausgeführt, weshalb für jede Anschlussstelle Absperrkosten i.H.v. 165 € in Ansatz gekommen sind. Hierauf kann gemäß § 117 Abs. 5 VwGO verwiesen werden.

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cc) Auch besteht keine signifikante Diskrepanz zwischen der Menge des berechneten Aushubs und dem wieder eingebauten Füllmaterial. Beide Ansätze finden sich in der Rechnung der Firma B.... mit 2 m³.

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dd) Schließlich wurde dem Kläger auch nur der Aufwand für "seine" 5,2 m lange Hausanschlussleitung in Rechnung gestellt.

44

7) Die Heranziehung des Klägers zur Aufwandserstattung verstößt nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 Grundgesetz). Die Beklagte hat auf den Vorhalt des Klägers, eine Nachbarin sei nicht zur Aufwandserstattung herangezogen worden, im Einzelnen ausgeführt, dass deren Hausanschlussleitung noch deutlich jünger als diejenige des Klägers gewesen sei und die Beschaffenheit der Hausanschlussleitung der Nachbarin mit der öffentlichen Kanalleitung kompatibel gewesen sei. Dem ist der Kläger zwar entgegengetreten. Selbst aber, wenn bei der Nachbarin ebenfalls die Voraussetzungen für eine Erneuerung der Hausanschlussleitung vorgelegen hätten, machte dies die Heranziehung des Klägers zu den streitigen Aufwendungen nicht rechtswidrig.

(B)

45

Selbst wenn das Gericht hier (hilfsweise) davon ausgeht, dass die in den frühen 1960ern verlegte Leitung kein überlanger Hausanschluss war, ändert sich am Ausgang des vorliegenden Verfahrens nichts. Es liegt in diesem Fall im Jahr 2016 eine erste Herstellung einer Hausanschlussleitung vor, die gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 KAG i.V.m. § 16 Abs. 10 Satz 2 AES i.V.m. §§ 1 Abs. 5a und 19 Abs. 1 Nr. 2a ESA ebenfalls den hier streitigen Erstattungsanspruch begründet.

46

Denn qualifiziert man die damals verlegte 17 m lange Leitung als Provisorium i.S.d. heutigen § 4 Abs. 3 AES, so verfügte das Anwesen des Klägers bis zur Herstellung der im Jahr 2016 verlegten 5,2 m langen Hausanschlussleitung noch über keinen ordnungsgemäßen Hausanschluss an einen öffentlichen Abwasserkanal. Für diese Annahme spricht die Ausführung der damals verlegten Leitung mit textilen und teerhaltigen Muffen, was als Abdichtungsmix bei einer einheitlichen Leitung für dessen provisorische Beschaffenheit spricht. Für diesen rechtlichen Ansatz und gegen die Annahme der Verlegung eines öffentlichen Abwasserkanals bereits in den 1960er Jahren im maßgeblichen Bereich sprechen ebenfalls die unter A Punkt 3 des vorliegenden Urteils niedergelegten Erwägungen. Hinzukommt, dass die Unterhaltung, Änderung und Erneuerung des Provisoriums dem Grundstückseigentümer obliegen (§ 4 Abs. 3 Satz 2 AES), was erklärt, weshalb diese Leitung nicht als öffentliche Leitung im Bestands- und Vermögensverzeichnis der Beklagten aufgeführt war.

47

Schlussendlich verweist das erkennende Gericht darauf, dass die angeführten zivilrechtlichen Entscheidungen zur früheren Dachentwässerungsleitung des Klägers für die öffentlich-rechtliche Bewertung der hier streitigen Maßnahme nicht verbindlich sind (vgl. LG FT, Urteil vom 24.3.2010 - 2 S 392/09 und AG NW, Urteil vom 28.10.2009 - 4 C 374/07). Die zivilgerichtlichen Urteile enthielten sich dezidiert einer öffentlich-rechtlichen Bewertung, weil damals - anders als es die Satzungslage eröffnete - kein Bescheid der Beklagten gegen den Kläger ergangen war, der im zivilgerichtlichen Verfahren u.U. hätte mitgeprüft werden müssen. Die Rechtslage nach Haftpflichtversicherungsgesetz oder nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches ist dabei, anders als vor den Zivilgerichten, vorliegend nicht maßgeblich, sondern allein die Vorgaben des § 13 Abs. 1 KAG und die mehrfach zitierten satzungsrechtlichen Bestimmungen.

48

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

49

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt den §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.

Beschluss

50

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.730,91 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

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