Beschluss vom Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße (1. Kammer) - 1 L 1037/20.NW

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 20. November 2020 gegen die in Nr. 2 des Bescheides des Antragsgegners vom 16. November 2020 verfügte Aufforderung zur Ablieferung seines Führerscheins wird wiederhergestellt. Im Übrigen werden die Anträge abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Streitwert wird auf 5000,00 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 20. November 2020 gegen die sofort vollziehbar erklärten Verfügungen in Nrn. 1 und 2 des Bescheides des Antragsgegners vom 16. November 2020 hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen war er abzulehnen (siehe dazu unten I.).

2

Ebenso war der vom Antragsteller gestellte Antrag, ihm unverzüglich einen neuen Führerschein der Klasse B und L auszustellen, abzulehnen (siehe dazu unten II.).

3

I. a) Der gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – statthafte Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die in Nr. 1 des Bescheides des Antragsgegners vom 16. November 2020 verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis der Klassen B und L, Kartennummer .. ausgestellt am 5. Juli 2017 durch das Landratsamt Karlsruhe, wiederherzustellen, hat keinen Erfolg.

4

Die nach § 80 Abs. 5 VwGO vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung fällt hier zulasten des Antragstellers aus. Die in Nr. 1 des Bescheides des Antragsgegners vom 16. November 2020 verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers erweist sich bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig und es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an ihrer sofortigen Durchsetzung.

5

Der Antragsgegner hat den Sofortvollzug bezüglich der Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 4 VwGO in einer den formellen Erfordernissen des § 80 Abs. 3 VwGO genügenden Weise in dem angefochtenen Bescheid vom 16. November 2020 schriftlich begründet.

6

Die in Nr. 1 des Bescheides vom 16. November 2019 verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis ist bei der im Eilverfahren allein möglichen, aber gebotenen summarischen Prüfung formell und materiell offensichtlich rechtmäßig.

7

Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis bestehen nicht, insbesondere wurde der Antragsteller vor Erlass des Bescheides vom 16. November 2019 mit Schreiben des Antragsgegners vom 7. Oktober 2020 zu der beabsichtigten Fahrerlaubnisentziehung angehört.

8

Die Fahrerlaubnis wurde dem Antragsteller auch materiell rechtmäßig entzogen. Die Rechtsgrundlagen dafür sind hier § 3 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG –, § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnisverordnung – FeV – i. V. m. § 11 Abs. 8 FeV. Danach ist die Verwaltungsbehörde verpflichtet, die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Von der fehlenden Fahreignung kann die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 Abs. 8 FeV ausgehen, wenn der Betroffene ein angefordertes ärztliches oder medizinisch-psychologisches Gutachten ohne zureichenden Grund nicht oder nicht rechtzeitig vorlegt. Dieser Schluss ist allerdings nur zulässig, wenn die Gutachtensanordnung ihrerseits formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2016 – 3 C 20.15 –, juris, Rn. 19; BayVGH, Beschluss vom 21. Februar 2019 – 11 CS 18.2277 –, juris, Rn. 16).

9

Die hier gegenüber dem Antragsteller mit am 27. Mai 2020 zugestellten Schreiben des Antragsgegners vom 26. Mai 2020 erfolgte Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die hieran zu stellenden Anforderungen sind sowohl in formell-rechtlicher als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht erfüllt, so dass die damit ausgelöste Nichteignungsfiktion des § 11 Abs. 8 FeV im Rahmen der §§ 3 Abs. 1 StVG, 46 Abs. 1 Satz 1 FeV zur berechtigten Annahme der fahrerlaubnisrechtlichen Ungeeignetheit des Antragstellers führt.

10

Zunächst hat der Antragsgegner im Anordnungsschreiben vom 26. Mai 2020 die allgemeinen formellen Anforderungen an die Gutachtensanforderung gemäß § 11 Abs. 6 Sätze 1 und 2 FeV beachtet. In dem Anordnungsschreiben vom 26. Mai 2020 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller den maßgeblichen Sachverhalt mit, der zur Beibringungsanordnung führte, und legte die zu beantwortende Fragestellung entsprechend § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 beanstandungsfrei wie folgt fest:

11

„Ist zu erwarten, dass der Untersuchte auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Einfluss von Alkohol führen wird oder liegen als Folge des Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges der Klasse B infrage stellen?“

12

Diese mit der Gutachtensanordnung verbundene Fragestellung ist im Hinblick auf die aktenkundigen Tatsachen, die die Eignungszweifel begründet haben, inhaltlich angemessen und verhältnismäßig. Die Fragestellung knüpft insbesondere an die in der Gutachtensanordnung genannten Verkehrszuwiderhandlungen des Antragstellers im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss vom 14. November 2016 (Blutalkoholkonzentration – BAK –: 1,56 ‰) und 3. Juli 2019 (Atemalkoholkonzentration
– AAK –: 0,36 mg/l) an und verdeutlicht sowohl dem Antragsteller als auch den zu beauftragenden Gutachtern hinreichend, was Gegenstand und Ziel der Begutachtung seien soll.

13

Soweit der Antragsteller durch seine Prozessbevollmächtigte im Widerspruchsschreiben vom 4. Dezember 2020 an den Antragsgegner mitteilen lässt, es sei dem Anordnungsschreiben vom 26. Mai 2020 keine Liste mit anerkannten Begutachtungsstellen mitübersandt worden, findet dieser Vortrag jedenfalls in der dem Gericht vorliegenden Verwaltungsakte keine Stütze. So geht aus Blatt 66 bis 68 der Verwaltungsakte hervor, dass dem Antragsteller die Gutachtensanordnung zusammen mit einem Vordruck, der sowohl die auszufüllende Einverständniserklärung als auch eine Auflistung medizinisch-psychologischer Untersuchungsstellen enthielt, übersandt wurde. Selbst unterstellt, der Gutachtensanordnung wäre keine entsprechende Auflistung beigefügt gewesen, so wäre es jedenfalls die Obliegenheit des Antragstellers gewesen, gerade im Hinblick auf den Fristlauf bei dem Antragsgegner um Übersendung einer entsprechenden Auflistung der möglichen Untersuchungsstellen zu bitten. Dass seitens des Antragstellers derartiges erfolgt wäre, lässt sich der Verwaltungsakte ebenfalls nicht entnehmen.

14

Auch begegnet die nach § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV erforderliche Benennung einer angemessenen Beibringungsfrist für das angeordnete Gutachten von hier zwei Monaten bis spätestens 27. Juli 2020 keinen rechtlichen Bedenken. So ist die für die Beibringung des Gutachtens einzuräumende Frist lediglich nach der Zeitspanne zu bemessen, die eine Begutachtungsstelle zur Erstattung des Gutachtens voraussichtlich benötigen wird, um eine positive Eignungsprognose erreichen zu können (OVG RP, Beschluss vom 21. Juli 2009 – 10 B 10508/09.OVG –, juris, Rn. 8; VG Neustadt an der Weinstraße, Beschluss vom 21. Januar 2016
3 L 1112/15.NW –, juris, Rn. 13; VG Trier, Beschluss vom 8. April 2014 – 1 L 406/14.TR –, juris, Rn. 13). Dies ergibt sich daraus, dass das einzuholende Gutachten in diesen Konstellationen Auskunft zur aktuellen Fahreignung des Betroffenen geben soll und nicht zu einer solchen, wie sie nach dem Besuch zeitaufwändiger Vorbereitungskurse (eventuell wieder) gegeben wäre. Die hiernach gesetzte Beibringungsfrist von zwei Monaten ist ausreichend lange bemessen.

15

Soweit der Antragsteller im Widerspruchsschreiben vom 4. Dezember 2020 durch seine Prozessbevollmächtigte noch vortragen lässt, es sei ihm innerhalb dieser Frist aufgrund der COVID 19-Pandemielage nicht möglich gewesen, einen Termin zur Durchführung der medizinisch-psychologischen Untersuchung zu erhalten und die Antragstellerin sei auf telefonische Anfrage hin nicht bereit gewesen, die Vorlagefrist zu verlängern, hat der Antragsteller diesen Vortrag durch keinerlei Nachweise belegt. Aus der dem Gericht vorliegenden Verwaltungsakte ergibt sich weder, dass der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner eine Begutachtungsstelle zur Durchführung der medizinisch-psychologischen Untersuchung benannt hätte noch dass er bei einer solchen Untersuchungsstelle infolge der Pandemielage innerhalb der ihm gesetzten Frist keinen Termin hätte vereinbaren können noch dass er telefonisch bei dem Antragsgegner um eine Verlängerung der Vorlagefrist gebeten hätte.

16

Ebenso erweist sich die Gutachtensanordnung auch materiell-rechtlich als fehlerfrei.

17

Vorliegend ist die Anordnung vom 26. Mai 2020, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, gemäß § 13 Nr. 2b) FeV erfolgt, weil der Antragsteller wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen hat. Hier hat der Antragsteller am 14. November 2016 ein Kraftfahrzeug mit einer BAK von 1,56 im Straßenverkehr geführt, was den Tatbestand der vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 StGB erfüllte. Der Antragsteller wurde deshalb mit seit dem 22. Dezember 2016 rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Rastatt vom 5. Dezember 2016 (Az.: 9 Cs 207 Js 14676/16) zu einer Geldstrafe in Höhe von 750,00 € verurteilt. Zugleich wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen (Sperre: 7 Monate). Am 3. Juli 2019 führte der Antragsteller ein Kraftfahrzeug unter einer AAK von 0,36 mg/l. Dies verwirklichte den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 1 StVG, die mit seit dem 10. September 2019 rechtskräftigem Bußgeldbescheid vom 15. August 2019 mit einer Geldbuße von 1.000,00 € sowie einem dreimonatigen Fahrverbot (vom 10. Januar 2020 bis 9. April 2020) geahndet wurde. Diese beiden Verkehrszuwiderhandlungen waren in dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit maßgeblichen Zeitpunkt der Gutachtensanordnung am 26. Mai 2020 verwertbar und sind auch gegenwärtig noch berücksichtigungsfähig.

18

Die beiden Trunkenheitsfahrten stellen jeweils „Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss“ i.S.v. § 13 Nr. 2b) FeV dar, sodass an der Rechtmäßigkeit der Gutachtensanforderung nach § 13 Nr. 2b) FeV keinerlei Zweifel bestehen. Dabei ändert auch der Umstand nichts, dass zwischen dem Verkehrsverstoß vom 14. November 2016 und der zuletzt begangenen Trunkenheitsfahrt vom 3. Juli 2019 etwas mehr als 2 ½ Jahre liegen und der am 3. Juli 2019 begangene Verkehrsverstoß unter Alkoholeinfluss im Zeitpunkt der Gutachtensanordnung am 26. Mai 2020 zehn Monate zurücklag. Berücksichtigungsfähig sind nach dem Gesetzeswortlaut und dem Sinn und Zweck der Tilgungsvorschriften nämlich alle einschlägigen Verkehrszuwiderhandlungen, solange sie – wie vorliegend – nach den Vorschriften des StVG noch verwertbar sind. So gilt für die mit seit dem 22. Dezember 2016 rechtskräftig mit Strafbefehl des Amtsgerichts Rastatt vom 5. Dezember 2016 abgeurteilte Tat vom 14. November 2016 eine Tilgungsfrist von zehn Jahren ab Rechtskraft des Strafbefehls (s. § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3a), Abs. 4 Nr. 1 StVG). Für die am 3. Juli 2019 begangene Verkehrsordnungswidrigkeit beträgt die Tilgungsfrist gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2b) StVG fünf Jahre, die gemäß § 29 Abs. 4 Nr. 3 StVG mit dem Tag der Rechtskraft des Bußgeldbescheides (hier: 10. September 2019) zu laufen beginnt. Diese Tilgungsfristen sind hier noch nicht abgelaufen.

19

Nach alledem waren die beiden unter Alkohol begangenen Verkehrszuwiderhandlungen des Antragstellers im Zeitpunkt der Gutachtensanordnung verwertbar. Das damit zu Recht angeforderte medizinisch-psychologische Gutachten wurde vom Antragsteller jedoch weder innerhalb der ihm gesetzten Frist noch bis zum Ergehen der gerichtlichen Entscheidung im vorliegenden Eilverfahren vorgelegt.

20

Deshalb durfte der Antragsgegner als zuständige Fahrerlaubnisbehörde gemäß
§ 46 Abs. 3 FeV i. V. m. § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen und hatte ihm zwingend, das heißt ohne dass diesbezüglich ein Ermessen auszuüben war, gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i. V. m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV wegen Nichteignung die Fahrerlaubnis zu entziehen.

21

Bei dieser Sach- und Rechtslage überwiegt das Interesse der Allgemeinheit am sofortigen Vollzug der Fahrerlaubnisentziehung das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs, auch wenn der Antragsteller nach den Angaben seiner Prozessbevollmächtigten auf die Fahrerlaubnis aus beruflichen Gründen existenziell angewiesen ist und diesbezüglich eine Bescheinigung seines Arbeitgebers vom 25. November 2020 vorlegte, wonach der Antragsteller in der Waldgaststätte St. Martin als Küchenchef tätig sei und ohne Besitz einer Fahrerlaubnis nicht mehr im Betrieb beschäftigt werden könne, weil es keine Busverbindungen zur Arbeitsstätte gebe. Hier hätte aber gerade der Umstand, dass der Antragsteller nach seinen Angaben auf den Führerschein existenziell angewiesen ist, Anlass für ihn sein müssen, jegliche Verkehrsteilnahme unter Alkoholeinfluss strikt zu meiden. Beim Vorrang des öffentlichen Interesses daran, dass der Antragsteller bereits ab Erlass des Entziehungsbescheids vom 16. November 2020 nicht mehr am Straßenverkehr teilnehmen darf, verbleibt es jedenfalls solange, wie weiterhin – mangels bisheriger Vorlage eines positiven Gutachtens – von der Weigerung des Antragstellers, ein Gutachten beizubringen, auf seine Nichteignung geschlossen werden muss.

22

b) Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 20. November 2020 ist allerdings in Bezug auf die in Nr. 2 des Bescheides vom 16. November 2020 verfügte Verpflichtung, den Führerschein bis spätestens acht Tage nach Zustellung des Bescheides bei dem Antragsgegner abzuliefern, wiederherzustellen.

23

Das vorrangige Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung seines Widerspruchs gegen die in Nr. 2 des Bescheides vom 16. November 2020 verfügte und für sofort vollziehbar erklärte Ablieferungspflicht (§ 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i. V. m. § 47 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FeV) folgt zum einen bereits daraus, dass es an der nach § 80 Abs. 3 VwGO erforderlichen Begründung des Sofortvollzugs in Bezug auf die Ablieferungspflicht fehlt. So muss, um dem Begründungserfordernis nach § 80 Abs. 3 VwGO Genüge zu tun, aus der Begründung des Verwaltungsaktes hinreichend deutlich hervorgehen, dass diese auch die Begründung für den angeordneten Sofortvollzug enthalten soll (OVG RP, Beschluss vom 26. Oktober 1990 – 2 B 12027/90.OVG –, NVwZ-RR 1991, 307). Denn wenn es an einem gesetzlich angeordneten Sofortvollzug – wie hier in Bezug auf die Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins – fehlt, muss die von der Behörde im Rahmen der Anordnung des Sofortvollzuges getroffene Interessenabwägung klar erkennbar sein (vgl. OVG RP, Beschluss vom 10. Juli 2018 – 7 B 10698/18.OVG –, esovgrp). An einer diesen Maßstäben entsprechenden Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs der Ablieferungsfrist mangelt es vorliegend. In der im Bescheid vom 16. November 2020 auf den Seiten 2 und 3 erfolgten Begründung für den Sofortvollzug finden sich ausschließlich Ausführungen für das Erfordernis des Sofortvollzugs in Bezug auf die Entziehung der Fahrerlaubnis. An einer Darlegung der Gründe auch für die sofortige Vollziehung der Abgabeverpflichtung nach § 47 Abs. 1 FeV fehlt es hingegen. Bereits wegen dieses Begründungsmangels ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die in Nr. 2 des Bescheides vom 16. November 2020 verfügte Aufforderung zur Abgabe seines Führerscheins wiederherzustellen (vgl. OVG RP, Beschluss vom 10. Juli 2018 – 7 B 10698/18.OVG –, esovgrp).

24

Darüber hinaus erweist sich die Abgabeverpflichtung vorliegend aber auch materiell-rechtlich als rechtswidrig. So meldete der Antragsteller seinen Führerschein ausweislich der Verlustanzeige der Stadt Landau vom 9. Januar 2020 als verloren gegangen. Mithin ist der Antragsteller dementsprechend tatsächlich außerstande, der Ablieferungspflicht nachzukommen. Da vorliegend gemäß dem Bescheid vom 16. November 2020 bei Nichterfüllung der in Nr. 2 des Bescheides verfügten Ablieferungspflicht dem Antragsteller weitere rechtliche Konsequenzen drohen, so nämlich die in Nr. 4 des Bescheides vom 16. November 2020 verfügte Androhung der zwangsweisen Einziehung des Führerscheins (unmittelbarer Zwang) für den Fall, dass dieser nicht innerhalb der gesetzten Frist von acht Tagen nach Zustellung des Bescheides vorgelegt wird, folgen aus der Nichterfüllung der Vorlagepflicht für den Antragsteller weitere Rechtsbeeinträchtigungen in Form von Vollstreckungsmaßnahmen. Im Hinblick auf den vom Antragsteller im Januar 2020 angezeigten Verlust seines Führerscheins ist hier statt der – sofort vollziehbar erklärten – Aufforderung zur Führerscheinablieferung die Aufforderung an den Antragsteller angezeigt, gemäß § 5 Satz 1 StVG eine Versicherung an Eides statt über den Verbleib seines Führerscheins abzugeben. Die am 9. Januar 2020 bei der Stadt Landau erfolgte Verlustanzeige genügt einer eidesstattlichen Versicherung i. S. d. § 5 Satz 1 StVG nicht und steht dieser auch nicht gleich, weil eine eidesstattliche Versicherung eine Belehrungspflicht über die strafrechtliche Bedeutung einer solchen voraussetzt (s. § 27 Abs. 4 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG –; §§ 156, 163 Strafgesetzbuch – StGB –). Anhaltspunkte für eine solche Belehrung lassen sich der Verlustanzeige vom 9. Januar 2020 nicht entnehmen.

25

II. Der Antrag, „unverzüglich dem Antragsteller einen neuen Führerschein der Klasse B + L auszustellen“, den die Kammer hier gemäß §§ 122, 88 VwGO sachdienlich als Hilfsantrag auslegt, bleibt erfolglos.

26

Mit diesem Antrag begehrt der Antragsteller sinngemäß im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Satz 2 VwGO die Ausstellung eines neuen Führerscheindokuments. Für diesen Antrag fehlt es dem Antragsteller jedenfalls an einem Anordnungsanspruch, weil ihm – wie oben unter I.a) ausgeführt – gemäß §§ 3 StVG, 46 Abs. 1 StVG i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV die Fahrerlaubnis wegen Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu Recht entzogen wurde. Daher kann der Antragsteller nicht die Ausstellung eines neuen Führerscheindokuments begehren.

27

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Der Antragsgegner unterliegt hier nur zu einem geringen Teil, weil der Eilrechtsschutz gegen die Abgabeverpflichtung nicht zu einer Erhöhung des Streitwerts führt.

28

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2, 45 Abs. 1 Satz 2 GKG i. V. m. Ziff. 1.5, 1.1.4 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (LKRZ 2014, 169).

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