Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (1. Kammer) - 1 B 10/12

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller einschließlich der erstattungsfähigen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 400.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten um die Gewährung eines Sicherstellungszuschlags nach § 5 Abs. 2 KHEntgG.

2

Die Beigeladene, das Westklinikum ... und ... gGmbH, betreibt ein Krankenhaus mit 779 Planbetten und sonstigen Versorgungsplätzen mit den Standorten ... und ... . Mit Feststellungsbescheid vom 22.12.2010 wurde die Beigeladene in den Krankenhausplan 2010 des Landes Schleswig-Holstein mit den Standorten ...und ...aufgenommen. Auf dieser Grundlage sind 703 Planbetten (vollstationär) als bedarfsgerecht anerkannt und 81 Tagesklinik- und teilstationäre Plätze krankenhausplanerisch ausgewiesen, so dass die Gesamtzahl der Planbetten einschließlich der Tagesklinik und teilstationären Plätzen 784 beträgt.

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Am 22.11.2011 stellte die Beigeladene einen Antrag auf Gewährung eines Sicherstellungszuschlages, da sich die Antragsteller und die Beigeladene zuvor nicht über die Gewährung einigen konnten.

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Am 01.03.2012 erließ der Antragsgegner folgenden Bescheid:

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1. Es wird festgestellt, dass die Vorhaltung von Krankenhausleistung der Fachabteilung der Chirurgie des Westküstenklinikums ... und ... am Standort ... aufgrund eines geringen Versorgungsbedarfs mit den Fallpauschalen nicht kostendeckend finanziert ist und die Vorhaltung dieser Leistung zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung notwendig ist. Diese Krankenhausleistungen können nicht durch ein anderes geeignetes Krankenhaus, welches diese Leistungsart bereits erbringt, ohne Zuschlag erbracht werden. Für die Vorhaltung von Krankenhausleistungen der Fachabteilung Chirurgie durch das ... klinikum ...und ... am Standort ... ist daher von den Pflegesatzparteien ein Sicherstellungszuschlag nach § 5 Abs. 2 KHEntgG zu vereinbaren oder von der Schiedsstelle festzusetzen.

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2. Die sofortige Vollziehung dieses Bescheides wird angeordnet.

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Zur Begründung des Bescheides führte der Antragsgegner u. a. aus, dass eine Einigung über die Gewährung eines Sicherstellungszuschlages nicht erreicht worden sei. Die Entscheidung betreffe demnach die Frage, ob ein Sicherstellungszuschlag dem Grunde nach zu gewähren sei. Über die Höhe des Zuschlages würden die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG eine einvernehmliche Regelung treffen.

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Für die Vorhaltung von Krankenhausleistungen am Standort ... im Fachgebiet der Chirurgie sei der Beigeladenen ein Sicherstellungszuschlag nach § 5 Abs. 2 KHEntgG zu gewähren.

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Am Standort ... sei im Bereich des Fachgebiets der Chirurgie tatsächlich ein geringer Versorgungsbedarf anzutreffen. Von den 35 vorgehaltenen Planbetten im Fachgebiet der Chirurgie würden derzeit durchschnittlich 27 Betten belegt sein. Der Auslastungsgrad der Betten im Fachgebiet der Chirurgie habe im Kalenderjahr 2009 bei 72 %, im Kalenderjahr 2010 und 2011 bei 78 % gelegen. Die tatsächliche Nachfrage nach chirurgischen Krankenhausleistungen am Standort ... liege demnach weit unter dem bundesweiten Durchschnitt. Der tatsächlich anzutreffende geringe Versorgungsbedarf im Fachgebiet der Chirurgie erkläre sich aus der geographischen Lage des Standortes. Die Stadt ... befinde sich am südlichsten Teil des Kreises ...und sei umgeben von der Nordsee, der Elbe und dem Nord-Ostsee-Kanal. Die Stadt ... habe 13.202 Einwohner und Einwohnerinnen und eine Bevölkerungsdichte von 202 Einwohnern je Quadratkilometer. Aufgrund der geographischen Lage befinde sich die Stadt ... und damit auch die Betriebsstelle des Krankenhauses letztlich in einer mit einer Insellage vergleichbaren Standortsituation. Durch die Nordsee und die Elbe sei das Einzugsgebiet natürlich begrenzt.

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Aufgrund des geringen Versorgungsbedarfs sei der Beigeladenen eine kostendeckende Finanzierung der Krankenhausleistung nicht möglich. Der Fehlbetrag im Kalenderjahr 2011 in Höhe von 1.670.824 € sei im Wesentlichen auf die Vorhaltung von Krankenhausleistungen im Fachgebiet der Chirurgie zurückzuführen (Gutachten der BDO). Für die Fachabteilung der Chirurgie würde ein negativer Deckungsbeitrag in Höhe von 1,356 Mio. angegeben. Nach der IneK-Kalkulation für das Datenjahr 2010 sei eine Kostendifferenz zu Lasten der Beigeladenen im Bereich der Chirurgie in Höhe von 993.329 € zu verzeichnen. Der Fehlbetrag sei auch nicht auf Unwirtschaftlichkeit bei der Betriebsführung zurückzuführen. Die Gutachten zu den Personalkosten belegten eher eine Unter- als eine Überbesetzung.

11

Der Standort ... sei zur Versorgung der Bevölkerung mit chirurgischen Krankenhausleistungen notwendig. Diese Krankenhausleistung könne nicht durch ein anderes geeignetes Krankenhaus, das diese Leistungsart bereits erbringe, ohne Zuschlag erbracht werden. Die Entfernung zum nächstgelegenen Klinikum in ... betrage etwa 33 km. Der Standort ... befinde sich etwa 39 km entfernt. Es sei dabei aber auch die Lage verschiedener größerer Gemeinden im Einzugsgebiet des Standortes ... zu berücksichtigen, die zu den beiden nächstgelegenen Krankenhäusern in ... und ... teilweise noch größere Entfernung mit noch längeren Fahrtzeiten zurücklegen müssten.

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Auch sei die sofortige Vollziehung des Verwaltungsaktes anzuordnen gewesen. Nur durch eine rasche Umsetzung der Entscheidung könne die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung sichergestellt werden. Ein Zuwarten bis zum Eintritt der Bestandskraft der Entscheidung gefährde das krankenhausplanerische Ziel der bedarfsgerechten und wohnortnahen Versorgung der Bevölkerung. Der rechnerische Fehlbetrag bestätige, dass der Klinikbetrieb der Beigeladenen in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet sei.

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Die Antragsteller haben gegen den Bescheid am 29.03.2012 Klage erhoben und um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.

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Zur Begründung führten sie aus, dass sie durch den angefochtenen Bescheid und die Anordnung der sofortigen Vollziehung verpflichtet worden seien, umgehend mit der Beigeladenen einen Sicherstellungszuschlag zu vereinbaren und diesen zu tragen. Demnach bestehe eine Antragsbefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO. Es fehle bereits an einer Ermächtigungsgrundlage für die Entscheidung des Antragsgegners. Die in § 5 Abs. 2 KHEntgG als Voraussetzung für eine Vereinbarung festgesetzte Anwendung der bundeseinheitlichen Empfehlung sei nicht möglich, da solche Empfehlung bislang nicht beschlossen worden sei. Der Gesetzgeber habe den Antragsgegner indes nicht ermächtigt, diese Lücke durch selbstdefinierte Maßstäbe im Rahmen von Einzelfallentscheidungen zu füllen.

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Selbst wenn man aber eine Entscheidungsbefugnis des Antragsgegners annähme, wäre der Bescheid rechtswidrig, da die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Sicherstellungszuschlag nicht gegeben seien. Das BDO-Gutachten vom Januar 2012 basiere nicht auf validen objektiven Zahlen, sondern allein auf Angaben der Beigeladenen. Dabei dränge sich eine unzureichende Validität der durch die Beigeladenen übermittelten Zahlen geradezu auf, wenn sie noch im Juni 2011 für die Begründung des Sicherstellungszuschlages auf ein hochgerechnetes Defizit für den Gesamtstandort ...in Höhe von 1,075 Mio. € hinweise, das im September 2011 in dem auf den Angaben der Beigeladenen beruhenden Kurzgutachten der BDO auf 1,67 Mio. € steige. Der Antragsgegner beziffere den Auslastungsgrad der chirurgischen Abteilung auf der Grundlage der Fallzahlen selbst mit 82 %, während auf der Grundlage der Fallzahlen der Beigeladenen der Auslastungsgrad tatsächlich bei 95 % liege. Der bundesweite durchschnittliche Auslastungsgrad sei 77,4 %. Somit zeige sich eine weit überdurchschnittliche Auslastung der Chirurgie am Standort ... . Es verbiete sich auch ein Rückschluss von der angebotenen Bettenzahl auf die tatsächliche Nachfrage nach chirurgischen Krankenhausleistungen, da der Beigeladenen im Krankenhausplan 2010 bis 2015 lediglich ein Gesamtkontingent von 779 Planbetten ohne jede fachabteilungs- oder standortbezogene Konkretisierung zugewiesen worden sei. Wenn die Beigeladene von 779 Planbetten nur 140 Betten dem Standort und hiervon lediglich 35 Betten der chirurgischen Abteilung am Standort ...zuordne, folge dies vielmehr einer betriebswirtschaftlichen Entscheidung, die beispielsweise durch die räumliche oder personelle Ausstattung bedingt sein könne, nicht aber zwangsläufig durch eine tatsächliche Bedarfssituation am Standort ... . Es liege angesichts der erwähnten Auslastung vielmehr auf der Hand, dass bei einer erhöhten Bettenzahl in ...auch eine noch höhere Fallzahl erreicht werden würde, weil erst dann die freien Kapazitäten zu Tage treten würden. Die geographische Lage ...sei auch nicht mit einer Insellage zu vergleichen. Schon die im unmittelbaren Einzugsgebiet liegenden Siedlungszentren zeigten, dass der Standort ... eine höhere Siedlungsdichte aufweise als beispielsweise das ...Umland. Schließlich sei es nach den gesetzlichen Vorgaben auch nicht angezeigt, Versorgungsbedarf und fehlende Kostendeckung pauschal anhand einer Fachabteilung eines Krankenhauses zu beurteilen. Das Gesetz spreche von „Leistungen“, also von Einzelleistungen im Sinne von DRG-Codes. Nur im Hinblick auf diese einzelnen Ziffern /Krankheiten /Behandlungsleitfäden könne eine Notwendigkeitseinstufung von Leistungen überhaupt vorgenommen werden. Chirurgische Leistungen vereinten demgegenüber eine sehr große Vielzahl von Leistungen.

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Auch sei eine kostendeckende Finanzierung möglich. Der Antragsgegner stütze sich zu Unrecht auf das Kurzgutachten der BDO vom September 2011. Das Ergebnis der Deckungsbeitragshochrechnung könne nicht die Unmöglichkeit einer kostendeckenden Finanzierung durch chirurgische Abteilungen in ... begründen, da sich das ausgewiesene Defizit auf den gesamten Standort ...einschließlich ambulanter Leistungen beziehe. Die Beigeladene habe hier im Jahr 2011 Maßnahmen umgesetzt, die eine Energieeinsparung von 135.000 € bewirken sollten. Allein dies finde beispielsweise keine Berücksichtigung bei den Zahlen, auf die sich der Antragsgegner berufe. Schließlich übersehe der Antragsgegner, dass eine Unwirtschaftlichkeit in der betriebswirtschaftlichen Entscheidung zur vorbehaltenen Planbettenzahl am Standort selbst liege. Der Standort ...sei im Gegensatz zum Standort ... in den letzten Jahren unterdimensioniert, vernachlässigt und nicht in die Lage versetzt worden, nach dem Bedarf möglich höhere Fallzahlen zu bewältigen. Die Vernachlässigung des Standortes ... durch die Trägergesellschaft zeige sich auch an dem von der Beigeladenen selbst festgestellten Instandhaltungsstau in Höhe von knapp 1,5 Mio. €.

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Auch sei die Vorhaltung einer chirurgischen Abteilung am Standort ... aus Sicherstellungsgründen nicht geboten. Die nächsten stationären chirurgischen Einheiten lägen in ... und ... in einer Straßenkilometerentfernung von 29,9 bzw. 40,5 km. Die Fahrzeit betrage mit dem Auto/Taxi 28 bzw. 47 Minuten. Die angegebenen Entfernungen und Fahrtzeiten seien jedenfalls in ländlichen Räumen vollkommen üblich und könnten nach der Rechtsprechung jedenfalls im vertragsärztlichen Bereich auch keine Sonderbedarfszulassung rechtfertigen. Überdies könnten weite Leistungsbereiche der Beigeladenen durch niedergelassene Ärzte kompensiert werden.

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Es bestehe auch kein überwiegendes Interesse an der sofortigen Vollziehung. Eine Existenzbedrohung der chirurgischen Abteilung der Beigeladenen am Standort ... drohe nicht unmittelbar. Der Negativsaldo, den der Antragsgegner darlege, beruhe lediglich auf einer Hochrechnung auf Grundlage der Ist-Daten mit Stand vom 30. Juni 2011. Eine unmittelbare Existenzgefährdung scheitere auch daran, dass die Beigeladene Eigengesellschaft einer kommunalen Gebietskörperschaft, des Landkreises ... , sei. Die Insolvenz einer solchen Eigengesellschaft wäre in Deutschland bislang einmalig. Entgegen der Darstellung des Antragsgegners sei in dem Bericht der BDO vom 27. Oktober 2010 auch nicht die Empfehlung einer unmittelbaren Schließung der chirurgischen Abteilung zu entnehmen. Vielmehr werde empfohlen, die defizitäre Abteilung für Gynäkologie sowie die defizitäre Belegabteilung HNO und Urologie zu schließen, ohne dass insoweit mit Einbußen in der Versorgungsqualität gerechnet werde. Dementsprechend habe die Beigeladene auch erst kürzlich zumindest die gynäkologische Abteilung geschlossen. Die möglicherweise daraus resultierenden positiven Effekte nehme der Antragsgegner aber gar nicht in Augenschein, sondern stelle insofern auf überholte Daten aus der Zeit vor der Schließung ab, um ein sofortiges Interesse an der Vollziehung zu begründen. Demgegenüber bestehe ein überwiegendes Interesse an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Denn zum einen würde die Erwartung eines kurzfristigen Sicherstellungszuschlages die Beigeladene veranlassen, mögliche Umstrukturierungsszenarien außerhalb einer Schließung der chirurgischen Abteilung am Standort ...weiterhin aufzuschieben. Eine Verzögerung dieser Maßnahmen könne aber das Defizit des Standortes und damit die Abhängigkeit von möglichen weiteren Sicherstellungszuschlägen für die Folgejahre erhöhen. Zum anderen würde die einer abschließenden gerichtlichen Rechtmäßigkeitsbeurteilung vorgelagerte Gewährung eines Sicherstellungszuschlages zu einer ungerechtfertigten Wettbewerbsverzerrung gegenüber anderen Krankenhäusern führen. Schließlich drohe auch die Gefahr, dass die Versichertengemeinschaft der Antragsteller bei einem Erfolg in der Hauptsache mit den bis dahin gezahlten Sicherstellungszuschlägen belastet bliebe, wenn das Krankenhaus ... doch schließe.

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Die Antragsteller beantragen,

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die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 01. März 2012 wiederherzustellen.

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Der Antragsgegner beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Zur Begründung wiederholt und vertieft er die Begründung des Bescheides und führt darüber hinaus aus, dass die Anträge der Antragsteller zu Ziffer 2, 3, 4 und 5 bereits unzulässig seien, weil ihnen die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO zu fordernde Antragsbefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO fehle. Eine Antragsberechtigung könne analog der Klagebefugnis den Antragsteller nur insoweit zustehen, als sie auch berechtigt seien, einen pflegesatzrechtlichen Genehmigungsbescheid nach § 18 Abs. 5 KHG anzufechten. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei aber eine Klagebefugnis gegen die Genehmigung der vereinbarten oder festgesetzten Pflegesätze nur den Vertragsparteien im Sinne des § 18 Abs. 2 KHG zuzugestehen. Die Antragsteller zu Ziffer 2, 3, 4 und 5 seien keine Vertragsparteien bei Vereinbarung der Entgelte des Krankenhauses der Beigeladenen im Sinne des § 11 KHEntgG sowie § 18 Abs. 2 KHG.

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Der angefochtene Bescheid sei offensichtlich rechtmäßig. Der geringe Versorgungsbedarf am Standort ... sei durch ihn, den Antragsgegner, in dem angefochtenen Bescheid ausführlich und nachvollziehbar begründet worden. Das Gutachten der BDO belege, dass die tatsächliche Nachfrage nach chirurgischen Krankenhausleistungen am Standort ... weit unter dem bundesweiten Durchschnitt der Nachfrage bei chirurgischen Fachabteilungen liege. Auch werde aus dem Gutachten schlüssig dargelegt, dass eine kostendeckende Finanzierung der Krankenhausleistungen nicht möglich sei.

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Dem Rechtsanspruch der Beigeladenen auf Vereinbarung eines Sicherstellungszuschlages stehe nicht entgegen, dass die Bundesverbände bisher noch keine konkrete Regelung zu den Empfehlungen nach § 17 b Abs. 1 Satz 6 KHG vereinbart hätten.

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Es sei nicht nachvollziehbar, wonach die Argumentation der Antragsteller auf der Grundlage der Daten des statistischen Bundesamts zum Fachgebiet der Chirurgie, die eine weit unterdurchschnittliche Abteilungsgröße am Standort ... belege, nicht tragfähig sei und das BDO-Gutachten vom Januar 2012 angeblich nicht auf validen objektiven Zahlen beruhe. Es gebe keinen Anlass, an der Richtigkeit der Daten zu zweifeln. Neben der Sache liege auch der Einwand, dass bei einer erhöhten Vorhaltung von Betten über die bisher angebotenen 35 Betten hinaus eine noch höhere Fallzahl erreicht werden könne. Mit dieser Frage habe sich die Beigeladene in der Vergangenheit intensiv beschäftigt. Tatsächlich seien aber keine Möglichkeiten ersichtlich, die für die Wirtschaftlichkeit der chirurgischen Abteilung notwendigen zusätzlichen Fälle zu rekrutieren. Dieses Ergebnis werde von den Wirtschaftsprüfern der BDO bestätigt. Die vorgehaltene Bettenkapazität am Standort ... sei ausreichend, um den dort anzutreffenden geringen Versorgungsbedarf zu befriedigen. Tatsächlich weise der Klinikstandort in ... Besonderheiten auf, die zu einer erheblichen natürlichen Eingrenzung des Einzugsgebietes des Krankenhauses führten, so dass der anzutreffende geringe Versorgungsbedarf plausibel erklärt werden könne. Auch die Beurteilung des geringen Versorgungsbedarfs müsse nicht auf bestimmte Einzelleistungen abstellen. § 5 Abs. 2 KHEntgG ziele grundsätzlich nicht auf einzelne Leistungen aus einem sinnvollen Leistungspaket ab. Wäre diese Annahme zutreffend, so könnte das Krankenhaus den Sicherstellungszuschlag allein für die einzelne spezielle Leistung geltend machen, welche nicht kostendeckend erbracht werden könne, obwohl bei umfassender Betrachtung des anzutreffenden Leistungspaketes oder einer Abteilung eine Kostendeckung gewährleistet wäre.

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Auch sei eine kostendeckende Finanzierung aufgrund des geringen Versorgungsbedarfes nicht möglich. Die vorliegenden BDO-Gutachten seien eine zureichende Entscheidungsgrundlage zur Frage, ob eine kostendeckende Finanzierung aufgrund der Fallpauschalen erreicht werden könne. Er, der Antragsgegner, stütze sich auf drei Gutachten der BDO. Das Gutachten vom Oktober 2010 ermittele für die Fachabteilung Chirurgie einen negativen Deckungsbeitrag in Höhe von 1,356 Mio. €. Dem Gutachten der BDO vom September 2011 liege eine Trennungsrechnung zugrunde, so dass bei dem so ermittelten Fehlbetrag in Höhe von 1,67 Mio. € ausschließlich der hier maßgebliche Bereich des KHEntgG berücksichtigt worden sei. Das weitere Gutachten vom Januar 2012 bestätige die bereits in den Vorgutachten gewonnene Erkenntnis, wonach im Bereich der Chirurgie aufgrund des geringen Versorgungsbedarfes am Standort ...ein erheblicher Fehlbetrag festzustellen sei, welcher auch nicht auf Unwirtschaftlichkeiten bei der Betriebsführung zurückzuführen sei. Auch eine Hochrechnung aufgrund eines halben Jahres sei zulässig. Der Rückgriff auf den geprüften Jahresabschluss 2010 oder auf einen geprüften Jahresabschluss 2011 hätte an der Grundaussage nichts geändert. Ein weiteres Gutachten der BDO mit dem Titel „Kurzgutachten: Beurteilung der im ...klinikum ... durchgeführten Deckungsbeitrags- und Trennungsrechnung für die Klinik für Chirurgie“ (März 2012) berücksichtige ausschließlich den stationären Bereich, welcher dem KHEntgG unterliege. Dieses Gutachten weise für das Fachgebiet der Chirurgie einen Fehlbetrag in Höhe von 1,382675 Mio. € aus. Auch sei der Standort ... nicht vernachlässigt worden. Die Kosten aufgrund des festgestellten Instandhaltungsstaus seien durchaus pflegesatzfähig und letztlich ein weiteres Indiz dafür, dass der Klinikbetrieb am Standort ... in der Vergangenheit durch Fallpauschalen nicht ausreichend habe finanziert werden können.

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Auch sei der Standort ... zur Versorgung der Bevölkerung mit chirurgischen Krankenhausleistungen notwendig. Die Entfernung zwischen ... und ...und ... und ... sowie die hier in Ansatz zu bringende Fahrtzeit sei zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits umstritten. Ein zur Versorgung der Patienten im Fachgebiet der Chirurgie geeignetes Krankenhaus liege unstreitig nicht innerhalb eines insoweit zugrunde zu legenden Radius von 15 bis 20 km. Es komme auch nicht auf eine Versorgung durch niedergelassene Ärzte in der Region an. Dies widerspreche bereits dem Wortlaut des Gesetzes.

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Im Übrigen lasse die Interessenabwägung ein deutliches überwiegendes Interesse an der Vollziehung des Bescheides erkennen. Der Klinikbetrieb am Standort ... sei konkret in seiner Existenz gefährdet. Diese Feststellung sei unabhängig von der Frage, in welcher Rechtsform das Krankenhaus betrieben werde. Für den Fall, dass die chirurgische Abteilung künftig nicht kostendeckend betrieben werden könne und ein Sicherstellungszuschlag nicht demnächst tatsächlich vereinbart werde, sei aus Sicht der Beigeladenen eine baldige Schließung der chirurgischen Abteilung unabdingbar. Keinesfalls sei zu erwarten, dass die Beigeladene bei einem unterstellten Erfolg der Antragsteller auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes die chirurgische Abteilung fortführe, bis eine rechtskräftige Entscheidung in der Hauptsache ergehe. Mit großer Wahrscheinlichkeit wären in diesem Fall zum Zeitpunkt der letztinstanzlichen Klärung der Angelegenheit bereits vollendete Tatsachen geschaffen, weil die Beigeladene gezwungen wäre, ihren Klinikbetrieb zumindest im Bereich der chirurgischen Abteilung in den nächsten Monaten aufzugeben. Es stelle keine ungerechtfertigte Wettbewerbsverzerrung gegenüber anderen Krankenhäusern dar, wenn die Beigeladene ihre Rechte geltend mache, demnach durch Gewährung eines Sicherstellungszuschlages überhaupt erst in die Lage versetzt werde, ihren Klinikbetrieb fortzuführen. Die Gewährung eines Sicherstellungszuschlags für den Standort ... wirke sich sehr geringfügig auf die Kosten der Gesamtheit der Krankenkassen aus. Unrichtig seien insoweit auch die Ausführungen, die Entgeltvereinbarung für den Standort ...seien krankenhausspezifisch, so dass ein Rückgriff beim Klinikum ... von vornherein nicht möglich sei. Tatsächlich handele es sich hier um ein einheitliches Krankenhaus mit zwei Betriebsstellen, für welches eine einheitliche Pflegesatzvereinbarung geschlossen worden sei. Darüber hinaus greife der rechtliche Gesichtspunkt des pflegesatzrechtlichen Beschleunigungsgrundsatzes. In vorliegenden Angelegenheiten sei beachtlich, dass der Gesetzgeber bei der Genehmigung der vereinbarten und festgesetzten Pflegesätze eine sofortige Vollziehung gesetzlich angeordnet habe. Hierdurch werde zum Schutz der Krankenhäuser eine sofortige Wirksamkeit der Regelung über die Höhe der Pflegesätze bestimmt.

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Die Beigeladene beantragt,

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den Antrag der Antragsteller abzulehnen.

32

Zur Begründung wiederholt und ergänzt sie den Vortrag des Antragsgegners.

33

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

34

Der Antrag der Antragsteller auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg.

35

Hinsichtlich der Antragsteller zu Ziff. 1 und 6 ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO zulässig. Nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs in den Fällen wiederherstellen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO besonders angeordnet wurde. Dies ist hier der Fall, da der Antragsgegner die sofortige Vollziehung des an die Antragsteller gerichteten Feststellungsbescheides vom 01.03.2012 angeordnet hat.

36

Demgegenüber ist der Antrag hinsichtlich der Antragsteller zu Ziff. 2 bis 5 bereits unzulässig. Ihnen fehlt die analog § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis. Denn sie gehören nicht zu den Vertragsparteien, die die Sicherstellungszuschläge vereinbaren.

37

Nach § 5 Abs. 2 KHEntgG vereinbaren die Vertragsparteien nach § 11 die Sicherstellungszuschläge. § 11 KHEntgG verweist auf die Vertragsparteien nach § 18 Abs. 2 des KHG. Danach sind Parteien der Pflegesatzvereinbarung (Vertragsparteien) der Krankenhausträger und 1. Sozialleistungsträger, soweit auf sie allein, oder 2. Arbeitsgemeinschaften von Sozialleistungsträgern, soweit auf ihre Mitglieder insgesamt im Jahr vor Beginn der Pflegesatzverhandlung mehr als fünf vom Hundert der Belegungs- und Berechnungstage des Krankenhauses entfallen. Diese Voraussetzung erfüllen allein die Antragsteller zu Ziff. 1 und 6. Denn diese sind auch in der Vertragsvereinbarung (Entgeltvereinbarung für 2010) als Vertragsparteien aufgeführt. Dass die Antragsteller dagegen meinen, dass auch die übrigen Krankenkassen durch den Sicherstellungszuschlag belastet werden, begründet jedoch nicht deren Antragsbefugnis. Denn insoweit soll die Vereinbarung über die Pflegesätze und damit auch über die Sicherstellungszuschläge nur durch die Hauptkostenträger getroffen werden, da es faktisch ausgeschlossen ist, mit sämtlichen Betroffenen Vereinbarungen zu schließen. Das Gesetz überträgt daher die Vereinbarungsmacht auf die Hauptkostenträger, die dann die Interessen aller anderen Kostenträger mit wahrnehmen (Praxis der Kommunalverwaltung, Kommentar, Krankenhausrecht, H 10, KHG, § 18, S. 204g). Insoweit kommt auch nur den Hauptkostenträgern eine Antragsbefugnis zu, da sie nämlich für die anderen Krankenkassen eine verbindliche Regelung treffen.

38

Der Antrag ist auch insgesamt unbegründet.

39

Im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ergeht die gerichtliche Entscheidung dabei auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private Aufschubinteresse einerseits und das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen der Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, Bedeutung erlangen. Lässt sich bei summarischer Prüfung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ohne weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfes wiederherzustellen, weil an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich der angefochtene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig, bedarf es in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse von der Behörde im Einzelfall angeordnet wurde, noch eines besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung, das mit dem Interesse am Erlass des Verwaltungsaktes in der Regel nicht identisch ist, sondern vielmehr ein qualitativ anderes Interesse ist. Das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung ist von der Behörde nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO in der Regel schriftlich zu begründen.

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Lässt sich die Rechtmäßigkeit bei summarischer Prüfung nicht eindeutig beurteilen, bedarf es schließlich einer allgemeinen Interessenabwägung im Sinne einer Folgenabwägung. Dabei sind die Folgen gegenüberzustellen, die einerseits eintreten, wenn dem Antrag stattgegeben wird, die Bescheide sich aber später im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig erweisen bzw. die andererseits eintreten, wenn der Antrag abgelehnt wird, die Bescheide sich aber später im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen (Schl.-Holst- OVG, Beschluss vom 06. August 1991 - 4 M 109/91 -, zitiert nach Juris).

41

Nach diesen Grundsätzen hat der Antrag keinen Erfolg.

42

Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in dem Bescheid des Antragsgegners vom 01.03.2012 genügt in formeller Hinsicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Der Antragsgegner hat hierin ausgeführt, warum er die sofortige Vollziehung des Feststellungsbescheides für erforderlich hält, nämlich dass nur durch eine schnelle Gewährung des Sicherstellungszuschlages die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhausleistungen im Fachgebiet der Chirurgie sichergestellt werden könne und die wirtschaftliche Existenz der Beigeladenen gefährdet sei. Diese Gründe gehen über die Begründung, die für den Feststellungsbescheid zum Sicherstellungszuschlag angeführt wurde, hinaus und lassen die Dringlichkeit erkennen.

43

Der Feststellungsbescheid der Antragsgegnerin vom 01.03.2012 ist nach summarischer Prüfung zwar nicht offensichtlich rechtmäßig, jedoch spricht einiges dafür, dass der Sicherstellungszuschlag der Beigeladenen zu Recht gewährt worden ist.

44

Rechtsgrundlage für die Gewährung eines Sicherstellungszuschlages ist § 5 Abs. 2 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) i.V.m. § 17 b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG).

45

Nach § 5 Abs. 2 KHEntgG ist Voraussetzung für die Vereinbarung eines Sicherstellungszuschlages, dass die Vorhaltung von Leistungen, die auf Grund des geringen Versorgungsbedarfs mit den Fallpauschalen nicht kostendeckend finanzierbar sind, zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung bei einem Krankenhaus notwendig sind. Dabei ist zu prüfen, ob die Leistung durch ein anderes Krankenhaus, das diese Leistung bereits erbringt, ohne Zuschlag erbracht werden kann.

46

Zunächst steht entgegen der Ansicht der Antragsteller der Gewährung eines Sicherstellungszuschlages nicht entgegen, dass bislang die Empfehlungen für Maßstäbe im Sinne von § 17 b Abs. 1 S. 6 KHG nicht erlassen wurden. Zwar sollen diese Maßstäbe und Vorgaben gemäß § 5 Abs. 2 KHEntgG von den Vertragsparteien bei der Gewährung angewendet werden. Jedoch scheidet dies aus, da keine Regelungen existieren. Die nach § 17b Abs. 1 KHG vorgesehenen Empfehlungen sind nicht Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs auf Gewährung eines Sicherstellungszuschlages. Die Untätigkeit der Selbstverwaltungspartner auf Bundesebene wirkt sich nicht zu Lasten der Krankenhäuser aus (vgl. OVG NRW, Urt. v. 25.05.2012, - 13 A 469/11 - zitiert nach Juris, Rn. 36; VG Gießen, Urt. v. 01.03.2012 - 7 K 1593/09 -). Dies ergibt sich auch bereits daraus, dass für die Inselkrankenhäuser ein Sicherstellungszuschlag auch unabhängig von dem Bestehen der Empfehlungen gewährt wurde.

47

Nach summarischer Prüfung spricht einiges dafür, dass die Vorhaltung der Chirurgie auf Grund des geringen Versorgungsbedarfs mit den Fallpauschalen nicht kostendeckend finanzierbar ist.

48

Die vorgelegten Gutachten der Wirtschaftsprüfergesellschaft BDO Deutsche Warentreuhand AG (BDO) weisen für den Fachbereich der Chirurgie am Standort ...ein Defizit aus. Dass dieses Defizit aus einer unwirtschaftlichen Vorgehensweise der Betreiber resultiert, wird von dem Gutachten verneint. Dem sind die Antragsteller nicht hinreichend substantiiert entgegen getreten. Zwar mag es durchaus sein, dass nicht alle Angaben in dem Gutachten hinreichend belegt sind. Jedoch rechtfertigt dies nicht die Annahme, sämtliche Aussagen seien nicht nachvollziehbar und der Bescheid aus diesem Grunde bereits offensichtlich rechtswidrig. Die Ansicht der Antragsteller, dass das BDO-Gutachten vom Januar 2012 nicht auf validen objektiven Zahlen beruhe, kann in der allein summarischen Überprüfung im Eilverfahren nicht abschließend geklärt werden. Jedoch spricht dagegen, dass in dem BDO-Gutachten aufgeführt ist, dass die Daten einer Plausibilisierung unterzogen wurden. Auch in dem Kurzgutachten vom März 2012 (Seite 3) wird selbst daraufhin gewiesen, dass die Ordnungsgemäßheit der Buchprüfung nicht überprüft, allerdings durch die Wirtschaftsprüfer im Zuge der Jahresabschlussprüfung bestätigt worden seien. Auch die unterschiedlichen Angaben der Fallzahlen von 1.895 durch den Antragsgegner und 2.200 durch den Internetauftritt der Beigeladenen rechtfertigen keine hinreichenden Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtens. So hat der Antragsgegner plausibel dargelegt, dass die Fallzahlen der Internetseite auch die interne Verlegung mit berücksichtigen.

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Auch das Argument der Antragsteller, dass die BDO ihrer eigenen Aussagen dadurch widerspreche, dass die höheren Aufwendung im Vergleich zum Bundesdurchschnitt mit dem Bedarf an Mindestbestzungen insbesondere im OP-Funktionsdienst und Ärztlichen Dienst Anästhesie zu begründen seien, obwohl die Personalkosten laut der Tabelle auf Seite 5 des Gutachtens für den Ärztlichen Dienst Anästhesie unter dem Bundesdurchschnitt lägen, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Denn insoweit weist das Gutachten darauf hin, dass der leistungsbezogene Personalbedarf nicht ausreiche, um eine 24-Stunden-Fachabteilung aufrechtzuerhalten. Daraus ergibt sich für das Gericht, dass zwar die tatsächlichen Kosten geringer als im Bundesdurchschnitt sein können, jedoch bezogen auf die geringen Leistungen der Personalbedarf im Verhältnis zu hohe Kosten verursacht. Diese können jedoch nicht verringert werden, weil ansonsten der Mindestbedarf nicht mehr gedeckt werden kann.

50

Es ist vorliegend auch allein auf die Finanzierbarkeit der Chirurgie abzustellen und nicht auf die Finanzierbarkeit des gesamten Krankenhauses. Dass mit den nicht kostendeckend finanzierbaren Leistungen i.S. d. § 5 Abs. 2 KHEntgG nicht die Leistungen des gesamten Krankenhauses und auch nicht lediglich die einzelnen Leistungen, sondern die der defizitär arbeitenden konkreten Krankenhausabteilung gemeint ist, ergibt sich im Wege der Auslegung. Der Wortlaut des § 5 Abs. 2 S. 2 KHEntgG, dass die Vertragsparteien zu prüfen haben, ob die Leistung durch ein anderes geeignetes Krankenhaus ohne Zuschlag erbracht werden kann, spricht für die Annahme, dass es nicht um das gesamte Krankhaus geht, sondern um einzelne Abteilungen. Es geht dabei um eine konkrete Leistungsart. Dabei ist nach der Gesetzessystematik für die Gewährung der Sicherstellungszuschläge auf die einzelne defizitär arbeitende Abteilung des Krankenhauses abzustellen, denn bei dem fallbezogenen DRG-Vergütungssystem sollen wirtschaftliche Versorgungsstrukturen verbunden mit einer sinnvollen und notwendigen Schwerpunktbildung erzielt werden(vgl. VG Giessen, Urt. 01.03.2012, - 7 K 1593/09). Dabei zielt das Instrument der Sicherstellung grundsätzlich nicht auf alle angebotenen Leistungen des Krankenhauses ab, sondern auf die Vorhaltung bestimmter Leistungen des in den Krankenhausplan aufgenommenen Krankenhauses. Hiervon gehen die vorstehend zitierten Vorschriften aus. Dort ist von der "Vorhaltung von Leistungen" die Rede, also nicht von sämtlichen im Freistellungsbescheid zur Planaufnahme aufgeführten Gebieten und Teilgebieten. § 5 Abs. 2 KHEntG stellt daher nicht auf die wirtschaftliche Lage des Krankenhauses als Ganzes ab, sondern jeweils auf die einzelne Abteilung, in der die durch die Fallpauschalen nicht abgedeckten Leistungen erbracht werden. Dass möglicherweise der gesetzlich normierte Sicherstellungsauftrag sämtliche vorgehaltenen Leistungen des Krankenhauses zu erfassen hat, ist damit nicht ausgeschlossen, setzt indes voraus, dass das den Anspruch geltend machende Krankenhaus eine Sicherstellung in diesem Umfang bereits schlüssig darlegt (vgl. OVG NRW, Urt. v. 25.05.2012, - 13 A 469/11 -, zitiert nach juris Rn. 39). Genauso muss es auch umgekehrt gelten, dass es nicht um die einzelnen Leistungen einer Abteilung geht, sondern auch einer gesamten Abteilung. Zwar mag es sein, dass auch für einzelne Leistungen ein Sicherstellungszuschlag gewährt werden kann, jedoch steht dies auch nicht der Gewährung eines Sicherstellungszuschlages für eine gesamte Abteilung entgegen. Ziel eines Sicherstellungszuschlages kann immer nur sein, die Versorgung zu gewährleisten und aufrechtzuerhalten. Ob hierfür die gesamte Abteilung oder nur eine einzelne Leistung unterstützt werden muss, kann nach Ansicht des Gerichts nicht entscheidend sein.

51

Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Vorhaltung der Chirurgie für die Versorgung der Bevölkerung am Standort ... notwendig ist.

52

Zwar ist nach Ansicht der Kammer eine Inselgleiche Lage des Standortes ...nicht anzunehmen, jedoch kommt es auch darauf nicht an.

53

Von einer Notwendigkeit der Leistungsvorhaltung gerade durch das in Rede stehende Krankenhaus ist auszugehen, wenn ohne sein Angebot die Versorgung der Bevölkerung in dessen Einzugsbereich ernsthaft gefährdet wäre. Umliegende Krankenhäuser im Einzugsgebiet des Krankenhauses der Beigeladenen sind nach Ansicht der Kammer nicht mit vertretbarem Aufwand zu erreichen. Es sind keine anderen geeigneten und in zumutbarer Entfernung erreichbaren Krankenhäuser vorhanden, die die von der Beigeladenen vorgehaltenen Leistungsarten ohne Zuschlag erbringen können.

54

Es lässt sich der Finanzierungsgrundsatz ableiten, dass Krankenhäuser nicht mittels Sicherstellungszuschlags gefördert werden sollen, wenn deren Leistungen von anderen geeigneten Krankenhäusern ohne Subvention erbracht werden können. Die Vorhaltung von Leistungen durch das Krankenhaus für die Versorgung der Bevölkerung ist in einem solchen Fall nicht notwendig. Solchermaßen geeignete Krankenhäuser existieren hier allerdings nicht und stellen auch nicht ohne Zuschlag die im Krankenhaus der Beigeladenen ausgewiesenen Leistungsarten bereits sicher. Es ist daher ein Versorgungsnotstand zu erwarten, wenn das Krankenhaus der Beigeladenen den begehrten Sicherstellungszuschlag nicht erhält.

55

Dabei ist zunächst ganz allgemein auf die Entfernung abzustellen. Zwar regelt der Krankennhausplan Schleswig-Holstein hierzu keine Einzelheiten, jedoch können insoweit auch die Wertungen anderer Bundesländer jedenfalls eine Tendenz aufzeigen. Der Krankenhausplan NRW sieht eine wohnortnahe Versorgung, insbesondere im Ländlichen Raum dann als sichergestellt an, wenn ein Krankenhaus nicht weiter als 15 bis 20 km entfernt ist, es sei denn, dass wegen der topographischen oder verkehrsinfrastrukturellen Gegebenheiten das Krankenhaus nicht in der sonst üblichen Zeit erreichbar und eine kürze Entfernung angemessen ist. Damit soll kein Krankenhaus der Grundversorgung für Patientinnen und Patienten in größerer Entfernung als 20 km liegen. In einer kürzeren Entfernung als 15 km sollen dagegen Angebote vorgehalten werden, wenn verkehrsbedingte Situationen regelmäßig zu langen Wegen zwingen oder topographische Verhältnisse eine Einrichtung nur unter erschwerten Bedingungen erreichen lassen. Die Überlegungen im Krankenhausplan zur näheren Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Erreichbarkeit" orientieren sich nicht nur am Maßstab "Entfernung", sondern berücksichtigen ersichtlich auch den Faktor "Zeit". Folge hiervon ist, dass eine größere Entfernung als 20 km von dem an sich versorgenden Krankenhaus ausreichend sein kann, wenn die längere Strecke in nahezu der gleichen oder kürzerer Zeit bewältigt werden kann wie eine bis zu 20 km große Entfernung (OVG NRW, Urt. 25.05.2012, - 13 A 469/11, zitiert nach juris, Rn. 45).

56

Legt man diesen Maßstab auch für Schleswig-Holstein zugrunde, dann ergibt sich, wie die Beteiligten übereinstimmend vorgetragen haben, dass die nächsten Fachabteilungen für Chirurgie um die 30 km vom Einzugsgebiet ... entfernt liegen. Die infrastrukturelle Lage ist jedoch nicht als ausreichend zu bewerten, um eine schnelle Erreichbarkeit zu gewährleisten. Dabei ist insbesondere der ländlich geprägte Raum mit Bundes- und Landesstraßen zu berücksichtigen. Auch die im Einzugsgebiet des Krankenhauses liegenden entfernteren Orte, wie z.B. ..., sind zu berücksichtigen. So ist eine Erreichbarkeit nach ...von dort in ca. 40 min möglich. Dies jedoch ist nach Ansicht des Gerichts für eine notwendige Versorgung nicht ausreichend. Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass es sich bei den chirurgischen Leistungen neben den Leistungen der Inneren Medizin um notwendige Grundversorgungen und nicht um eine Sonder- oder Spezialversorgung handelt, bei denen es nicht selten auf eine schnelle Notfallversorgung ankommt, um die Bevölkerung hinreichend zu versorgen. Dies folgt bereits aus der amtlichen Begründung zum Fallpauschalengesetz. Danach müssen Leistungen der Notfallversorgung sowie beispielweise die häufigsten Leistungen der Chirurgie oder Inneren Medizin immer bürgernah vorgehalten werden.

57

Auch der Vortrag der Antragssteller, dass die chirurgischen Leistungen durch niedergelassene Ärzte erbracht werden könnten, kann nicht überzeugen. Denn insoweit spricht das Gesetz ausdrücklich von Leistungen, die durch ein anderes Krankenhaus erbracht werden können; nicht jedoch durch andere niedergelassene Ärzte. Vorrangig ist nämlich die stationäre Leistung und nicht eine etwaige ambulante Notfallversorgung. Würde man auf eine Versorgung durch niedergelassene Ärzte abstellen, würde die Gewährung eines Sicherstellungszuschlages leer laufen. Insbesondere ist dabei zu berücksichtigen, dass eine chirurgische Grundversorgung eine 24-Stunden-Versorgung darstellt, während niedergelassene Ärzte in den seltensten Fällen eine Notfallversorgung rund um die Uhr gewährleisten können.

58

Selbst wenn dennoch aufgrund der nur summarischen Prüfung und der dadurch eingeschränkten Überprüfungsmöglichkeiten der Gutachten an der Rechtmäßigkeit Zweifel bestehen sollten, so kommt die Kammer auf jeden Fall im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten dazu, dass das wirtschaftliche und persönliche Interesse der Antragssteller hier zurücktreten muss.

59

Es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse bzw. ein überwiegendes schützenswertes Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung gegenüber dem Aussetzungsinteresse der Antragsteller. Das öffentliche Interesse, die Grundversorgung der Bevölkerung aufrecht zu erhalten, ist hier als höher zu bewerten. Wie die Beigeladene und der Antragsgegner zu Recht dargelegt haben, würde die aufschiebende Wirkung dazu führen, dass die Beigeladene die Fachabteilung Chirurgie am Standort ... wahrscheinlich nicht aufrechterhalten könnte. Eine Schließung der Fachabteilung würde aber zu irreversiblen Folgen führen. So wäre z.B. die Versorgung der Bevölkerung nicht gewährleistet und die Schließung der Abteilung würde mit dem Verlust von Arbeitsplätzen einhergehen. Im Falle der Schließung und der späteren Feststellung im Hauptsacheverfahren, dass ein Sicherstellungszuschlag zu gewähren ist, würde dieser dann zu spät kommen, da ein Wiederaufbau der Abteilung weit mehr Kosten verursachen würde. Darüber hinaus würde das Risiko einer mangelnden medizinischen Grundversorgung der Bevölkerung in Kauf genommen werden.

60

Dem steht auch nicht der Vortrag der Antragsteller entgegen, dass eine unmittelbare Existenzgefährdung nicht vorliege. Zum einen hat der Antragsgegner unter Vorlage der Tagesordnungspunkte der Sitzung des Aufsichtsrates dargelegt, dass eine Schließung der chirurgischen Abteilung diskutiert werde und zum anderen sieht das Gericht allein das Risiko, dass die chirurgische Abteilung schließen müsste und dadurch eine Unterversorgung der Bevölkerung entstehe, hier als ausreichend an, um dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung den Vorrang zu gewähren.

61

Die Nachteile, die für die Antragsteller entstehen könnten, für den Fall das die sofortige Vollziehung bestehen bleibt, der Sicherstellungszuschlag also zunächst zu zahlen wäre und sich in einem Hauptsacheverfahren die Rechtswidrigkeit des Feststellungsbescheides ergibt, sind vergleichsweise gering. Einzig das finanzielle Risiko, dass die Beigeladene den zu Unrecht erhaltenen Zuschlag nicht zurück gewähren könnte, steht auf der Seite der Antragsteller. Überzeugen kann insoweit auch nicht der Einwand der Antragsteller, dass die Gewährung eines Sicherstellungszuschlages zu einer Wettbewerbsverzerrung mit anderen Krankenhäusern führen würde. Denn insoweit greift ein Sicherstellungszuschlag immer in den Wettbewerb der Krankenhäuser ein und trotzdem hat der Gesetzgeber einen solchen für Ausnahmefälle vorgesehen. Die medizinische Versorgung und damit die Gesundheit der Bevölkerung ist als höherrangiges Schutzgut vor dem wirtschaftlichen Wettbewerb der Krankenhäuser zu bewerten.

62

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

63

Der Streitwert wurde gem. § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 iVm § 52 Abs. 1 GKG festgesetzt nach dem hälftigen Betrag (vorläufiges Rechtsschutzverfahren) des geschätzten wirtschaftlichen Interesses des Antragstellers an einer Aufhebung der angefochtenen Verfügung und der damit verbundenen finanziellen Belastung durch einen Sicherstellungszuschlag. Die genaue Höhe des Sicherstellungszuschlages ist noch zwischen den Vertragsparteien zu vereinbaren.


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