Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (3. Kammer) - 3 A 302/16

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Versagung der Neuerteilung einer Fahrerlaubnis aufgrund eines nicht beigebrachten medizinisch-psychologischen Gutachtens.

2

Der Kläger war seit 2007 Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen B, M, S und L.

3

Mit Strafbefehl des Amtsgerichts          vom 07.10.2015 - 2 CS 329/15 - (rechtskräftig seit dem 30.11.2015) wurde dem Kläger wegen einer fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 StGB nach § 69 StGB die Fahrerlaubnis entzogen. Darüber hinaus wurde der zuständigen Verwaltungsbehörde untersagt, dem Kläger vor Ablauf einer Frist von acht Monaten ab Rechtskraft des Strafbefehls eine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Dem Strafbefehl lag eine Trunkenheitsfahrt mit einem PKW vom 30.05.2015 zugrunde, bei der bei dem Kläger eine Blutalkoholkonzentration von 1,58 ‰ festgestellt wurde.

4

Der Kläger beantragte am 02.03.2016 die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge der Klasse B.

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Mit Schreiben vom 18.03.2016 ordnete der Beklagte gemäß § 20 Abs. 1 FeV iVm §§ 11 und 13 Abs. 1 Nr. 2d und 2e FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung an. Zur Begründung führte er an, dass bei dem Kläger zum Zeitpunkt der Trunkenheitsfahrt Alkoholmissbrauch im fahrerlaubnisrechtlichen Sinn bestanden habe, da er nicht hinreichend sicher zwischen dem Führen von Fahrzeugen und dem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum habe trennen können. Aufgrund dieses Sachverhalts bestünden Bedenken an der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen und es sei zu prüfen, ob Alkoholmissbrauch nicht mehr bestehe. Als Rechtsgrundlage für die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens führte der Beklagte „§ 20 i.V.m. §§ 11 und 13 Ziffern 2d und 2e FeV“ an. Die Untersuchung sollte unter Berücksichtigung folgender Fragestellung erfolgen:

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„Ist zu erwarten, dass der Untersuchte auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird und /oder liegen als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs in Frage stellen?“

7

Mit Schreiben vom 21.06.2016 nahm der Kläger zu der Anordnung der medizinisch-psychologischen Untersuchung Stellung und verlangte eine positive Bescheidung seines Antrags. Dies begründete er damit, dass die hierfür relevante Grenze von 1,6 ‰ nicht überschritten worden sei und daher keine Untersuchung verlangt werden könne.

8

Der Beklagte verlangte am 23.06.2016 nochmals die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bis zum 29.06.2016, gab dem Kläger Gelegenheit sich zu äußern und kündigte an, den Antrag andernfalls wegen der Weigerung nach § 11 Abs. 8 FeV abzulehnen.

9

Der Kläger erwiderte mit Schreiben vom 29.06.0216, dass eine Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens unterhalb des Wertes von 1,6 ‰ im Ermessen der Behörde liege, und dass keine Anhaltspunkte ersichtlich seien, die eine Untersuchung geboten erscheinen ließen.

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Mit Bescheid vom 05.07.2016, dem Kläger zugestellt am 07.07.2016, lehnte der Beklagte gemäß § 2 StVG iVm §§ 20, 13 und 11 FeV den Antrag auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis ab. Da der Kläger sich geweigert habe, eine medizinisch-psychologischen Eignungsuntersuchung durchzuführen, dürfe die Behörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Klägers schließen. Die Beibringung des Gutachtens sei gemäß § 20 i.V.m. §§ 11 und 13 Ziffern 2d und 2e FeV zu fordern gewesen. Daher war der Antrag abzulehnen.

11

Gegen den Ablehnungsbescheid erhob der Kläger am 13.07.2016 Widerspruch. Zur Begründung wiederholte er sein bisheriges Vorbringen und trug ergänzend vor, dass es sich bei dem Vorfall am 30.05.2016, auch ausweislich des Auszugs des Bundeszentralregisters, um den einzigen relevanten Verkehrsverstoß handele. Zudem habe es keine eingehende Untersuchung des Klägers gegeben, aus der sich Anhaltspunkte eines Alkoholmissbrauchs ergäben.

12

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.09.2016, dem Kläger zugestellt am 24.09.2016, zurück. Die Beibringung eines Gutachtens sei anzuordnen gewesen, da dem Kläger die Fahrerlaubnis gemäß § 13 Nr. 2 d FeV aus einem der unter Buchstaben a bis c genannten Gründen, nämlich Buchstabe a Alt. 2, entzogen gewesen sei. Der Kläger sei nicht in der Lage gewesen, hinreichend sicher zwischen dem Führen von Fahrzeugen und dem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum zu trennen, sodass Alkoholmissbrauch vorgelegen habe. Zudem sei gemäß § 13 S. 1 Nr. 2 a Alt. 2 FeV ein medizinisch-psychologischen Gutachten beizubringen, wenn Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen. Die strafrichterliche Entziehung der Fahrerlaubnis mit der gegebenen Begründung, dass der Kläger sich durch die Tat als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen habe, habe zugleich die Bedeutung einer Feststellung, dass im Sinne von § 13 S. 1 Nr. 2 a Alt. 2 FeV Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen. Die strafrichterliche Erkenntnis ersetze insoweit eine bei isolierter Anwendung der Vorschrift erforderliche originäre Prüfung. Daher bestehe die Pflicht zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auch unterhalb der „1,6 ‰-Grenze“. Da die Zweifel an der Eignung des Klägers nicht ausgeräumt worden seien, komme eine Neuerteilung nicht in Betracht. Die Kosten für den Widerspruchsbescheid wurden auf insgesamt 107,03 Euro festgesetzt.

13

Am 13.10.2016 hat der Kläger Klage erhoben.

14

Er wiederholt sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und macht darüber hinaus geltend, es handele sich um einen erstmaligen Vorwurf des Begehens einer Trunkenheitsfahrt. Die Begründung des Beklagten würde dazu führen, dass nach jeder Trunkenheitsfahrt eine Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens erfolgen müsse. Der Beklagte verkenne, dass der Grenzwert von 1,6 ‰ gerade die Abgrenzung beinhalte, ob nach einer Trunkenheitsfahrt eine medizinisch-psychologischen Untersuchung anzuordnen sei. Daher sei die Fahrerlaubnis wie beantragt zu erteilen. Die Kostenentscheidung sei vor diesem Hintergrund ebenfalls rechtswidrig.

15

Der Kläger beantragt,

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1. den Bescheid des Beklagten vom 05.07.2016 und den Widerspruchsbescheid vom 23.09.2016, Gz. 141/3-W-34/2016, aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die Fahrerlaubnis zu erteilen,

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2. den Bescheid auch hinsichtlich der Kostenentscheidung vom 23.09.2016 aufzuheben,

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3. die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

19

Der Beklagte beantragt,

20

die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung bezieht er sich auf Ausführungen im Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor, dass der Entzug der Fahrerlaubnis wegen Alkoholmissbrauch im Straßenverkehr ein so gravierendes Ereignis darstelle, dass ein medizinisch-psychologischen Gutachten in jedem Fall erforderlich sei, um die Fahrerlaubnis wieder erteilen zu können. Ein Ermessenspielraum bestehe nicht.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

23

Über die Klage konnte trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung entschieden werden. Der Kläger ist hierauf in der Ladung hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 VwGO).

24

Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet.

25

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neuerteilung der begehrten Fahrerlaubnis. Die Versagung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).

26

Nach § 20 Abs. 1 FeV gelten im Verfahren auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung die Vorschriften über die Ersterteilung. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis enthält § 2 Abs. 2 StVG. Hiernach ist es u. a. erforderlich, dass der Bewerber zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 StVG). Geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist gemäß § 2 Abs. 4 StVG, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht.

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Da der Kläger das rechtmäßig geforderte MPU-Gutachten nicht vorgelegt hat, und somit an der Aufklärung der Frage eines Alkoholmissbrauchs nicht mitgewirkt hat, durfte der Beklagte auf der Grundlage von § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr schließen.

28

Von dem Fehlen dieser Anspruchsvoraussetzung kann allerdings nur dann gemäß § 11 Abs. 8 FeV ausgegangen werden, wenn die Anordnung zur Gutachtenbeibringung rechtmäßig war, wenn also die rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung erfüllt sind und die Anordnung auch den formellen Anforderungen entspricht. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

29

Die Anordnung vom 18.03.2016 ist anlassbezogen, verständlich und enthält eine sachgerechte Fragestellung; sie entspricht damit in formeller Hinsicht den Anforderungen des § 11 Abs. 6 FeV.

30

Sie ist auch nicht aus dem Grund rechtswidrig, weil der Beklagte die Anordnung auf § 13 Satz 1 Nr. 2 d und 2 e FeV gestützt hat. Zwar sind an die formellen Voraussetzungen dieser Anordnung strenge Anforderungen zu stellen. Denn die Gutachtensaufforderung ist mangels Verwaltungsaktsqualität für den Betroffenen nicht direkt anfechtbar. Er trägt das Risiko, dass gegebenenfalls die Fahrerlaubnis bei einer Weigerung aus diesem Grund entzogen wird. Darüber hinaus ist der Gutachter einer Gutachtensaufforderung an die dort formulierte Fragestellung sowie die dort genannten Rechts- und Beurteilungsgrundlagen gebunden. Es ist gemäß § 11 Abs. 6 FeV Aufgabe der Fahrerlaubnisbehörde und nicht Aufgabe des Gutachters oder des betroffenen Fahrerlaubnisinhabers, die Beurteilungsgrundlage und den Beurteilungsrahmen selbst klar und fehlerfrei festzulegen. Deswegen muss nach Rechtsprechung der Kammer (VG Schleswig, Gerichtsbescheid vom 14.10.2014 – 3 A 254/13) auch die Nennung der Rechtsgrundlage, sofern diese erfolgt, grundsätzlich zutreffend sein. In Fällen, in denen die Behörde dem Betroffenen eine unzutreffende Rechtsgrundlage in der Form nennt, so dass dieser nicht abschließend beurteilen kann, ob er die Beibringung Gutachtens verweigern kann, ohne befürchten zu müssen, dass ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis unter Berufung auf § 11 Abs. 8 FeV rechtmäßig wegen Nichteignung entzieht, ist die Anordnung bereits formell rechtswidrig und kann auch nicht im weiteren Verfahren geheilt werden. Es kommt hier also entscheidend nur auf das Anordnungsschreiben vom 18.03.2016 an. Dies betrifft aber nicht die Fälle, in denen – wie hier – die richtige Rechtsgrundlage, nämlich § 13 Satz 1 Nr. 2 d FeV, genannt wird. Denn durch die Nennung dieser Rechtsgrundlage in Verbindung mit der Darlegung des maßgeblichen Sachverhalts und zudem der konkreten Fragestellung werden dem Betroffenen die Gründe für die Eignungszweifel unmissverständlich mitgeteilt. Die weitere Nennung von Buchstabe e ist insbesondere deswegen unschädlich, weil dessen Tatbestandsvoraussetzungen grundsätzlich vorliegen und diese Rechtsgrundlage nur deswegen nicht einschlägig ist, weil es sich um einen Auffangtatbestand handelt, der hier hinter dem spezielleren Buchstaben d zurücktritt.

31

Aufgrund der Mitteilung des § 13 Satz 1 Nr. 2 d FeV als Rechtsgrundlage war es für den Kläger erkennbar, dass das behördliche Verlangen mit der Rechtsordnung in Einklang stand und er nicht berechtigt war die Gutachtenvorlage zu verweigern. Selbst wenn der Kläger nach rechtlicher Prüfung der Anordnung davon ausgehen durfte, dass diese nicht auf den Buchstaben e gestützt werden konnte, durfte er wegen der Angabe des Buchstaben d nicht davon ausgehen, dass die Anordnung rechtswidrig war. Somit werden auch die Gründe für den strengen Maßstab an die formellen Voraussetzungen der Anordnung nicht unterlaufen.

32

Die Gutachtenanordnung des Beklagten vom 18.03.2016 ist auf der Grundlage von § 13 Abs. 1 Nr. 2 d FeV auch materiell rechtmäßig.

33

Danach ist die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung zwingend geboten, wenn – wie hier – die Fahrerlaubnis aus einem der unter Buchstabe a - c genannten Gründe entzogen war. § 13 Abs. 1 Nr. 2 d FeV erfasst sowohl die Entziehung der Fahrerlaubnis durch ein Strafgericht, als auch eine behördliche Entziehung der Fahrerlaubnis (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.06.2013 - 3 B 71/12 -, NJW 2013, S. 3670). So genügt bei Anknüpfung an Buchstabe a die Feststellung, dass die frühere Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Alkoholmissbrauchs erfolgt ist. Dieser Fall liegt hier vor, da dem Kläger mit Strafbefehl vom 07.10.2015 wegen einer Trunkenheitsfahrt die Fahrerlaubnis entzogen wurde. Der strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis lag zugrunde, dass der Kläger am 30.05.2015 mit einem Kraftfahrzeug fuhr, obwohl er infolge des vorangegangen Alkoholgenusses fahruntüchtig war (1,58 ‰ Blutalkohol). Diese Tat belegt einen Alkoholmissbrauch, da der Kläger erwiesenermaßen nicht zwischen einem die Fahreignung ausschließenden Konsum und dem Führen eines Kraftfahrzeuges getrennt hat (vgl. die Legaldefinition des Alkoholmissbrauch in Nr. 8.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung: „Das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum kann nicht hinreichend sicher getrennt werden.“). Der Sache nach hat die strafrichterliche Entziehung der Fahrerlaubnis mit der gegebenen Begründung, dass der Kläger sich durch die Tat – das Fahren im Zustand alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit – als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat, zugleich die Bedeutung einer Feststellung, dass im Sinne der von § 13 S. 1 Nr. 2 a Alt. 2 FeV erfassten Fallgruppe Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen. Die strafgerichtliche Erkenntnis ersetzt bzw. erübrigt insoweit eine bei isolierter Anwendung der Vorschrift erforderliche originäre Prüfung (so auch VGH Mannheim, Beschluss vom 15.01.2014 - 10 S 1748/13 -, Rdnr. 9 – juris; VGH Mannheim, Urteil vom 07. Juli 2015 – 10 S 116/15 –, juris; ebenso OVG Schleswig, Beschluss vom 25.02.2015 – 3 MB 9/15). Dies führt dazu, dass die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis wegen einer Fahrt unter Alkoholeinfluss für ein Wiedererteilungsverfahren ohne weiteres die Notwendigkeit der Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung auslöst. Ansonsten würde auch der gesetzgeberischen Wertung in § 69 StGB nicht genügend Rechnung getragen werden. Die Annahme, dass nach einer strafrichterlichen Fahrerlaubnisentziehung und dem Ablauf der zusätzlich verhängten Sperrfrist automatisch ein Anspruch auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis entstehen würde, eine weitere Eignungsprüfung also entfallen würde, widerspräche dem Sinn und Zweck der Regelung als Maßregel der Besserung und Sicherung im Gegensatz zum Fahrverbot gemäß § 44 StGB als Nebenstrafe. Ginge man von einer automatischen Wiedererlangung der Eignung aus, so wäre das Wiedererteilungsverfahren insgesamt entbehrlich und verfahrenstechnisch unökonomisch, da ein bloßes Fahrverbot unter dieser Annahme sachgerechter wäre. Da die Entziehung aber nur aufgrund der fehlenden Eignung erfolgte, ist eine Prüfung der Wiedererlangung erforderlich und entspricht dem Zweck des § 69 StGB. Insofern kam es hier weder auf die Feststellung eines weiteren Verkehrsverstoßes noch auf die Überschreitung des 1,6 ‰-Wertes an.

34

Entgegen der Auffassung des Klägers enthält auch der in § 13 Satz 1 Nr. 2 c FeV normierte 1,6 ‰-Wert keinen eine Sperrwirkung entfaltenden Grenzwert hinsichtlich Trunkenheitsfahrten unterhalb dieses Werts. Weder die Binnensystematik noch der Sinn und Zweck von § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV lassen den Schluss zu, dass auch nach vorausgegangener strafgerichtlicher Entziehung der Fahrerlaubnis die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung im Wiedererteilungsverfahren lediglich unter den in Buchstaben b und c geregelten Voraussetzungen in Betracht käme. Vielmehr ist § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV so zu verstehen, dass er in seinen Buchstaben a bis e voneinander unabhängige Fälle normiert, in denen wegen ähnlich gewichtiger Hinweise auf eine alkoholbedingte Straßenverkehrsgefährdung die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens erforderlich ist (vgl. hierzu auch Bay.VGH, Beschluss vom 09.02.2009 - 11 CE 08.3028 - a.a.O.). Der Verordnungsgeber hat mit der Regelung in § 13 Satz 1 Nr. 2 d FeV zum Ausdruck gebracht, dass er der strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis eine eigenständige, und Anlass zu Eignungszweifeln gebietende, Bedeutung zumisst. Die Vorschrift knüpft explizit gerade nicht an eine Kumulation der Gründe a bis c für die frühere Entziehung der Fahrerlaubnis an, sondern alternativ an das frühere Vorliegen eines dieser Gründe. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass bei dem hier vertretenen Verständnis von § 13 Satz 1 Nr. 2 d FeV die Regelungen in Buchstabe b und c dieser Vorschrift leer liefen und keinen praktischen Anwendungsbereich mehr hätten. Zum einen kommt diesen Tatbeständen bei direkter Anwendung von § 13 Satz 1 FeV im Entziehungsverfahren Bedeutung zu. Zum anderen sind diese Tatbestände auch im Wiedererteilungsverfahren relevant, etwa wenn das Strafgericht aufgrund atypischer Umstände im Einzelfall von einer Fahrerlaubnisentziehung abgesehen hat oder eine solche aus sonstigen Gründen (wie beispielsweise bei der strafbewehrten Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Fahrrad unter Alkoholeinfluss) nicht in Betracht gekommen ist (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 07. Juli 2015 – 10 S 116/15 –, juris).

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

36

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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