Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (11. Kammer) - 11 B 57/17
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Festsetzung der Ausreisefrist im Bescheid vom 23.10.2017 wird wiederhergestellt.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten haben der Antragsteller und die Antragsgegnerin jeweils zur Hälfte zu tragen.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
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Das Eilrechtsschutzgesuch des Antragstellers vom 27.10.2017, das ausweislich der Antragsschrift darauf gerichtet ist,
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1. die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 26. Oktober 2017 anzuordnen, soweit diese kraft Gesetzes entfällt;
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2. festzustellen, dass die Feststellung der Ausreisepflicht vom 23. Oktober 2017 rechtswidrig war;
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3. hilfsweise, den Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet und dessen Tätigkeit als Besatzungsmitglied im deutschen Küstenmeer zu dulden,
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hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
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Der Antrag zu 1., der offensichtlich auf die Erlangung von Eilrechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO gerichtet ist, ist zulässig und begründet, soweit er die Festsetzung der Ausreisefrist im angefochtenen Bescheid vom 23.10.2017 betrifft.
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Dabei geht das Gericht davon aus, dass Streitgegenstand im Tatsächlichen in diesem Verfahren der von der Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller am 23.10.2017 an Bord des Schiffes MS „…“ überreichte Bescheid vom selben Tage ist, und zwar in der Form, wie er sich schriftlich auf Bl.24 f. der Beiakte findet. Dieser stellt zunächst nur fest, dass der Antragsteller mangels Aufenthaltstitel ausreisepflichtig sei und bis zum 25.10.2017 das Hoheitsgebiet der Schengenstaaten verlassen solle.
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Dass dem Antragsteller gegenüber an diesem Tage rechtsverbindlich durch die Antragsgegnerin darüberhinaus eine „Arbeitsuntersagung“ ausgesprochen werden sollte (wie es unter Ziffer 31 der Antragsschrift offenbar nahegelegt wird), ergibt sich zur Überzeugung der Kammer weder aus dem Vorbringen der Beteiligten noch aus dem Verwaltungsvorgang.
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Ausweislich des Berichts des an dem Einsatz auf dem Schiff beteiligten POK Xxx vom 30.10.2007 (Bl. 54 BA) und dem angefochtenen Bescheid war alleiniges Ziel der gegenüber dem Antragsteller ausgesprochenen Maßnahmen die Beendigung des nach Ansicht der Antragsgegnerin unrechtmäßigen Aufenthalts des Antragstellers auf deutschem Hoheitsgebiet. In Konsequenz hieraus wurde seitens der Antragsgegnerin festgestellt und dem Antragsteller schriftlich (und mündlich) mitgeteilt, dass er ausreisepflichtig sei. Die Untersagung weiterer Tätigkeiten, solange sich das Schiff auf deutschem Hoheitsgebiet befindet, ist insoweit allenfalls Reflex und ergibt sich logischerweise aus der Ausreiseaufforderung. Ein eigenständiger Verwaltungsakt oder Ähnliches, mit dem dem Antragsteller explizit weitere Tätigkeiten als Besatzungsmitglied verboten worden wären, gibt es zur Überzeugung der Kammer nicht.
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Der so verstandene Bescheid kann – soweit er die Festsetzung der Ausreisefrist und die insoweit ebenfalls erfolgte Anordnung des Sofortvollzuges betrifft- zulässigerweise Gegenstand eines gerichtlichen Eilverfahrens auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 S. 1 2. Alt VwGO iVm § 80 Abs. 2 S. 1 Ziff. 4 VwGO iVm § 123 Abs.5 VwGO sein.
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Hiernach kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen Verwaltungsakt wiederherstellen. Die Abgrenzung nach der statthaften Antragsart erfolgt sodann nach § 123 Abs. 5 VwGO und richtet sich regelmäßig nach der Klageart im Hauptsacheverfahren.
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Hier liegt in der Festsetzung der Ausreisefrist (auch ohne zusätzlich verfügte Abschiebungsandrohung) ein Verwaltungsakt, der im Wege von Widerspruch und schließlich Anfechtungsklage angefochten werden kann (Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., § 59 AufenthG Rn. 59 f., Funke-Kaiser in Gemeinschaftskommentar zum AufenthG, § 50 AufenthG, Rn. 46 f. und § 59 Rn. 258). Vorliegend entfiel durch die Anordnung des Sofortvollzuges auch bzgl. der Ausreisefrist die grundsätzlich eintretende Suspensivwirkung des Widerspruchs aus § 80 Abs. 1 VwGO.
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Der Antrag richtet sich auch gegen den richtigen Antragsgegner (§ 78 Abs. 1 VwGO entspr.), da zur Überzeugung der Kammer Rechtsträger der hier handelnden Behörde (Bundespolizei) die Antragsgegnerin ist.
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Denn die angefochtene Festsetzung der Ausreisefrist unter Sofortvollzugsanordnung vom 23.10.2017 ist nach den auch im öffentlichen Recht geltenden Auslegungsregeln aus §§ 133, 157 BGB, die hier analog anzuwenden sind, als solche der Bundespolizei zu verstehen. Denn nach diesen Regeln ist für die Bestimmung der handelnden Behörde und damit des richtigen Antragsgegners der objektive Erklärungswert der Maßnahme maßgebend d.h. wie der Betroffene selbst die Erklärung nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste. Dabei ist die Auslegung nicht auf das Erscheinungsbild und formale Äußerlichkeiten wie etwa den Kopf des Bescheides beschränkt; vielmehr ist grundsätzlich der gesamte Inhalt des Bescheids einschließlich seiner Begründung heranzuziehen.
- 15
Diese Maßstäbe zugrundegelegt ist die angefochtene Feststellung vom 23.10.2017 eine solche der Bundespolizei.
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Sie ist unter ihrem Briefkopf und entsprechenden Kontaktdaten erlassen und unterzeichnet. Auch auf der beigefügten Grenzübertrittsbescheinigung ist allein die Bundespolizei als „Behörde/ Dienststelle“ ersichtlich. Der Bescheid wurde dem Antragsteller auch von einem Mitarbeiter der Bundespolizei überreicht. Es ergibt sich aus dem Bescheid nicht, dass die Bundespolizei für das Innenministerium des Landes XXX handeln wollte. Die bloße Angabe der (leicht fehlerhaften) Adresse des Innenministeriums in der Rechtsbehelfsbelehrung ist nicht ausreichend, um den ansonsten ausschließlich erzeugten Anschein eines Bescheids der Bundespolizei aufzuheben. Weder aus den Akten noch aus dem Vorbringen der Beteiligten ergibt sich, dass der an Bord des Schiffes befindliche Polizeibeamte zumindest mündlich darauf hinwies, dass er für das Land xxx handle.
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Dies ergibt sich auch nicht aus dem Inhalt des Schreibens und dabei insbesondere nicht daraus, dass sich unter „III Anordnung der sofortigen Vollziehung“ ganz am Ende folgender (wörtlich wiedergegebener) Text findet:
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„Die sofortige Vollziehung wird als unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten in Eilzuständigkeit für das Innenministerium xxx gegeben. Hierfür währe jedoch das Innenministerium MV zuständig. Dies war aber telefonisch nicht erreichbar.“
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Unabhängig davon, dass sich wegen der (wohl versehentlichen) Rechtschreib-, Grammatik- und Satzbaufehler der Inhalt dieser Aussage nur erahnen lässt, bezieht sie sich nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut und Fundstelle innerhalb des Bescheids schon- obwohl dies rechtlich nicht möglich wäre- nur auf die Anordnung des Sofortvollzugs. Diesen Eindruck musste auch der objektive Empfänger gewinnen. Dass das Schreiben in Gänze dem Innenministerium Mecklenburg- Vorpommerns zuzuordnen ist, ergibt sich so nicht.
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Insoweit ist unerheblich, dass der Polizeibeamte einen dahingehenden Willen hatte, solange dieser nicht erkennbar ist.
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Der Antrag zu 1. ist insoweit auch begründet, da die Anordnung des Sofortvollzugs für die Ausreisefrist rechtswidrig ist.
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Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Begründung der Anordnung des Sofortvollzuges bzgl. der Ausreisefrist den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO entspricht- also insbesondere hinreichend einzelfallbezogen, substantiiert und nicht lediglich formelhaft erfolgte.
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Denn die Anordnung des Sofortvollzugs ist zumindest in materieller Hinsicht nicht gerechtfertigt.
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Im Rahmen der Entscheidung nach 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, bei der das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung trifft, bedarf es einer Abwägung der gegenseitigen Interessen der Beteiligten. Maßgeblich ist, ob das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs oder das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegen.
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Für das Interesse des Antragstellers, einstweilen nicht dem Vollzug der behördlichen Maßnahme ausgesetzt zu sein, sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs von Belang. Ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel anzunehmen, wenn die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene Überprüfung zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann ein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt das Vollzugsinteresse nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht, dass über jenes hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt.
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Nach diesen Maßstäben überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers, da die angefochtene Festsetzung der Ausreisefrist offensichtlich rechtswidrig ist.
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Nach § 50 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz hat ein Ausländer, der zur Ausreise verpflichtet ist, das Bundesgebiet unverzüglich oder, wenn ihm eine Ausreisefrist gesetzt ist, bis zum Ablauf der Frist zu verlassen.
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Die formellen und materiellen Voraussetzungen der danach grundsätzlich möglichen Setzung einer Ausreisefrist liegen indes nicht vor.
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Der Bundespolizei, die nach o.g. als erlassende Behörde anzusehen ist, fehlt für die Fristsetzung zum einen schon die gesetzliche Zuständigkeit, sodass sie nicht berechtigt war, diese Frist zu setzen. Denn zuständig für die Ausführung aufenthaltsrechtlicher Maßnahmen und Entscheidungen nach dem Aufenthaltsgesetz sind allein die Ausländerbehörden, § 71 Abs. 1 AufenthG. Hier ist auch nicht eine Sonderzuständigkeit der Bundespolizei nach einem der abschließend aufgezählten Tatbestände des § 71 Abs. 3 AufenthG (iVm § 1 Abs. 2 BPolG iVm § 2 Abs.1 Nr.1 b BPolZV) gegeben, da hier insbesondere (noch) keine Abschiebe- oder Zurückweisungsmaßnahmen getroffen wurden.
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Daneben ist die Fristsetzung auch materiell rechtswidrig, da der Antragsteller sich nicht im Sinne von § 50 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz ohne einen erforderlichen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufhielt.
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Einen Aufenthaltstitel- insbesondere einen solchen zur Ausführung einer Erwerbstätigkeit- erforderte sein Aufenthalt auf dem Schiff zur Durchführung von Arbeiten innerhalb der deutschen Hoheitsgewässer nicht. Die Kammer nimmt diesbezüglich auf die bereits mehrfach von diesem Gericht rechtskräftig getroffene und bestätigte Entscheidungen Bezug (z.B. Beschluss vom 13.11.2013 – 2 B 45/13; Beschluss vom 14.11.2013 – 4 B 58/13 und Beschluss vom 3.8.2017- 1 B 111/17).
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In diesen heißt es:
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„[…] bedurfte der Antragsteller für seine Tätigkeit als Besatzungsmitglied (2. technischer Offizier) eines unter belgischer Flagge fahrenden Seeschiffes keines über das dem Antragsteller bereits erteilte Schengen-Visum der Kategorie „C“ hinausgehenden deutschen Aufenthaltstitels.
- 34
Dies ergibt sich aus einer Zusammenschau der Regelungen in §§ 26 Abs. 1, 24 Abs. 2 AufenthV und § 4 Abs. 4 AufenthG (in der Fassung bis zum 05.09.2013 -AufenthG a. F.-). Nach § 26 Abs. 1 AufenthV bedürfen Ausländer, die sich zwar im Bundesgebiet befinden, aber nicht i. S. v. § 13 Abs. 2 AufenthG eingereist sind, keines Aufenthaltstitels. § 13 Abs. 2 sieht vor, dass ein Ausländer an einer zugelassenen Grenzübergangsstelle erst eingereist ist, wenn er die Grenze überschritten und die Grenzübergangsstelle passiert hat (Satz 1). Lassen die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden einen Ausländer vor der Entscheidung über die Zurückweisung (§ 15 dieses Gesetzes, §§ 18, 18a des Asylverfahrensgesetzes) oder während der Vorbereitung, Sicherung oder Durchführung dieser Maßnahme die Grenzübergangsstelle zu einem bestimmten vorübergehenden Zweck passieren, so liegt keine Einreise im Sinne des Satzes 1 vor, solange ihnen eine Kontrolle des Aufenthalts des Ausländers möglich bleibt (Satz 2). Im Übrigen ist ein Ausländer eingereist, wenn er die Grenze überschritten hat (Satz 3). § 24 Abs. 2 AufenthV sieht vor, dass ziviles Schiffspersonal eines in der Seeschifffahrt verkehrenden Schiffes für den Aufenthalt im Hafenort vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit werden kann. § 4 Abs. 4 AufenthG a. F. normierte, dass auch Ausländer, die als Besatzungsmitglieder eines Seeschiffes tätig sind, das berechtigt ist, die Bundesflagge zu führen, eines Aufenthaltstitels bedürfen.
- 35
Unter Zugrundelegung dieser Normen ergibt sich für die Kammer, dass der Antragsteller als nicht eingereist im Sinne von § 13 Abs. 2 AufenthG anzusehen ist. Denn aus der Zusammenschau ist erkennbar, dass die Einreise nicht automatisch gleichzusetzen ist mit einem Grenzübertritt, dies insbesondere bei Seeleuten (ziviles Schiffspersonal/Besatzungsmitglieder) von Seeschiffen. So sehen die Verwaltungsvorschriften - welche das Gericht zwar nicht binden, aber dennoch eine Auslegungshilfe für eine einheitliche Rechtsanwendung sind - zu § 13 AufenthG z. B. vor, dass Ausländer an Bord eines Schiffes, die beabsichtigen, unter Umgehung der Grenzübergangsstelle an Land zu gehen, die Einreise bereits mit der Einfahrt in das Küstenmeer vollendet haben (Nr. 13.2.6.2; vgl. auch Funke-Kaiser, a.a.O. § 13, Rn. 48 ff.). Ein solcher Fall der beabsichtigten Umgehung der Grenzübergangsstelle (sowie überhaupt ein beabsichtigter Landgang) sind vorliegend bereits nicht gegeben. In der Verwaltungsvorschrift zu § 4 AufenthG wird ausgeführt, dass Besatzungsmitglieder von Schiffen, solange sie nur auf dem Schiff verbleiben, keines Aufenthaltstitels bedürfen. […] § 4 Abs. 4 AufenthG a. F. bezieht sich zudem nur auf Seeschiffe unter deutscher Flagge, woraus der Umkehrschluss zu ziehen ist, dass vom Gesetz gerade keine Aufenthaltstitelpflicht für Ausländer auf Seeschiffen anderer Flaggenstaaten vorgesehen - und notwendig - ist. Dies wird belegt durch die Gesetzesbegründung zur Aufhebung des Abs. 4 in § 4 AufenthG (BT-Drs. 17/13022, S. 19), worin ausdrücklich angeführt wird: die internationale und europäische Rechtslage zur Aufenthaltstitelpflicht auf Seeschiffen anderer Flaggenstaaten sei nicht einheitlich und damit verfügten Seeleute auf fremdflaggigen Schiffen, die Deutschland anlaufen, in den meisten Fällen über keinen in Deutschland gültigen Aufenthaltstitel. Sie würden beim Verlassen des Schiffes ausländerrechtlich überprüft und erhielten die Möglichkeit, an Land zu gehen bzw. über deutsche Flughäfen das Land zu verlassen (§ 24 Abs. 2 AufenthV). Nach der Umsetzung der der Änderung des SOLAS-Übereinkommens und des neu geschaffenen ISPS-Codes von 2002 in deutsches und europäisches Recht (...) bestehe keine Gefahr, dass ausländische Seeleute sich unkontrolliert und unberechtigt im Geltungsbereich des Grundgesetzes aufhielten.
- 36
[…] Soweit die Antragsgegnerin zur Beurteilung des Charakters [des Schiffes] auf das Gabler Wirtschaftlexikon zurückgreift, dass für die Definition des Begriffs Seeschifffahrt als Kurzerklärung auf das Befördern von Personen, Post oder Güter mit Seeschiffen abstellt, überzeugt dies nicht. Diese Definition erscheint zu einengend. Vielmehr überzeugt die Kammer für eine einheitliche Rechtsanwendung auf die Legaldefinition des Begriffs „Seeschiff“ in dem deutschen Flaggenregistergesetz zurückzugreifen. Nach § 1 Abs. 1 Flaggenregistergesetz sind Seeschiffe alle Kauffahrteischiffe und sonstige zur Seefahrt bestimmte Schiffe. Der darin verwendete Begriff des Kauffahrteischiffes ist zwar nicht in Rechtsvorschriften definiert. Er findet sich allerdings in Art. 27 GG wieder. Durch diese Verfassungsvorschrift hat die Bundesrepublik Deutschland Gebrauch gemacht von dem als allgemeines Völkergewohnheitsrecht anerkannten Art. 90 SRÜ (vgl. Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Grundgesetz, Kommentar, 12. Aufl., Art. 27 GG, Rn. 2). Der Begriff stammt aus der älteren Rechtssprache des See- und Seehandelsrechts und bezeichnet ein Seeschiff, das zu unmittelbarem oder mittelbarem Erwerb durch Seefahrt bestimmt ist. Zu den Seeschiffen, die dem Erwerb durch Seefahrt dienen, zählen z.B. solche, die Personen oder Güter gegen Entgelt über See transportieren, auf See Schlepper-, Bugsier- oder Bergungsdienste leisten, der Seefischerei oder dem gewerblichen Lotsendienst dienen (vgl. OVG B-Stadt, Beschl. v. 8.12.2010, - 1 Bs 181/10 -, juris m. w. N.; Maunz-Düring, Grundgesetz, Loseblatt-Kommentar, Art. 27, Rn. 17). Die Eigenschaft eines solchen Kauffahrteischiffes und damit Seeschiffes hat[das Schiff] zur Überzeugung der Kammer auch nicht etwa dadurch verloren, dass sie am Offshore-Windpark vor Anker ging und Taucher bei ihrer Arbeit am Windpark unterstützte. Vielmehr war das Schiff und insbesondere die Tätigkeit der Besatzung weiterhin von den Aufgaben zur Führung eines Seeschiffes bestimmt und wandelte sich keineswegs in eine mobile Arbeitsplattform. […] Vielmehr ist der Einsatz [des Schiffes] davon gekennzeichnet, nach wenigen Tagen zu ihrem Basishafen zurückzukehren und jeweils von dort erneut auszulaufen, um an wechselnden Offshore-Windparks als Tauchbasisschiff eingesetzt zu werden. Den Status einer schwimmenden Baustelle oder mobilen Arbeitsplattform erlangt sie dadurch nicht, sondern behält weiterhin, wie etwa auch Schiffe eines Bergungsdienstes, ihren Charakter als Seeschiff.“
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Dieser Erwägungen macht sich die Kammer für den hier vorliegenden Fall nach vorläufiger Einschätzung ausdrücklich zu Eigen. Gründe dafür, die Sach- und Rechtslage anders zu beurteilen erschließen sich nicht.
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Sie ergeben sich insbesondere auch nicht aus dem konkreten Arbeitseinsatz der „XXX“.
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Die „XXX“ ist ein Offshore Supply Schiff und steuert von verschiedenen Häfen aus (Bl.23 und 18 GA) ihre jeweiligen Einsatzgebiete an. Im hier relevanten Zeitpunkt des 23.10.2017 befand sie sich im Einsatz im Zusammenhang mit Kabellegearbeiten, wobei – nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin- hier konkret zur Vorbereitung der Kabelverlegearbeiten Steine auf dem Meeresgrund, die sich entlang der geplanten Stromtrassenführung des Offshore-Windparks befinden, entsorgt/versetzt werden sollten. Hierzu sei ein auf dem Schiff befindlicher Schwerlastkran verwendet worden. Die Trassenführung reiche von Beginn der 12-Seemeilengrenze bis zum Anlandepunkt in Lubmin, Mecklenburg-Vorpommern (Bl. 22 BA).
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Diese Arbeit führt nicht dazu, dass das Schiff etwa als „mobile Arbeitsplattform“ oder schwimmende Baustelle im o.g. Sinne anzusehen wäre und nicht mehr als Seeschiff. Auch hier ist der Einsatz des Schiffes davon gekennzeichnet, nach wenigen Wochen zurück zum Hafen zu kehren und von dort erneut zu anderen Einsätzen auszulaufen. Das Schiff verändert seine Position überdies täglich, da es eine „Trasse“ von Steinen befreien soll, und sich damit über 12 Seemeilen Stück für Stück vorarbeitet, was auf hoher See zwangsläufig nur mittels Schiff erfolgen kann. Damit ist der Charakter der „XXX“ nach wie vor- vergleichbar mit dem eines Bergungsschiffes- als Seeschiff ausgestaltet. Der Antragsteller ist im Besitz eines biometrischen Reisepasses, was nach dem seit Juli 2017 geltenden Visumerleichterungsabkommen der EU mit der Ukraine (Visa faciliation agreement), dort Art. 10 Ziff.2, für eine visafreie Einreise in den Schengenraum zum Aufenthalt von max. 90 Tagen binnen 180 Tagen, ausreichend ist.
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Warum das Bundesministerium des Innern – wie im Schreiben des Innenministeriums xxx vom 16.8.2016 (Bl. 62 BA) angedeutet- bezüglich der Aufenthaltstitelpflichtigkeit eine andere Rechtsauffassung vertritt und ob dieser ggf. zu folgen wäre, ist hier nicht nachvollziehbar, da die Begründung hierzu nicht vorliegt.
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Hinsichtlich der Feststellung der Ausreisepflicht ist der Antrag zu 1. indes unzulässig, weil er nicht statthaft ist.
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Eine Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO kommt (gemäß der Abgrenzungsvorschrift in § 123 Abs. 5 VwGO) regelmäßig nur in den Fällen in Betracht, in denen in der Hauptsache eine Anfechtungsklage zu erheben wäre.
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Diese wiederum setzt nach § 42 Abs. 1 VwGO das Vorliegen eines Verwaltungsaktes voraus. Ein solcher ist in dem „Bescheid“ der Antragsgegnerin soweit er die Feststellung der Ausreisepflicht betrifft nicht zu sehen.
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Der Bescheid stellt bzgl der Feststellung der Ausreisepflicht keinen Verwaltungsakt dar, der mit der Anfechtungsklage angreifbar wäre. Eine ausländerrechtliche Ausreiseaufforderung (und als solche ist der Bescheid der Antragsgegnerin hier zu verstehen) kann nicht als selbständige Regelung erlassen werden, da sie insoweit lediglich die gesetzlich bestehende Ausreisepflicht bei Fehlen eines Auftrittstitels nach § 50 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz wiedergibt (mwN: VG Schleswig, Beschluss vom 14.11.2013- 4 B 58/13 und Beschluss vom 3.8.2017- 1 B 111/17 unter Bezugnahme auf das OVG Thüringen, Beschluss vom 11.2.2003- 3 EO 387/02 und BVerwG, Beschluss vom 20.1.1993- 1 B 149/92). Die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht regelt sich nach den Maßgaben des § 58 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz.
- 46
Die gegenüber dem Antragsteller mündlich und schriftlich mitgeteilte Feststellung der Rechtswidrigkeit seines Aufenthalts, verbunden mit dem Hinweis auf die Verpflichtung, das Hoheitsgebiet der Schengenstaaten zu verlassen stellen demnach keinen Verwaltungsakt dar, sind auch nicht sofort vollziehbar und damit vorläufigem Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO, der stets nur auf eine Suspendierung der Möglichkeit des Sofortvollzuges gerichtet sein kann, nicht zugänglich.
- 47
Mangels Vorliegen eines vollziehbaren Verwaltungsaktes geht auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung aus dem angefochtenen Bescheid, die sich ausdrücklich auf die Feststellung der Ausreisepflicht (und die Festsetzung der Ausreisefrist) bezieht, ins Leere.
- 48
Eine vorläufig vollziehbare Abschiebungsandrohung hat die Antragsgegnerin insoweit gerade nicht erlassen.
- 49
Der Antrag zu 2. ist unzulässig.
- 50
Ungeachtet der Frage, ob im Rahmen von gerichtlichen Eilrechtsschutz überhaupt eine - allenfalls vorläufige- Feststellung getroffen werden kann, fehlt es dem Antragsteller bezüglich seines Antrages zu 2. nach eben Gesagtem zumindest an einem Rechtsschutzbedürfnis.
- 51
Der Regelungsinhalt einer vorläufigen Verstellung dahingehend, dass die Feststellung der Ausreisepflicht vom 23.10.2017 rechtswidrig gewesen ist, geht nicht über das hinaus, was den Antragsteller mit der Stattgabe seines Antrages zu 1. ohnehin schon von dem Gericht zugestanden worden ist.
- 52
Da also dem Antrag zu 1. des Antragstellers und seinem erkennbaren Rechtsschutzziel, zunächst nicht weiter als sich illegal aufhaltend zu gelten, gedient ist, war über den Hilfsantrag trotz der der Unzulässigkeit des Antrages zu 2. nicht mehr zu entscheiden. Denn dieser ist erkennbar nur für den Fall, des vollständigen Unterliegens in beiden Hauptanträgen gestellt worden.
- 53
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 155 Abs.1 S. 1 VwGO. Da der Antragsteller mit einem seiner Hauptanträge vollständig unterliegt und mit dem anderen vollständig obsiegt, waren die Kosten hier den Parteien jeweils zur Hälfte aufzuerlegen.
- 54
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG. Dabei legt das Gericht trotz Vorliegens zweier Anträge den Auffangstreitwert nur einmal zu Grunde, da beiden Hauptanträgen ein einheitliches materielles Begehr mit entsprechender gerichtlicher Prüfung zu entnehmen war.
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