Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (2. Kammer) - 2 B 56/17
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens werden je zur Hälfte den Antragstellern zu 1) und 2) als Gesamtschuldner und den Antragstellern zu 3) und 4) als Gesamtschuldner auferlegt.
Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,- € festgesetzt.
Gründe
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Das vorläufige Rechtsschutzgesuch der Antragsteller bleibt ohne Erfolg.
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Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der vom Antragsteller zu 1) am 12.09.2017, vom Antragsteller zu 3) am 10.10.2017, von der Antragstellerin zu 4) am 21.11.2017 sowie im Namen auch der Antragstellerin zu 2) am 22.11.2017 erhobenen Widersprüche gegen die dem Beigeladenen von dem Antragsgegner erteilte Baugenehmigung vom 31.08.2017 anzuordnen, beurteilt sich nach §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 S. 1, 1. Alt. VwGO; insoweit ist der Antrag statthaft und auch sonst zulässig. Das Gericht unterstellt trotz der von Antragsgegnerseite geäußerten Zweifel für das vorläufige Rechtsschutzverfahren zunächst zugunsten der Antragstellerin zu 2), dass auch sie Miteigentümerin des Grundstücks A. ist. Nach § 80 Abs. 5 S. 1, 1. Alt. VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs in den Fällen anordnen, in denen die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 3 VwGO entfällt. Das ist hier der Fall, da den Widersprüchen der Antragsteller gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Neuerrichtung von zwei Mehrfamilienwohnhäusern mit je 8 Wohneinheiten auf dem Grundstück A. in A-Stadt nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212 a Abs. 1 BauGB keine aufschiebende Wirkung zukommt.
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Der Antrag ist jedoch unbegründet.
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Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das Interesse des beigeladenen Bauherrn an der sofortigen Ausnutzung der ihm erteilten Baugenehmigung einerseits und das Interesse der antragstellenden Nachbarn, von der Vollziehung der Baugenehmigung bis zur Entscheidung in der Hauptsache verschont zu bleiben, andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit oder die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, Bedeutung erlangen, allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte. Darüber hinaus ist in die Abwägung einzustellen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens gemäß § 212 a Abs. 1 BauGB keine aufschiebende Wirkung haben sollen und der Gesetzgeber damit dem Bauverwirklichungsinteresse grundsätzlich den Vorrang eingeräumt hat. Insofern kann das Gericht die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage nur anordnen, wenn auf Seiten der Antragsteller geltend gemacht werden kann, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ihre Rechtsposition durch den Bau und die Nutzung des genehmigten Vorhabens unerträglich oder in einem nicht wieder gutzumachenden Maße beeinträchtigt bzw. gefährdet wird. Dabei macht der Verweis auf die Rechtsposition des antragstellenden Nachbarn allerdings deutlich, dass bei baurechtlichen Nachbarrechtsbehelfen nicht allein die objektive Rechtswidrigkeit der angefochtenen Baugenehmigung in den Blick zu nehmen ist, sondern dass Rechtsbehelfe dieser Art nur erfolgreich sein können, wenn darüber hinaus gerade die widersprechenden bzw. klagenden Nachbarn in subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten verletzt sind. Ob die angefochtene Baugenehmigung insgesamt objektiv rechtmäßig ist, ist dagegen nicht maßgeblich. Vielmehr ist die Baugenehmigung allein daraufhin zu untersuchen, ob sie gegen Vorschriften verstößt, die dem Schutz der um Rechtsschutz nachsuchenden Nachbarn dienen. Die Nachbarn können sich nur auf solche Interessen berufen, die das Gesetz im Verhältnis der Grundstücksnachbarn untereinander als schutzwürdig ansieht. Dabei ist für die Beurteilung der Verletzung von öffentlich-rechtlich geschützten Nachbarrechten durch eine Baugenehmigung allein der Reglungsinhalt der Genehmigungsentscheidung maßgeblich. Eine hiervon abweichende Ausführung kann die Aufhebung der Baugenehmigung demgegenüber nicht rechtfertigen.
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Nach diesem Maßstab überwiegt vorliegend das Interesse des Beigeladenen, die ihm erteilte Baugenehmigung sofort, d. h. ungeachtet der Widersprüche der Antragsteller ausnutzen zu können; denn bei der in diesem Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage lässt sich nicht mit hinreichender, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die angefochtene Baugenehmigung des Antragsgegners vom 31.08.2017 Nachbarrechte der Antragsteller verletzt.
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Dabei ist allerdings ein Verstoß der auf der Grundlage des § 69 LBO im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren erteilten Baugenehmigung gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts gemäß § 69 Abs. 1 S. 1 LBO bereits nicht Prüfungsgegenstand des vorliegenden Verfahrens. Denn in einem solchen Verfahren wird außer bei Sonderbauten die Vereinbarkeit der Vorhaben mit den Vorschriften der Landesbauordnung und den Vorschriften aufgrund der Landesbauordnung nicht geprüft; lediglich die §§ 65 Abs. 4, 68 und 70 LBO bleiben unberührt. Insofern kommt es auf die der Sache nach unter Rückgriff auf die Regelung des § 79 Abs. 3 S. 1 LBO vorgebrachten Einwände der Antragsteller gegen die Tauglichkeit der Abwasserentsorgungsleitungen nicht an, zumal der Antragsgegner zu Recht darauf verweist, dass die Gemeinde A-Stadt die Sicherung der Erschließung bestätigt hat.
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Auch ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des insoweit allein maßgeblichen Bauplanungsrechts einschließlich des Gebots der Rücksichtnahme ist nicht auszumachen.
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So können sich die Antragsteller nicht mit Erfolg auf einen sog. Gebietserhaltungs- oder Gebietsbewahrungsanspruch berufen. Dieser Anspruch wird durch die Zulassung eines mit der Gebietsart unvereinbaren Vorhabens ausgelöst, weil hierdurch eine „Verfremdung“ des Gebiets eingeleitet und damit das nachbarliche Austauschverhältnis gestört wird, das auf dem Gedanken beruht, dass sich jeder Grundstückseigentümer davor schützen können muss, dass er über die durch die Festsetzung einer Gebietsart normierte oder aus einer wie hier faktisch vorhandenen Gebietsart eines allgemeinen oder gar reinen Wohngebietes sich ergebenden Beschränkung seiner Baufreiheit hinaus durch eine nicht zulässige Nutzung eines anderen Grundstückseigentümers nochmals zusätzlich belastet wird (BVerwG, Urt. 16.9.1993, - 4 C 28.91 -; Urt. v. 23.08.1996, - 4 C 13.94 -; OVG Schleswig, Beschl. v. 07.06.1999, - 1 M 119/98 -). Ein solches seiner Art nach gebietsunverträgliches Vorhaben liegt mit den dem Beigeladenen genehmigten Wohnbauvorhaben jedoch offenkundig nicht vor. Als Nutzungsart kennt die Baunutzungsverordnung nur das „Wohnen“ als solches, ohne dahingehend zu differenzieren, ob diese Nutzung in freistehenden Einfamilien-, Doppel- oder Mehrfamilienhäusern erfolgt. Die Errichtung von Mehrfamilienhäusern kann daher auch nicht von benachbarten Grundstückseigentümern mit der Begründung abgewehrt werden, eine derartige Nutzung passe nicht in ihr Wohngebiet. Auch der Umstand, dass das genehmigte Vorhaben des Beigeladenen von der Grundfläche, der Geschossfläche und der zu überbauenden Grundfläche größer ausfallen wird als das auf dem Grundstück der Antragsteller befindliche Gebäude, begründet keinen Verstoß gegen den Gebietserhaltungsanspruch (OVG Schleswig, Beschl. vom 15.01.2013 - 1 MB 46/12 -, Beschluss vom 25.10.2012 - 1 MB 38/12 -).
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Einen darüber hinausgehenden Gebietsprägungserhaltungsanspruch des Inhalts, dass dieser unabhängig von der Art der Nutzung des geplanten Bauvorhabens einen Abwehranspruch vermittelt, weil das Vorhaben einem für das Baugebiet charakteristischen harmonischen Erscheinungsbild, etwa im Sinne einer vorrangigen Bebauung mit Einzel- oder Doppelhäusern mit geringer Grundflächenzahl, nicht entspricht, erkennt die Kammer in ständiger Rechtsprechung nicht an (z. B. Beschl. v. 17.12.2012 - 2 B 88/12 -; v. 29.01.2014 - 2 B 6/14 -; v. 24.02.2014 - 2 B 12/14 -; v. 04.07.2017 – 2 B 25/17; so auch OVG Lüneburg, Beschl. v. 28.5.2014, - 1 ME 47/14 -; OVG Schleswig, Beschl. v. 21.07.2015 – 1 MB 16/15 -). Daher kommt es für das vorliegende Verfahren nicht darauf an, ob durch das geplante Bauvorhaben aus Sicht der Antragsteller das Erscheinungsbild der näheren Umgebung, das nach ihren Angaben durch eine eingeschossige Bebauung mit Satteldächern oder flachen Walmdächern geprägt ist, beeinträchtigt wird. Dieses Erscheinungsbild der näheren Umgebung des Bauvorhabens resultiert allein aus Kriterien, die das Maß der baulichen Nutzung, die Bauweise und die überbaubare Grundstücksfläche betreffen. Bei diesen Kriterien handelt es sich aber nach allgemeiner Auffassung der Verwaltungsgerichte um solche, die nur im überplanten Gebiet und auch nur dann bei Feststellung eines entsprechenden ausdrücklichen planerischen Willens der Gemeinde Drittschutz vermitteln können (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 25.10.2012, - 1 MB 38/12 -, Beschl. v. 25.10.2012, - 1 MB 38/12 -). Abweichungen von den Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung sind nämlich mit Abweichungen über die Art der baulichen Nutzung nicht vergleichbar. Sie lassen in der Regel den Gebietscharakter unberührt und haben nur Auswirkungen auf das Baugrundstück und die unmittelbar anschließenden Nachbargrundstücke. Zum Schutz der Nachbarn ist daher das in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene drittschützende Rücksichtnahmegebot ausreichend, das eine Abwägung der nachbarlichen Interessen ermöglicht und den Nachbarn vor unzumutbaren Beeinträchtigungen schützt. Ein darüber hinausgehender, von einer realen Beeinträchtigung unabhängiger Anspruch des Nachbarn auf Einhaltung der Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung kann dagegen dem Bundesrecht nicht entnommen werden (BVerwG, Beschl. v. 23.06.1995, - 4 B 52/95 -). Im unbeplanten Innenbereich - wie hier - gilt nichts anderes; insbesondere geht hier der Nachbarschutz nicht weiter als in Plangebieten. Bei Abweichungen vom „einfügsamen“ Maß der Nutzung, wie dies von den Antragstellern hinsichtlich der überbauten Grundfläche, der Geschossigkeit und der absoluten Höhe des genehmigten Baukörpers gerügt wird, bietet - allein - das drittschützende Rücksichtnahmegebot ausreichenden Schutz (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 25.10.2012, - 1 MB 38/12 -). Insofern bedarf es im vorliegenden Fall insbesondere keiner Prüfung, ob die genehmigten Vorhaben tatsächlich - wie die Antragsteller meinen - über den in der näheren Umgebung vorgegebenen Rahmen hinsichtlich der vorgenannten Maß-Kriterien hinausgehen und sich deshalb im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB nicht einfügten.
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Entgegen der Annahme der Antragsteller erweisen sich die genehmigten Mehrfamilienwohnhäuser des Beigeladenen aber auch nicht aus anderen Gründen als rücksichtslos.
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Das sich aus § 15 Abs. 1 BauNVO bzw. aus § 34 Abs. 1 BauGB ergebende nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme ist vorliegend nach dem Sachstand im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht verletzt.
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Nach den Planunterlagen ist, soweit ersichtlich, auch wenn dies nicht Gegenstand des Genehmigungsverfahrens war, das bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht, bei dessen Beachtung ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot jedenfalls im Hinblick auf die durch die Abstandsflächenregelung geschützten Nachbarbelange (Belichtung, Belüftung und Besonnung) grundsätzlich ausgeschlossen ist, unstreitig korrekt umgesetzt worden. So ist zur Grundstücksgrenze der Antragsteller ein Abstand von 3,37 bis 4,31 m bei einer Wandhöhe von 7,48 m genehmigt (0,4 H = 2,99 m und damit der Mindestabstand von 3 m wären erforderlich). Die Antragsteller können deshalb nicht mit Erfolg rügen, durch das streitbefangene Vorhaben werde ihr Wohnhaus unzumutbar verschattet.
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Rücksichtslos ist das Wohnbauvorhaben des Beigeladenen aber auch nicht hinsichtlich seiner Ausmaße. Es ist zwar in der Rechtsprechung anerkannt, dass nachbarliche Belange in unzumutbarer Weise beeinträchtigt sein können, wenn ein Nachbaranwesen durch die Ausmaße eines Bauvorhabens geradezu „erdrückt“, „eingemauert“ oder „abgeriegelt“ würde. Dies wird insbesondere dann angenommen, wenn die baulichen Dimensionen des „erdrückenden Gebäudes“ aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles derart übermächtig sind, dass das „erdrückte“ Gebäude oder Grundstück nur noch überwiegend wie eine von dem herrschenden Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird, oder das Bauvorhaben das Nachbargrundstück regelrecht abriegelt, d.h. dort das Gefühl des Eingemauertseins oder der Gefängnishofsituation hervorruft (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.03.1981 - 4 C 1.78 -, sog. „Hochhaus-Fall“ - 12-geschossiges Hochhaus neben 2-geschossiger Bebauung -; OVG Münster, Urt. v. 09.08.2006, - 8 A 32726/05 -). Dem Grundstück muss gleichsam die Luft zum Atmen genommen werden. Dass das Vorhaben die bislang vorhandene Situation lediglich verändert oder dem Nachbarn unbequem ist, reicht nicht aus. Die in den gewählten Ausdrücken bzw. Bildern („Gefängnishofsituation“, „Eingemauertsein“, „Erdrücken“, „Erschlagen“, „Luft zum Atmen nehmen“) liegende „Dramatik“ ist danach vielmehr ernst zu nehmen (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 15.01.2007, - 1 ME 80/07 - und v. 13.01.2010, - 1 ME 237/09 -; s.a. Beschlüsse der Kammer v. 21.02.2011 -, 2 B 8/11 -, v. 02.02.2012 - 2 B 1/12 - und v. 28.06.2012, - 2 B 30/12). Diese Voraussetzungen erfüllen die mit je 8 Wohneinheiten genehmigten Mehrfamilienhausvorhaben nicht. Die mit einer Firsthöhe von 10 m genehmigten Gebäude sind nicht höher als das Wohnhaus der Antragsteller mit einer Höhe von 10,10 m, und das östlich belegene Gebäude hält zu deren Grundstücksgrenze mehr als die Mindestabstandsflächenvorgabe von 3 m ein. Es fehlen damit jegliche Ansatzpunkte für die Annahme einer „erdrückenden“ oder gar „erschlagenden“ Wirkung im oben beschriebenen Sinne.
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Auch der Umstand, dass durch das genehmigte Nachbarvorhaben des Beigeladenen Einsichtsmöglichkeiten auf das Grundstück der Antragsteller in einem zuvor nicht vorhandenen Maße geschaffen werden, rechtfertigt die Annahme eines Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot nicht. Einsichtsmöglichkeiten in Gärten, Terrassen, Balkone und Fenster sind in bebauten innerörtlichen Bereichen regelmäßig nicht zu vermeiden. Die von einer benachbarten Wohnnutzung und den damit verbundenen Lebensäußerungen typischerweise auf Nachbargrundstücke einwirkenden Beeinträchtigungen müssen vielmehr grundsätzlich hingenommen werden (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 14.07.2011, - 1 LA 31/11 -). Besondere Umstände des Einzelfalls, die vorliegend ausnahmsweise eine andere Betrachtung rechtfertigen könnten, sind erkennbar nicht gegeben. Dass Einsichtnahmemöglichkeiten bislang nicht oder nur in geringem Umfang bestanden, ist lediglich auf die zuvor zurückhaltende Ausnutzung der Grundstücke des Beigeladenen zurückzuführen. Auf einen - einer an sich zulässigen Nachbarbebauung entgegenstehenden - Fortbestand einer faktischen Ruhezone haben Grundstückseigentümer aber regelmäßig keinen Anspruch.
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Es spricht schließlich auch nicht ansatzweise etwas dafür, dass von dem Bauvorhaben der Beigeladenen Belästigungen oder Störungen auf das Grundstück der Antragsteller ausgehen könnten, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar wären (§ 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO). Dass mit dem Hinzutreten weiterer Wohneinheiten in einem Baugebiet eine Steigerung des Verkehrsaufkommens verbunden ist, liegt auf der Hand. Die sich bei einer Erhöhung des bisherigen Bestandes an Wohneinheiten im Quartier prognostisch ergebende Zunahme an Fahrzeugbewegungen wird die Antragsteller auch nicht unzumutbar belasten. Die durch eine derart geringe Erweiterung eines Wohngebietes verursachten Verkehrsimmissionen sind von den bisherigen Bewohnern, die ihrerseits ebenfalls Verkehrsimmissionen verursachen, ohne weiteres hinzunehmen. Zudem wird durch die Verlagerung der notwendigen Stellplätze in eine Tiefgarage eine sonst zwangsläufig und regelmäßig hinzunehmende Beeinträchtigung durch die Nutzung oberirdischer Stellplätze zugunsten der Nachbarn vermieden.
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Weiterhin verletzt die streitbefangene Baugenehmigung das Gebot der Rücksichtnahme auch nicht durch die mit der Errichtung der Mehrfamilienhäuser möglicherweise einhergehende Wertminderung des Grundstücks der Antragsteller. Vielmehr ist durch das Bundesverwaltungsgericht geklärt, dass Wertminderungen eines Nachbargrundstückes für sich genommen keine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes begründen; entscheidend ist allein, ob es zu einer dem Betroffenen unzumutbaren Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeiten seines Grundstückes kommt, die dann auch eine Wertminderung zur Folge haben mag (vgl. Gelzer-Bracher-Reidt, Bauplanungsrecht, Rnr. 2370 mwN).
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Das vorläufige Rechtsschutzgesuch der Antragsteller war daher insgesamt mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzulehnen.
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Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nach § 162 Abs. 3 VwGO nicht aus Billigkeit für erstattungsfähig erklärt worden, weil er keinen eigenen Sachantrag gestellt hat und damit auch kein Risiko eigener Kostenpflicht nach § 154 Abs. 3 VwGO eingegangen ist.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG, wobei jeweils die für entsprechende Hauptsacheverfahren anzunehmenden Werte von 20.000,- € für das betroffene Zweifamilienhaus wegen des nur vorläufigen Regelungscharakters des Eilverfahrens um die Hälfte reduziert worden ist.
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