Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (12. Kammer) - 12 B 56/18

Tenor

1. Es wird vorläufig festgestellt, dass die Antragstellerin bis zu einer erneuten amtsärztlichen Untersuchung und einer nachfolgenden Feststellung der Dienstfähigkeit nicht zur Dienstleistung beim Antragsgegner verpflichtet ist.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

3. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Pflicht der Antragstellerin, einer Aufforderung zum Dienstantritt durch den Antragsgegner Folge zu leisten.

2

Die Antragstellerin ist seit dem 14. Juni 1993 Beamtin auf Lebenszeit und beim Antragsgegner eingesetzt. Sie war seit dem 10. April 2017 arbeitsunfähig erkrankt und wurde deshalb am 15. August 2017 amtsärztlich sowie am 19. September 2017 und am 8. Januar 2018 ergänzend fachärztlich untersucht.

3

In ihrem Gutachten vom 31. Januar 2018 diagnostizierte die Amtsärztin bei der Antragstellerin eine rezidivierende depressive Störung mit zurzeit anhaltender schwerer Episode sowie Somatisierungsstörungen auf dem Hintergrund einer ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung. Hinsichtlich Leistungsbeschränkungen im Aufgabenbereich bestehe ein vollständig aufgehobenes Leistungsbild. Die Behandlungsmöglichkeiten für die Antragstellerin erschienen derzeit als ausgeschöpft. Die Wiedererlangung einer Dienstfähigkeit erscheine unrealistisch. Mit einer Veränderung der Fehlzeiten bzw. der Wiederherstellung der vollen oder zumindest einer begrenzten Dienstfähigkeit sei nicht zu rechnen.

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Unter Berücksichtigung des langjährigen Verlaufs mit wechselnd ausgeprägten körperlichen wie psychischen Beeinträchtigungen und der jetzt eingetretenen Chronifizierung der psychischen Thematik sei prognostisch von einer andauernden Dienstunfähigkeit auszugehen. Dies gelte auch bei reduzierter Arbeitszeit. Auch eine Übernahme von Arbeitsleistungen im Rahmen einer begrenzten Dienstfähigkeit sei nicht möglich. Die Antragstellerin sei auch für eine anderweitige Verwendung gesundheitlich nicht geeignet. Aufgrund des vollständig aufgehobenen Leistungsbildes sei auch auf einem anderen Dienstposten keine adäquate Übernahme von Arbeitsleistungen zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung und auf längere Sicht zu erwarten.

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Mit Bescheid vom 9. März 2018 versetzte der Antragsgegner die Antragstellerin gemäß § 26 Abs. 1 BeamtStG in Verbindung mit § 41 LBG mit Ablauf des Monats März 2018 in den Ruhestand. Die Antragstellerin sei angesichts des amtsärztlichen Gutachtens nach pflichtgemäßem Ermessen für dauernd dienstunfähig zu halten.

6

Hiergegen erhob die Antragstellerin mit Schreiben vom 16. April 2018 Widerspruch. Von der Versetzung in den Ruhestand solle nach § 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG abgesehen werden, wenn eine anderweitige Verwendung in einem anderen Amt derselben oder einer anderen Laufbahn beziehungsweise in einer geringerwertigen Tätigkeit in Betracht komme oder wenn der Beamte begrenzt dienstfähig sei. Danach habe in dem Verfahren eine anderweitige Verwendung geprüft werden müssen. Bei einer anderweitigen Verwendung sei davon auszugehen, dass die Dienstfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate hergestellt werden könne.

7

Dem Widerspruchsschreiben waren Stellungnahmen eines Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie sowie einer Psychologischen Psychotherapeutin, jeweils datiert auf den 27. Februar 2018, beigefügt. Aus beiden ergab sich die gleichlautende Einschätzung, dass die Aussicht bestehe, dass die volle Dienstfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate wiederhergestellt werden könne und eine Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell empfohlen werde. Es sei „jedoch“ davon auszugehen, dass die Antragstellerin durch einen Laufbahnwechsel anderweitig verwendet werden könne.

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Bis zum 31. Mai 2018 legte die Antragstellerin dem Antragsgegner Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. Ab dem 1. Juni 2018 erschien sie weder zum Dienst, noch legte sie weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. Aus diesem Anlass hörte der Antragsgegner die Antragstellerin mit Schreiben vom 14. Juni 2018 zu einem möglichen Verlust ihrer Bezüge gemäß § 11 SHBesG an.

9

Die Antragstellerin erwiderte darauf mit Schreiben vom 29. Juni 2018, dass ihr angesichts der amtsärztlichen Feststellung Dienstunfähigkeit nicht vorgeworfen werden könne, schuldhaft vom Dienst ferngeblieben zu sein. Hinsichtlich der Dienstunfähigkeit bezüglich der Verwendung im Finanzamt bestehe Einigkeit. Lediglich bezüglich der Möglichkeit einer anderweitigen Verwendung bestehe Dissens.

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Mit Schreiben vom 17. Juli 2018 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass er nicht verpflichtet sei, nach einer anderweitigen Verwendung für die Antragstellerin zu suchen. Das ergebe sich daraus, dass die Amtsärztin eindeutig festgestellt habe, dass die Antragstellerin aufgrund der Art und Schwere ihrer Erkrankung dienstunfähig sei. Aufgrund des vollständig aufgehobenen Leistungsbildes sei auch auf einem anderen Dienstposten keine adäquate Übernahme von Arbeitsleistungen zum Zeitpunkt des Gutachtens und auf längere Sicht zu erwarten. Welche anderweitige Verwendung die Antragstellerin für möglich halte, erschließe sich nicht. Weil die Antragstellerin seit dem 1. Juni 2018 kein ärztliches Attest mehr vorgelegt und es bislang unterlassen habe, ihren Dienst beim Finanzamt wieder anzutreten, forderte der Antragsgegner die Antragstellerin auf, ihren Dienst unverzüglich wieder aufzunehmen.

11

Mit Schreiben vom 24. Juli 2018 bot die Antragstellerin nochmals ihre Arbeitskraft für eine anderweitige Verwendung an. Mit Schreiben vom gleichen Tag legte sie Widerspruch gegen die Aufforderung zum Dienstantritt ein, über den – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden wurde.

12

Am 7. August 2018 erhob die Antragstellerin zudem Klage gegen den Zurruhesetzungsbescheid des Antragsgegners vom 9. März 2018, weil bei einer anderweitigen Verwendung ihre Dienstfähigkeit wiederhergestellt werden könne. Der Antragsgegner wiederum leitete gegen die Antragstellerin mit Schreiben vom 19. Juli 2018 ein Disziplinarverfahren wegen eines Verstoßes gegen ihre Dienstleistungspflicht ein.

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Bereits am 26. Juli 2018 hat die Antragstellerin um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Aufforderung zum Dienstantritt ersucht. Diese sei rechtswidrig. Sie beschränke sich ausdrücklich auf die bisher ausgeübte Tätigkeit. Sowohl das amtsärztliche Gutachten als auch die von ihr vorgelegten Stellungnahmen gingen von einer Dienstunfähigkeit für diese Tätigkeit aus.

14

Nachdem die Antragstellerin im hiesigen Eilverfahren ursprünglich beantragt hatte, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Anordnung des Antragsgegners vom 17. Juli 2018 zum Dienstantritt bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Widerspruch anzuordnen, beantragt sie nunmehr,

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festzustellen, dass sie vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht verpflichtet ist, der Aufforderung des Antragsgegners zur Wiederaufnahme des Dienstes Folge zu leisten, solange dieser ihr keinen leidensgerechten Dienstposten zugewiesen hat.

16

Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,

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den Antrag abzulehnen.

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Es sei kein Anordnungsanspruch gegeben. Durch die Einlegung des Widerspruchs und die Erhebung der Klage gegen die Zurruhesetzung sei die Antragstellerin zunächst weiter aktive Beamtin. Sie müsse deshalb ihre Dienstleistungspflicht gemäß § 34 Satz 1 BeamtStG erfüllen. § 67 LBG regle, dass die Antragstellerin dem Dienst nicht ohne Genehmigung ihres Dienstvorgesetzten fernbleiben dürfe. Sie habe eine Dienstunfähigkeit infolge Krankheit unter Angabe ihrer voraussichtlichen Dauer unverzüglich anzuzeigen. Dauere die Dienstunfähigkeit länger als drei Kalendertage, habe sie eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen.

19

Die Antragstellerin habe ihre Dienstunfähigkeit bis einschließlich 31. Mai 2018 durch Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigen angezeigt. Für die Zeit ab dem 1. Juni 2018 sei sie weder zum Dienst erschienen, noch habe sie ihre Dienstunfähigkeit durch Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen angezeigt. Die Auffassung der Antragstellerin, dass die Feststellung einer allgemeinen Dienstunfähigkeit im amtsärztlichen Gutachten eine ärztliche Bescheinigung der Dienstunfähigkeit für spezifische Tage ersetzen könne, sei fehlerhaft.

20

Auch ein Anordnungsgrund liege nicht vor. Durch die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 2. August 2018 sei die Antragstellerin der sich aus dem Schreiben des Finanzamts vom 17. Juli 2018 ergebenden Aufforderung nachgekommen. Ein Anordnungsgrund sei dadurch entfallen.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten sowie des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie den Verwaltungsvorgang des Antragsgegners – dieser hat der Kammer als Beiakte vorgelegen – Bezug genommen. Die Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgang des Antragsgegners im Verfahren 12 A 260/18 wurden beigezogen.

II.

22

Entgegen der von der Antragstellerin in der Antragsschrift gewählten Formulierung ist bei verständiger Würdigung ihres Vorbringens davon auszugehen, dass sie in diesem Verfahren die Feststellung begehrt, bis zu einer erneuten amtsärztlichen Untersuchung und einer nachfolgenden Feststellung ihrer Dienstfähigkeit nicht zur Dienstleistung beim Antragsgegner verpflichtet zu sein. Der in ihrem Antrag enthaltene Zusatz „solange dieser ihr keinen leidensgerechten Dienstposten zugewiesen hat“ ist entbehrlich, weil eine entsprechende Feststellung nur auf ihre konkrete Dienstleistungspflicht beim Antragsgegner (dem Finanzamt) bezogen wäre. Eine anderweitige Verwendung im Bereich des Dienstherrn (des Landes), wie sie die Antragstellerin für möglich hält, wäre durch eine solche Feststellung nicht ausgeschlossen. Ob die Antragstellerin anderweitig verwendungsfähig ist, ist im Übrigen Gegenstand des Verfahrens (12 A 260/18) und dort zu entscheiden.

23

Weil das Gericht nach § 88 VwGO nicht an die Fassung der Anträge, sondern an das im genannten Sinne zu verstehende Klagebegehren gebunden ist, ist der Antrag der Antragstellerin in diesem Sinne auszulegen.

24

Der so verstandene Antrag ist zulässig (1.) und begründet (2.).

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1. Der Antrag ist zulässig.

26

a) Der Antrag ist statthaft. Bei der Aufforderung zum Dienstantritt handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern lediglich um eine innerdienstliche Anordnung bzw. einen innerdienstlichen Hinweis auf die gesetzliche Verpflichtung des Beamten zur Dienstleistung (BVerwG, Urteil vom 13. Juli 1999 – 1 D 81/07 –, juris, Rn. 38; OVG Münster, Beschluss vom 15. Mai 2018 – 1 B 263/18 –, juris, Rn. 10 f. m.w.N.), sodass kein Fall der §§ 80, 80a VwGO vorliegt (§ 123 Abs. 5 VwGO). Der Statthaftigkeit des Antrags steht auch nicht entgegen, dass er auf eine vorläufige Feststellung des Gerichts zum Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses gerichtet ist (VG Schleswig, Beschluss vom 24. August 2017 – 12 B 26/17 –, juris, Rn. 7; OVG Münster, Beschluss vom 15. Mai 2018 – 1 B 263/18 –, juris, Rn. 30 f.).

27

b) In einem Hauptsacheverfahren wäre eine Feststellungsklage der Antragstellerin nicht subsidiär im Sinne von § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Sie könnte ihre Rechte dort nicht durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen, weil ein Beamter im Falle seiner aktuellen Dienstunfähigkeit kraft Gesetzes von der Pflicht zur Dienstleistung befreit ist (ausführlich OVG Münster, Beschluss vom 15. Mai 2018 – 1 B 263/18 –, juris, Rn. 18 ff. sowie unten 2. b) aa); a.A. bezüglich der Möglichkeit einer Leistungsklage wohl VGH München, Beschluss vom 26. September 2012 – 6 CE 12.1283 –, juris, Rn. 10).

28

c) Es liegt auch ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vor. Die Antragstellerin berühmt sich des Rechts, auch ohne Genehmigung des Antragsgegners nach § 67 Satz 1 LBG dem Dienst fernbleiben zu dürfen. Der Antragsgegner hält die Antragsgegnerin demgegenüber für verpflichtet, ihrer Dienstleistungspflicht (§ 34 Satz 1 BeamtStG, § 67 Satz 1 LBG) nachzukommen.

29

d) Ein Feststellungsinteresse der Antragstellerin ergibt sich jedenfalls daraus, dass der Antragsgegner im Hinblick auf ihr Fernbleiben vom Dienst bereits dienst- und disziplinarrechtliche Schritte eingeleitet hat.

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2. Der Antrag ist begründet.

31

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Voraussetzung dafür ist, dass der Antragsteller einen Anordnungsgrund, das heißt die Eilbedürftigkeit seines Rechtsschutzbegehrens, sowie einen Anordnungsanspruch glaubhaft machen kann (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Das ist hier der Fall.

32

a) Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ihr kann nicht zugemutet werden, die Entscheidung im Verfahren 12 A 260/18 abzuwarten. Der Antragsgegner hat wegen des bisherigen Fernbleibens vom Dienst bereits dienstrechtliche Maßnahmen und ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Es ist davon auszugehen, dass, wenn die Antragstellerin erneut keine ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorlegt, das Disziplinarverfahren entsprechend erweitert wird. Das gleiche gilt für einen möglichen Verlust der Dienstbezüge gemäß § 11 SHBesG. Der Anordnungsgrund ist auch nicht dadurch entfallen, dass die Antragstellerin zwischenzeitlich eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt hatte. Diese erstreckte sich nur auf den Zeitraum vom 2. bis zum 28. August 2018 (Bl. 54 des Verwaltungsvorgangs).

33

b) Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Sie ist aufgrund ihrer aktuellen Dienstunfähigkeit bereits kraft Gesetzes von der Pflicht zu der Dienstleistung befreit, zu deren Erfüllung der Antragsgegner sie aufgefordert hat.

34

aa) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlich im Einsatz ihrem Beruf zu widmen (§ 34 Satz 1 BeamtStG). Sie dürfen dem Dienst nicht ohne Genehmigung fernbleiben (§ 67 Satz 1 LBG). Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal letzterer Vorschrift ist, dass der Beamte tatsächlich zur Dienstleistung verpflichtet ist. Das ist nicht der Fall, wenn er dienstunfähig ist. Er ist dann nicht in der Lage, seine Dienstleistungspflicht zu erfüllen (VG Schleswig, Urteil vom 5. Juli 2018 – 12 A 53/18 –, juris, Rn. 22; Ciemnyjewski, in: Seeck u.a., Landesbeamtengesetz Schleswig-Holstein, § 67 Rn. 2.2 ; s.a. BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2016 – 2 C 24/14 –, juris, Rn. 16; OVG Münster, Beschluss vom 15. Mai 2018 – 1 B 263/18 –, juris, Rn. 42 ff.; VGH München, Beschluss vom 26. September 2012 – 6 CE 12.1283 –, juris, Rn. 10).

35

Ein Beamter ist dienstunfähig, wenn er infolge von Krankheit nicht in der Lage ist, die mit dem ihm übertragenen Amt verbundenen konkreten Dienstleistungspflichten zu erfüllen (VG Schleswig, Urteil vom 5. Juli 2018 – 12 A 53/18 –, juris, Rn. 24; VG Düsseldorf, Beschluss vom 10. November 2014 – 26 L 2169/14 –, juris, Rn. 25). Dies ist dann der Fall, wenn der Beamte aufgrund seines körperlichen oder geistigen Zustandes zur Dienstleistung schlechterdings außerstande ist (BVerwG, Beschluss vom 12. Februar 1982 – 1 DB 23/18 –, juris, Rn. 12). Im Zweifel ist die Dienstunfähigkeit durch ein ärztliches Attest oder ein amtsärztliches Gutachten festzustellen (Ciemnyjewski, in: Seeck u.a., Landesbeamtengesetz Schleswig-Holstein, § 67 Rn. 2.3 ).

36

Von diesen Vorgaben ausgehend ist die Antragstellerin derzeit als dienstunfähig anzusehen und somit jedenfalls nicht zur Dienstleistung in dem ihr übertragenen Amt verpflichtet.

37

Dass die Antragstellerin jedenfalls mit Blick auf ihre bisherige Verwendung dienstunfähig ist, ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Insoweit stimmen das amtsärztliche Gutachten vom 31. Januar 2018 und die Auffassung der Antragstellerin überein. Auch der Antragsgegner hat mit dem Schreiben vom 17. Juli 2018, mit dem er die Antragstellerin zum Dienstantritt aufgefordert hat, seine Auffassung bekräftigt, dass sie umfassend dienstunfähig sei. Dass die Antragstellerin gegen ihre Zurruhesetzung vorgeht, weil sie eine anderweitige Verwendung für möglich hält, lässt nicht den Schluss zu, dass sie für die vom Antragsgegner vorgesehene bisherige Verwendung dienstfähig ist.

38

Sollten die von der Antragstellerin vorgelegten ärztlichen beziehungsweise psychologischen Stellungnahmen dahingehend zu verstehen sein, dass die volle Dienstfähigkeit der Antragstellerin innerhalb der nächsten sechs Monate im Rahmen des Hamburger Modells wiederhergestellt werden könnte, kommt dem aufgrund des Vorrangs der amtsärztlichen Beurteilung (dazu BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2006 – 1 D 10/05 –, juris, Rn. 36 f.) keine Bedeutung zu. Diese Auffassung wird in den Stellungnahmen zudem in keiner Weise näher erläutert, sondern lediglich die Behauptung aufgestellt, dass die aktuelle Dienstunfähigkeit mit den Umständen des Ruhesetzungsverfahrens zusammenhänge.

39

bb) Auch ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht aus § 67 Satz 2 LBG ist nicht gegeben. Der Umstand der jedenfalls auf ihre bisherige Verwendung bezogenen Dienstunfähigkeit der Antragstellerin ist dem Antragsgegner seit dem 5. Februar 2018 bekannt (Sichtvermerk auf Blatt 36 des Verwaltungsvorgangs im Verfahren 12 A 260/18). Bis Ende Mai 2018 legte die Antragstellerin ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, obwohl spätestens mit dem Bescheid des Antragsgegners vom 9. März 2018 über die Zurruhesetzung der Antragstellerin klar war, dass der Antragsgegner im Anschluss an das amtsärztliche Gutachten von ihrer umfassenden Dienstunfähigkeit ausgeht.

40

cc) Aufgrund des vorrangigen amtsärztlichen Gutachtens, das von einer vollständigen und dauerhaften Dienstunfähigkeit ausgeht, ist die Antragstellerin auch nicht verpflichtet, ihre Dienstunfähigkeit durch nachrangige, aber taggenaue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen weiterhin nachzuweisen. Dass dem amtsärztlichen Gutachten auch insoweit Vorrang zukommt, ergibt sich aus der Systematik von § 67 LBG. Danach ist es grundsätzlich ausreichend, die Dienstunfähigkeit durch (einfache) ärztliche Bescheinigungen nachzuweisen (§ 67 Satz 3 und Satz 4 LBG). Erst nach Weisung des Dienstvorgesetzten ist der Beamte verpflichtet, sich von einem Amtsarzt untersuchen zu lassen (§ 67 Satz 5 LBG). Das aus dieser Untersuchung folgende amtsärztliche Gutachten geht dann grundsätzlich privatärztlichen Gutachten vor (vgl. nur Ciemnyjewski, in: Seeck u.a., Landesbeamtengesetz Schleswig-Holstein, § 67 Rn. 2.2 m.w.N.). Stellt das amtsärztliche Gutachten die dauerhafte Dienstunfähigkeit – also die Dienstunfähigkeit für alle folgenden Tage – fest, so ist die Vorlage von taggenauen ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die gegenüber dem amtsärztlichen Gutachten grundsätzlich ein Minus darstellen, entbehrlich.

41

2. Die Kostentragungspflicht des Antragsgegners folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

42

3. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 2 GKG in Verbindung mit Nummer 1.5 des Streitwertkatalogs.


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