Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (1. Kammer) - 1 B 130/18

Tenor

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

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Der Antrag ist nach den §§ 88, 122 Abs. 1 VwGO dahingehend auszulegen, dass die Antragsteller die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die mit Bescheid vom 13. November 2018 verfügte Wohnsitzauflage und Vorspracheanordnung begehren.

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Der so verstandene Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

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Der Antrag ist hinsichtlich der Verpflichtung zur Wohnsitznahme in der Landesunterkunft nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO statthaft als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Denn gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG haben Widerspruch und Klage gegen die Auflage nach § 61 Abs. 1e AufenthG, in einer Ausreiseeinrichtung Wohnung zu nehmen, keine aufschiebende Wirkung; es bedarf insoweit nicht der Anordnung der sofortigen Vollziehung durch den Antragsgegner. Hinsichtlich der Verpflichtung zur Vorsprache bei der Landesunterkunft ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO statthaft als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, denn der Antragsgegner hat diesbezüglich nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet.

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Der Antrag ist jedoch unbegründet.

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Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO ergeht regelmäßig auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das Aufschubinteresse des Antragstellers einerseits und das öffentliche Interesse an der Voll-ziehung des streitbefangenen Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, Bedeutung erlangen, allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte, wenn aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung Erfolg oder Misserfolg des Rechtsbehelfs offensichtlich erscheinen. Lässt sich bei der summarischen Überprüfung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ohne Weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs (wieder-)herzustellen, weil an einer sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich nach der genannten Überprüfung der angefochtene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig, so führt dies in Fällen des gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges regelmäßig dazu, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen ist (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 06.08.1991 - 4 M 109/91 -, juris Rn. 5).

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Gemessen an diesen Maßstäben erweist sich der Antrag als unbegründet. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts das private Interesse der Antragsteller an einem einstweiligen Aufschub der Vollziehung. Der Erlass der Wohnsitzauflage und der Vorspracheanordnung erweisen sich nämlich als offensichtlich rechtmäßig.

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Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit hinsichtlich der Vorspracheanordnung in einer den Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet. Nach der Begründung des Antragsgegners dienen die angeordneten Maßnahmen dazu, dass weitere Maßnahmen der Beendigung des Aufenthaltes nicht ins Leere liefen, da dies die zwangsweise Beendigung des Aufenthaltes nur unnötig verzögere. Der Antragsgegner stellt insoweit auf die bessere Erreichbarkeit der vollziehbar ausreisepflichtigen Antragsteller ab und legt insoweit die besondere Dringlichkeit ausreichend dar. Hinzu kommt, dass angesichts der ohnehin bereits von Gesetzes wegen sofort vollziehbaren Wohnsitzauflage, mit der Verpflichtung, den Wohnsitz in der Ausreiseeinrichtung zu nehmen, die Belastung der Antragsteller durch die zusätzliche Vorspracheanordnung gering ist.

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Rechtsgrundlage für die Anordnung, in der Ausreiseeinrichtung für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer Wohnung zu nehmen, ist § 61 Abs. 1e AufenthG. Nach dieser Vorschrift können über die gesetzlich angeordnete räumliche Beschränkung eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG weitere Bedingungen und Auflagen angeordnet werden (vgl. auch zur gleichlautenden Vorgängerregelung § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG a.F., BT-Drucks. 15/420, S. 92). Insbesondere ergibt sich die Möglichkeit einer solchen Anordnung auch aus § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG.

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Hat das Land 211; wie hier, durch die Errichtung der Ausreiseeinrichtung in Boostedt – von der entsprechenden Ermächtigung gemäß § 61 Abs. 2 Satz 1 AufenthG Gebrauch gemacht, steht der Erlass einer Auflage gegenüber einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer, dort Wohnung zu nehmen, im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Im Rahmen der Ermessensausübung sind die in § 61 Abs. 2 Satz 2 AufenthG normierten Zwecke zu berücksichtigen. Danach soll in den Ausreiseeinrichtungen durch Betreuung und Beratung die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise gefördert und die Erreichbarkeit für Behörden und Gerichte sowie die Durchführung der Ausreise gesichert werden. Nach der Gesetzesbegründung zu § 61 Abs. 1 Satz 2 a.F. ermöglicht die Unterbringung in einer solchen Einrichtung eine intensivere, auf eine Lebensperspektive außerhalb des Bundesgebiets gerichtete psycho-soziale Betreuung. Sie stellt gegenüber der Abschiebehaft ein milderes Mittel dar. Die intensive Betreuung soll zur Förderung der Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise oder zur notwendigen Mitwirkung bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten beitragen. Darüber hinaus ist die gezielte Beratung 52;ber die bestehenden Programme zur Förderung der freiwilligen Rückkehr möglich (BT-Drucks. 15/420, S. 92).

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Ausweislich des Erlasses des Ministeriums für Inneres, ländliche Räume und Integration vom 29. Dezember 2016 „Unterbringung von vollziehbar Ausreisepflichtigen in der Landesunterkunft für Ausreisepflichtige“ müssen die aufzunehmenden Personen vollziehbar ausreisepflichtig sein (§ 58 Abs. 1 und 2 AufenthG) und dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz haben. Des Weiteren muss die Durchsetzbarkeit der Ausreisepflicht der aufzunehmenden Personen in absehbarer Zeit realisierbar sein. Dies ist der Fall, wenn das Landesamt für Ausländerangelegenheiten prognostiziert, dass Maßnahmen zur Ausreisevorbereitung umgehend eingeleitet werden können. Nicht aufgenommen werden Personen aus Staaten, in die nicht oder nicht in absehbarer Zeit zurückgeführt werden kann sowie Personen, bei denen aus gesundheitlichen Gründen eine Unterbringung in der Landesunterkunft für Ausreisepflichtige nicht möglich ist.

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Es muss demnach ein sinnvoller Bezug zu den Verfahrenszwecken vorliegen, eine Auflage, die vorrangig Sanktionscharakter hat, ist unzulässig (OVG Magdeburg, Beschl. Vom 11. März 2013 – 2 M 168/12 –, juris, Rn. 6; ebenso OVG Schleswig, Beschluss vom 21. Dezember 2017 – 4 MB 93/17 –, juris, Rn. 7). Dementsprechend m2;ssen die Maßnahmen in Anbetracht des konkreten Einzelfalls erfolgversprechend sein.

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Gemessen an diesen Maßstäben erweist sich die Anordnung, in der Ausreiseeinrichtung für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer Wohnung zu nehmen, als rechtmäßig, insbesondere als ermessensfehlerfrei im Sinne von § 114 Satz 1 VwGO.

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Die Antragsteller sind vollziehbar ausreisepflichtig (§ 58 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG). Die Klage in dem Verfahren 1 A 229/17 hat keine aufschiebende Wirkung mehr, nachdem der Eilantrag gegen das Bundesamt mit Beschluss vom 23. August 2017 – 1 B 103/17 – abgelehnt worden ist. Die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht ist durch die Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG nicht entfallen, da die Antragsteller zuvor nicht im Besitz eines anderen Aufenthaltstitels waren, vor dessen Ablauf sie dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels beantragt haben, § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG. Vielmehr waren sie zunächst lediglich im Besitz einer Aufenthaltsgestattung gem. § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylG während der Dauer des Asylverfahrens. Somit kommt es auch nicht darauf an, dass über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bisher noch nicht entschieden wurde (VG Augsburg, Beschluss vom 14. Dezember 2017 – Au 6 S 17.1709 –, Rn. 28, juris). Auch die erteilten Duldungen berühren nicht die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht, sondern hindern nur vorübergehend deren zwangsweise Durchsetzung im Wege der Abschiebung.

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Die Wohnsitzauflage ist zur Realisierung der Ausreise der Antragsteller geeignet. Der Antragsgegner hat im Rahmen der Ermessensausübung zutreffend die in § 61 Abs. 2 Satz 2 AufenthG normierten Zwecke berücksichtigt, indem er davon ausgegangen ist, dass in der Landesunterkunft durch Betreuung und Beratung die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise gefördert und die Erreichbarkeit für Behörden und Gerichte sowie die Durchführung der Ausreise gesichert werden. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der Zugriff auf die Antragsteller tatsächlich „rund um die Uhr“ gewährleistet wird. Ausreichend um einen sinnvollen Bezug zu den Verfahrenszwecken zu gewährleisten (OVG Magdeburg, Beschl. Vom 11. März 2013 – 2 M 168/12 –, juris, Rn. 6; ebenso OVG Schleswig, Beschluss vom 21. Dezember 2017 – 4 MB 93/17 –, juris, Rn. 7), ist es bereits, dass sie sich typischerweise häufiger an diesem Ort als an anderen aufhalten, sodass die Erreichbar deutlich verbessert wird. Hiervon geht auch der Antragsgegner aus, der insoweit von einer „Optimierung“ der Erreichbarkeit spricht.

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Die Wohnsitzauflage ist auch erforderlich und angemessen, um die Realisierung der Ausreise zu erreichen. Die Antragsteller haben bislang keine erkennbaren Bemühungen zur Förderung ihrer freiwilligen Ausreise getroffen

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Die Maßnahme ist auch nicht deshalb ungeeignet, weil bereits jetzt ohne Zweifel feststeht, dass die Antragsteller in absehbarer Zeit nicht abgeschoben werden könnten, etwa weil die Abschiebung der Antragstellerin nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG tatsächlich oder rechtlich unmöglich ist. Nach § 60a Abs. 2c AufenthG wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Ein inlandsbezogenes Abschiebungsverbot wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a AufenthG kann gegeben sein, wenn und solange der Ausländer wegen einer Erkrankung transportunfähig ist, d. h. sich sein Gesundheitszustand durch und während des eigentlichen Vorgangs des "Reisens" wesentlich verschlechtert oder eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr transportbedingt erstmals entsteht und die Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn). Eine Abschiebung muss aber auch dann unterbleiben, wenn sie – außerhalb des eigentlichen Transportvorgangs – eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bedeutet. Dies ist der Fall, wenn das ernsthafte Risiko besteht, dass unmittelbar durch die Abschiebung als solche (unabhängig vom Zielstaat) sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne).

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Davon zu unterscheiden sind die sog. zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote, etwa nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, über die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu entscheiden hat (BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 – 10 B 39/12 –, Rn. 4, juris). Die in der Antragschrift geltend gemachten zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse sind in dem vorliegenden Verfahren gegen die Ausländerbehörde nicht zu prüfen. Nach § 42 AsylG ist die Ausländerbehörde an die Entscheidung des Bundesamtes über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes gebunden. Insoweit ist durch das Bundesamt festgestellt, dass keine zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse vorliegen.

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Nach den eingereichten fachärztlichen Stellungnahmen der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie … vom 6. November 2017 und 17. November 2017 befinde sich die Antragstellerin zu 2. seit dem 24. Juni 2016 in einer engmaschigen psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung. Die Diagnose beschreibt eine depressive Entwicklungsstörung mit hoher suizidaler Bereitschaft, eine Agoraphobie mit Panikstörung, eine generalisierte Angststörung sowie eine posttraumatische Belastungsstörung. Nach den Stellungnahmen bedarf die Antragstellerin zu 2. einer medikamentösen Therapie und einer Psychotherapie. Aus fachärztliche Sicht sei die Antragstellerin zu 2. gegenwärtig und bis auf weiteres auf die laufende engmaschige psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung dringend angewiesen. Bei einem Ausbleiben der Behandlung werde sich der psychische Zustand mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit rasch verschlimmern. Hinzu komme, dass ohne Behandlung die latent vorhandene Suizidalität sich steigern würde und dass das Selbstmordrisiko dann sehr hoch werden würde. Eine zwangsweise Rückführung der Antragstellerin zu 2. in ihre Heimat sowie der Abbruch der durchaus erfolgversprechenden Behandlung bei ihr würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Verstärkung der Symptomatik mit der höchst wahrscheinlichen Annahme eines Suizids zur Folge haben.

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Nach der eingereichten fachärztlichen Stellungnahmen der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie … vom 7. November 2017 befinde sich der Antragsteller zu 1. seit dem 19. Juni 2016 in engmaschiger psychiatrisch-psychotherapeutischer Behandlung. Vorausgegangen sei ein stationärer-psychiatrischer Aufenthalt vom 22. Juni bis 19. Juli 2016. Die schweren psychisch-neurologischen Krankheiten seien nach der fachärztlichen Stellungnahme auf dem Boden von schweren Traumatisierungen sowie eines Schädel-Hirn-Traumas und Schultertraumas bei der Verhaftung in Tschetschenien entstanden. Als Diagnosen werden unter anderem eine depressive schizophrenieforme Psychose, eine posttraumatische Belastungsstörung sowie chronische posttraumatische Kopfschmerzen bei Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma sowie einem chronischen Schmerzsyndrom der Wirbelsäule und eine Atrophie des rechten Unterarmes sowie einzelner Handmuskeln bei Zustand nach Schultertrauma festgestellt. Die psychisch-neurologischen Krankheiten des Antragstellers zu 1. seien von einem hohen Schweregrad. Seine Toleranz gegenüber realen Schwierigkeiten sei so niedrig, dass er in nahezu allen alltäglichen Situationen scheitere und mit Vertiefung der Depression reagiere. Ausbrüche intensiver Angst bei geringsten Problemen und zwischenmenschlichen Kontakten führten ebenfalls zur Vertiefung der Depression bis hin zu suizidalen Krisen und wahnähnlicher Verarbeitungen der realen Geschehnisse.

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Er bedürfe weiterhin einer ständigen qualifizierten ärztlichen Behandlung am sicheren Ort. Bei einem Ausbleiben bzw. Abbruch der jetzigen Behandlung würde sich der jetzige Zustand mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verschlimmern und rasch in einen unheilbaren chronischen Zustand, der eine schwere Behinderung darstellen würde, übergehen. Aus fachärztliche Sicht sei der Antragsteller zu 1. bis auf weiteres dringend auf eine psychosoziale Unterstützung sowie auf die Möglichkeit eines schnellen Zugangs zu den ihn behandelnden und ihm vertrauten Ärzten angewiesen.

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Den Antragstellern ist während ihres Aufenthaltes in Schleswig-Holstein der Zugang zu einer fachgerechten medizinischen Behandlung sowie auch insbesondere zu der behandelnden Fachpsychiaterin möglich. Die Antragsteller mussten bislang von A-Stadt nach B-Stadt zu der ihr vertrauten Fachärztin fahren. Die Fahrt dauert sowohl mit öffentlichen Verkehrsmitteln als auch mit dem Auto von Boostedt aus nicht länger als bisher, schon gar nicht ist sie unzumutbar lang. Die fachpsychiatrische Behandlung kann demnach weiterhin fortgesetzt werden.

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Es ist im Übrigen gerichtsbekannt, dass es in der Landesunterkunft für alle Bewohner einen hausärztlichen Dienst der Notarztbörse gibt, der einer allgemeinmedizinischen Praxis entspricht. Dieser ärztliche Dienst ist zurzeit mit vier Ärzten und weiterem medizinischen Fachpersonal besetzt. Die Ärzte können zur Behandlung in der Landesunterkunft anwesenden Dolmetscher hinzuziehen. Für die am häufigsten vorkommenden Sprachen stehen diese dauerhaft zur Verfügung, im Übrigen je nach Anforderung. Die Sprechzeiten sind montags bis freitags von 8:00 Uhr bis 16:00 Uhr. Fachärztliche Leistungen werden im psychiatrischen Bereich inzwischen durch einen einmal wöchentlich in die Landesunterkunft kommenden Facharzt für Psychiatrie von dem in der Nähe befindlichen psychiatrischen Krankenhaus Rickling erbracht. Im Übrigen werden fachärztliche oder sonstige weitergehende medizinische Leistungen von Fachärzten oder in Krankenhäusern nach Überweisung durch den ärztlichen Dienst der Landesunterkunft erbracht. Ob die Voraussetzungen für eine Überweisung vorliegen, beurteilt der behandelnde Arzt des ärztlichen Dienstes. Der Transport zu den Fachärzten bzw. in Krankenhäuser wird durch die Landesunterkunft organisiert. Der Patient erhält je nach Gesundheitszustand einen Transport mit einem Taxi oder Fahrscheine für den öffentlichen Personennahverkehr. Außerhalb der Praxisöffnungszeiten wird der Rettungsdienst als staatliche Aufgabe durch die Rettungsdienstträger sichergestellt, § 1 Abs. 4 Schleswig-Holsteinisches Rettungsdienstgesetz (SHRDG) vom 28. März 2017.

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Die medizinische Versorgung der Erkrankungen der Antragsteller ist danach gewährleistet. Einer regelmäßigen Medikamenteneinnahme und erforderlichen Arztbesuchen steht nichts entgegen. Es ist deshalb nicht erkennbar, dass die Verlegung des Wohnsitzes in die Gemeinschaftsunterkunft für die Antragsteller unzumutbar sein könnte. Die Frage, ob inlandsbezogene Abschiebungsverbote vorliegen, ist nicht bereits jetzt abschließend zu klären; es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass bei den Antragstellern zweifelsfrei inlandsbezogene Abschiebungsverbote wegen ihrer Erkrankungen vorliegen, so dass eine Aufnahme der Antragsteller in die Ausreiseeinrichtung von vornherein sinnlos wäre.

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Soweit die Antragsteller in der Antragsbegründung unter Bezugnahme auf die fachärztlichen Stellungnahmen darauf abstellen, dass bei einem Abbruch der Behandlung – die zumindest im Bundesgebiet nicht droht – sich der Gesundheitszustand verschlechtern würde, sind damit zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote, etwa nach § 60 Abs. 1 AufenthG, beschrieben. Diese sind bislang im asylrechtlichen Verfahren nicht festgestellt worden und ausschließlich im asylrechtlichen Verfahren zu klären.

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Die Anordnung zur Vorsprache mit der Androhung unmittelbaren Zwanges (Ziffer 1 und 4 der Verfügung vom 13. November 2018) ist ebenfalls rechtmäßig, insoweit kann zur Begründung auf den zutreffenden Inhalt des angefochtenen Bescheides Bezug genommen werden. Die Anordnung zur Vorsprache steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der ausgesprochenen Wohnsitzauflage und soll dazu dienen, durch die Aufnahme der Antragsteller bei der Vorsprache die Wohnsitzname in der Landesunterkunft konkret zu ermöglichen. Die Anordnung bezieht sich zwar auf einen bestimmten Zeitpunkt, nämlich Donnerstag, den 22. November 2018 bis um 12:00 Uhr. Sie hat sich jedoch nicht durch Zeitablauf und Nichterscheinen der Antragsteller erledigt, da die Vorspracheanordnung auch für diesen Fall nach ihrem erkennbaren Zweck Geltung beansprucht.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 1, Abs. 2 GKG.

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Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist mangels Erfolgsaussichten (§ 114 S. 1 ZPO iVm § 166 VwGO) aus den oben dargelegten Gründen abzulehnen.


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