Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (1. Kammer) - 1 B 54/20

Tenor

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000, -- € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag des Antragstellers ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO mit dem Ziel der Verpflichtung des Antragsgegners, den Vollzug des Bescheides vom 28. November 2019 mit der Durchführung einer Ersatzvornahme vorläufig zu unterlassen bzw. einzustellen zulässig. Ein Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen das Schreiben des Antragsgegners vom 15. April 2020 wäre nicht zulässig, da es sich bei dem Schreiben mangels rechtsverbindlicher Setzung einer Rechtsfolge (Regelung) nicht um einen Verwaltungsakt handelt, sondern lediglich um die Ankündigung einer Vollzugsmaßnahme, der bereits in dem Bescheid vom 28. November 2019 vollziehbar angedrohten Ersatzvornahme.

2

Der Antragsteller begehrt die Unterlassung künftigen Verwaltungshandelns, nämlich die Unterlassung der Durchführung einer Ersatzvornahme, und beantragt damit vorbeugend gerichtlichen Rechtsschutz gegen zukünftige Maßnahmen der Verwaltung. Dieser Antrag ist zulässig, weil die besonderen Voraussetzungen, unter denen vorbeugender Rechtsschutz gegen zukünftiges Verwaltungshandeln ausnahmsweise zulässig sein kann, im vorliegenden Fall erfüllt sind. Der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz ist grundsätzlich nicht vorbeugend konzipiert. Um den Grundsatz der Gewaltenteilung und das der Verwaltung zugewiesene Handlungsfeld nicht übermäßig und "anlasslos" zu beeinträchtigen, setzt die den Gerichten übertragene Kontrollfunktion gegen Maßnahmen der Behörden grundsätzlich erst nachgelagert ein. Die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes erfordert daher regelmäßig den Erlass einer Maßnahme, der nachfolgend Gegenstand gerichtlicher Überprüfung ist. Vorbeugender Rechtsschutz gegen erwartete oder befürchtete Maßnahmen der Verwaltung ist daher grundsätzlich unzulässig. Etwas anderes gilt indes dann, wenn dem Betroffenen ein weiteres Zuwarten, ob und wie die Behörde tätig werden wird, nicht zugemutet werden kann und daher ein schutzwürdiges Interesse an einer alsbaldigen gerichtlichen Klärung besteht (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2016 – 2 C 18/15 –, Rn. 19 - 20, juris). Es muss ein spezielles, auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse bestehen.

3

Im vorliegenden Fall ist ein spezifisches Interesse gerade an vorbeugendem Rechtsschutz erkennbar. Der Antragsteller beruft sich auf eine im vorläufigen Rechtschutzverfahren vor dem Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht für den Antragsgegner abgegebene Zusicherung, unter bestimmten Voraussetzungen auf eine Vollstreckung, also den Verwaltungsvollzug, zu verzichten und macht geltend, diese Voraussetzungen lägen vor. Es ist dem Antragsteller nicht zuzumuten, die Durchführung eines aufwändigen Vollzugsverfahrens mit der Inanspruchnahme von in seinem Eigentum stehenden Grundflächen abzuwarten, bevor er um Rechtsschutz nachsuchen könnte.

4

Der Antrag ist jedoch nicht begründet.

5

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Voraussetzung hierfür ist, dass sowohl ein Anordnungsanspruch, d. h. der materielle Anspruch, für den der Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz nachsucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung begründet, glaubhaft gemacht werden, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO.

6

Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch auf Unterlassung oder Einstellung (§ 241 LVwG) des weiteren Vollzuges des Bescheides vom 28. November 2019 durch Durchführung einer Ersatzvornahme nicht glaubhaft gemacht.

7

Bei der zwecks Durchsetzung des Wiederaufforstungsgebots geplanten Ersatzvornahme (§§ 228, 238 Abs. 1 LVwG) handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um einen Realakt. Als Vollzugshandlung enthält sie keine Willensäußerung mit Regelungsgehalt und Rechtsfolge, sondern setzt nur eine durch Verwaltungsakt bereits bestimmte Rechtsfolgenanordnung durch, ist also nur auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtet. Eine rechtsverbindliche „Anordnung“ der Ersatzvornahme ist in Schleswig-Holstein im Anwendungsbereich des Landesverwaltungsgesetzes gesetzlich nicht vorgesehen (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Urteil vom 28. Februar 2019 – 4 LB 22/18 –, Rn. 32 - 343, juris).

8

Gegen den geplanten Vollzug durch Ersatzvornahme bestehen keine rechtlichen Bedenken. Voraussetzung für die Durchführung der Ersatzvornahme ist grundsätzlich deren Androhung (§ 236 Abs. 1 LVwG), die vom tatsächlichen Vollzug zu unterscheiden ist. Mit der Androhung, die in Form eines Verwaltungsaktes ergeht, wird über die Art und Weise des Vollzuges entschieden. Dies ist vorliegend bereits in dem Bescheid vom 28. November 2019 geschehen, die Androhung des Zwangsmittels ist auch vollziehbar, die in dem Bescheid festgesetzte Frist ist abgelaufen.

9

Die Unzulässigkeit der Ersatzvornahme folgt auch nicht aus der mit Schriftsatz vom 24. März 2020 in dem Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht für den Antragsgegner abgegebenen Erklärung. Es heißt darin, dass der Antragsgegner bereit sei, auf eine Vollstreckung zu verzichten, wenn der Antragsteller bis zum 31.März 2020 einen entsprechenden Auftrag auslöst und die beauftragte Firma bestätigt, dass sie die Anpflanzungen im April durchführen wird. Die Erklärung beinhaltet eine allgemeine öffentlich-rechtliche Zusage, mit der die Behörde ein bestimmtes künftiges Verhalten rechtlich verbindlich verspricht. Eine solche Erklärung entfaltet Bindungswirkung auch außerhalb des Anwendungsbereichs der im Gesetz geregelten Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen (Zusicherung § 108a LVwG).

10

Der Antragsteller vertritt die Auffassung, dass mit der Erklärung des Antragsgegners nicht eine schriftliche Bestätigung gemeint sei sowie darüber hinaus, dass die Bestätigung auch nicht gegenüber dem Antragsgegner abzugeben gewesen sei. Dem kann nicht gefolgt werden. Der Inhalt öffentlich-rechtlicher Willenserklärungen einer Behörde ist durch Auslegung nach der im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Regelung des § 133 BGB zu ermitteln. Maßgebend ist der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung unter Berücksichtigung aller sonst den Beteiligten bekannten oder erkennbaren Umständen nach Treu und Glauben bei objektiver Auslegung verstehen konnte (BVerwG, Urteil vom 02. September 1999 – 2 C 22/98 –, BVerwGE 109, 283-291, Rn. 20).

11

Der Antragsgegner wollte dem Antragsteller mit der genannten Erklärung ermöglichen, die unmittelbar bevorstehende Ersatzvornahme dadurch abzuwenden, dass er die geforderten Maßnahmen selbst durchführen lässt, eine inhaltliche Änderung der durchzuführenden Maßnahme sollte damit nicht gestattet werden. Es entsprach der auch für den Antragsteller erkennbaren Interessenlage des Antragsgegners, die für die Auslegung der Erklärung zu berücksichtigen ist, dass der Antragsgegner Belege darüber benötigt, dass der Antragsteller die verlangten Maßnahmen auch tatsächlich genau in der durch den Bescheid festgesetzten Weise rechtzeitig durchführt. Wenn dann vor diesem Hintergrund ausgeführt wird, dass die beauftragte Firma bestätigen soll, dass sie die Anpflanzungen im April durchführen wird, so kann diesem erkennbaren Interesse des Antragsgegners nur dadurch Rechnung getragen werden, dass eine verbindliche Erklärung dieser Firma mit dem geforderten Inhalt dem Antragsgegner vorgelegt wird; dies geschieht in der Regel in Schriftform. Es versteht sich von selbst, dass der erkennbaren Interessenlage des Antragsgegners nicht damit gedient wäre, wenn diese Bestätigung lediglich mündlich und auch nur gegenüber dem Antragsteller abgegeben wird oder eine Ausführung nur in einer von dem Bescheid vom 28. November 2019 abweichenden Weise beschrieben wird. Denn damit wäre es aus Sicht des Antragsgegners gerade nicht sichergestellt, dass die Maßnahmen in der geforderten Weise auch tatsächlich durchgeführt werden wird.

12

Der Antragsteller hat nicht, etwa durch Vorlage einer Kopie der Bestätigung, glaubhaft gemacht, dass er die geforderte Bestätigung mit dem geforderten Inhalt, insbesondere Durchführung einer bodenschonenden Anpflanzung, bei dem Antragsgegner eingereicht hat. Auf die mit weiterem Schriftsatz vom 17. April 2020 durch den Antragsteller dargestellten Umstände kommt es für die Entscheidung rechtlich nicht an. Die Bitte des Gerichts an den Antragsgegner, bis einschließlich 21. April 2020 mit einem Vollzug abzuwarten, hat sich durch diesen Beschluss erledigt.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; der Streitwert wurde gem. § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 iVm § 52 Abs. 2 GKG festgesetzt.


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