Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (17. Kammer) - 17 B 1/20

Tenor

Die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung vom 12.02.2020 wird ausgesetzt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

1

Der Antrag des Antragstellers,

2

die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung vom 12.02.2020 auszusetzen,

3

hat Erfolg.

4

Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Landesdisziplinargesetz (LDG) kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde eine Beamtin oder einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens unter Einbehaltung von bis zu 50 % der monatlichen Dienst- oder Anwärterbezüge vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehaltes erkannt werden wird. Nach Satz 3 ist eine Suspendierung auch möglich, wenn durch das Verhalten der Beamtin oder des Beamten ihr oder sein Verbleiben im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht.

5

Gemäß den Vorschriften der §§ 41 Abs. 1 Satz 1 LDG iVm 63 Abs. 2 Bundesdisziplinargesetz (BDG) ist die vorläufige Dienstenthebung (eine Einbehaltung von Bezügen ist noch nicht angeordnet worden) auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Solche Zweifel besehen immer dann, wenn der Verfahrensausgang zumindest offen ist. Im Aussetzungsverfahren ist daher zu prüfen, ob im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LDG genannte Alternative die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bei summarischer Beurteilung überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. zu diesem Maßstab OVG Schleswig, Beschluss vom 05.01.2018 - 14 MB 2/17 - juris Rn. 3 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Dabei ist die Sachprüfung in einem Verfahren nach §§ 41 Abs. 1 LDG iVm 63 Abs. 2 BDG seinem Wesen nach auf eine summarische Bewertung und entsprechende Wahrscheinlichkeitserwägungen beschränkt. Für eine eingehende Beweiserhebung ist nach der gesetzlichen Regelung kein Raum. Es ist ein hinreichender begründeter Verdacht für ein Dienstvergehen erforderlich, der sich regelmäßig aus der Erhebung der öffentlichen Anklage im sachgleichen Strafverfahren (§ 170 Straßenprozessordnung - StPO) oder der Eröffnung des Hauptsacheverfahrens ergibt (§ 203 StPO), sofern das danach im Raum stehende Dienstvergehen die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigt (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 29.01.2018 - 14 MB 3/17 - juris Rn. 4 m.w.N.).

6

Gemessen daran hat der Antragsgegner zu Unrecht die vorläufige Dienstenthebung des Antragstellers verfügt.

7

Die Rechtswidrigkeit der Maßnahme folgt allerdings nicht bereits aus formellen Mängeln, insbesondere nicht im Hinblick auf eine fehlerhafte Beteiligung des Personalrats. Nach der Bestimmung des § 51 Abs. 1 Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein (MBG) bestimmt der Personalrat mit bei allen personellen, sozialen, organisatorischen und sonstigen innerdienstlichen Maßnahmen, die die Beschäftigten der Dienststelle insgesamt, Gruppen von ihnen oder einzelne Beschäftigte betreffen oder sich auf sie auswirken. Nach Abs. 5 ist die Mitbestimmung indes von der vorher einzuholenden Zustimmung der Betroffenen abhängig, soweit Mitbestimmungsfälle über die beabsichtigten Maßnahmen hinaus schutzwürdige persönliche Interessen von Beschäftigten berühren.

8

Vorliegend konnte der Personalrat trotz entgegenstehenden Wunsches des Antragstellers beteiligt werden, weil eine personenbezogene Ausnahme oder Einschränkung der Mitbestimmung iSv § 51 Abs. 5 MBG nicht vorliegt.

9

In den Blick zu nehmen ist dabei, dass das Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein im Gegensatz zu dem bis 1991 geltenden Personalvertretungsgesetz für Schleswig-Holstein nicht von einzelnen Beteiligungstatbeständen, sondern von der Allzuständigkeit des Personalrates ausgeht (vgl. § 2 Abs. 1 MBG, § 51 Abs. 1 MBG). Ausgehend von der Intention des Mitbestimmungsgesetzes, die Mitbestimmung der Personalräte umfassend zu erweitern (vgl. amtliche Begründung zum MBG, LTDrS 12/996 vom 24.08.1990, S. 68 f), kann eine Einschränkung der Beteiligungsrechte des Personalrats nur die Ausnahme sein. Im Hinblick auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht einzelner Beschäftigter einerseits und die Beteiligungsrechte des Personalrechts andererseits ist zu berücksichtigten, dass andere, weniger mitbestimmungsfreundliche Personalvertretungsgesetze ebenfalls eine Abwägung zwischen dem informationellen Selbstbestimmungsrecht und dem Mitbestimmungsrecht der Personalräte getroffen haben, etwa in Hamburg und Berlin hinsichtlich der Einleitung eines Disziplinarverfahrens, welches in diesen Bundesländern uneingeschränkt der Mitbestimmung unterliegt. Nach Auffassung der Kammer ist § 51 Abs. 5 MBG daher restriktiv auszulegen mit der Folge, dass eine Zustimmung des Betroffenen nur bei schlechthin unzumutbaren Eingriffen in die Privat- und Intimsphäre notwendig ist. Bezogen auf die Entscheidung des Dienstherrn, ein Disziplinarverfahren einzuleiten oder - wie hier - eine vorläufige Suspendierung auszusprechen, bedeutet dies angesichts des Umstandes, dass die im Disziplinarverfahren beabsichtigte Disziplinarmaßnahme - Entfernung aus dem Dienst - ein schweres Dienstvergehen voraussetzt, dass nicht bereits das Vorliegen eines derartigen schweren Vergehens als solches die Mitbestimmung des Personalrates von der vorherigen Zustimmung durch den Betroffenen abhängig macht, sondern vielmehr zu der schweren Dienstverfehlung besondere Umstände hinzukommen müssen, die eine Beteiligung des Personalrates ohne Zustimmung des Betroffenen als schlechthin unzumutbaren Eingriff in dessen Privat- und Intimsphäre erscheinen lassen. Ist das schwere Dienstvergehen in einer Straftat zu sehen, folgt nicht bereits aus der Begehung der Straftat durch den Beschäftigten eine Einschränkung der Mitbestimmung des Personalrates im Sinne von § 51 Abs. 5 MBG; vielmehr müssen besondere Umstände im Einzelfall hinzukommen, wie etwa besondere Umstände der Tatbegehung, Schwere der Straftat oder durch die Tat selbst oder im Zusammenhang mit ihrer Ermittlung augenfällig werdende besondere, schützenswerte Umstände aus der Privat- und Intimsphäre des Bediensteten (vgl. zum Ganzen: Urteil der Kammer vom 14.05.2005 - 17 A 5/03 - n.v.).

10

Unter Berücksichtigung dieser Umstände rechtfertigt allein die Tatsache, dass der Antragsteller möglicherweise Straftaten nach § 201 Strafgesetzbuch - StGB - (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes) und/oder nach § 353 b StGB (Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht) begangen hat, nicht die Anwendung des § 51 Abs. 5 MBG mit der Folge, dass der Personalrat lediglich von der Disziplinarmaßnahme unterrichtet werden muss. Weder die möglichen Straftaten, noch die Umstände ihrer Begehung lassen ihre Offenlegung gegenüber dem Personalrat als unzumutbaren Eingriff in die Privat- und Intimsphäre des Antragstellers erscheinen. Besondere weitere Umstände, die darüber hinaus einen unzumutbaren Eingriff in dessen Privat- und Intimsphäre begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Der Hinweis des Antragstellers, dass es bei konkurrierenden Polizeigewerkschaften nicht ausgeschlossen sei, dass im Zusammenhang mit dem Disziplinarverfahren bekannt werdende Informationen weitergegeben und/oder missbräuchlich genutzt werden könnten, stellt eine durch weitere tatsächliche Anhaltspunkte nicht weiter belegte bloße Vermutung da. Im Übrigen geht es vorliegend lediglich um die Beteiligung des Personalrats an der von dem Antragsgegner verfügten Suspendierung. Es ist jedenfalls - nach dem derzeitigen Stand - nicht ersichtlich, inwieweit andere Vereinigungen wie Gewerkschaften im Zusammenhang mit den (weiteren) Ermittlungen des Antragsgegners Kenntnis von einzelnen Umständen erhalten sollten. Dies gilt insbesondere in Anbetracht der Verschwiegenheitspflicht der Mitglieder des Personalrates.

11

Indes ist die angeordnete vorläufige Dienstenthebung des Antragstellers in der Sache nicht gerechtfertigt. Auf der Grundlage des hier maßgeblichen aktuellen Kenntnisstandes ist es nach Auffassung der Kammer offen, ob im Disziplinarverfahren die Entfernung des Antragstellers aus dem Dienst als die schärfste disziplinarrechtliche Sanktion (§ 10 Abs. 1 LDG) verhängt werden wird. Nach der summarischen Überprüfung der dem Antragsteller vorgeworfenen Pflichtverletzungen und der Auswertung des Akteninhalts besteht nach Auffassung der Kammer (zumindest) eine genauso hohe Eintrittswahrscheinlichkeit dafür, dass sich die Prognose des Antragsgegners als unzutreffend erweisen wird, wonach es in dem eingeleiteten Disziplinarverfahren voraussichtlich zu einer Entfernung des Antragstellers aus dem Dienst kommt. Nach dem oben zitierten Prüfungsmaßstab (OVG Schleswig, Beschluss vom 05.01.2018 a.a.O.) besteht keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Verhängung dieser Maßnahme; insoweit bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung.

12

Die Kammer geht im Hinblick auf die Pflichtverletzungen des Antragstellers von den vom Antragsgegner getroffenen Feststellungen in der angefochtenen Verfügung aus. Der Antragsteller hat von seinem Schweigerecht Gebraucht gemacht und die Vorwürfe insoweit nicht in Abrede gestellt:

13

- Danach hat der Antragsteller am ... vor bzw. während einer Geiselnahme in der JVA A-Stadt interne (dem Dienstgeheimnis unterliegende) Informationen an die Presse gegeben und ein Bild des Geiselnehmers aus der polizeilichen Datenbank weitergeleitet.

14

- In der Zeit vom 27.05. bis 05.06.2019 hat der Antragsteller interne Informationen (Entwurf einer Entlassungsverfügung eines Polizeibeamten in seiner Eigenschaft als (Ersatz-) Mitglied des Hauptpersonalrates an die Presse ... weitergegeben. Ein entsprechender Artikel erschien am 05.06.2019. In eben dieser Funktion erfolgte auch seitens des Antragstellers die Weitergabe interner Informationen (Verfügung Verbot der Führung der Dienstgeschäfte, Anklageschrift der Staatsanwaltschaft) in Bezug auf Verfahren gegen drei Polizeikommissaranwärter an die Presse. Entsprechende Artikel in den ... erschienen am 23.03.2019 und 30.03.2019.

15

- Weiterhin besteht der Verdacht, dass der Antragsteller ihm in seiner Eigenschaft als Mitglied des Hauptpersonalrates zur Kenntnis gelangte Umstände im Rahmen eines Stellenbesetzungsverfahrens unerlaubt weitergegeben hat.

16

- Zudem soll der Antragsteller Informationen in Bezug auf die Entlassung eines gefährlichen Strafgefangenen aus der JVA B-Stadt und die damit im Zusammenhang stehenden polizeilichen Sicherungsmaßnahmen („BAO Rapsfeld“) unerlaubt an die Presse weitergegeben haben. Diese hat unter dem 14.08.2019 Entsprechendes veröffentlicht.

17

- Ein weiterer Vorwurf lautet, dass der Antragsteller ein als „Verschlusssache“ nur für den internen Dienstgebrauch „eingestuftes Lagebild des LKA“ ebenfalls an die Presse weitergegeben hat. Ein entsprechender Bericht erschien in den ... am 14.06.2019.

18

- Auch der Rauschgiftjahresbericht, der für eine Weitergabe an Dritte nicht vorgesehen war, ist vom Antragsteller an die Presse weitergegeben worden. Am 02.07.2019 erschien in den ... auf Grundlage dieses Berichts ein Artikel.

19

- Weitere Informationen wurden vom Antragsteller weitergegeben, die im Zusammenhang mit Ermittlungen der Ermittlungsgruppe „EG R...“ standen, welche sich mit Ermittlungen gegen sich als Polizeibeamte ausgebende Personen beschäftigt.

20

- Schließlich soll der Antragsteller auch vertrauliche Informationen aus dem sog. Bußbericht an die Presse weitergegeben haben.

21

Das Verhalten des Antragstellers begründet den Verdacht eines - schwerwiegenden - Dienstvergehens (§ 47 Abs. 1 Beamtenstatusgesetz - BeamtStG -). Zu den Pflichten eines Beamten gehört die sich aus § 34 Satz 3 BeamtStG ergebende Pflicht, sein Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes so auszurichten, dass es der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Beruf erfordern. Hierzu gehört insbesondere die Pflicht, sich gesetzestreu zu verhalten; denn er hat die von seinen Vorgesetzten erlassenen Anordnungen auszuführen und ihre allgemeinen Richtlinien zu befolgen (§ 35 Satz 2 BeamtStG). Nach § 37 Abs. 1 BeamtStG besteht darüber hinaus die Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit. Dazu gehört die Wahrung des Datengeheimnisses wie auch das Verbot der Offenbarung personenbezogener Daten. Darauf ist der Antragsteller - wie alle mit solchen Daten befassten Polizeibeamten - gesondert verpflichtet worden. Im Übrigen ist der Polizeibeamte verpflichtet insbesondere das Ansehen der Polizei zu wahren und sich für den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung einzusetzen. Gegen all dies hätte der Antragsteller verstoßen.

22

Gleichwohl ist die Kammer der Auffassung, dass bei der Bemessung der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme im Ergebnis die Verhängung der Höchstmaßnahme, namentlich die Entfernung aus dem Dienst, nicht zwingend in Betracht kommt und nicht überwiegend wahrscheinlich ist. Die Rechtsprechung der Disziplinargerichte geht vielmehr - soweit ersichtlich - davon aus, dass allein wegen pflichtwidriger Weitergabe interner Informationen durch Polizeibeamte, insbesondere über laufende Ermittlungsmaßnahmen unter Inanspruchnahme polizeilicher Informationssysteme und damit einer dem Beamten als Hauptpflicht obliegenden Pflicht zur Amtsverschwiegenheit, die Höchstmaßnahme (noch) nicht in den Blick zu nehmen ist. Zwar gehört die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit zu den Hauptpflichten eines Beamten; sie dient sowohl dem öffentlichen Interesse, insbesondere dem Schutz der dienstlichen Belange der Behörde als auch dem Schutz des von Amtshandlungen betroffenen Bürgers. In ihrer Verletzung liegt in der Regel ein schwerwiegender Treuebruch, der durchaus geeignet ist, die Vertrauenswürdigkeit eines Beamten in Frage zu stellen. Wegen der großen Spannbreite der Verhaltensweisen hinsichtlich einer derartigen Pflichtverletzung lassen sich allerdings feste Regeln für eine Disziplinarmaßnahme nicht aufstellen. Je nach Bedeutung der vertraulich zu behandelnden amtlichen Vorgänge und dem Grad des Verschuldens kann ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht unterschiedliches Gewicht haben. Die Rechtsprechung geht deshalb davon aus, dass die Höchstmaßnahme regelmäßig nur dann ausgesprochen werden kann, wenn weitere erhebliche Pflichtverstöße, insbesondere Straftaten im Amt (vor allem Bestechlichkeit) oder sonstige erschwerende Umstände hinzutreten (OVG Bautzen, Urteil vom 15.09.2010 - D 6 A 467/09 - juris Rn. 67; VG Berlin, Urteil vom 27.03.2012 - 80 K 8.11 OL - juris Rn. 65, beide jeweils mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung).

23

Vorliegend werden dem Antragsteller, neben der unberechtigten Weitergabe von internen, teilweise geheimhaltungsbedürftigen Informationen an Dritte, hier der Presse, keine weiteren erheblichen Pflichtverstöße vorgeworfen. Die Verletzung der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit führte auch nicht zu einer Behinderung der polizeilichen Arbeit in den durch die Datenweitergabe betroffenen Ermittlungsverfahren, auch nicht bei dem polizeilichen Einsatz zur Geiselbefreiung in der JVA A-Stadt. Soweit der Antragsgegner darauf hinweist, dass die vorzeitige Veröffentlichung in den ...(online) unter Umständen das Leben der Geiseln hätte gefährden können, ist dies zum einen zu pauschal, um eine solche Gefahr annehmen zu können, zum anderen handelt es sich auch nur um eine Vermutung. Die Verstöße gegen die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit führen zwar zu einem (erheblichen) Vertrauensverlust, wiegen aber nach Auffassung der Kammer aus den vorgenannten Gründen nicht so schwer, dass zwingend von einer endgültigen Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zum Dienstherrn ausgegangen werden muss.

24

In Anbetracht der obigen Ausführungen, unter Einschluss der zu diesem Komplex ergangenen Rechtsprechung, erscheint deshalb eine Entfernung des Antragstellers aus dem Dienst nicht als überwiegend wahrscheinlich; es dürfte vielmehr eine mildere Maßnahme, namentlich eine Versetzung in ein Amt mit niedrigerem Endgrundgehalt in Betracht kommen (vgl. OVG Bautzen, Urteil vom 15.09.2010 a.a.O. Rd. 69; VG Berlin, Urteil vom 27.03.2012 a.a.O. Rd. 69).

25

Besteht danach aufgrund der festgestellten Verstöße keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Dienstentfernung, bedarf es eines besonderen rechtfertigenden Grundes dafür, dass der Beamte in der Zeit von der Einleitung des Disziplinarverfahrens bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss seinen aus dem bestehenden Beamtenverhältnis ergebenden Anspruch auf Ausübung seines Amtes vorübergehend verliert.

26

Dem genügt die pauschale Begründung in der Verfügung vom 12.02.2020, dass es bei einem weiteren Einsatz des Antragstellers zu einer Störung des dienstlichen Interesses und einer Schädigung des Ansehens des öffentlichen Dienstes kommt, nicht. Sie lässt jegliche nähere Darlegung vermissen, in welchen besonderen Umständen im Falle der Weiterbeschäftigung des Antragstellers die Gefährdung oder Störung dienstlicher Belange liegen könnte. Solche Erwägungen hätten aber entsprechend der Vorschrift des § 109 Landesverwaltungsgesetz (LVwG) dargelegt werden oder hätten - was hier ebenfalls nicht der Fall ist - dem Betroffenen bereits ohne Weiteres erkennbar sein müssen. Solche Gründe könnten etwa Verdunklungsgefahr oder eine besondere Belastung des Betriebsklimas infolge einer Unverträglichkeit des Beamten sein (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.05.1994 - 1 DB 7/94 - juris Rn. 13). Beides ist hier nicht der Fall. Es fehlt an einer Begründung, aufgrund welcher tatsächlichen Umstände im konkreten Fall der dienstliche Betrieb, der Frieden in der Dienststelle oder das Ansehen des öffentlichen Dienstes, insbesondere der Landespolizei, gerade in der Zeit zwischen Einleitung des Disziplinarverfahrens und seinem rechtskräftigen Abschluss, mit dem die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung kraft Gesetzes endet und von dem ab der Beamte spätestens dann weiterbeschäftigt werden muss, ohne vorläufige Dienstenthebung gefährdet wäre (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 16.05.1994 a.a.O. und BVerwG, Beschluss vom 04.01.1996 - 1 DB 16.95 - juris Rd. 9 ff.).

27

Aus den vorgenannten Gründen lässt sich die Suspendierung des Antragstellers demgemäß nicht damit rechtfertigen, dass er die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 Satz 3 LDG erfüllt, wonach sein Verhalten den Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigen würde. Die vorläufige Dienstenthebung ist insoweit ermessensfehlerhaft.

28

Über die Einbehaltung von Dienstbezügen war vorliegend nicht zu entscheiden, weil diese noch nicht angeordnet worden ist.

29

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs. 1 Satz 1 LDG, 77 Abs. 1 BDG, 154 Abs. 1 VwGO.


Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen