Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (11. Kammer) - 11 B 49/20

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller wendet sich im Eilrechtsschutz gegen die nachträgliche Befristung seiner Aufenthaltserlaubnis.

2

Der Antragsteller ist iranischer Staatsangehöriger. Seit 2009 ist er mit einer iranischen Staatsangehörigen verheiratet, mit der er eine 2012 geborene gemeinsame Tochter hat.

3

Seine Ehefrau und seine Tochter reisten 2016 ins Bundesgebiet ein und stellten Asylanträge. Aufgrund eines seit April 2017 bestandskräftigen Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge wurden der Ehefrau und der Tochter Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 2 AufenthG erteilt.

4

Ende 2017/Anfang 2018 reiste der Antragsteller mit einem nationalen Visum zwecks Familiennachzug ins Bundesgebiet ein und beantragte eine Aufenthaltserlaubnis. Am 26.02.2018 erteilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug nach § 30 AufenthG, befristet bis zum 14.05.2020.

5

Ende Juni 2019 teilte die Ehefrau des Antragstellers der Antragsgegnerin mit, dass der Antragsteller aufgrund familiärer Trennung in den Iran geflogen sei. Am 09.07.2019 beantragte die Ehefrau den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz. Sie gab an, regelmäßig von dem Antragsteller geschlagen und beleidigt worden zu sein. Anfang Juni sei er in den Iran gereist. Sie habe ihm dann mitgeteilt, dass sie die Scheidung wolle. Daraufhin habe der Antragsteller gesagt, wenn er das gewusst hätte, hätte er seine Tochter mit in den Iran genommen. Er habe sie bedroht und verlangt, dass sie zu ihm zurückkehre. Andernfalls werde er nach Deutschland kommen und alles anzünden. Er wolle sie und die Tochter dann umbringen. Zudem gab sie an, der Antragsteller konsumiere regelmäßig Marihuana und Opium.

6

Mit Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 16.07.2019 erging eine umfassende Unterlassungsverfügung gegen den Antragsteller hinsichtlich der Kontaktaufnahme zu seiner Ehefrau. Die Anordnungen waren bis zum 16.01.2020 befristet.

7

Daraufhin hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zu einer beabsichtigten Befristung seiner Aufenthaltserlaubnis wegen Wegfalls der Erteilungsvoraussetzungen an. Mit anwaltlichem Schreiben vom 09.10.2019 wurde für den Antragsteller vorgetragen, ihm stehe wegen des ausgeübten gemeinsamen Sorgerechts und des ausgeübten Umgangs mit dem gemeinsamen Kind ein weiteres Aufenthaltsrecht zu.

8

Mit Bescheid vom 05.02.2020 befristete die Antragsgegnerin die Aufenthaltserlaubnis nachträglich. Der Antragsteller wurde unter Androhung der Abschiebung in den Iran aufgefordert, das Bundesgebiet bis zum 26.02.2020 zu verlassen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf ein Jahr befristet. Zur Begründung führte sie u.a. an, die wesentliche Voraussetzung für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis sei mit der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft entfallen. Daher werde die Aufenthaltserlaubnis auf den Tag der Bekanntgabe verkürzt. Das gemeinsame Sorge- und Umgangsrecht sei lediglich nach § 36 Abs. 2 AufenthG zu berücksichtigen. Die hierfür erforderliche außergewöhnliche Härte liege nicht vor. Duldungsgründe seien nicht ersichtlich. Die Befristung erfolge auf den Tag der Bekanntgabe.

9

Hiergegen erhob der Antragsteller Widerspruch, den er damit begründete, dass das weitere, eigenständige Aufenthaltsrecht zwecks Ausübung der elterlichen Sorge nicht berücksichtigt worden sei. Auch dem Kind stehe der Umgang mit dem Vater zu.

10

Mit Schreiben vom 23.03.2020 teilte die Antragsgegnerin mit, dass die Aufenthaltserlaubnis auch nach Ablauf der Gültigkeitsdauer fortgelte, da eine Verlängerung angesichts der COVID-19-Pandemie aktuell nicht möglich sei.

11

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.04.2020, dem Verfahrensbevollmächtigten am 04.05.2020 gegen Empfangsbekenntnis zugegangen, änderte die Antragsgegnerin den Bescheid vom 05.02.2020 dergestalt, dass die Aufenthaltserlaubnis 14 Tage nach Zustellung des Widerspruchsbescheids ablaufe, die Ausreisefrist wurde entsprechend verlängert. Zudem wurde die sofortige Vollziehung angeordnet. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie an, die nachträgliche Befristung stehe im Ermessen der Ausländerbehörde. Das Interesse an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet zur Aufrechterhaltung des Kontakts zur Tochter sei nicht allzu hoch zu gewichten, da er bereits im Jahr 2017 getrennt von ihr gelebt habe und dann erst zur Ehefrau und Tochter nachgezogen sei. Eine außergewöhnliche Härte nach § 36 Abs. 2 AufenthG liege nicht vor. Zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung führte sie an, der Antragsteller stelle wegen seines Verhalten gegenüber seiner Ehefrau eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. Zudem könne er seinen Lebensunterhalt nicht sichern.

12

Der Antragsteller hat am 04.06.2020 Klage erhoben und um Eilrechtsschutz nachgesucht.

13

Er macht geltend, ihm stehe weiterhin mit der Kindesmutter die gemeinsame elterliche Sorge zu, welche auch ausgeübt werde. Da das Kind bei der Mutter lebe, treffe diese die alltäglichen Entscheidungen. Grundsätzliche Entscheidungen in Bezug auf die elterliche Sorge seien auch weiterhin mit ihm zu treffen, wovor er sich nicht versperre. Er übe regelmäßigen Umgang mit dem Kind aus. Dies sei auch vom Kind gewünscht und zu dessen Wohl geboten. Da es keine Probleme bei der Ausübung des Umgangs zwischen den Eltern gebe, existiere aktuell keine familienrechtliche Regelung. Das Kind verbringe jedes zweite Wochenende beim Antragsteller und übernachte dann auch dort. Zudem sei es auch unter der Woche zu mindestens zwei zusätzlichen Umgangskontakten gekommen. Aufgrund der Corona-Einschränkungen habe sich das Kind für eine ganze Woche beim Antragsteller aufgehalten. Sie seien vom 25.05.2020 bis zum 31.05.2020 bei Freunden auf xxx gewesen. Dies könne durch Zeugen belegt werden.

14

Nach einer gerichtlichen Aufklärungsverfügung zu den tatsächlichen Gegebenheiten, in der auch auf die evtl. Abgabe einer eidesstattlichen Erklärung hingewiesen wurde, trägt der Antragsteller ergänzend vor, die Regelungen des Umgangs seien derzeit durch die Kindeseltern vereinbart. Da dies problemlos funktioniere, habe eine Veranlassung für eine gerichtliche Vereinbarung nicht bestanden. Er sei aber bemüht, hierüber zeitnah eine Aufnahme der praktizierten Regelung durch das Jugendamt vornehmen zu lassen, was sich jedoch aufgrund der Corona-Pandemie verzögere. Seit seiner Rückkehr aus dem Iran am 14.07.2019 übe er den Umgang mit dem Kind mit Zustimmung der Kindesmutter regelmäßig aus, obwohl er sein Kind eigentlich nur montags zwischen 16 und 20 Uhr hätte sehen dürfen. Zunächst habe er sein Kind ungefähr dreimal die Woche gesehen. Mit Zustimmung der Kindesmutter habe auch eine Übernachtung in seiner Wohnung stattgefunden. Am 19.07.2019 habe er mit seinem Kind einen Freund besucht. Zu diesem Freund sei er einmal wöchentlich mit seinem Kind gegangen. Mit den Freunden, bei denen sie auf xxx gewesen seien, habe er auch regelmäßig Kontakt mit seinem Kind gehabt. Vom 04.07.2020 bis zum 07.07.2020 habe der Antragsteller mit seinem Kind Freunde in xxx besucht. Er sei bereit dies alles eidesstattlich zu versichern. Eine Verhinderung des Umgangs vereitele eine Identitätsfindung des Kindes und gefährde das Kindeswohl. Daher sei seinen Interessen im Eilrechtschutz Vorrang zu gewähren.

15

Er trägt weiter vor, es existiere eine Umgangsvereinbarung zwischen den Eltern, die auch eingehalten werde. Er legt dazu einen schriftlichen Vermerk der nichtöffentlichen Sitzung beim Familiengericht A-Stadt vom 15.01.2020 vor. Hierauf wird Bezug genommen (Bl. 36 ff. d.A.). Insbesondere ergebe sich daraus, dass die Kindesmutter keine Sorgen in Bezug auf den Umgang habe und das Kind sich auch den Umgang mit dem Vater wünsche. Auch das Jugendamt habe eine Umgangsregelung befürwortet. Eine Vereinbarung zur elterlichen Sorge bestehe nicht. Diese bestehe demnach für den Antragsteller fort.

16

Auf die Aufklärungsverfügung hat die Antragsgegnerin die Kindesmutter um Stellungnahme zur Ausübung der Personensorge durch den Antragsteller gebeten. Bezüglich der Beantwortung wird auf den Fragebogen vom 10.07.2020 Bezug genommen (Bl. 33 d.A.).

17

Hierzu trägt der Antragsteller vor, die formularmäßigen Angaben der Kindesmutter setzten sich nicht mit seinem detaillierten Vortrag zum Umgang auseinander. Seine Angaben seien nicht dezidiert bestritten worden. Auch auf die Umgangsvereinbarung gehe die Antragsgegnerin nicht ein. Inwiefern er nicht an der elterlichen Sorge teilnehme, werde ebenfalls nicht dargelegt.

18

Der Antragsteller beantragt wörtlich,

19

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den angefochtenen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids wiederherzustellen.

20

Die Antragsgegnerin beantragt,

21

den Antrag abzulehnen.

22

Sie macht geltend, der Antrag sei bereits unzulässig, da der Antragsteller bislang keinen Aussetzungsantrag seiner Abschiebung zur Klärung der familiären Situation gestellt habe.

23

Zudem liege keine schützenswerte Vater-Kind-Beziehung vor. Sie wiederholt dazu ihre Ausführungen aus den Bescheiden und trägt ergänzend vor, die elterliche Sorge werde nicht ausgeübt. Der Antragsteller habe lediglich zu einem ihm zustehenden Umgangsrecht vorgetragen. Es sei nicht feststellbar oder absehbar zu erwarten, dass der Antragsteller seine elterliche Verantwortung durch tatsächliche Betreuung, Versorgung und Erziehung seiner Tochter wahrnehme oder wahrnehmen werde. Der Antragsteller begehre dem Grunde nach eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Eine hierfür erforderliche Verbundenheit zu seiner Tochter liege nicht vor. Der Kontakt sei nicht förderlich für das Wohlergehen des Kindes. Dafür spreche, dass die Mutter mit dem Kind ohne den Antragsteller geflüchtete sei. Außerdem habe der Antragsteller 2019 erneut eine längere Trennung von seinem Kind in Kauf genommen und die Kindesmutter mit der Erziehungsarbeit allein gelassen. Der schwerwiegendste Grund sei aber die Bedrohung. Die schriftliche Stellungnahme der Kindesmutter zeige, dass der Vortrag des Antragstellers lediglich Schutzbehauptungen zur Sicherung des Aufenthaltsrechts sei.

24

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird ergänzend Bezug genommen auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin sowie auf den Inhalt der Gerichtsakten.

II.

25

Der Eilantrag hat keinen Erfolg. Er ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).

1.

26

Der Antrag ist nach dem auslegungsfähigen Begehren des Antragstellers, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen vorläufig verschont zu bleiben, gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu verstehen.

27

Denn soweit der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beantragt und sich damit gegen die unter Anordnung der sofortigen Vollziehung nachträgliche Befristung seiner vorherigen Aufenthaltserlaubnis wendet, würde dieser Antrag nicht sein Begehren stützen. Nach Ablauf der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug am 14.05.2020 wäre der Antragsteller – unabhängig von der nachträglichen Befristung und der Anordnung der sofortigen Vollziehung – gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig gewesen. Insofern hängt die Frage des Vollzugs aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht von der Vollziehbarkeit der Befristungsentscheidung ab.

28

Der so verstandene Antrag ist zulässig.

29

Er ist als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO statthaft, da die aufschiebende Wirkung gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG kraft Gesetzes entfällt. Im vorliegenden Fall ist einstweiliger Rechtsschutz vorrangig nach §§ 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, 123 Abs. 5 VwGO i. V. m. § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zu gewähren, da (auch) die Ablehnung eines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis streitgegenständlich ist. Der Antragsteller hat die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht bestritten und hat bereits im Oktober 2019 ein anderweitiges Aufenthaltsrecht aufgrund der familiären Beziehung zu seiner Tochter geltend gemacht. Dieses Begehren ist nicht im Rahmen der Ermessensprüfung einer nachträglichen Befristung zu berücksichtigen, vielmehr ist darin ein (zumindest hilfsweise) geltend gemachter Anspruch auf Erteilung einer von der Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft unabhängigen Aufenthaltserlaubnis zu sehen (BVerwG, Urteil vom 09. Juni 2009 – 1 C 11.08 –, juris, Rn. 13 ff.). Denn zunächst bezieht sich der Wortlaut des § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG auf die bereits erteilte Aufenthaltserlaubnis. Wäre nun im Rahmen der Ermessensentscheidung der Befristung auch ein anderweitiges Aufenthaltsrecht zu berücksichtigen, würde dies dem in der Systematik des AufenthG verankerten Trennungsprinzip widersprechen (BVerwG, Urteil vom 04. September 2007 – 1 C 43.06 –, juris, Rn. 26), insbesondere, weil für Aufenthaltserlaubnisse zu verschiedenen Zwecken auch unterschiedliche Verlängerungsbedingungen gelten. Die Antragsgegnerin hat diesen Antrag zwar nicht ausdrücklich im Tenor ihrer Bescheide beschieden, aus der Begründung geht jedoch hervor, dass ein Anspruch abgelehnt wird.

30

Diese Ablehnung hat für den Antragsteller eine belastende Rechtsfolge ausgelöst, die im Sinne von § 80 Abs. 5 VwGO durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage suspendierbar ist. Wegen § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG führt die Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu der belastenden Rechtsfolge des Wegfalls der Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG. Zuvor kam dem Antragsteller diese Fortgeltungsfiktion zu, da er den Antrag noch vor Ablauf seiner vorherigen Aufenthaltserlaubnis gestellt hat. Zudem ging auch die Antragsgegnerin bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids von der Fortgeltung aus, ansonsten hätte sie dem Antragsteller nicht mehr im laufenden Widerspruchsverfahren die entsprechende Bescheinigung ausgestellt.

31

Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass der Antragsteller keinen Antrag auf Aussetzung der Abschiebung bei der Antragsgegnerin gestellt hat. § 80 Abs. 6 VwGO ist hier nicht anwendbar. Eine Vorschrift, aufgrund derer ein solcher Aussetzungsantrag zunächst gestellt werden muss, ist nicht ersichtlich. Auch hat die Antragsgegnerin nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie bei Stellung eines solchen Antrags zwecks weiterer Sachverhaltsermittlung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen vorerst Abstand nehmen würde. Insofern fehlt es dem Eilantrag insbesondere nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse.

2.

32

Der Antrag ist jedoch unbegründet.

33

Die Entscheidung über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ergeht aufgrund einer Interessenabwägung. In diese Abwägung ist die Erfolgsaussicht des eingelegten Rechtsbehelfs dann maßgeblich einzubeziehen, wenn sie in der einen oder anderen Richtung offensichtlich ist. An der Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides besteht kein öffentliches Interesse. Ist der Bescheid hingegen offensichtlich rechtmäßig, ist ein Aussetzungsantrag in den Fällen des gesetzlich angeordneten Sofortvollzugs regelmäßig abzulehnen – eine Abwägungsentscheidung ist insoweit regelmäßig durch den Gesetzgeber bereits getroffen worden. Sind die Erfolgsaussichten hingegen offen, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls eine Folgenabwägung durchzuführen.

34

Gemessen daran ist der Antrag unbegründet. Die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis erweist sich als offensichtlich rechtmäßig.

35

Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 AufenthG. Danach kann Familienangehörigen, die nicht unter die in den §§ 29 ff. AufenthG geregelten Konstellationen fallen, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn es zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist.

36

Eine außergewöhnliche Härte ist dann anzunehmen, wenn im konkreten Einzelfall gewichtige Umstände vorliegen, die unter Berücksichtigung des Schutzgebots des Art. 6 Abs. 1 GG und im Vergleich zu den übrigen geregelten Fällen des Familiennachzugs ausnahmsweise die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gebieten. Die mit der Versagung der Aufenthaltserlaubnis eintretenden Schwierigkeiten für den Erhalt der Familiengemeinschaft müssen nach ihrer Art und Schwere so ungewöhnlich und groß sein, dass im Hinblick auf den Zweck der Nachzugsvorschriften, die Stellung und Wahrung der Familieneinheit zu schützen, die Ablehnung der Erlaubnis schlechthin unvertretbar ist (Zeitler in: HTK-AuslR / § 36 AufenthG / zu Abs. 2 Satz 1, Stand: 18.11.2016, Rn. 21 f.)

37

Zwar gewährt Art. 6 Abs. 1 GG keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt. Allerdings verpflichtet Art. 6 Abs. 1 GG die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsrechtliche Maßnahmen die familiären Bindungen des Ausländers pflichtgemäß in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen (BVerfG, Beschluss vom 01. Dezember 2008 – 2 BvR 1830/08 – juris, Rn. 26). Wie gewichtig der aus Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK folgende Schutz der Familie jeweils ist, hängt von den jeweiligen Umständen ab, insbesondere von der Intensität der familiären Beziehungen, u.U. auch vom Alter der Kinder oder auch der Betreuungsbedürftigkeit einzelner Familienmitglieder. Bei der Bewertung der familiären Beziehungen ist eine schematische Einordnung als einerseits aufenthaltsrechtlich grundsätzlich schutzwürdige Lebens- und Erziehungsgemeinschaft oder aber andererseits als eine sog. bloße „Begegnungsgemeinschaft“ ohne aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen unzulässig. Insbesondere ist in Konstellationen, in denen der Umgang mit einem Kind betroffen ist, auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist (BVerfG, Beschluss vom 05. Juni 2013 – 2 BvR 586/13 – juris, Rn. 14). Dabei ist davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zu den Eltern in aller Regel der Persönlichkeitsentwicklung dient und dass das Kind beide Eltern braucht. Der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters wird nicht durch Betreuungsleistungen der Mutter oder dritter Personen entbehrlich (Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 22. August 2019 – 4 MB 48/19 – n.v., m.w.N.). Für die Bejahung einer von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Lebensgemeinschaft kann ein regelmäßiger Kontakt eines getrenntlebenden Elternteils zum Kind, der die Übernahme elterlicher Erziehungs- und Betreuungsverantwortung zum Ausdruck bringt, sowie eine emotionale Verbundenheit, gefordert werden (BVerfG, Beschluss vom 01. Dezember 2008 – 2 BvR 1830/08 – juris, Rn. 33). Gerade – aber nicht nur – in Fällen, in denen eine nicht nur kurzzeitige oder gar dauerhafte Trennung möglich ist und zudem ein sehr kleines Kind betroffen ist, sind die Ausländerbehörden gehalten, den Sachverhalt umfassend aufzuklären. Dabei ist der Ausländer zur umfassenden Mitwirkung heranzuziehen, § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG.

38

Gemessen daran hat der Antragsteller eine außergewöhnliche Härte nicht dargelegt. Zwar ist zu berücksichtigen, dass der Tochter des Antragstellers internationaler Schutz in Bezug auf den Iran zuerkannt wurde und damit ein Verweis auf die Herstellung der Familieneinheit im Iran trotz iranischer Staatsangehörigkeit der Tochter und der Kindesmutter nicht möglich ist. Zudem hat auch die Kindesmutter einen entsprechenden Status und es ist nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht ersichtlich, dass sie mit dem gemeinsamen Kind beabsichtigt, in den Iran zurückzukehren. Vor diesem Hintergrund kommt die Annahme einer besonderen Härte in Betracht, wenn die Vater-Kind-Beziehung des Antragstellers zu seiner Tochter sich so gestaltet, dass eine Trennung gegen Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK verstoßen würde.

39

Eine solche Beziehung ist nach der im Eilverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung nicht vom Antragsteller dargelegt worden. Insbesondere hat er die von ihm behaupteten Tatsachen nicht glaubhaft gemacht.

40

Zwar gilt auch im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO der Untersuchungsgrundsatz nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO, diesbezüglich ergeben sich aber aufgrund der Eilbedürftigkeit Einschränkungen. Die Entscheidung ergeht aufgrund der von den Beteiligten vorgelegten oder sonst sofort oder innerhalb angemessener Zeit verfügbaren („präsenten“) Beweismittel von glaubhaft gemachten Tatsachen und/oder auch nur überwiegenden Wahrscheinlichkeiten (Kopp/Schenke, 20. Aufl. 2014, § 80 Rn. 125). Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG irreparable Entscheidungen, wie sie durch die sofortige Vollziehung einer hoheitlichen Maßnahme eintreten können, soweit als möglich ausgeschlossen werden (Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 13. September 1991 – 4 M 125/91 –, juris, Rn. 10). Gleichzeitig sind die verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten der Beteiligten zu berücksichtigen. Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO sind die Beteiligten im gerichtlichen Verfahren bei der Sachverhaltsermittlung heranzuziehen. Im behördlichen Verfahren im Bereich des Aufenthaltsrechts gilt § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Danach besteht die Obliegenheit der Betroffenen, ihre Belange und für sie günstige Umstände, soweit sie nicht offenkundig oder bekannt sind, unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen und die erforderlichen Nachweise über ihre persönlichen Verhältnisse, sonstige erforderliche Bescheinigungen und Erlaubnisse sowie sonstige erforderliche Nachweise, die sie erbringen können, unverzüglich beizubringen. Durch diese Mitwirkungspflicht wird die Amtsermittlungspflicht der Ausländerbehörde modifiziert, nicht beseitigt (Samel in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, § 82 Rn. 5; Zühlcke in: HTK-AuslR / § 82 AufenthG, Allgemein, Stand: 18.11.2016, Rn.2), dennoch zeigt diese spezialgesetzliche verfahrensrechtliche Bestimmung, dass sich das Verhältnis von Amtsermittlungspflicht der Behörde (§ 83 LVwG) und Mitwirkungslast der Beteiligten (§ 84 Abs. 2 LVwG) deutlich in Richtung des Verantwortungsbereichs der betroffenen Ausländer verschiebt. Der erforderliche Umfang und das Ausmaß der Ermittlung des Sachverhalts durch die Behörde, ggf. auch durch die Hinzuziehung der Beteiligten, richten sich nach den im Einzelfall tatsächlichen Umständen und Möglichkeiten (Beschluss der Kammer vom 19. März 2019 – 11 B 26/19).

41

Hiervon ausgehend fehlt es an der erforderlichen Glaubhaftmachung der streitigen Tatsachen betreffend die Ausübung der elterlichen Sorge und des Umgangs mit seiner Tochter.

42

Er trägt erstmalig auf die gerichtliche Verfügung vom 15.06.2020 konkreter zu den Kontakten vor. Dazu benennt er Zeugen, u.a. die Kindesmutter und drei verschiedene Freunde, die die regelmäßigen Kontakte belegen können sollen.

43

Allerdings legt er trotz gerichtlichem Hinweis keine eidesstattliche Versicherung vor, weder eine eigene, noch die der Kindesmutter, noch die seiner als Zeugen benannten Freunde. Warum solche Erklärungen ausbleiben, wird nicht dargelegt. Der Vortrag, dass er selbst bereit wäre, seine Angaben eidesstattlich zu versichern, kann die fehlende Glaubhaftmachung nicht ersetzen. Auch bleibt der Vortrag, er wolle eine Aufnahme der Regelung beim Jugendamt vornehmen, sehr pauschal. Er legt nicht dar, welche Bemühungen diesbezüglich unternommen wurden oder werden sollen. Eine Bestätigung durch das Jugendamt wird ebenfalls nicht eingereicht. Sofern der Antragsteller seine Rechte aus der Umgangsregelung vom 15.01.2020 regelmäßig wahrnimmt, wäre es ihm auch möglich, entsprechende Nachweise von der Schule oder der Schulbetreuung vorzulegen (zumindest für den Zeitraum im Jahr 2020, in dem diese stattgefunden hat).

44

Spätestens nachdem die Antragsgegnerin den von der Kindesmutter ausgefüllten Fragebogen vorgelegt hat, der in Widerspruch zu seinem Vortrag steht, wäre eine dezidierte Glaubhaftmachung der von ihm behaupteten Tatsachen erforderlich gewesen.

45

Außerdem ist der Vortrag des Antragstellers nicht schlüssig, wonach er nach seiner Rückkehr aus dem Iran im Juli 2019 seine Tochter dreimal wöchentlich gesehen habe. In der Verhandlung am 15.01.2020 gab er demgegenüber an, er habe sich an das Näherungsverbot gehalten. Daher hätte es einer genaueren Darstellung der Kontakte im zweiten Halbjahr 2019 bedurft. Auch geht aus dem Vermerk hervor, dass ein regelmäßiger Umgang erst eingerichtet werden solle. Weiter ist nicht nachvollziehbar, dass der Antragsteller zunächst angab, seine Tochter verbringe jedes zweite Wochenende bei ihm und übernachte dort auch zweimal. Zudem sei es unter Woche zu mindestens zwei zusätzlichen Kontakten gekommen. Später trägt er dann vor, es habe „auch eine Übernachtung des Kindes beim Vater in dessen Wohnung stattgefunden.“

46

Letztlich wird aus dem Vortrag des Antragstellers nicht hinreichend klar, wie sich die Beziehung in der Vergangenheit dargestellt hat, wie die Kontakte aktuell aussehen und was (auch mit Zustimmung der Kindesmutter) in Zukunft geplant ist. Entscheidend ist jedoch, dass der Antragsteller seinen Vortrag auch nicht glaubhaft gemacht hat, sodass auch mangels überwiegendem Interesse des Antragstellers am vorläufigen Verbleib im Bundessgebiet zwecks weiterer Klärung im Hauptsacheverfahren keine Sicherung seiner Rechte angezeigt ist. Insbesondere hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass er durch seine Kontakte die Übernahme elterlicher Erziehungs- und Betreuungsverantwortung zum Ausdruck bringt.

47

Die Kammer hat dabei berücksichtigt, dass auch die Rechte der Tochter betroffen sind, da unstreitig sein dürfte, dass ein regelmäßiger Umgang von ihr gewünscht wird. Dies gab auch die Kindesmutter in der Verhandlung am 15.01.2020 an. Gegenteilige Aussagen finden sich auch nicht in dem von ihr ausgefüllten Fragebogen. Auch hat Frau xxx vom Verein xxx für das Jugendamt vorgetragen, dass sie eine Umgangsregelung grundsätzlich befürworte. Dass der Antragsteller dies aber in vollem Umfang und unter Wahrnehmung der ihm zukommenden Elternverantwortung in Anspruch genommen hat, hat er nach den obigen Ausführungen nicht glaubhaft gemacht.

48

Aus diesen Gründen hat der Antragsteller auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Ausreise aus familiären Gründen. Insoweit kann offenbleiben, ob die Norm als Auffangtatbestand anwendbar ist, wenn die Voraussetzungen des spezielleren § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht erfüllt sind.

49

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

50

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, da der Antragsteller die gemäß § 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 117 Abs. 2 ZPO erforderliche Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht abgegeben hat.

51

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.


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