Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (11. Kammer) - 11 B 55/20

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller, ein usbekischer Staatsgenhöriger, wendet sich im Eilrechtsschutz gegen die Ablehnung der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis zu Studienwecken.

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Er reiste 2016 in das Bundesgebiet ein und war zuletzt im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums, Studiengang Mechatronik, an der Fachhochschule xxx, gültig bis zum 20.01.2020. Am 09.01.2020 beantragte er die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis für ein Studium, Studiengang Soziale Arbeit.

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Mit Bescheid vom 05.02.2020 lehnte die Antragsgegnerin die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab und forderte den Antragsteller unter Androhung der Abschiebung nach Usbekistan auf, das Bundesgebiet innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheides zu verlassen. Der Bescheid wurde ausweislich der Zustellungsurkunde am 07.02.2020 in den zur Wohnung des Antragstellers gehörenden Briefkasten eingelegt. Die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides lautet wie folgt:

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„Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Zustellung schriftlich oder zur Niederschrift bei der Landeshauptstadt Kiel, Bürger- und Ordnungsamt Zuwanderungsabteilung, Sophienblatt 12 in 24103 Kiel, Widerspruch erhoben werden.“

5

Am 12.02.2020 ging eine E-Mail des Antragstellers bei der Antragsgegnerin ein. Darin erklärte der Antragsteller, dass der Zeitpunkt des Studienfachwechsels und die Semesteranzahl vom Studierendensekretariat aufgrund eines Systemfehlers falsch dargestellt worden seien. Daher wolle er gern gegen diesen Bescheid Widerspruch erheben.

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Am 05.03.2020 stellte die Antragsgegnerin dem Antragsteller eine Fiktionsbescheinigung, gültig bis zum 04.06.2020, aus.

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Der Antragsteller hat am 10.07.2020 Klage erhoben und um Eilrechtsschutz nachgesucht.

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Er macht geltend, ein Widerspruch gegen die Ablehnungsentscheidung entfalte gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG keine aufschiebende Wirkung. Deshalb müsse die Rechtsbehelfsbelehrung auch über die Möglichkeit eines Antrags nach § 80 VwGO belehren. Wenn dieser Zusatz fehle, führe dies dazu, dass der Adressat die Auffassung vertrete, Klage und Widerspruch seien ohnehin nicht hilfreich, da ohne aufschiebende Wirkung der Bescheid schon vor einer Entscheidung vollzogen werde. Die von der Antragsgegnerin verwendete Rechtsbehelfsbelehrung sei daher fehlerhaft, sodass gemäß § 58 Abs. 2 VwGO die Jahresfrist laufe. Seit dem 18.06.2020 sei er unter der im Rubrum angegebenen Adresse gemeldet.

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Er beantragt,

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die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

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Die Antragsgegnerin hat sich inhaltlich nicht geäußert.

II.

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Der Antrag ist mangels Rechtsschutzinteresse des Antragstellers unzulässig. Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist nur dann zulässig, wenn der zu Grunde liegende Verwaltungsakt, gegen den die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs begehrt wird, noch nicht unanfechtbar ist (Kopp/Schenke, VwGO, 24. Auflage 2018, § 80 Rn. 130; Puttler in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Auflage 2018, § 80 Rn. 129, jeweils m.w.N.). Dies ergibt sich bereits aus § 80b Satz 1 VwGO, wonach auch die gerichtlich angeordnete bzw. wiederhergestellte aufschiebende Wirkung mit der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts endet. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein nicht offensichtlich aussichtloser Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt worden ist.

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Gemessen daran ist der Antrag unzulässig.

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Der Bescheid vom 05.02.2020 ist nach der im Eilverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung bestandskräftig. Die Widerspruchsfrist begann nach Zustellung der Bescheide gemäß § 89 Abs. 1 LVwG, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 193 BGB am 08.02.2020 und endete am 09.03.2020, einem Montag, um 24.00 Uhr.

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Die Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist hingegen nicht einschlägig. Die Rechtsbehelfsbelehrung in dem streitgegenständlichen Bescheid ist nicht wegen des fehlenden Zusatzes zum Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO unrichtig. Denn § 58 VwGO ist im Regelfall nicht anwendbar auf Anträge nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO. § 58 VwGO bezweckt in erster Linie, einer Verfristung von Rechtsbehelfen entgegenzuwirken. Deshalb ist die Vorschrift – auch nach ihrem eindeutigen Wortlaut – nur auf fristgebundene Rechtsbehelfe anwendbar. Eine solche Fristbindung fehlt jedoch beim Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, wenn – wie hier – nicht nach Fachrecht eine Frist gesetzlich vorgesehen ist.

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Vor Ablauf dieser Frist erhob der Antragsteller keinen wirksamen Widerspruch. Gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Widerspruch innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Der Antragsteller hat die Formerfordernisse nicht eingehalten. Der hier durch einfache E-Mail erhobene Widerspruch genügt dem Schriftformerfordernis nicht (Dolde/Porsch in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Werkstand: 36. EL Februar 2019, § 70 Rn. 6b; Geis in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Auflage 2018, § 70 Rn. 12, jeweils m.w.N.). Eine E-Mail mit qualifiziert elektronsicher Signatur liegt nicht vor. Der Antragssteller hat bezüglich der Widerspruchsfrist nicht weiter vorgetragen und auch keinen Wiedereinsetzungsantrag gestellt.

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Aus diesem Grund kann offenbleiben, ob die Klage, deren aufschiebende Wirkung begehrt wird, auch unzulässig ist, weil der Antragsteller bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Eilantrag immer noch keinen wirksamen Widerspruch erhoben hat.

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Auch kann offenbleiben, ob die Antragsgegnerin nach dem Umzug des Antragstellers noch passivlegitimiert ist. Da der Eilantrag bereits unzulässig ist, bedurfte es keiner weiteren Ermittlung, ob der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt noch ohne behördliche Zustimmung verlagern konnte (vgl. Beschluss der Kammer vom 15. Juni 2020 – 11 B 27/20 – juris, Rn. 25 m.w.N.; Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 07. August 2020 – 4 MB 24/20).

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

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Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.


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