Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (1. Kammer) - 1 B 119/20

Tenor

Der Antrag wird auf Kosten der Antragstellerin abgelehnt.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5000 € festgesetzt.

Gründe

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Der Antrag der Antragstellerin,

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die aufschiebende Wirkung des eingelegten Widerspruchs vom 13.10.2020 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 07.10.2020 hinsichtlich der Ausweisung wiederherzustellen und im Übrigen anzuordnen; hilfsweise: dem Antragsgegner gem. §123 VwGO aufzugeben, Abschiebungsmaßnahmen gegen sie zu unterlassen;

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hat insgesamt keinen Erfolg.

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Dabei kann offenbleiben, ob es sich bei der von ihr im Schriftsatz vom 27. Oktober 2020 angegebenen Adresse ihres Verlobten in Brunsbüttel um ihren derzeitigen tatsächlichen Aufenthaltsort und um eine den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Antragserhebung entsprechende ladungsfähige Anschrift handelt.

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Der Hauptantrag erweist sich bereits aus anderen Gründen als unzulässig.

6

Der mit Widerspruch angefochtene Bescheid des Antragsgegners vom 7. Oktober 2020 enthält keine eigenständige vollziehbare Regelung, die eine bestehende Rechtsposition der Antragstellerin beseitigt. Der (wiederholenden) Ausreiseaufforderung kommt keine vollstreckungsrechtliche Wirkung zu; die Antragstellerin ist bereits auf Grund der bestandskräftigen Ausweisungsverfügung des Burgenlandkreises vom 7. Januar 2020, in welchem eine Ausreiseaufforderung und Abschiebeandrohung ergangen ist, vollziehbar ausreisepflichtig.

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Die Antragstellerin hat auch mit dem gestellten Hilfsantrag keinen Erfolg.

8

Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Antragstellerin darlegt, dass ihr ein Anspruch auf ein bestimmtes Handeln zusteht (Anordnungsanspruch) und dieser Anspruch gefährdet ist und durch vorläufige Maßnahmen gesichert werden muss, weil ihr ansonsten unzumutbare Nachteile entstehen (Anordnungsgrund). Die Antragstellerin hat Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft zu machen (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).

9

Einen Anordnungsanspruch auf Aussetzung seiner Abschiebung hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht.

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Die Abschiebung eines – wie hier – vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers ist nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Einem Ausländer kann gemäß § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG eine Duldung auch erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern.

11

Der Abschiebung der Antragstellerin stehen vorliegend weder rechtliche noch tatsächliche Hindernisse entgegen. Die Antragstellerin hat zu möglichen Abschiebehindernissen weder vorgetragen noch sind solche für das Gericht ersichtlich. Der Vortrag zur bevorstehenden Eheschließung mit einem deutschen Staatsangehörigen ist zu unsubstantiiert, um daraus auf eine rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1
AufenthG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG schließen zu können.

12

Ein Duldungsanspruch nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG wegen Unvereinbarkeit der Abschiebung mit der Eheschließungsfreiheit setzt voraus, dass die Eheschließung im Bundesgebiet unmittelbar bevorsteht. Dies ist regelmäßig nur dann anzunehmen, wenn der Eheschließungstermin feststeht oder jedenfalls verbindlich bestimmbar ist. Die Annahme einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung kommt grundsätzlich dann in Betracht, wenn die Vorbereitungen in dem Verfahren der Eheschließung bereits so weit vorangeschritten sind, dass die Anmeldung der Eheschließung vorgenommen wurde, die Verlobten die vom Standesbeamten geforderten Urkunden beschafft haben und bei der Prüfung der Ehefähigkeit von ausländischen Verlobten ein Antrag auf Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses gestellt wird und jedenfalls dem Standesbeamten im Hinblick auf den gestellten Befreiungsantrag alle aus seiner Sicht erforderlichen Unterlagen vorliegen (siehe VGH München, Beschl. v. 28.11.2016 – 10 CE 16.2266 –, juris Rn. 11 m.w.N.; OVG Schleswig, Beschl. v. 22.04.2013 – 4 MB 23/13 –, n.v. S. 3 d. Beschlussausfertigung m.w.N.). Nach diesem Maßstab ist eine bevorstehende Eheschließung nicht glaubhaft gemacht.

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Die Antragstellerin hat hierzu – neben bloßen allgemeinen Rechtsausführungen – lediglich konkret vorgetragen, sie beabsichtige die Eheschließung mit einem deutschen Staatsangehörigen, müsse aber noch die „notwendigen Papiere“ aus Thailand besorgen; dies sei ihr derzeit auf Grund der CoVid-19-Lage nicht möglich. Damit ist eine Eheschließung nicht nur nicht unmittelbar bevorstehend, sondern eher zeitlich fernliegend.

14

Maßgeblich ist allein die objektive Tatsache, dass die Eheschließung nicht unmittelbar bevorsteht (vgl. VG Schleswig, Beschluss vom 5. Januar 2017, 1 B 70/16, juris, Rn. 33). Dies steht in Einklang mit dem in der Rechtsprechung des OVG Schleswig (Beschlüsse vom 22. April 2013 – 4 MB 23/13 – und vom 3. Januar 2017 – 4 MB 51/16 –) aufgestellten Grundsatz, dass es regelmäßig nicht darauf ankommt, ob den Ausländer bei Verzögerungen des Verfahrens ein Verschulden trifft.

15

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 2, 52 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG.

16

Die Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe beruht auf § 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.


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