Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (12. Kammer) - 12 B 91/20

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5000,- € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller wendet sich gegen die Übertragung arbeitsschutzrechtlicher Pflichten durch den Antragsgegner bzw. begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit deren Übertragung.

2

Der Antragsteller steht als Beamter auf Lebenszeit im Dienstverhältnis bei dem Antragsgegner. Er bekleidet das Amt eines Oberregierungsvermessungsrates (A14 SHBesO) und ist im Regionaldezernat xxx der Abteilung Ländliche Entwicklung als Dezernatsleiter eingesetzt. Erfolgreich hat er ein wissenschaftliches Studium der Geodäsie und seinen Vorbereitungsdienst abgeschlossen.

3

Mit Verfügung vom 10.06.2016 übertrug der Direktor des Antragsgegners die ihm als Arbeitgebervertreter gemäß Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) obliegenden Pflichten auf die Abteilungsleitungen. Dabei räumte er den jeweiligen Abteilungsleitern wiederum die Befugnis ein, die Pflichten ihrerseits an zuverlässige und fachkundige Mitarbeiter weiter zu übertragen.

4

Mit Verfügung vom 23.10.2018 erfolgte die Übertragung der Verantwortung für die Erfüllung der Aufgaben des Arbeitsschutzes auf die jeweiligen Dezernatsleitungen, mithin auch auf den Antragsteller. In der Verfügung wurde dazu u.a. ausgeführt:

5

Die Dezernatsleitungen haben im Rahmen ihrer betrieblichen und finanziellen Kompetenzen in eigener Verantwortung dafür Sorge zu tragen, dass

- die Gefährdungsbeurteilungen nach dem ArbSchG unter Beteiligung der betroffenen MitarbeiterInnen durchgeführt und aktuell gehalten werden,

- für ihren Aufgabenbereich Betriebsanweisungen erstellt, die MitarbeiterInnen über deren Inhalt unterwiesen sowie deren Anwendung und Umsetzung regelmäßig kontrolliert werden,

- alle betroffenen MitarbeiterInnen gemäß der Gefahrenstoffverordnung unterwiesen und mit dem Umgang von Gefahrstoffen regelmäßig vertraut gemacht werden,

- notwendige Arbeitsschutzmittel angeschafft bzw. zur Verfügung gestellt werden, diese regelmäßig auf Funktionsfähigkeit überprüft und entsprechend der Vorgaben von den MitarbeiterInnen eingesetzt sowie getragen werden und

- festgestellte Sicherheitsmängel unverzüglich behoben bzw. umgehend entsprechende Maßnahmen zu deren Beseitigung eingeleitet werden.“

6

Darüber hinaus beinhaltete die Verfügung den Hinweis, dass die Pflichtenübertragungen den Antragsgegner nicht von seiner Gesamtverantwortung im Arbeitsschutz entbinden.

7

Unter „Fortbildung“ wurde weiter ausgeführt:

8

Die Dezernatsleitungen werden verpflichtet, sich über den aktuellen Inhalt der für ihren Aufgabenbereich einschlägigen Rechtsvorschriften zu informieren (ArbSchG, GefahrenstoffVO, Unfallverhütungsvorschriften etc.). Sie werden bei ihrer Tätigkeit von der Fachkraft für Arbeitssicherheit und dem Betriebsarzt beraten und unterstützt. (…)“.

9

Die Übertragung der Aufgaben bestätigte der Antragsteller nicht. Mit E-Mail vom 26.10.2018 äußerte er erstmals Bedenken. Es fehle u.a. an der erforderlichen Bestimmtheit des Übertragungsaktes. Die Aufgaben seien nicht konkret genug bezeichnet bzw. seien zu umfangreich ausgestaltet. Auch der Umfang seines Zuständigkeitsbereichs sei nicht klar definiert. Überdies würden unüberschaubare Haftungsrisiken auf ihn übertragen.

10

Mit Schreiben vom 03.02.2020, welches inhaltlich der o.g. Verfügung entspricht, wiederholte der Antragsgegner die Pflichtenübertragung auf den Antragsteller.

11

Mit Schreiben vom 05.02.2020 remonstrierte der Antragsteller hiergegen und legte „vorsorglich Widerspruch gegen die Anordnung“ ein.

12

Der Antragsgegner wies diesen mit Bescheid vom 30.03.2020 zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die Zuverlässigkeit und die Fachkunde des Antragstellers folgten bereits aus seiner dienstlichen Stellung im Betrieb. Abteilungsleitungen und Dezernatsleitungen oblägen innerbetrieblich einer besonderen Verantwortung und seien als vertrauenswürdige und verantwortliche Persönlichkeiten in ihre Führungspositionen eingeführt worden. Sie seien auch im arbeitsschutzrechtlichen Sinne als besonders zuverlässig anzusehen. Hinsichtlich der im Rahmen der gemäß § 13 Abs. 2 ArbSchG erforderlichen Fachkunde würden nicht die Qualifikationen vorausgesetzt, die an die Fachkraft für Arbeitssicherheit bzw. den Betriebsarzt zu stellen seien. Die Fachkenntnis des Antragstellers (bzw. der Abteilungs- und Dezernatsleitung) folge aus der Kenntnis der Arbeitsvorgänge und der dabei möglicherweise auftretenden Gefährdungen, Spezialkenntnisse oder sicherheitsrelevante Fachkenntnisse seien diesbezüglich gerade nicht erforderlich. Bei Bedarf könne der Antragsteller diese sowie zehn weitere Mitarbeiter zur Unterstützung zu Rate ziehen.

13

Die Übertragung der Pflichten auf den Antragsteller als Dezernatsleiter sei im Sinne einer. Unterdelegation in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorschriften erfolgt.

14

Die Übertragung sei auch spezifiziert, da der Antragsteller nur die Verantwortung für Arbeitsschutz seines eigenen Dezernats übernehme. Auch erfordere § 13 Abs. 2 ArbSchG keine spezifische Bezeichnung der einzelnen Aufgaben, vielmehr seien diese „in eigener Verantwortung“ zu erfüllen. Die Aufgabenübertragung enthalte einige von dem Antragsteller zu übernehmenden Aufgaben i.S. eines Regelbeispiels. Die betrieblichen und finanziellen Kompetenzen der Dezernatsleitung folgten wiederum aus der Geschäftsordnung.

15

Schließlich sei aus der Verfügung erkennbar, für welche Personen der Antragsteller arbeitsschutzrechtliche Aufgaben übernehmen solle. Erforderlich seien nicht die Benennung von Gefährdungen, weitergehende Abgrenzungen der Kompetenzen vorzunehmen, Personal- und Sachmittel näher zu definieren und Begrenzungen des Haftungsrisikos vorzunehmen.

16

Hiergegen richtet sich die am 25.11.2020 erhobene Klage. Gleichzeitig hat der Antragsteller um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht.

17

Er führt ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen im Wesentlichen aus, die Übertragung der Aufgaben des Arbeitsschutzes erfolge nicht auf konkrete Personen, sondern abstrakt auf unbestimmte Funktionsstellen. Es fehle seitens des Antragsgegners an der Definition und Bereitstellung erforderlicher betrieblicher sowie finanzieller Kompetenzen zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben. Es sei für ihn nicht erkennbar, nach welchen Vorschriften er die Gefährdungsbeurteilungen zu erstellen habe. Eine Unterweisung der Mitarbeiter nach der Gefahrenstoffverordnung sei ihm nicht möglich, weil schon nicht klar sei, was eine solche beinhalte. Für die Anschaffung bzw. Bereitstellung notwendiger Arbeitsschutzmittel stünden ihm keinerlei finanzielle Ressourcen zur Verfügung. Nicht nur die ihm übertragenen Pflichten, sondern auch die Befugnisse würden nicht definiert. Die Mitwirkung im Bereich des Arbeitsschutzes gehöre weder nach Dienstpostenbeschreibung, noch dem Geschäftsverteilungsplan zu seinen Aufgaben. Eine hinreichende Fachkunde sei nicht sichergestellt. Die Eilbedürftigkeit seines Antrages auf Bewilligung einstweiligen Rechtsschutzes folge aus der derzeitigen Situation im Zusammenhang mit der „Corona-Pandemie“. Insbesondere bei den weiterhin im Vier- Augen-Prinzip durchzuführenden Vor-Ort-Kontrollen bestehe ein hohes Risiko.

18

Der Antragsteller beantragt (sinngemäß),

19

im Wege einer einstweiligen Anordnung festzustellen, dass die dienstliche Anordnung zur Pflichtenübertragung gemäß § 13 Abs. 2 ArbSchG vom 03.02.2020 in Gestalt des Bescheides vom 30.03.2020 rechtswidrig ist.

20

Der Antragsgegner beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

22

Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass zwischen der Übertragung der Pflichten bzw. der zuletzt ergangenen dienstlichen Entscheidung bis zur Stellung eines Antrages auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ca. 8 Monate vergangen seien, weshalb eine besondere Eilbedürftigkeit ausscheide.

23

Der Antragsteller sei darüber hinaus im Rahmen der Dezernatsleiterbesprechungen und in mehreren persönlichen Gesprächen vom Abteilungsleiter darüber informiert worden, wie eine Gefährdungsbeurteilung konkret für die in seinem Dezernat vorhandenen Arbeitsplätze durchzuführen sei. Dies sei für jedes Dezernat einzeln und arbeitsplatzspezifisch erfolgt. Der Antragsteller selbst habe die Gefährdungsbeurteilung in Abstimmung mit dem für ihn zuständigen Abteilungsleiter erstellt, weshalb ihm durchaus bekannt sei, welche Gefahren in seinem Dezernat auftreten könnten und wie ihnen zu begegnen sei. Die Kompetenzen des Antragstellers in diesem Zusammenhang folgten aus seiner Funktion als Dezernatsleiter sowie der Verfügung vom 03.02.2020.

II.

24

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg; es fehlt bereits an einem erforderlichen Anordnungsgrund.

25

Nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn dies zur Abwendung von wesentlichen Nachteilen notwendig erscheint. Voraussetzung dafür ist neben einer besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) ein Anspruch des Antragstellers auf die begehrte Regelung (Anordnungsanspruch).

26

Die Pflichtenübertragung auf den Antragsteller erfolgte bereits mit Verfügung vom 23.10.2018, spätestens jedoch mit Schreiben vom 03.02.2020. Bereits zu jener Zeit entwickelte sich die erste „COVID 19-Welle“. Da der Antrag indes erst am 25.11.2020 bei Gericht einging, ist nach Verstreichen von fast 9 Monaten eine besondere Eilbedürftigkeit nicht zu erkennen, mithin ein Anordnungsgrund nicht gegeben.

27

Darüber hinaus steht dem Antragsteller auch ein Anordnungsanspruch nicht zur Seite. Es besteht zwar ein Interesse nach § 43 Abs. 1 VwGO an der baldigen Feststellung, ob eine Übertragung von Dienstherrenpflichten durch den Antragsgegner möglich ist; die Pflichtenübertragung auf den Antragsteller ist hingegen rechtmäßig und verletzt ihn auch nicht in seinen Rechten. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Übertragung der streitigen Pflichten auf den Antragsteller liegen vor.

28

Die arbeitsschutzrechtlichen Pflichten werden primär durch das Arbeitsschutzgesetz definiert. Nach § 3 Abs. 1 ArbSchG ist grundsätzlich der Arbeitgeber für den Arbeitsschutz zuständig. Er ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei ihrer Arbeitstätigkeit beeinflussen. Der Arbeitgeber hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben.

29

Gemäß § 13 Abs. 2 ArbSchG kann der Arbeitgeber zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich damit beauftragen, ihm obliegende Aufgaben nach diesem Gesetz in eigener Verantwortung wahrzunehmen.

30

Arbeitgeber im Sinne dieser Vorschrift ist nach § 2 Abs. 3 ArbSchG der Antragsgegner, da er Beamtinnen und Beamte beschäftigt. Weiter gelten als Betriebe im Sinne dieses Gesetzes für den Bereich des öffentlichen Dienstes nach § 2 Abs. 5 ArbSchG die Dienststellen, d.h. die einzelnen Behörden, Verwaltungsstellen und Betriebe der Verwaltungen des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Neben dem Antragsgegner als Arbeitgeber bzw. Unternehmer kommt auch die Verantwortlichkeit weiterer Personen in Betracht. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 ArbSchG sind neben dem Arbeitgeber Personen, die mit der Leitung eines Unternehmens oder eines Betriebes beauftragt sind, im Rahmen der ihnen übertragenen Aufgaben und Befugnisse für die Einhaltung der sich aus dem Arbeitsschutzgesetz ergebenden Pflichten verantwortlich.

31

Nach § 13 Abs. 2 ArbSchG kann der Arbeitgeber zuverlässige und fachkundige Personen mit der eigenverantwortlichen Wahrnehmung von Arbeitsschutzmaßnahmen beauftragen. Die Befugnis zur Beauftragung folgt nach beamtenrechtlichen Grundsätzen (vgl. Landmann-Rohmer, GewO, § 13 ArbSchG Rn. 44). Nach § 35 Satz 2 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) sind Beamtinnen und Beamte verpflichtet, dienstliche Anordnungen auszuführen und allgemeine Richtlinien zu befolgen. Die Weisungsgebundenheit ermöglicht - anders als im Arbeitsrecht - eine einseitige Beauftragung.

32

Anders als der Antragsteller meint, hat er als Beamter nach den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums i.S.d Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz (GG) auch keinen Anspruch auf die unveränderte Ausübung des ihm einmal übertragenen Amtes im konkret-funktionellen Sinn. Er muss vielmehr Änderungen seines dienstlichen Aufgabenbereichs durch Umsetzungen oder vergleichbare organisatorische Maßnahmen des Dienstherrn nach Maßgabe seines statusrechtlichen Amtes hinnehmen.

33

Die erforderliche schriftliche Übertragung der Pflichten erfolgte erstmals mit Verfügung vom 23.10.2018, zum wiederholten Mal mit Schreiben vom 03.02.2020. Eine solche Übertragung von Dienstherrenpflichten im Arbeitsschutz auf den Antragsteller als Dezernatsleiter war aufgrund dessen Stellung als Beamter des Antragsgegners nach den obigen Ausführungen auch möglich.

34

Der Antragsteller ist als zuverlässige und fachkundige Person i.S.d. § 13 Abs. 2 ArbSchG zu qualifizieren.

35

Mit Fachkunde ist die fachliche Qualifikation des Beauftragten gemeint. Sie setzt voraus, dass der nunmehr Verantwortliche über die erforderlichen theoretischen Kenntnisse und praktischen Fähigkeiten verfügt, um die einschlägigen Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften einzuhalten und die entsprechenden Maßnahmen für ihre Durchführung zu treffen. Dabei variieren die Anforderungen an die Fachkunde je nach der Höhe des Gefährdungspotentials der zu überwachenden Arbeitsplätze. Zunächst ist eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen, in deren Folge der Dienstherr zu entscheiden hat, ob die zu beauftragende Person die an diesen Arbeitsplätzen möglicherweise entstehenden konkreten Gefährdungen beherrschen kann. Im Rahmen von Dezernatsleiterbesprechungen und in mehreren persönlichen Gesprächen ist der Antragsteller vom Abteilungsleiter darüber informiert worden, wie eine Gefährdungsbeurteilung konkret für die in seinem Dezernat vorkommenden Arbeitsplätze durchzuführen sei. Eine solche hat der Antragsteller selbst in Abstimmung mit seinem Abteilungsleiter erstellt und dem Antragsgegner vorgelegt. Spätestens hiernach, insbesondere der selbst verfassten Beurteilung, sind dem Antragsteller die möglicherweise in seinem Dezernat entstehenden konkreten Gefährdungen sowie der Umfang des ihm zugewiesenen Verantwortungsbereichs bekannt.

36

Durch die arbeitsplatzspezifische Betrachtung der Gefahrenlagen ist sichergestellt, dass der Antragsteller hinreichend mit ihnen vertraut ist und dass die jeweiligen Zuständigkeitsbereiche klar voneinander abgegrenzt sind.

37

Gemessen daran ist das Vorliegen der erforderlichen Fachkunde beim Antragsteller zu bejahen. Er verfügt über ein abgeschlossenes Studium in Geodäsie, ist mit den Besonderheiten der beruflichen Tätigkeit und der Arbeitsplätze in seinem Dezernat vertraut und verfügt über ausreichend Berufserfahrung. Die Tätigkeit seines Dezernats wird vorwiegend an Bildschirmarbeitsplätzen ausgeübt, die keinerlei besonderes Gefährdungspotential aufweisen. Hierbei ist ein Minimum an Fachkunde erforderlich, wie auch ausreichend.

38

Zwar sind regelmäßig sogenannte Vor-Ort-Kontrollen bei Zuwendungsempfängern im Vier-Augen-Prinzip durchzuführen. Selbst wenn dies, wie der Antragsteller vorträgt, oft den mehrstündigen gemeinsamen Aufenthalt mehrerer Personen in einem Raum erfordert, folgt hieraus selbst zu Zeiten der COVID-19-Pandemie kein besonderes Gefährdungspotenzial der beruflichen Tätigkeit oder der Arbeitsplätze innerhalb seines Dezernats.

39

Sofern die Tätigkeit andernorts als im „Homeoffice“ oder den Büroräumen des Antragsgegners ausgeübt wird, bestehen derzeit allgemein bekannte und soweit bewährte Sicherheitsvorkehrungen, um Ansteckungen zu vermeiden und das damit verbundene Gefährdungspotenzial gering zu halten. Genannt seien insbesondere die sogenannten AHA-Regeln (Abstand halten, Hygiene beachten und Alltagsmaske tragen) und das regelmäßige Durchlüften geschlossener Räume.

40

Soweit dem Antragsteller die Unterweisung der Mitarbeiter über den Inhalt von Betriebsanweisungen und deren Anwendung und Umsetzung übertragen wurde, umfasst dies gerade nicht die eigenhändige Überprüfung technischer Geräte. Ihm obliegt lediglich die Verantwortung dafür, dass die Überprüfung technischer Geräte regelmäßig stattfindet und dass die Mitarbeiter die ausgeschilderten Fluchtwege kennen. Zur Erfüllung dieser Aufgaben, die hauptsächlich im Bereich der Organisation und Überwachung angesiedelt sind, ist kein besonderes Spezialwissen notwendig.

41

Auch die Übertragung der Aufgabe, alle betroffenen Mitarbeiter gemäß der Gefahrenstoffverordnung zu unterweisen und diese mit dem Umgang von Gefahrstoffen regelmäßig vertraut zu machen, begegnet keinen Bedenken. Der Antragsteller kann sich durch die Lektüre der einschlägigen Vorschriften, die ihm der Antragsgegner im Wesentlichen bereits in der Verfügung vom 23.10.2018 benannt hat, inhaltlich und fachlich ausreichend informieren. Der Umfang der Unterweisung der Mitarbeiter ist im Wesentlichen auf die informatorische Wissensvermittlung durch den Antragsteller auf die Grundzüge und die für sein Dezernat denkbaren Gefährdungen beschränkt.

42

Sofern vereinzelt Kenntnisse erforderlich sein sollten, die über Allgemein- und Erfahrungswissen hinausgehen, lassen sich diese ohne weiteres durch eine Schulung erlangen bzw. aktualisieren. Dabei gehört es zu den dem Dienstherrn obliegenden Aufgaben, die Verantwortlichen ausreichend und wiederholt zu instruieren.

43

Darüber hinaus besteht für den Antragsteller hinsichtlich technischer oder chemischer Detailfragen, sowie besonderen Problemstellungen die Möglichkeit, solche von der Fachkraft für Arbeitssicherheit beantworten zu lassen und mit deren Hilfe zu bewältigen. Auch kann er bei Bedarf den Betriebsarzt, sowie die mögliche Unterstützung zehn weiterer Mitarbeiter hinzuziehen.

44

Im Rahmen der Beratung durch die zuvor genannten Personen findet keine vollständige Vermittlung der Fachkunde durch die Fachkraft für Arbeitssicherheit statt, sondern lediglich eine unterstützende Mitwirkung. Da insgesamt keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass dem Antragsteller die für diese Aufgabenerfüllung notwendigen Kenntnisse und Berufserfahrung fehlen, ist davon auszugehen, dass der Antragsteller als Dezernatsleiter und damit als Führungspersönlichkeit die erforderliche Fachkunde für den Arbeitsschutz bei den von ihm zu überprüfenden Arbeitsplätzen besitzt.

45

Hinsichtlich der Aufgabe des Antragstellers, notwendige Arbeitsschutzmittel anzuschaffen bzw. seinem Dezernat zur Verfügung zu stellen, kann er sich an die Beschaffungsstelle wenden, um sich über die verfügbaren Betriebsmittel zu informieren. Darüber hinaus ist es ihm möglich und auch zumutbar, die betrieblichen und finanziellen Kompetenzen der Geschäftsordnung des Antragsgegners zu entnehmen. Sollten diese Maßnahmen keine ausreichenden Erkenntnisse liefern, kann er, wie vorstehend konstatiert, Rücksprache mit einer Fachkraft oder beispielsweise seinem Abteilungsleiter halten.

46

Die Überprüfung der Arbeitsschutzmittel auf ihre Funktionsfähigkeit durch den Antragsteller erfordert lediglich, dass die regelmäßige Kontrolle veranlasst und durchgeführt wird. Dass die Arbeitsschutzmittel entsprechend der Vorgaben von den Mitarbeitern eingesetzt und getragen werden, ist als bloß überwachende Tätigkeit einzuordnen, die kein besonderes Spezialwissen des Antragstellers erfordert. Selbiges gilt für die unverzügliche Behebung festgestellter Sicherheitsmängel. Hierzu wird im Rahmen der Pflichtenübertragung ausdrücklich hingewiesen, dass auch die umgehende Einleitung entsprechender Maßnahmen zu deren Beseitigung, wie beispielsweise die Beauftragung einer Fachkraft, ausreichen.

47

Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass bei der zusätzlichen Übertragung eines weiteren Aufgabenkreises dem Dienstherrn ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht, der nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist und darauf beschränkt ist, ob die Gründe des Dienstherrn willkürlich sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.11.2004 - 2 B 72/04 - juris Rn. 5: zur Organisationsmaßnahme der Umsetzung). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Dienstherr hier ohne sachlichen Grund gehandelt hat.

48

Nach § 3 Abs. 1 ArbSchG ist der Arbeitgeber - hier der Dienstherr – (sogar) verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Dabei hat er nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten für eine geeignete Organisation zu sorgen. Dies kann unter Umständen auch die Pflicht nach sich ziehen, Arbeitsschutzaufgaben zu delegieren, wenn nur auf diese Art das notwendige Maß an Arbeitsschutz sichergestellt ist (vgl. Landmann-Rohmer, GewO, Stand Oktober 2014, § 13 ArbSchG Rn. 47). Bei der Größe und Struktur der Dienststelle des Antragstellers spricht vieles dafür, dass eine Übertragung der Dienstherrenpflichten im Arbeitsschutz zumindest sinnvoll war, um einen effektiven Arbeitsschutz zu gewährleisten. Bei der Frage, auf welche Weise, in welcher Form und in welchem Umfang der Akt der Pflichtenübertragung erfolgt, steht dem Dienstherrn ein weiter Organisationsspielraum zu.

49

Der Antragsgegner hat nach den obigen Darlegungen die Aufgaben und Befugnisse des Antragstellers hinreichend konkretisiert und sichergestellt, dass diesem die notwendigen personellen Ressourcen zur Verfügung stehen, um die ihm übertragenen Arbeitsschutzpflichten übernehmen und überblicken zu können. Eine abschließende Ausformulierung und Benennung sind aufgrund der Besonderheiten und des Umfangs der jeweiligen arbeitsplatzspezifischen Gefahren nicht erforderlich. Ausreichend ist vielmehr eine Aufzählung i.S. von Regelbeispielen, die sowohl hinsichtlich der Aufgaben, als auch in Bezug auf die Befugnisse (z.B. die Ausübung verbindlicher Weisungen und des Hausrechts) in der Verfügung vom 23.10.2018 enthalten ist.

50

Der Antragsteller ist schließlich auch zuverlässig i.S.d § 13 Abs. 2 ArbSchG. Das Kriterium der Zuverlässigkeit betrifft die persönliche Eignung des Beauftragten für die ordnungsgemäße Erfüllung der ihm übertragenden Pflichten. Zuverlässig ist, wer aufgrund seiner persönlichen Eigenschaften, seines Verhaltens und seiner Fähigkeiten zur ordnungsgemäßen Erfüllung der ihm zugewiesenen Arbeitsschutzaufgaben geeignet ist. Dazu gehört, dass er die Bedeutung seiner Aufgaben erfasst, diese gewissenhaft wahrnimmt und über die notwendige Durchsetzungskraft und Kooperationsfähigkeit verfügt, um den Arbeitsschutz in seinem Zuständigkeitsbereich zu gewährleisten (vgl. Landmann-Rohmer, a.a.O. Rn. 47). Hier liegen weder Umstände vor, die darauf schließen ließen, dass der Antragsteller nicht zuverlässig wäre, noch werden solche vom Antragsteller selbst behauptet. Als Dezernatsleiter und damit als Führungspersönlichkeit ist vielmehr davon auszugehen, dass er zuverlässig i.S.d. § 13 Abs. 2 ArbSchG ist.

51

Schließlich wird der Antragsgegner nicht vollständig von seiner Gesamtverantwortung im Arbeitsschutz entbunden. Durch die ausreichend bestimmt dargestellten Pflichten und Befugnisse des Antragstellers ist für diesen hinreichend erkennbar, welche Verstöße (nur) zu einer Haftung seinerseits führen können.

52

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; der Wert des Streitgegenstandes ist gemäß §§ 53 Abs,.2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG festgesetzt worden.


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