Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (4. Kammer) - 4 B 37/20

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Streitwert wird auf 28,25 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag ist zulässig aber unbegründet.

2

Er ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO statthaft. Das Gericht kann gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage anordnen, wenn diese Rechtsbehelfe nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3a VwGO keine aufschiebende Wirkung haben. Dies ist hier der Fall. Die noch einzureichende Klage gegen den Festsetzungsbescheid vom 02. Juni 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06. Januar 2021 entfaltet gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung, da es sich bei den festgesetzten Rundfunkbeiträgen und dem Säumniszuschlag nach der Rechtsprechung der Kammer (vgl. VG Schleswig, Beschluss vom 22. Juni 2020 – 4 B 22/20 –, juris, Rn. 3; VG Schleswig, Beschluss vom 23. Juli 2018 – 4 B 39/18 –, juris, Rn. 4 f.) um öffentliche Abgaben und Kosten handelt. Der Zulässigkeit des Antrages steht es nicht entgegen, dass bisher keine Klage eingereicht worden ist (§ 80 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

3

Auch § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO steht der Zulässigkeit des Antrags nicht entgegen. Hiernach ist in den Fällen des Absatzes 2 Satz Nr. 1 ein Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Bei diesem Erfordernis handelt es sich um eine nicht nachholbare Zugangsvoraussetzung, die im Zeitpunkt des Antragseingangs bei Gericht gegeben sein muss (vgl. VG Schleswig, Beschluss vom 24. November 2020 – 6 B 40/20 –, juris, Rn. 4 m.w.N.). Das gilt nach § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO nicht, wenn (Nr. 1) die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder eine Vollstreckung droht (Nr. 2).

4

Die Voraussetzungen des § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO liegen nicht vor, da der Antragsgegner den im Widerspruchsschreiben vom 22. Juni 2020 gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung noch nicht im maßgeblichen Zeitpunkt des Antragseingangs bei Gericht abgelehnt hatte, sondern erst im Widerspruchsbescheid vom 06. Januar 2021.

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Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Ausnahme nach § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO nicht einschlägig, da aus der Gegenerklärung des Antragsgegners vom 03. September 2020 unter Ziff. III zu ersehen ist, dass bis zu einer Entscheidung von Zwangsmaßnahmen abgesehen wird. Indes ist aber die Ausnahme nach § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO gegeben, weil der Antragsgegner ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes nach mehr als zwei Monaten in angemessener Frist nicht sachlich über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung entschieden hat.

6

Die „angemessene Frist“ im Sinne von § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Eine Anlehnung an § 75 VwGO, der für das Hauptsacheverfahren konzipiert ist, scheidet aus. Eine gewisse Eingrenzung der der Behörde einzuräumenden Frist ist allerdings schon aus Gründen der Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit für den Abgabenschuldner notwendig, um nicht „zu früh” das Gericht anzurufen. Als „Orientierungsgröße“ kann insoweit vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls eine Frist von einem Monat als noch angemessene Frist angesehen werden (VG Schleswig, Beschluss vom 22. Juni 2020 – 4 B 21/20 –, juris, Rn. 10; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. November 2005 – 12 S 9/05 –, juris Rn. 4; Schoch/Schneider VwGO/Schoch, 39. EL Juli 2020, VwGO § 80 Rn. 514; NK-VwGO/Adelheid Puttler, 5. Aufl. 2018, VwGO § 80 Rn. 181). Diese Frist war bei Stellung des gerichtlichen Eilantrages am 24. August 2020 verstrichen; zwischen dem Eingang bei Gericht und dem behördlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vom 22. Juni 2020 liegen insgesamt bereits2 Monate, 3 Tage (inklusive Enddatum).

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Der Antrag ist jedoch unbegründet.

8

Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private Aufschubinteresse und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes. Diese Abwägung hat der Gesetzgeber zunächst dahin vorgenommen, dass Widerspruch und Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung entfalten (§ 80 Abs. 1 VwGO), diese aber entfällt, wenn der Gesetzgeber die aufschiebende Wirkung in den Fällen von
§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3a VwGO wegen vorrangigem öffentlichen Interesse ausgeschlossen hat. Im Falle einer gesetzlich vorgesehenen sofortigen Vollziehbarkeit prüft das Gericht, ob wegen der Besonderheit des Einzelfalls ein privates Interesse an der aufschiebenden Wirkung vorliegt, das gegenüber dem im Gesetz in diesen Fällen unterstellten öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes überwiegt. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, Bedeutung erlangen, allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte, wenn aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung Erfolg oder Misserfolg des Rechtsbehelfs offensichtlich erscheinen. Lässt sich bei der summarischen Überprüfung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ohne Weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen, weil an einer sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich nach der genannten Überprüfung der angefochtene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig, so führt dies in Fällen des gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges regelmäßig dazu, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen ist (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 06. August 1991 – 4 M 109/91 –, juris, Rn. 3).

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Lässt sich bei der Prüfung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nach dem oben dargelegten Maßstab weder die Rechtmäßigkeit noch die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides feststellen, bedarf es zur Entscheidung einer weiteren Interessenabwägung. Diese Abwägung zwischen Aufschub- und Vollziehungsinteresse erfordert eine Gegenüberstellung der Folgen, die einträten, wenn die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes versagt würde, das Verfahren in der Hauptsache hingegen Erfolg hätte. Diese Auswirkungen sind zu vergleichen mit den Nachteilen, die entstünden, wenn die aufschiebende Wirkung angeordnet oder wiederhergestellt würde, dem Rechtsbehelf in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre. Dabei bedarf es wegen des vorläufigen Charakters des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO keiner umfassenden Aufklärung der möglicherweise eintretenden Nachteile. Vielmehr ist jeweils die Richtigkeit des Vorbringens desjenigen zu unterstellen, dessen Position gerade betrachtet wird, es sei denn, die Unrichtigkeit des jeweiligen Vorbringens ist ohne weiteres erkennbar (OVG Schleswig, Beschluss vom 06. August 1991 – 4 M 109/91 –, juris, Rn. 4).

10

Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Rundfunkbeiträge ist § 10 Abs. 5 Satz 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV), der durch Zustimmungsgesetz zum 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 16. Dezember 2011 (GVOBl. 2011, S. 345) zu geltendem Landesrecht geworden ist. Für den streitentscheidenden Zeitraum ist maßgeblich der RBStV i.d.F. des 21. Rundfunksänderungsstaatsvertrages vom 26.03.2018 i.V.m. dem Gesetz zum 21. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (GVOBl. 2018, S. 210).

11

An der Verfassungsmäßigkeit der Rundfunkbeitragspflicht bestehen keine Bedenken (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 2016 – 6 C 6/15 –, BVerwGE 154, 275-296, juris; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2019 – 6 C 10.18 –, juris, Rn. 14; BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2018 – 1 BvR 1675/16 –, BVerfGE 149, 222-293, juris; EuGH, Urteil vom 13. Dezember 2018 – C 492/17, juris). Diese sind auch nicht von dem Antragsteller vorgetragen. Der Festsetzungsbescheid vom 02. Juni 2020 ist formell rechtmäßig; insbesondere hat der Antragsgegner als zuständige Landesrundfunkanstalt den streitgegenständlichen Bescheid erlassen.

12

Der Festsetzungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids erweist sich jedoch nach summarischer Prüfung nicht als offensichtlich rechtswidrig bzw. rechtmäßig, soweit Rundfunkbeiträge für den Zeitraum 01. März 2020 bis 31. Mai 2020 festgesetzt worden sind. Vielmehr sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs offen.

13

Der Antragsgegner hat gemäß § 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV rückständige Rundfunkbeiträge festgesetzt. Die grundsätzliche Verpflichtung des Antragstellers zu Entrichtung von Rundfunkbeiträgen in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum – 01. Dezember 2019 bis 31. Mai 2020 – ergibt sich dem Grunde nach aus den §§ 2, 7 RBStV. Nach § 2 Abs. 1 RBStV ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Die Pflicht zur Entrichtung des Rundfunkbeitrags beginnt mit dem Ersten des Monats, in dem der Beitragsschuldner erstmals die Wohnung, die Betriebsstätte oder das Kraftfahrzeug innehat (§ 7 Abs. 1 Satz 1 RBStV).

14

Der Antragsteller ist seit dem 01. November 2013 Inhaber der Wohnung A-Straße in A-Stadt (nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV ist jede volljährige Person Inhaber einer Wohnung, die eine Wohnung selbst bewohnt). Für diese Wohnung ist er mit einem Beitragskonto (Beitragsnummer:... ) bei dem Antragsgegner angemeldet. Der Rundfunkbeitrag ist monatlich geschuldet, er ist in der Mitte eines Dreimonatszeitraums für jeweils drei Monate zu leisten (§ 7 Abs. 3 Satz 1 und 2 RBStV). Da der Antragsteller keine Rundfunkbeitragszahlungen im streitgegenständlichen Zeitraum leistete, setzte der Antragsgegner mit Festsetzungsbescheid vom 02. Juni 2020 Rundfunkbeiträge und einen Säumniszuschlag in Höhe von ... € fest.

15

Hinsichtlich des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO macht der Antragsteller im Wesentlichen geltend, der genannte Festsetzungsbescheid sei rechtswidrig, weil nach dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. März 2019 – 6 C 5.18 – eine Festsetzung von Rundfunkbeiträgen, die die Möglichkeit ausschließe, Rundfunkbeiträge mit Euro-Banknoten zu zahlen, gegen § 14 Abs. 1 Satz 2 BBankG verstoße, wonach auf Euro lautende Banknoten das einzig unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel seien. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 RBStV i. V. m. § 10 Abs. 2 der Satzung des Norddeutschen Rundfunks (NDR) über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge vom 28. November 2016 sieht hierzu vor, dass der Beitragsschuldner die Rundfunkbeiträge mittels Einzugsermächtigung oder Einzel-/ Dauerüberweisung auf das Beitragsabwicklungskonto zu leisten hat.

16

Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 01. April 2020 angeboten, den Rundfunkbeitrag bar zu bezahlen. („Bitte teilen Sie mir umgehend mit, wo – in unmittelbarer Nähe meines Wohnortes – die zusatzkostenfreie Barzahlung des Betrages erfolgen soll.“). Nach wohlwollender Auslegung kann dies dahingehend ausgelegt werden, dass der Antragsteller auch für die Entrichtung zukünftiger Rundfunkbeiträge Barzahlung angeboten hat, obwohl der Antragsteller lediglich auf den Zeitraum 01. Dezember 2019 bis 29. Februar 2020 Bezug nimmt.

17

Unterstellt, das Barzahlungsverbot ist nicht mit höherrangigem Recht vereinbar (ablehnend Beck RundfunkR/Gall, 4. Aufl. 2018, RBeitrStV, § 9 Rn. 65ff.; vgl. zur zivilrechtlichen Einordnung: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30. Juni 2020 – 6 VA 24/19 –, juris, Rn. 14), dann wäre unter Umständen durch das Barzahlungsangebot des Antragstellers keine Rückständigkeit des Rundfunkbeitrags mangels Annahme der Leistung anzunehmen. Dies allerdings nur für den Zeitraum 03/2020 – 05/2020, da zur Zeit seines Angebotes am ... 01. April 2020 der Beitrag für den Zeitraum nach § 7 Abs. 3 RBStV noch nicht zu leisten war, sondern erst am 15. April 2020. Ob das Barzahlungsangebot in der gewählten Form ausreichend ist, um eine fehlende Rückständigkeit der Beitragszahlung zu begründen, kann allerdings dahinstehen, da sich die Bewertung der Frage hinsichtlich der Vereinbarkeit des Barzahlungsverbotes mit höherrangigem Recht einer abschließenden Entscheidung im summarischen Verfahren entzieht.

18

Die Kammer folgt der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, welches mit Beschluss vom 11. August 2020 (– OVG 11 S 70/20 –, juris, Rn. 5) ausgeführt hat:

19

„Bei der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, auf die sich die Antragstellerin beruft, handelt es sich um eine Vorlageentscheidung an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht darin, wie von der Antragstellerin geltend gemacht, ausgeführt, dass die in jenem Verfahren angegriffenen Rundfunkbeitragsbescheide nach innerstaatlichem Recht rechtswidrig seien, weil der in der Beitragssatzung der dort beklagten Rundfunkanstalt geregelte Ausschluss der Möglichkeit, Rundfunkbeiträge mit Euro-Banknoten zu zahlen, gegen die bundesrechtliche Bestimmung des § 14 Abs. 1 S. 2 Bundesbankgesetz verstoße, die öffentliche Stellen zur Annahme von Euro-Banknoten bei der Erfüllung hoheitlich auferlegter Geldleistungspflichten verpflichte. Es hat jedoch weiter ausgeführt, dass es ohne eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht feststellen könne, ob § 14 Abs. 1 S. 2 BBankG mit der ausschließlichen Zuständigkeit, die die Union gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c und Art. 127 ff. AEUV im Bereich der Währungspolitik für diejenigen Mitgliedstaaten habe, deren Währung der Euro sei, im Einklang stehe. Diese Frage sei nur dann nicht entscheidungserheblich, wenn entweder das Unionsrecht eine mit § 14 Abs. 1 S. 2 BBankG übereinstimmende Regelung der Verpflichtung zur Annahme von Euro-Banknoten enthalte oder wenn § 14 Abs. 1 S. 2 BBankG auch bei fehlender Zuständigkeit der Mitgliedstaaten angewendet werden könne, soweit und solange die Union von ihrer Zuständigkeit keinen Gebrauch gemacht habe. Auch diese weiteren Fragen ließen sich ohne eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht abschließend klären. Da das Unionsrecht vor dem nationalen Recht Anwendungsvorrang genießt, kann bis zu der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Vorlagesache – C-422/19 – folglich nicht davon ausgegangen werden, dass das sogenannte Barzahlungsverbot zur Rechtswidrigkeit der vorliegend streitgegenständlichen Festsetzungsbescheide führt, vielmehr ist die Rechtslage offen.“

20

Weder die Rechtmäßigkeit noch die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides lässt sich unter diesem Aspekt feststellen.

21

Die nach den zuvor dargestellten Grundsätzen durchzuführende weitere Interessen- und Folgenabwägung lässt das Aufschubinteresse des Antragstellers hinter das Vollziehungsinteresse der Allgemeinheit zurücktreten.

22

Dabei ist zunächst die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers in den Blick zu nehmen. Der Gesetzgeber hat sich bewusst durch die Satzungsermächtigung in § 9 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 RBStV dazu entschieden, die Einzelheiten des Verfahrens zur Leistung des Rundfunkbeitrags durch Satzungen der zuständigen Landesrundfunkanstalten zu regeln.Der Begriff der „Leistung“ ist umfassend zu verstehen (Beck RundfunkR/Gall, 4. Aufl. 2018, RBeitrStV § 9 Rn. 64). Dem entsprechend enthält § 10 Abs. 1 bis 4 der Satzung des Norddeutschen Rundfunks (NDR) über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge nicht nur Regelungen über den Zahlungsempfänger (Abs. 1), Zahlungsarten und -wege (Abs. 2), sondern auch über die Kostentragung hinsichtlich der Zahlungsübermittlung einschließlich eventueller Rücklastschriftkosten (Abs. 3) und über die Pflicht zur Kontrolle der vom Beitragsschuldner geleisteten Zahlungen (Abs. 4). Steht die gesetzgeberische Zielvorgabe nicht im Einklang mit höherrangigem Recht, so überwiegt das Aufschubinteresse des Antragstellers.

23

Andererseits dient die Abgabenpflicht nach § 1 RBStV der funktionsgerechten Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Sinne des § 12 Abs. 1 RBStV, sowie der Finanzierung der Aufgaben nach § 40 RBStV. Damit wird ein Wechselseitigkeitsverhältnis zwischen der Bereitstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, d.h. der Einräumung der Möglichkeit der Rundfunknutzung als Vorteil einerseits und der Abgabenpflicht andererseits konstituiert (vgl. VG Dresden, Urteil vom 25. August 2015 – 2 K 2873/14 –, juris, Rn. 27;VG Schleswig, Urteil vom 26. Februar 2020 – 4 A 271/19 –, juris, Rn. 20). Die Finanzierungsfunktion des Rundfunkbeitrags begründet damit ein grundsätzlich bestehendes Interesse des Staates an der Festsetzung von Rundfunkbeiträgen.

24

Die für den Antragsteller einzustellenden negativen Folgen ergeben zudem, dass die Eingriffsintensität durch die Vollziehbarkeit des Festsetzungsbescheides vom 02. Juni 2020 für den Zeitraum 01. März 2020 bis 31. Mai 2020 in Höhe von ... € als gering einzustufen ist. Der Antragsteller hat auch nicht vorgetragen, dass eine Vollziehbarkeit in dieser Höhe eine unzumutbare finanzielle Belastung für ihn darstellen würde.

25

Ferner ist das Interesse der öffentlichen Hand am Ziel einer Verwaltungsvereinfachung bei Massenverfahren zu berücksichtigen. Dabei fällt im Streitfall nicht nur der Umstand ins Gewicht, dass es sich bei der Begleichung der Rundfunkbeiträge um ein sich mehrmals im Jahr wiederholendes Massengeschäft handelt, sondern auch, dass es sich nicht um ein Geschäft handelt, bei dem in Anwesenheit des Schuldners Zug um Zug eine Ware übergeben oder eine Dienstleistung erbracht wird. Denn der Rundfunkbeitrag wird monatlich geschuldet und ist für jeweils drei Monate zu leisten (vgl. § 7 Abs. 3 RBStV) und knüpft im privaten Bereich nicht etwa an die Inanspruchnahme der Leistung der Rundfunkgesellschaft oder an das Bereithalten entsprechender Empfänger, sondern lediglich an die Inhaberschaft einer Wohnung an (§ 2 Abs. 1 RBStV). Hinzu kommt, dass der Antragsteller kein besonderes Interesse an der Begleichung seines Rundfunkbeitrages durch Euro-Banknoten, also durch Bargeld, dargetan hat und das Verlangen der Barzahlung allgemein auch der Entwicklung hin zur bargeldlosen Begleichung von Verbindlichkeiten entgegenläuft. Das Schreiben des Antragstellers vom 01. April 2020 offenbart keine Begründung, warum die Rundfunkanstalten für mehrere Millionen Beitragszahler die Möglichkeit vorhalten sollen, dass die Beitragszahler – wenn sie wollen – viermal im Jahr mit Euro-Banknoten bei ihnen ihre Rundfunkgebühren begleichen können. Wenn die Beitragszahler eine Barzahlung vornehmen wollen, können sie eine solche zwar nicht gegenüber der Rundfunkanstalt aber jederzeit durch – wenn auch regelmäßig gebührenpflichtige – Bareinzahlung auf deren Konto bei Banken oder Sparkassen vornehmen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30. Juni 2020 – 6 VA 24/19 –, juris, Rn. 24). Diesen Ausführungen folgt die Kammer. Nach alledem überwiegt das öffentliche Interesse an der Vollziehbarkeit des angefochtenen Bescheides das private Aufschubinteresse des Antragstellers.

26

Soweit Rundfunkbeiträge für den Zeitraum 01. Dezember 2019 bis 29. Februar 2020 festgesetzt worden sind, bestehen nach summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Festsetzungsbescheids vom 02. Juni 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06. Januar 2021.

27

Das Schreiben des Antragstellers vom 01. April 2020 nimmt keinen Einfluss auf die Rückständigkeit der Rundfunkbeiträge für den genannten Zeitraum, da diese bereits gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 und 2 RBStV fällig geworden sind. Ein rückwirkend abzielendes Barzahlungsangebot kann die Rückständigkeit nicht beseitigen. Der Antragsgegner hat damit in Übereinstimmung mit § 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV rückständige Rundfunkbeiträge gegen den Antragsteller als Wohnungsinhaber (§§ 2, 7 RBStV) festgesetzt.

28

Die Festsetzung ist auch der Höhe nach rechtsfehlerfrei erfolgt. Seit dem 10. April 2015 beträgt der Rundfunkbeitrag 17,50 € monatlich (vgl. § 8 Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag, der durch Gesetz zum 16. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 4. März 2015, GVOBl. 2015, S. 70 ins Landesrecht transformiert worden ist). Der Festsetzungsbescheid vom 02. Juni 2020 setzt die Rundfunkbeiträge für den Zeitraum 01. Dezember 2019 bis...31. Mai 2020 auf...€ (6 x 17,50 €) fest.

29

Der angegriffene Bescheid des Antragsgegners begegnet auch insoweit keinen rechtlichen Bedenken, als dass der Antragsgegner darin einen Säumniszuschlag von 8,00 € festsetzte. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 der auf Grundlage von § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Var. 3 RBStV erlassenen Satzung des Norddeutschen Rundfunks (NDR) über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge wird ein Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent der rückständigen Beitragsschuld, mindestens aber ein Betrag von 8,00 € fällig, sofern geschuldete Rundfunkbeiträge nicht innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet werden. Diese Voraussetzungen liegen jedenfalls für die Rundfunkbeiträge, die den Zeitraum 01. Dezember 2019 bis 29. Februar 2020 betreffen, vor. Der Säumniszuschlag ist auch gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 der Satzung des Norddeutschen Rundfunks (NDR) über das Verfahren zur Leistung von Rundfunkbeiträgen zusammen mit der Rundfunkbeitragsschuld durch Bescheid nach § 10 Abs. 5 RBStV festgesetzt worden.

30

Für das Gericht sind darüber hinaus keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass einer Vollziehung des Festsetzungsbescheides vom 02. Juni 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06. Januar 2021 für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge haben könnte.

31

Eine unbillige Härte in diesem Sinne liegt nur dann vor, wenn durch die sofortige Vollziehung oder Zahlung dem Abgabenpflichtigen wirtschaftliche Nachteile drohen würden, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder nur schwer wieder gutzumachen sind, insbesondere wenn gar die wirtschaftliche Existenz des Abgabenpflichtigen gefährdet wäre (vgl. Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 39. EL 2020, § 80 Rn 296 m. w. N.). Dahingehende Anhaltspunkte hat der Antragsteller nicht vorgetragen. Vielmehr ist bei einer Gesamtinanspruchnahme in Höhe von 113,00 € nicht ohne weiteres von einer finanziellen Überforderung des Antragstellers auszugehen.

32

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

33

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 GKG. Danach ist für die Festsetzung des Streitwertes das Interesse des Antragstellers an der vorläufigen Regelung – hier der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der noch einzulegenden Klage gegen den Festsetzungsbescheid vom 02. Juni 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06. Januar 2021 des Antragsgegners – maßgebend. Dieses Interesse ist bei Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO wegen Abgabenforderungen im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO mit einem Viertel der in den in der Hauptsache angefochtenen Bescheiden genannten Beträge, hier 1/4 von... €, zu bewerten.


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