Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (9. Kammer) - 9 B 18/21

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt die vorläufige Aushändigung eines Personalausweises durch die Antragsgegnerin.

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Er beantragte am 13. Oktober 2020 bei der Antragsgegnerin einen neuen Personalausweis. Dabei gab er seinen Vornamen mit „X Y“ (ohne Bindestrich) an und legte einen durch die Stadt Hattingen/Ruhr am 23. September 2010 ausgestellten und bis zum 22. September 2020 gültigen Personalausweis vor, der diese Namen enthielt. Ein entsprechender Ausweis wurde hergestellt. Bei dem Termin zur Abholung des neuen Personalausweises legte er erstmalig auch eine Personenstandsurkunde, nämlich seine Eheurkunde, vor. In dieser ist sein Vorname mit „X-Y“ (mit Bindestrich) angegeben. Die Antragsgegnerin händigte ihm daraufhin den Personalausweis nicht aus.

3

Mit Schreiben vom 25. Januar 2021 beantragte der Antragsteller schriftlich, ihm den neuen Personalausweis mit den Vornamen „X Y“ auszuhändigen. Er begründete dies damit, es habe Rechtsänderungen gegeben und die vorhandenen urkundlichen Grundlagen für die Namensschreibung führten zur Änderung des Gebrauchs seiner Vornamen und zur Änderung der Schreibweise. Er habe daher bei dem zuständigen Standesamt eine Korrektur der Namensschreibung beantragt. Diese sei zwar abgelehnt worden, er führe aber diesbezüglich ein Klageverfahren vor dem Amtsgericht. Eine missbräuchliche Nutzung des neuen Personalausweises sei ausgeschlossen, da der alte Personalausweis dieselbe Namensschreibung (ohne Bindestrich) enthalten habe. Gegebenenfalls könne der Ausweis nach Abschluss des Gerichtsverfahrens eingezogen werden. Die Antragsgegnerin lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 1. Februar 2021 ab. Der Personalausweis könne nicht ausgehändigt werden, da er aufgrund des fehlenden Bindestrichs im Vornamen ungültig sei. Ausschlaggebend für die Erfassung der personenbezogenen Daten seien die von den Standesämtern beurkundeten Daten. Auch die geringfügige Abweichung in der Schreibweise mache den Ausweis ungültig. Hiergegen erhob der Antragsteller am 3. Februar 2021 Widerspruch, über den bisher nicht entschieden wurde.

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Der Antragsteller hat am 28. Mai 2021 Untätigkeitsklage erhoben (Az. 9 A 169/21) und zugleich Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt.

5

Er ergänzt hierzu sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren dahingehend, dass seine Geburtsurkunde auf „die Vornamen“ „X-Y“ (mit Bindestrich) verweise und zusätzlich „Y“ als Rufname unterstrichen sei. Der Bindestrich stehe im Widerspruch sowohl zu der Angabe einer Mehrzahl von Vornamen als auch zu der Festlegung des Namensteils „Y“ als Rufname. Diese Festlegung entspreche der Praxis, denn er gebrauche seit vielen Jahren fast ausschließlich „Y“ als singulären Vornamen. Auch in seiner Ernennungsurkunde zum Rechtsreferendar sei er mit diesem Vornamen bezeichnet. Eine Änderung dieser Praxis verbiete sich allein schon wegen einer sonst kaum zu überschauenden Zahl von Änderungen der Namensschreibung im Rechtsverkehr. Nach Auskunft des Standesamtes wäre eine solche Eintragung in der Geburtsurkunde heute nicht mehr möglich, es könne kein Teil eines Namens als Rufname eingetragen werden, der mit einem anderen Teil durch einen Bindestrich zu einem einheitlichen Namen verbunden sei. Da sein alter Personalausweis abgelaufen sei, sei die Aushändigung auch dringlich.

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Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

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den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den auf seinen Antrag vom 13. Oktober 2020 für seine Person gefertigten Personalausweis an ihn auszuhändigen.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Sie begründet dies damit, ein Anspruch auf Ausstellung eines Personalausweises beschränke sich auf einen solchen, der die gesetzlich vorgesehenen Eintragungen enthalte und zutreffende Angaben wiedergebe. Vornamen seien nach dem Personenstandsregister und den darauf beruhenden Urkunden aufzunehmen. Die Schreibweise „X Y“ ohne Bindestrich entspreche diesen Vorgaben nicht. Aus der Geburtsurkunde des Antragstellers ergebe sich trotz des Hinweises auf mehrere Vornamen, der sich vermutlich nur auf die Vornamen X und Y beziehe, aus denen sich der Vorname des Antragstellers zusammensetze, eindeutig, dass eine Schreibweise mit Bindestrich von den Eltern des Antragstellers, die selbst jeweils mehrere Vornamen ohne Bindestrich besäßen und nie eine Berichtigung der Namensschreibweise ihres Sohnes beantragt hätten, gewollt gewesen sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der Antragsteller bisher einen Personalausweis mit dieser Schreibweise gehabt habe, denn Verwaltungsträger seien grundsätzlich berechtigt – wenn nicht gar verpflichtet –, als rechtswidrig erkanntes Verwaltungshandeln zu beseitigen und durch rechtmäßiges zu ersetzen. Die Namensangabe in der Urkunde zur Ernennung zum Rechtsreferendar dürfe wohl allein auf der eigenen Angabe des Antragstellers beruhen und sei für die vorliegende personenstandsrechtliche Frage ohne Belang. Der Aufwand, der mit einer Korrektur seines Vornamens im Rechtsverkehr verbunden sei, entspreche etwa dem bei einer Heirat oder einem Umzug und sei zumutbar. Im Übrigen könne der Antragsteller, um Schwierigkeiten zu vermeiden, die dadurch entstehen, dass er aktuell keinen gültigen Personalausweis besitze, einen Personalausweis, ggf. auch einen vorläufigen Personalausweis, mit der sich aus den Personenstandsurkunden ergebenden Vornamensschreibweise beantragen. Außerdem habe er nicht dargelegt, dass er sich nicht anderweitig, etwa durch einen Reisepass, ausweisen könne. Sollte der Personalausweis mit der Schreibweise ohne Bindestrich ausgehändigt werden, lägen zudem die Voraussetzungen der Einziehung vor.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

12

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO ist zulässig, aber unbegründet.

13

Das Gericht kann gemäß § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen. Erforderlich ist danach das Vorliegen eines Anordnungsgrundes und eines Anordnungsanspruchs. Dabei sind die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes und eines Anordnungsanspruchs gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung, die die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnimmt, kommt nur dann in Betracht, wenn Rechtsschutz in der Hauptsache nicht rechtzeitig erlangt werden kann und dies zu schlechthin unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteilen für die Antragsteller⸱innen führt, die sich auch bei einem Erfolg in der Hauptsache nicht ausgleichen lassen. Zudem muss mindestens eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit eines Obsiegens in der Hauptsache bestehen (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 30.08.2005 – 3 MB 38/05 – juris Rn. 7).

14

Es kann offen bleiben, ob ein Anordnungsgrund besteht, denn jedenfalls fehlt es an einem Anordnungsanspruch. Nach der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Sachprüfung hat die Antragsgegnerin die Aushändigung eines Personalausweises mit den eingetragenen Vornamen „X Y“ zu Recht abgelehnt, der Antragsteller hat keinen entsprechenden Anspruch.

15

Die Voraussetzungen sowohl für eine Ablehnung eines Antrags auf Ausstellung eines Personalausweises mit der Vornamensschreibweise „X Y“ als auch für eine Einziehung eines bereits ausgestellten Personalausweises mit dieser Vornamensschreibweise liegen vor. Gemäß § 1 i. V. m. § 5 PAuswG besteht (nur) ein Anspruch auf Ausstellung eines den gesetzlichen Erfordernissen genügenden Personalausweises. Nach § 29 Abs. 1 PAuswG kann ein nach § 28 Abs. 1 oder Abs. 2 PAuswG ungültiger Ausweis eingezogen werden. Nach § 28 Abs. 1 Nr. 2 PAuswG ist ein Ausweis ungültig, wenn Eintragungen nach diesem Gesetz fehlen oder – mit Ausnahme der Angaben über die Anschrift oder Größe – unzutreffend sind.

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Der Personalausweis mit der Vornamensschreibweise „X Y“ entspricht nicht den gesetzlichen Erfordernissen bzw. ist ungültig, weil die Eintragung des Vornamens unzutreffend ist.

17

Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 2 PAuswG enthält der Personalausweis als Angabe über den Ausweisinhaber u. a. die Vornamen. Maßgeblich für die Schreibweise der oder des Vornamens sind dabei die auf der Grundlage des Personenstandsregisters ausgestellten Personenstandsurkunden (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 1992 – 1 C 41/90 – juris Rn. 21 zur Schreibweise des Familiennamens; Süßmuth/Koch, Pass- und Personalausweisrecht, 4. Auflage, 9. Lieferung, Stand: Februar 2021, Erl § 5 PAuswG Rn. 14).

18

Die Geburtsurkunde und die Eheurkunde des Antragstellers weisen die Vornamensschreibweise „X-Y“ (mit Bindestrich) auf, wobei in der Geburtsurkunde „Y“ als Rufname unterstrichen ist. Die davon abweichende Schreibweise „X Y“ (ohne Bindestrich) stellt eine Unrichtigkeit dar. Sie dürfte darüber hinaus als Namensänderung i. S. d. Namensänderungsgesetzes anzusehen sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 1992 – 1 C 41/90 – juris Rn. 21 zur vergleichbaren Qualifizierung des Austauschs eines Umlauts durch einen Vokal mit angefügtem „e“ im Familiennamen als Namensänderung; VG Düsseldorf, Urteil vom 13. Dezember 2012 – 24 K 3230/12 – juris Rn. 18 zu einer Änderung der Reihenfolge mehrerer Vornamen (vor dem Inkrafttreten des § 45a PStG)). Die Eintragung in der Geburtsurkunde ist auch nicht durch die Unterstreichung des Namensteils „Y“ als Rufname widersprüchlich. Zwar entsprach es zum Zeitpunkt der Geburt des Antragstellers dem § 172 Abs. 1 Satz 4 der Dienstanweisung für Standesbeamten, einen Rufnamen, wenn er als solcher bezeichnet wird, bei der Namenseintragung im Geburtenbuch zu unterstreichen. Bereits im Jahr 1959 hat jedoch der Bundesgerichtshof (BGH, Beschluss vom 15. April 1959 – IV ZB 286/58 – BGHZ 30, 132, juris Rn. 17) festgestellt, dass weder die Unterstreichung noch der Gebrauch eines Rufnamens diesen in der Weise festlegt, dass eine Änderung des Rufnamens verwehrt wäre. Gesetzliche Regelungen über den Rufnamen gibt es nicht und auch keine gewohnheitsrechtliche Praxis, die eine Änderung des Rufnamens verbieten würde. Insofern ist die Unterstreichung lediglich die Beurkundung des Elternwunsches über den praktischen Namensgebrauch im Alltag, stellt aber keinen insoweit rechtserheblichen Akt dar, der die Eintragung korrekturbedürftig machen würde.

19

Ist die Eintragung der bzw. des Vornamens in der Schreibweise „X Y“ im Personalausweis danach unzutreffend, wäre die Antragsgegnerin berechtigt, die Ausstellung zu verweigern bzw. eine Einziehung zu verfügen, und zwar jeweils mit der Folge, dass sie die Herausgabe eines bereits erstellten Personalausweises verweigern kann. Die Verweigerung der Herausgabe stellt sich insbesondere auch nicht als unverhältnismäßig dar. Eine davon abweichende Einschätzung gebietet auch nicht der Umstand, dass andere Behörden in der Vergangenheit bereits einen Personalausweis und einen Führerschein mit der Vornamensschreibweise „X Y“ ausgehändigt haben.

20

Zunächst ist ein Verwaltungsträger grundsätzlich berechtigt (wenn nicht gar verpflichtet), als rechtswidrig erkanntes Verwaltungshandeln zu beseitigen und durch rechtmäßiges Verwaltungshandeln zu ersetzen. Anhaltspunkte dafür, dass im vorliegenden Fall ausnahmsweise die Perpetuierung eines rechtswidrigen Zustandes die einzig angemessene Entscheidungsmöglichkeit der Antragsgegnerin ist, sind nicht in einem rechtlich beachtlichen Umfang ersichtlich. Dem Antragsteller ist vielmehr zuzumuten, einen Personalausweis mit der zutreffenden Vornamensschreibweise zu beantragen.

21

Die ausnahmsweise Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustandes ist auch nicht aus Vertrauensschutzgründen geboten. Hier ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Stadt Hattingen/Ruhr den in der Vergangenheit (unzutreffend) ausgestellten Personalausweis wohl nicht in dem Wissen ausgehändigt hat, dass dieser dem Geburtseintrag widerspricht. Es liegt vielmehr nahe, dass die Stadt Hattingen/Ruhr sich bei der Ausstellung des Personalausweises lediglich auf die im Melderegister (abweichend von der Geburtsurkunde) dokumentierten Daten verlassen hat. Ein Vertrauen, dass auch die Antragsgegnerin einen entsprechenden Personalausweis ausstellen würde, konnte nicht entstehen.

22

Im Übrigen ist der mit der Verweigerung der Aushändigung des streitgegenständlichen Personalausweises verbundene Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers nach Art. 2 Abs. 1 GG gering. Er mag zwar seit vielen Jahren praktisch nur den Vornamen „Y“, allenfalls noch „X Y“ benutzen. Der maßgebliche Eintrag in der Geburtsurkunde ist jedoch ein anderer. Ganz wesentlich ist darüber hinaus der Umstand, dass der Antragsteller in allen anderen Lebensbereichen frei ist, seinen Rufnamen selbst zu wählen. Wie oben dargestellt sieht das derzeitige Namensrecht eine Unterstreichung eines Rufnamens nicht mehr vor. Vor diesem Hintergrund steht auch der weiteren Verwendung des Vornamensteils „Y“ als Rufname nichts im Wege. Dies gilt nicht nur im privaten Bereich, sondern auch in weiten Teilen des Geschäftsverkehrs, so etwa bei Banken und Versicherungen (Süßmuth/Koch, Pass- und Personalausweisrecht, 4. Auflage, 9. Lieferung, Stand: Februar 2021, Erl § 5 PAuswG Rn. 14). Soweit im Rechtsverkehr die Angabe des vollen Vornamens erforderlich ist, hält der Aufwand für eine Änderung der bisherigen Angaben des Antragstellers sich in engen Grenzen und ist ihm zumutbar (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. Mai 2009 – 1 BvR 1155/03 – BVerfGE 123, 90, juris Rn. 42 zu einem Ehedoppelnamen).

23

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

24

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 und 63 Abs. 2 GKG.


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