Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (6. Kammer) - 6 B 32/21

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

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Der Antrag,

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die aufschiebende Wirkung des Bescheides vom 04.06.2021 der Antragsgegnerin wiederherzustellen, ist zulässig, aber unbegründet.

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Zunächst einmal ist der Antrag nach dem Rechtschutzbegehren des Antragstellers gemäß § 122 Abs. 1, § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den genannten Bescheid begehrt. Zum einen ist davon auszugehen, dass der Antrag die aufschiebende Wirkung seines Widerspruches betrifft, da nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur Rechtsbehelfe eine solche aufschiebende Wirkung entfalten können, nicht aber der Bescheid selbst. Zum anderen verfolgt der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung und nicht wie wörtlich beantragt, die Wiederherstellung. Dabei handelt es sich lediglich um eine juristische Ungenauigkeit. Die sprachliche Differenzierung zwischen der Wiederherstellung und der Anordnung der aufschiebenden Wirkung entsprechend den verschiedenen Alternativen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann von dem anwaltlich nicht vertretenen Antragsteller nicht verlangt werden.

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Der so verstandene Antrag ist hinsichtlich der Ziffer 3 des Zweitbescheides bereits unzulässig. Im Übrigen ist er zulässig, aber unbegründet.

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Statthaft ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, da die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich der Ziffer 1 des Bescheides vom 04.06.2021 gemäß § 25 Abs. 4 Schornsteinfeger-Handwerksgesetz (SchfHwG) kraft Gesetzes entfällt, vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO. In Bezug auf die Zwangsmittelandrohung in Ziffer 2 des Bescheides vom 04.06.2021 ist ebenfalls ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO statthaft, da es sich insoweit um eine Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung handelt, deren aufschiebende Wirkung nach § 248 LVwG i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO entfällt. Gegen die in Ziffer 3 enthaltene Festsetzung einer Verwaltungsgebühr in Höhe von 60,00 € ist gleichfalls ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO statthaft. Diesbezüglich entfällt die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO, denn es handelt sich um die Festsetzung von Kosten im Sinne dieser Vorschrift.

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Soweit sich der Antrag auf die in Ziffer 3 des Zweitbescheides festgesetzte Verwaltungsgebühr in Höhe von 60,00 € bezieht, ist der Antrag bereits unzulässig. In den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO ist vor Erhebung eines Antrages nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO ein vorheriger Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei der Behörde erforderlich, vgl. § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO. Einen solchen Aussetzungsantrag hat der Antragsteller nicht an die Antragsgegnerin gerichtet. Insbesondere war dem Widerspruchsschreiben ein solcher Antrag nicht zu entnehmen.

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Im Hinblick auf die Ziffern 1 und 2 des Zweitbescheides ist der zulässige Antrag unbegründet. Die Entscheidung über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ergeht aufgrund einer Interessenabwägung. In diese Abwägung ist die Erfolgsaussicht des eingelegten Rechtsbehelfs dann maßgeblich einzubeziehen, wenn sie in der einen oder anderen Richtung offensichtlich ist. An der Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides besteht kein öffentliches Interesse. Ist der Bescheid hingegen offensichtlich rechtmäßig, ist ein Aussetzungsantrag in den Fällen des gesetzlich angeordneten Sofortvollzugs regelmäßig abzulehnen – eine Abwägungsentscheidung ist insoweit regelmäßig durch den Gesetzgeber bereits getroffen worden. Sind die Erfolgsaussichten hingegen offen, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls eine Folgenabwägung durchzuführen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist vorliegend der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.

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Nach der im Eilverfahren gebotenen und allein nur möglichen summarischen Prüfung der Rechtslage erweist sich der Bescheid als offensichtlich rechtmäßig. Rechtsgrundlage der Ziffer 1 des Bescheides vom 04.06.2021 ist § 25 Abs. 2 Satz 1 SchfHwG. Danach setzt die zuständige Behörde in einem Zweitbescheid gegenüber dem Eigentümer fest, welche Reinigungen oder Überprüfungen nach § 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 oder wiederkehrende Messungen nach § 15 der Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen innerhalb welchen Zeitraums durchzuführen sind.

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Der Zweitbescheid ist sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht rechtmäßig. Zunächst hat die zuständige Behörde gehandelt. Nach § 23 SchfHwG werden die für die Aufgaben nach dem Schornsteinfeger-Handwerksgesetz zuständigen Behörden durch Landesrecht bestimmt. Nach § 1 Abs. 3 der Landesverordnung der zuständigen Behörden nach dem Schornsteinfeger-Handwerksgesetz sind die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der amtsfreien Gemeinden sowie die Amtsdirektorinnen und Amtsdirektoren, in ehrenamtlich verwalteten Ämtern die Amtsvorsteherinnen und Amtsvorsteher. Der hier handelnde Bürgermeister der Gemeinde B ist für den Erlass des Zweitbescheides zuständig, da die Gemeinde B amtsfrei ist und gemäß § 48 Abs. 1 Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein hauptamtlich verwaltet wird. Außerdem wurde der Antragsteller mit Schreiben vom 27.05.2021 vor Erlass des Zweitbescheides angehört. Er erhielt die Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 06.06.2021 und nahm diese Möglichkeit auch

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wahr, indem er mit Fax vom 01.06.2021 seine Argumente vorbrachte sowie weitere Unterlagen einreichte. Weiter wahrt der Zweitbescheid die Form, da er schriftlich erlassen wurde.

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Der Zweibescheid erweist sich auch als materiell offensichtlich rechtmäßig, die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage sind erfüllt.

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Beim Antragsteller handelt es sich um den Eigentümer des Grundstückes und der sich in dem Haus befindlichen Feuerstätten. Mit dem Zweitbescheid wurden dem Antragsteller verschiedene Arbeiten auferlegt, die er an den Feuerstätten durchzuführen hat. Zur Durchführung dieser Arbeiten wurde er bereits zuvor mit – inzwischen mangels Widerspruchs bestandskräftigen – Feuerstättenbescheid vom 17.08.2018 verpflichtet, ebenso zum Nachweis über die Ausführung dieser Arbeiten. Auf ebendiesen Feuerstättenbescheid nimmt der Zweitbescheid ausdrücklich Bezug. Den gesetzlichen Anforderungen des § 25 Abs. 2 Satz 1 SchfHwG wurde dadurch Rechnung getragen, dass der Feuerstättenbescheid des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers vom 17.08.2018 Bestandteil von Ziffer 1 des gegenständlichen Bescheides der Antragsgegnerin vom 04.06.2021 geworden ist. Insoweit ist für den Antragsteller erkennbar, welche Reinigungen oder Überprüfungen er bis zum von der Antragsgegnerin festgesetzten Zeitpunkt durchzuführen und nachzuweisen hatte. Da der Antragsteller dem Feuerstättenbescheid vom 17.08.2018 keine freiwillige Folge geleistet hat, lagen die Voraussetzungen für den Erlass des hier streitgegenständlichen Bescheides der Antragsgegnerin vom 04.06.2021 vor. Es ist auch nicht ersichtlich, dass es dem Antragsteller nicht möglich oder zumutbar gewesen ist, diese Arbeiten fristgerecht zu veranlassen.

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Die Begründung des Antrags stellt indes nicht in Abrede, dass diese sich ausdrücklich aus § 25 Abs. 2 Satz 1 SchfHwG ergebenden Voraussetzungen für den Erlass des Zweitbescheides erfüllt waren. Vielmehr vertritt der Antragsteller die Auffassung, dass es sich um eine privatrechtliche Streitigkeit handele, die nicht durch den Erlass eine Zweitbescheides geregelt werden dürfe. Entgegen der Auffassung des Antragstellers führt das etwaige Bestehen eines privatrechtlichen Vertrages nicht zur Rechtswidrigkeit des Zweitbescheides und lässt die öffentlich-rechtliche Eigentümerpflicht des Antragstellers nicht entfallen. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 SchfHwG ist jeder Eigentümer eines Grundstücks oder eines Raums verpflichtet, fristgerecht die Reinigung und Überprüfung von kehr- und prüfungspflichtigen Anlagen (Nr. 1) sowie die Schornsteinfegerarbeiten, die für kleine und mittlere Feuerungsanlagen durch Rechtsverordnung nach § 23 Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vorgeschrieben sind (Nr. 2) zu veranlassen. Außerdem hat der Eigentümer dafür Sorge zu tragen, dass erteilte Aufträge auch erfüllt und erforderliche Arbeiten fristgerecht erledigt werden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.07.2018 – 4 B 967/18 –, juris Rn. 11). Diese den Antragsteller als Eigentümer treffenden Pflichten werden durch eine etwaige zivilrechtliche Einigung mit dem Bezirksschornsteinfeger nicht beseitigt. Sie binden unverändert den Antragsteller. Sofern der Antragsteller eine Pflichtverletzung des von ihm Beauftragten vermutet, ist es seine Verantwortung, entweder eine andere Person mit der Durchführung zu beauftragen oder aber die Durchsetzung etwaiger zivilrechtlicher Ansprüche zu betreiben.

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Der Bezirksschornsteinfeger hat sich den Zweitbescheid auch nicht „erschlichen“, wie der Antragsteller vermutet. Im Gegenteil ist es nach § 25 Abs.1 SchfHwG die ausdrücklich gesetzlich normierte Pflicht des Bezirksschornsteinfegers, der zuständigen Behörde unverzüglich zu melden, wenn das Formblatt und die Bescheinigungen nicht innerhalb der in § 4 Abs. 2 genannten Frist zugegangen sind (Nr. 1) und die Durchführung der Arbeiten auch nicht auf andere Weise innerhalb dieser Frist nachgewiesen wurde (Nr. 2). Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Trotz entsprechender Fristsetzung hat der Antragsteller die angeordneten Arbeiten nicht durchgeführt und dafür auch keine Nachweise erbracht.

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Auch im Übrigen ist der Zweitbescheid rechtmäßig. Unmittelbar aus dem Wortlaut dieser Vorschrift folgt, dass der Erlass des in dieser Bestimmung vorgesehenen Zweitbescheides eine dem Grunde nach gebundene behördliche Entscheidung darstellt. Ein solcher Verwaltungsakt muss infolgedessen dann ergehen, wenn dem bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger bis zum Ablauf der in § 4 Abs. 1, Abs. 2 SchfHwG bezeichneten Frist das vollständig ausgefüllte Formblatt nicht zugegangen ist und innerhalb dieses Zeitraumes die Durchführung der im Feuerstättenbescheid festgesetzten Arbeiten auch nicht auf andere Weise nachgewiesen wurde (vgl. VG Mainz, Beschluss vom 11.02.2020 – 1 L 29/20.MZ –, juris Rn. 9, m. w. N.). Der Zweitbescheid ist grundsätzlich zur Sicherstellung von Betriebs- und Brandsicherheit sowie zum Umweltschutz, geeignet, erforderlich und angemessen, solange der Antragsteller den bestandskräftig festgesetzten Eigentümerpflichten nicht selbst nachkommt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.07.2018 – 4 B 967/18 –, juris Rn. 14 ff., unter Verweis auf BT-Drs. 16/9237, S. 36). Der Zweitbescheid soll gewährleisten, dass die notwendigen Schornsteinfegerarbeiten rechtzeitig und vollständig durchgeführt werden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.07.2018 – 4 B 967/18 –, juris Rn. 16).

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Dahingehend verbleibt der Behörde beim Vollzug des § 25 Abs. 2 Satz 1 SchfHwG ein Ermessensspielraum nur hinsichtlich des Zeitpunkts, an dem sie den Zweitbescheid erlässt sowie hinsichtlich der Bemessung der darin für die Durchführung der ausstehenden Arbeiten zu setzenden Nachfrist (vgl. VGH Bayern, Beschluss vom 19.10.2016 – 22 ZB 16.1914 –, juris Rn. 12 f.). Insoweit sind Ermessensfehler nicht ersichtlich (vgl. § 114 Satz 1 VwGO); gegen die Angemessenheit der Zeitspanne hat der Antragsteller auch keine Rüge erhoben.

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Der Zeitpunkt, an dem der vorliegende Zweitbescheid erlassen wurde, ist nicht zu beanstanden. Dass der Zweitbescheid bereits zwei Tage vor Ablauf der im Anhörungsschreiben genannten Frist erlassen wurde, ist dabei unschädlich, weil der Antragsteller bereits vor Ablauf der Frist eine Stellungnahme abgab und darin erneut seine Haltung zum Ausdruck brachte, dass es sich um eine Streitigkeit über vertraglich geschuldete Dienstleistungen handele. Eine eindeutige Aussage, die Arbeiten zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erledigen bzw. sie bei einer fachkundigen Stelle in Auftrag gegeben zu haben, lag ebenfalls nicht vor.

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Des Weiteren erweist sich auch die Fristsetzung nicht als unverhältnismäßig, da der Antragsteller auch im Vorfeld des Erlasses eines Zweitbescheids für einen langen Zeitraum die Möglichkeit hatte, der bestandskräftig festgestellten Eigentümerpflicht aus dem Feuerstättenbescheid nachzukommen. Zudem wurde dem Antragsteller auch zuvor schon mit dem Anhörungsschreiben vom 17.05.2021 erfolglos eine Nachfrist zum 06.06.2021 gesetzt. Folglich weist der Bescheid vom 04.06.2021 mit einer Fristsetzung für die Durchführung und den Nachweis der Arbeiten bis zum 18.07.2021 keine Ermessensfehler auf.

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Auch die Androhung der Ersatzvornahme in Ziffer 2 des Zweitbescheides begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Sie beruht auf § 25 Abs. 2 Satz 2 SchfHwG. Danach ist für den Fall der Nichtvornahme die Ersatzvornahme auf Kosten des Pflichtigen anzudrohen. Diese Voraussetzungen liegen vor. In der Rechtsfolge steht der Behörde kein Ermessen zu.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert ergibt sich aus § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Eine Halbierung des Streitwerts kommt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach der Rechtsprechung des Schleswig Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts mangels gesetzlichem Anhaltspunkt nicht in Betracht (Beschluss vom 13.01.2020 – 4 O 2/20 –).


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