Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (1. Kammer) - 1 B 6/22

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die AntragstellerInnen tragen die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 10.000 € festgesetzt.

Gründe

1

Der gestellte Antrag der AntragstellerInnen,

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den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen – jeweils einzeln – den Impfstatus „vollständig geimpft“ per Bescheid, welcher im Rechtsverkehr verwendet werden kann, zu bestätigen,

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ist bereits unzulässig (I.), kann darüber hinaus aber auch in der Sache keinen Erfolg haben (II.).

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I. Der Antrag bedarf zunächst der Auslegung gemäß § 122 Abs. 1, § 88 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach darf das Gericht über das Antragsbegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Eine Bindung besteht hinsichtlich des erkennbaren Antragsziels, so wie sich dieses im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aufgrund des gesamten Beteiligtenvorbringens darstellt. Nach ihrer Widerspruchsbegründung begehren die AntragstellerInnen von dem Antragsgegner, dass dieser ihnen „den Status 2G/vollständig geimpft per Verwaltungsakt“ bescheinigt. Zur Begründung beziehen sie sich im Wesentlichen darauf, dass ihr „Verlust“ des 2G-Status auf einer verfassungswidrigen Änderung des § 2 COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung (SchAusnahmV) vom 8. Mai 2021 durch Änderungsverordnung vom 14. Januar 2022 (BAnz AT 14.01.2022 V1) beruhe, weil § 2 SchAusnahmV nach dessen Änderung auf Webseiten des Robert-Koch Instituts (RKI) und des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) verweise und diese Konstruktion verfassungswidrig sei.

5

Die Ausstellung einer solchen Rechtsfolgenbescheinigung sehen die in Frage kommenden gesetzlichen Regelungen in Art. 5 VO EU 2021/953, § 22 Infektionsschutzgesetz (IfSG) bzw. § 2 Nr. 3 SchhAusnahmV nicht vor.

6

Die SchAusnahmV enthält selbst keine Regelungen zur Zuständigkeit für die Ausstellung eines Impfnachweises. Vielmehr ist die Regelung des § 2 Nr. 3 SchAusnahmV so zu verstehen, dass die bestehenden Impfdokumentationen nach § 22 Abs. 1 IfSG aus sich selbst heraus die erforderlichen Informationen über das Vorliegen eines vollständigen Impfschutzes beinhalten.

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Nach § 2 Nr. 3 SchAusnahmV ist ein Impfnachweis ein Nachweis hinsichtlich des Vorliegens eines vollständigen Impfschutzes gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache in verkörperter oder digitaler Form, wenn die zugrunde liegenden Schutzimpfungen den vom Paul-Ehrlich-Institut im Benehmen mit dem Robert Koch-Institut im Internet unter der Adresse www.pei.de/impfstoffe/covid-19 unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft veröffentlichten Vorgaben hinsichtlich folgender Kriterien entsprechen:

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a) verwendete Impfstoffe,

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b) für einen vollständigen Impfschutz erforderliche Anzahl an Einzelimpfungen,

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c) für einen weiterhin vollständigen Impfschutz erforderliche Auffrischimpfungen,

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d) Intervallzeiten, die nach einer Impfung für einen vollständigen Impfschutz abgewartet werden müssen (aa) und die höchstens zwischen Einzelimpfungen oder Auffrischimpfungen liegen dürfen (bb).

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Gemäß § 22 Abs. 1 IfSG hat die zur Durchführung von Schutzimpfungen berechtigte Person jede Schutzimpfung unverzüglich in einem Impfausweis oder, falls der Impfausweis nicht vorgelegt wird, in einer Impfbescheinigung zu dokumentieren (Impfdokumentation).

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Die Impfdokumentation muss nach § 22 Abs. 2 IfSG zu jeder Schutzimpfung folgende Angaben enthalten:

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1. Datum der Schutzimpfung,

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2. Bezeichnung und Chargenbezeichnung des Impfstoffes,

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3. Name der Krankheit, gegen die geimpft wurde,

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4. Name der geimpften Person, deren Geburtsdatum und Name und Anschrift der für die Durchführung der Schutzimpfung verantwortlichen Person sowie

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5. Bestätigung in Schriftform oder in elektronischer Form mit einer qualifizierten elektronischen Signatur oder einem qualifizierten elektronischen Siegel durch die für die Durchführung der Schutzimpfung verantwortliche Person.

19

Gemäß § 22 Abs. 2 Satz 3 IfSG kann bei Nachtragungen in einen Impfausweis jeder Arzt oder Apotheker die Bestätigung nach Satz 1 Nummer 5 vornehmen oder hat das zuständige Gesundheitsamt die Bestätigung nach Satz 1 Nummer 5 vorzunehmen, wenn dem Arzt, dem Apotheker oder dem Gesundheitsamt eine frühere Impfdokumentation über die nachzutragende Schutzimpfung vorgelegt wird.

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Abweichend hiervon ist gemäß § 22 Abs. 5 Satz 1 IfSG – zusätzlich zu der Impfdokumentation – auf Wunsch der geimpften Person die Durchführung einer Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in einem digitalen Zertifikat (COVID-19-Impfzertifikat) durch die zur Durchführung der Schutzimpfung berechtigte Person oder nachträglich von jedem Arzt oder Apotheker nach den näheren Bestimmungen der Sätze 2-4 zu bescheinigen. Der von den AntragstellerInnen in Anspruch genommene Kreis als Antragsgegner gehört danach nicht zu den ausstellungsbefugten Personen.

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Diese Vorschriften regeln jedoch nicht die Rechtsfolgen der dokumentierten Impfungen, weshalb es auch keinen Anspruch auf Feststellung dieser Rechtsfolgen im Rahmen der Impfdokumentation geben kann. Auch das Impfzertifikat nach Art. 3 VO EU 2021/953 bescheinigt lediglich Tatsachen und vorliegend die Tatsache, dass die Antragsteller eine Impfung mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson erhalten haben. Den AntragstellerInnen geht es jedoch nicht um die Bescheinigung dieser Impfung, sondern ausschließlich um die Feststellung der Rechtsfolgen dieser einen Impfung.

22

Wenn es keinen Anspruch auf einen solchen feststellenden Verwaltungsakt geben kann, bleibt nur der Antrag nach § 123 VwGO auf Feststellung eines konkreten Rechtsverhältnisses, das sich zwischen den Beteiligten aber nur aus der Corona-Bekämpfungsverordnung des Landes Schleswig-Holstein (Corona-BekämpfVO) in Verbindung mit den Ausnahmevorschriften ergeben kann.

23

Der Antrag der AntragstellerInnen ist deshalb nach dem verfassungsrechtlichen Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes dahingehend auszulegen, dass sie den in der Sache in Betracht kommenden Rechtsbehelf einlegen wollten (vgl. Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 15. Oktober 2020 – 1 B 118/20 –, Rn. 3, juris), und sie deshalb einstweilen gemäß § 123 Abs. 1 VwGO die Feststellung gegenüber dem Antragsgegner begehren, dass sie – weil sie als vollständig geimpft im Sinne von u.a. § 2 Abs. 4 Nr. 1 Corona-BekämpfVO in der Fassung vom 8. Februar 2022 i. V. m. § 2 Nr. 2 COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung (SchAusnahmV) vom 8. Mai 2021, zuletzt geändert durch Verordnung vom 14. Januar 2022 (BAnz AT 14.01.2022 V1) gelten – den in der Verordnung genannten Beschränkungen für nicht vollständig Geimpfte nicht unterliegen. Der so verstandene Antrag hat insoweit jedoch keinen Erfolg.

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II. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts der AntragstellerInnen vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) als auch einen sicherungsfähigen Anspruch (Anordnungsanspruch) voraus. Die tatsächlichen Voraussetzungen dafür sind glaubhaft zu machen (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Dem Wesen und Zweck einer einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht im einstweiligen Anordnungsverfahren grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einem Antragsteller nicht schon – wie hier begehrt – das zusprechen, was er – sofern ein Anspruch besteht – nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen könnte. Dieser Grundsatz des Verbotes einer Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung gilt jedoch im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) gewährleisteten wirksamen Rechtschutz dann nicht, wenn die erwarteten Nachteile bei einem Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache spricht.

25

Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass im Grundsatz sowohl ein Bedürfnis für eine gerichtliche Eilentscheidung vorliegt, als auch, dass einer gerichtlichen Eilentscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren nicht der Grundsatz des Verbots einer Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache entgegensteht. Denn es könnte vorliegend im Hinblick auf die mögliche Begehung einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 21 Corona-BekämpfVO durch eine Handlung, die nach der Corona-BekämpfVO nur vollständig geimpften Personen gestattet ist, eine besondere Eilbedürftigkeit bestehen und das Abwarten einer rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren der Hauptsache für die Antragsteller nicht zumutbar sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt der Verweis auf ein im etwaigen Bußgeldverfahren, zur Verfügung stehendes Rechtsmittel keinen ausreichenden effektiven Rechtsschutz dar. Einem Betroffenen sei es nicht zuzumuten, die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen auf der Anklagebank erleben zu müssen. Der Betroffene habe vielmehr ein schutzwürdig anzuerkennendes Interesse daran, den Verwaltungsrechtsweg als fachspezifischere Rechtsschutzform einzuschlagen, insbesondere, wenn ein Ordnungswidrigkeitenverfahren oder Strafverfahren droht. Seien die Gerichte zur Sachprüfung verpflichtet, könnten sie sich auch einer Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren insoweit nicht entziehen (BVerfG, Beschluss vom 7. März 2003 – 1 BvR 2129/02 – NVwZ 2003, 856).

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Der Antrag ist jedoch unzulässig, weil die Antragsteller kein konkretes feststellungsfähiges Rechtsverhältnis bezeichnet haben und dies auch aus sonstigen Umständen nicht für das Gericht erkennbar ist. Der Antrag muss auf die vorläufige Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gerichtet sein. Im Verfahren der Hauptsache wäre dazu die Feststellungsklage richtige Rechtsbehelf. Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht (BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1996 – 8 C 19.94 – BVerwGE 100, 262). Rechtliche Beziehungen haben sich nur dann zu einem Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist (BVerwG, Urteil vom 7. Mai 1987 – 3 C 53.85 – BVerwGE 77, 207). Vorliegend ist allerdings noch gar nicht dargelegt worden, gegen welche konkreten Normen der Corona-BekämpfVO die Antragsteller verstoßen könnten, da sie nicht mitgeteilt haben, welche Handlungen, die nur für vollständig Geimpfte erlaubt sind, von ihnen vorgenommen werden sollen. Sie haben lediglich vorgetragen, dass sie in dieser Woche „gesellschaftliche Verpflichtungen“ wahrzunehmen hätten. Eine durch die Corona-BekämpfVO begründete Pflichtenbeziehung hat sich zwischen den Beteiligten noch nicht zu einem Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO verdichtet.

27

Der Antrag wäre auch unbegründet.

28

Denn die AntragstellerInnen haben das Bestehen eines Anordnungsanspruchs nicht in einer die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Weise glaubhaft gemacht. Nach der in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung ist nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich die Antragsteller zu Recht darauf berufen könnten, die für vollständig geimpfte Personen in der Corona-BekämpfVO vorgesehenen Ausnahmen für sich in Anspruch nehmen zu können.

29

Zwar regelt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Verordnung (EU) 2021/953 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2021 über einen Rahmen für die Ausstellung, Überprüfung und Anerkennung interoperabler Zertifikate zur Bescheinigung von COVID-19-Impfungen und -Tests sowie der Genesung von einer COVID-19-Infektion (digitales COVID-Zertifikat der EU) mit der Zielsetzung der Erleichterung der Freizügigkeit während der COVID-19-Pandemie (im Weiteren: VO EU 2021/953), dass jeder Mitgliedstaat Personen, denen ein COVID-19-Impfstoff verabreicht wurde, entweder automatisch oder auf Antrag dieser Personen Impfzertifikate nach Artikel 3 Abs. 1 Buchstabe a ausstellt. Das Impfzertifikat enthält nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO EU 2021/953 folgende Kategorien personenbezogener Daten: a) Identität des Inhabers; b) Informationen über den COVID-19-Impfstoff und die die dem Inhaber verabreichten Anzahl der Dosen; c) Zertifikatmetadaten, z. B. Zertifikataussteller oder eine eindeutige Zertifikatkennung. Nach Art. 5 Abs. 3 VO EU 2021/953 wird das Impfzertifikat nach der Verabreichung jeder einzelnen Dosis in einem sicheren und interoperablen Format nach Artikel 3 Absatz 2 ausgestellt, und daraus geht eindeutig hervor, ob das Impfprogramm abgeschlossen wurde oder nicht. Die Verordnung enthält weder eine Legaldefinition des Begriffs „Impfprogramm“, noch gibt der EU-Verordnungsgeber selbst vor, wann ein Impfprogramm abgeschlossen ist. Weil die Regelung dieser Frage der Regelungshoheit der einzelnen Mitgliedsstaaten obliegt, kann ein EU-Zertifikat, wie es die AntragstellerInnen bereits innehaben, daher keine weitergehende Auskunft zur Frage enthalten, ob mit dem Abschluss des Impfprogramms auch der Rechtsstatus „vollständig geimpft“ einhergeht (im Ergebnis einen Anspruch auf Ausstellung eines Genesenennachweises nach Art. 7 EU VO 2021/953 ebenfalls verneinend: VG Berlin, Beschluss vom 20. September 2021 – 14 L 512/21 –, juris Rn. 15 ff.).

30

Der Gesetzgeber hat in der Verordnungsermächtigung des § 28c Satz 1 IfSG die Bundesregierung dazu ermächtigt hat, durch Rechtsverordnung für Personen, bei denen von einer Immunisierung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 auszugehen ist oder die ein negatives Ergebnis eines Tests auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vorlegen können, Erleichterungen oder Ausnahmen von Geboten und Verboten nach dem fünften Abschnitt dieses Gesetzes oder von aufgrund der Vorschriften im fünften Abschnitt dieses Gesetzes erlassenen Geboten und Verboten zu regeln. Rechtsverordnung im vorgenannten Sinne bedürfen nach Satz 3 der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat. Auf dieser Grundlage hat die Bundesregierung am 8. Mai 2021 die SchAusnahmV verordnet, die mit Wirkung vom 14. Januar 2022 (s.o.) zuletzt geändert wurde.

31

Im Sinne der Verordnung ist nunmehr nach § 2 Nr. 2 eine geimpfte Person eine asymptomatische Person, die im Besitz eines auf sie ausgestellten Impfnachweises ist. Nach § 2 Nr. 3 SchAusnahmV ist ein Impfnachweis ein Nachweis hinsichtlich des Vorliegens eines vollständigen Impfschutzes gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache in verkörperter oder digitaler Form, wenn die zugrunde liegenden Schutzimpfungen den vom Paul-Ehrlich-Institut im Benehmen mit dem Robert Koch-Institut im Internet unter der Adresse www.pei.de/impfstoffe/covid-19 unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft veröffentlichten Vorgaben hinsichtlich folgender Kriterien entsprechen:

32

a) verwendete Impfstoffe,

33

b) für einen vollständigen Impfschutz erforderliche Anzahl an Einzelimpfungen,

34

c) für einen weiterhin vollständigen Impfschutz erforderliche Auffrischimpfungen,

35

d) Intervallzeiten, die nach einer Impfung für einen vollständigen Impfschutz abgewartet werden müssen (aa) und die höchstens zwischen Einzelimpfungen oder Auffrischimpfungen liegen dürfen (bb).

36

Dabei kann die Kammer aufgrund der Kürze der Zeit und der Komplexität der sich stellenden Rechtsfragen nicht abschließend beurteilen, ob sich der Gesetzgeber in verfassungsgemäßer Weise zu der Frage, wann der vollständige Impfschutz erreicht ist, einer derartigen Regelungssystematik bedienen durfte.

37

Es stellt sich bereits die Frage, ob die in § 28c Satz 1 IfSG vorgesehene Ermächtigung der Bundesregierung zum Erlass einer Rechtsverordnung über Erleichterungen und Ausnahmen von den andernfalls nach § 28a IfSG i.V.m. Landesverordnungen geltenden Ge- und Verboten „für Personen, bei denen von einer Immunisierung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 auszugehen ist oder die ein negatives Ergebnis eines Tests auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vorlegen können“ den verfassungsrechtlichen Vorgaben des aus dem Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleiteten Parlamentsvorbehalts und des Bestimmtheitsgebots (letzteres bei Verordnungsermächtigungen i.V.m. mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) genügt.

38

Nach Art. 80 Abs. 1 GG kann die Bundesregierung durch Gesetz ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen aber Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. Der Grad der jeweils zu fordernden Bestimmtheit einer Regelung hängt auch von der Intensität der Auswirkungen der Regelung für die Betroffenen ab. Je schwerwiegender die Auswirkungen sind, desto höhere Anforderungen werden an die Bestimmtheit der Ermächtigung zu stellen sein. Insoweit berührt sich das Bestimmtheitsgebot mit dem Verfassungsgrundsatz des Vorbehalts des Gesetzes, der fordert, dass der Gesetzgeber die entscheidenden Grundlagen des zu regelnden Rechtsbereichs, die den Freiheits- und Gleichheitsbereich des Bürgers wesentlich betreffen, selbst festlegt und dies nicht dem Handeln der Verwaltung überlässt. Damit soll gewährleistet werden, dass Entscheidungen von besonderer Tragweite aus einem Verfahren hervorgehen, das der Öffentlichkeit Gelegenheit bietet, ihre Auffassungen auszubilden und zu vertreten, und das die Volksvertretung dazu anhält, Notwendigkeit und Ausmaß von Grundrechtseingriffen in öffentlicher Debatte zu klären. Geboten ist ein Verfahren, das sich durch Transparenz auszeichnet und das die Beteiligung der parlamentarischen Opposition gewährleistet. Das Grundgesetz kennt allerdings keinen Gewaltenmonismus in Form eines umfassenden Parlamentsvorbehalts. Die in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG normierte organisatorische und funktionelle Trennung und Gliederung der Gewalten zielt auch darauf ab, dass staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen. Vor diesem Hintergrund kann auch die Komplexität der zu regelnden Sachverhalte den Umfang der Regelungspflicht des Gesetzgebers begrenzen. Sollen Regelungen ergehen, die Freiheits- und Gleichheitsrechte der Betroffenen wesentlich betreffen, ist die Einbindung des Verordnungsgebers in die Regelungsaufgabe nicht schlechthin ausgeschlossen. Die wesentlichen Fragen sind dann aber, sofern nicht funktionale Grenzen der Gesetzgebung entgegenstehen, entweder unmittelbar durch den Gesetzgeber oder durch entsprechend bestimmte Regelung von Inhalt, Zweck und Ausmaß der Verordnungsermächtigung in einem formellen Gesetz zu klären (BVerfG, Beschluss vom 24. März 2021 – 1 BvR 2656/18 –, juris Rn. 260). Die Tatsache, dass eine Frage politisch umstritten ist, führt für sich genommen nicht dazu, dass diese als wesentlich verstanden werden müsste (BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1998 – 1 BvR 1640/97 –, juris Rn. 133). Zuletzt stellt sich die Frage, ob im hiesigen Fall gegebenenfalls die nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG gebotene Regelung durch den Gesetzgeber durch die in § 28c Satz 3 IfSG vorgesehene Zustimmung des Bundestags und Bundesrats an den Verordnungen der Bundesregierung kompensiert werden und das fehlende Gesetzgebungsverfahren und seine Legitimationswirkung ersetzen kann (verneint zu einer bloßen Beteiligung des Bundesrates am Verordnungserlass der Bundesregierung im Rahmen des Klimaschutzgesetzes: BVerfG, Beschluss vom 24. März 2021 – 1 BvR 2656/18 –, juris Rn. 265).

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Betrachtet man die derzeit an eine vermutete Immunisierung geknüpften „Ausnahmen und Erleichterungen“ von andernfalls greifenden Ge- und Verboten (Einschränkung der Wahrnehmung von Freizeitangeboten aller Art für Menschen, die nicht als immunisiert gelten), mag eine Regelung durch förmliches Gesetz nicht gänzlich fernliegend sein, was sich auch aus dem Gedanken ergibt, dass der Bundesgesetzgeber mit der Bundesnotbremse in § 28a IfSG den Katalog der zulässigen Beschränkungen selbst geregelt hat, was hier die Frage aufwirft, ob auch die konkreten Vorgaben, wie sie nun in § 2 Nr. 3 SchAusnahmV geregelt sind, eines formellen Gesetzes bedurft hätten („actus contrarius“).

40

Zur Frage der Einhaltung des Bestimmtheitgrundsatzes wird in dem von den Antragstellern zitierten Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes der Bundesregierung vom 28. Januar 2022 (Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 006/22, Seite 5, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/879942/99eedf2b3492882053bd16491ec42a7c/WD-3-006-22-pdf-data.pdf, zuletzt abgerufen am 11. Februar 2022) zutreffend ausgeführt:

41

„Problematisch erscheint, dass die Norm keine Kriterien dazu vorgibt, wann eine Immunisierung vorliegt, durch wen diese festgestellt wird, wie lange sie gilt und welche Ausnahmen möglich sind. Aufgrund der hohen Grundrechtsrelevanz erscheint das vollständige Überlassen der Regelung dieser Frage an die Exekutive kritisch. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass § 28c IfSG die Bundesregierung zum Erlass der Ausnahmevorschriften zwar ermächtigt, nicht jedoch dazu verpflichtet. Die Bundesregierung könnte somit auch auf den Erlass einer entsprechenden Verordnung und damit das Vorsehen von Ausnahmen für Immunisierte verzichten, obgleich das Vorsehen zumindest gewisser Ausnahmen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zwingend sein dürfte.“

42

Gelangt man zur Verfassungsgemäßheit der Regelung des Immunitätsnachweises durch Bundesverordnung, dürfte danach wesentlich die Frage sein, ob der Verordnungsgeber in zulässiger Weise die Letztentscheidung, welche Impfstoffe, Anzahl von Einzelimpfungen, Auffrischungsimpfungen und Intervallzeiten zwischen diesen für einen vollständigen Impfschutz erforderlich sind, dem Paul-Ehrlich-Institut übertragen hat.

43

Dabei sind allerdings die Ausführungen sowie die daraus gefolgerten Rechtsfolgen des von den AntragstellerInnen zitierten Beschlusses des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 4. Februar 2022 (3 B 4/22 –, juris) auf den hiesigen Fall nicht übertragbar.

44

Denn vor Änderung der Voraussetzungen des Genesenenstatus am 14. Januar 2022 hatte der Verordnungsgeber in § 2 Nr. 5 SchAusnahmV selbst die Voraussetzungen des Genesenenstatus festgelegt und die Dauer auf sechs Monate befristet, während er nun zur Frage des Genesenennachweises eine (dynamische) Verweisung auf die im Internet unter der Adresse www.rki.de/covid-19-genesenennachweis unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft veröffentlichten Vorgaben hinsichtlich im Weiteren durch den Verordnungsgeber festgelegten Kriterien vornimmt. Das Verwaltungsgericht Osnabrück hat in der Folge die Änderung der SchAusnahmV vom 14. Januar 2022 für verfassungswidrig gehalten und die SchAusnahmV in der Vorgängerfassung vom 8. Mai 2021 angewandt.

45

Hinsichtlich der Frage einer vollständigen Immunisierung durch Impfungen hat der Verordnungsgeber jedoch auch bereits vor Änderung der Verordnung am 14. Januar 2022 darauf verwiesen, dass die Schutzimpfung mit einem oder mehreren vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) im Internet unter der Adresse www.pei.de/impfstoffe/covid-19 genannten Impfstoffen erfolgt und

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- entweder aus einer vom Paul-Ehrlich-Institut im Internet unter der Adresse www.pei.de/impfstoffe/covid-19 veröffentlichten Anzahl von Impfstoffdosen, die für eine vollständige Schutzimpfung erforderlich ist, bestehen und seit der letzten erforderlichen Einzelimpfung mindestens 14 Tage vergangen sein oder

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- bei einer genesenen Person aus einer verabreichten Impfstoffdosis bestehen muss. (§ 2 SchAusnahmV in der Fassung vom 8. Mai 2021).

48

Mit der Änderung der Verordnung hat der Gesetzgeber in § 2 Nr. 3 SchAusnahmV zwar den Zusatz „unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft veröffentlichten Vorgaben“ eingefügt. Hierin dürfte aber letztlich keine Änderung des vormaligen Regelungsgehaltes der Norm liegen, denn auch der in der Vorgängerfassung ohne diesen Zusatz eingefügte Verweis auf eine Internetseite des PEI und die dortigen Veröffentlichungen/Informationen haben bereits einen dynamischen Verweis beinhaltet, da der Inhalt der Internetauftritte sich jederzeit ändern und den Regelungsgehalt der Norm dadurch modifizieren konnte. Der Verordnungsgeber hat jedoch auch die für einen vollständigen Impfschutz zu erfüllenden Kriterien, die wiederum vom PEI ausgefüllt werden (müssen), näher festgelegt und dadurch die Regelungsdichte grundsätzlich erhöht. In der Ausgangsfassung vom 8. Mai 2021 wurden lediglich das Kriterium des Impfstoffes und der Anzahl der erforderlichen Einzelimpfungen konkretisiert, während der Gesetzgeber nunmehr die Kriterien der verwendeten Impfstoffe, erforderlichen Anzahl an Einzelimpfungen, für einen weiterhin vollständigen Impfschutz erforderlichen Auffrischimpfungen, Intervallzeiten, die nach einer Impfung für einen vollständigen Impfschutz abgewartet werden müssen und die höchstens zwischen Einzelimpfungen oder Auffrischimpfungen liegen dürfen, normiert.

49

Nichtsdestotrotz verbleibt die Letztentscheidung, welche (Einzel-) Impfungen in welcher Anzahl und Kombination zum vollständigen Impfschutz führen aufgrund der dynamischen Verweisung beim PEI (im Einvernehmen mit dem RKI).

50

In der Rechtsprechung ist im Ausgangspunkt geklärt, dass ein Normgeber nicht nur auf eigene, sondern auch auf Regelungen anderer Normgeber verweisen darf. Dies schließt grundsätzlich auch dynamische Verweisungen ein, sofern sie sich in dem durch die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Bundesstaatlichkeit gesetzten Rahmen bewegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 2016 – 1 BvL 8/10 –, juris Rn. 75). Grundrechtliche Gesetzesvorbehalte können diesen Rahmen zusätzlich einengen. Für die Beurteilung kommt es in diesem Zusammenhang maßgeblich darauf an, ob der Verweisungsumfang „eng bemessen“ ist, weil insoweit davon ausgegangen werden kann, dass der verweisende Normgeber die in Bezug genommenen Regelungen im Blick behält, sodass er auf den vorgegebenen Rahmen sprengende oder von ihm nicht gewünschte Änderungen umgehend reagieren kann (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Juli 2020 – 13 B 968/20.NE –, Rn. 92 ff., juris m.w.N.). Äußerste Grenze einer dynamischen Verweisung bilden die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, dass der Gesetzgeber seine Normsetzungsbefugnis jedoch nicht in beliebigem Umfang außerstaatlichen Stellen überlassen darf, soll der Bürger nicht schrankenlos einer normsetzenden Gewalt nichtstaatlicher Einrichtungen ausgeliefert werden (BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 1983 – 2 BvR 488/80 –, juris Rn. 24). Diesen Vorgaben könnte die Norm des § 2 Nr. 3 SchAusnahmV aufgrund des durch die Änderung vom 14. Januar 2022 enger gezogenen Kriterienkatalogs möglicherweise noch genügen, zumal das PEI die nach § 77 Abs. 1 und 2 Arzneimittelgesetz (AMG) zuständige Bundesoberbehörde u.a. für Sera, Impfstoffe und Arzneimittel für neuartige Therapien ist und folglich der Aufsicht des zuständigen Bundesministeriums, mithin der Bundesregierung unterliegt.

51

Angesichts der vorbezeichneten Unsicherheiten muss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren offenbleiben, ob die in § 2 Nr. 3 SchAusnahmV geregelten und durch die Hinweise des PEI auf die Internetseite www.pei.de/impfstoffe/covid-19 näher festgelegten Anforderungen für den vollständigen Impfschutz hier Anwendung finden, nach denen bei einer – wie von den AntragstellerInnen dargelegten – Erstimpfung mit dem Impfstoff COVID-19 Vaccine Janssen (Zul.-Nr. EU/1/20/1525) eine zweite Impfung erforderlich ist, die entweder mit dem Impfstoff Comirnaty (Zul.-Nr. EU/1/20/1528) oder dem Impfstoff Spikevax (Zul.-Nr. EU/1/20/1507) zu erfolgen hat.

52

Selbst wenn die Kammer zu der Auffassung käme, dass die Regelung des § 2 Nr. 3 SchAusnahmV verfassungswidrig und in der Folge nicht anwendbar wäre, führte dies nicht zu dem geltend gemachten Anspruch der AntragstellerInnen. Denn dann fehlte es an einer erforderlichen Regelung, weil auch die Anwendung der alten Fassung der SchAunahmV zu keinem anderen Ergebnis käme. Mangels eigener Sach- und Fachkenntnis könnte die Kammer selbst nicht entscheiden, wann eine hinreichende Immunisierung für den Nachweis eines vollständigen Impfschutzes vorliegt.

53

Lediglich der Klarstellung halber sei angemerkt, dass die Kammer der Auffassung der AntragstellerInnen zur fehlenden sachlichen Rechtfertigung einer zweiten Impfung nicht folgt.

54

Hierzu finden sich zu der Entscheidung der STIKO (bereits seit Oktober 2021), allen Personen, die 1-malig mit der COVID-19 Vaccine Janssen geimpft worden waren, zur Optimierung ihrer Grundimmunisierung eine weitere Impfstoffdosis zu geben (ggf. mit einem mRNA-Impfstoff - heterologes Impfschema) auf Seite 32 ff. des Epidemiologischen Bulletins des RKI (abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2022/Ausgaben/03_22.pdf?__blob=publicationFile) eine detaillierte Begründung unter Auswertung diverser aktueller Studien. Auch von der EMA ist seit 15. Dezember 2021 eine 2. Impfstoffdosis der COVID-19 Vaccine Janssen in einem Mindestabstand von 2 Monaten zur 1. Impfstoffdosis für Erwachsene zugelassen. Darüber hinaus wurde von der EMA die heterologe Auffrischungsimpfung mit der COVID-19 Vaccine Janssen (nach vorangehender 2-maliger Impfung mit einem mRNA-Impfstoff gegen COVID-19) in der gleichen Dosierung zugelassen. Mit der dortigen Studienauswertung haben die AntragstellerInnen sich schon nicht hinreichend auseinandergesetzt.

55

Die danach vorzunehmende – rechtmäßigkeitsunabhängige – Interessenabwägung geht zulasten der AntragstellerInnen aus.

56

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind die Gerichte bei der Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Regelungen des vorläufigen Rechtsschutzes – wie § 123 VwGO – gehalten, der besonderen Bedeutung der betroffenen Grundrechte und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen. Daraus folgt grundsätzlich die Verpflichtung, die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes jedenfalls dann auf eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage zu stützen, wenn diese Versagung zu schweren und unzumutbaren Nachteilen führt. Droht einem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Grundrechten, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, darf eine Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes von Verfassung wegen jedoch dann ausschließlich auf eine Folgenabwägung gestützt werden, wenn es nicht möglich ist, eine – gegebenenfalls auch nur summarische – Rechtmäßigkeitsprüfung in der für eine Eilentscheidung zur Verfügung stehenden Zeit durchzuführen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 12. Juli 2018 – 1 BvR 1401/18 –, juris Rn. 5, m.w.N.).

57

Bereits angesichts des Umstandes, dass die AntragstellerInnen nicht näher konkretisiert haben, an welchen „gesellschaftlichen Verpflichtungen“ sie genau nicht teilnehmen können, weil sie nach den derzeitigen Vorgaben des PEI als nicht vollständig geimpft gelten, ist schon nicht ersichtlich, wie schwer ihre vorgetragene Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG wiegt.

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Angesichts der Gefahren, die mit einer ggf. unzureichenden Immunisierung, der damit verbundenen potentiell erhöhten Transmission – insbesondere der sich ausbreitenden und hoch ansteckenden Omikron-Variante – von Teilnehmenden gesellschaftlicher Veranstaltungen für die Gesundheit Dritter und den allgemeinen Infektionsschutz einhergehen, erscheint es den AntragstellerInnen einstweilen zumutbar, auf solche Veranstaltungen verzichten oder sich zeitnah ein zweites Mal impfen zu lassen, um sodann 14 Tage später den vollständigen Impfschutz zu genießen. Dies gilt insbesondere mit Blick drauf, dass entsprechende Veranstaltungen (u.a. Restaurantbesuche) zum Großteil ohne das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung stattfinden.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1 VwGO. Der Streitwert wurde gemäß § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (Auffangwert von 5.000 € für jede/n Antragsteller/in) festgesetzt.


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