Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (4. Kammer) - 4 B 12/22

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 20,25 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens gegen die Erhebung einer Jahreskurabgabe.

2

Die Antragsgegnerin erhebt aufgrund ihrer Anerkennung als Kurort für besondere Vorteile aus der Möglichkeit zur Inanspruchnahme der gemeindlichen Kur- und Erholungseinrichtungen und -veranstaltungen auf der Grundlage ihrer Satzung über die Erhebung einer Kurabgabe vom 16. Dezember 2019, zuletzt geändert durch die 2. Änderungssatzung vom 15. Dezember 2021, (nachfolgend: KAS) eine Kurabgabe.

3

Die Antragstellerin und ihr Ehemann ... ., der zugleich Antragsteller des Verfahrens 4 B 11/22 ist, sind Eigentümer einer Wohneinheit im .... . Unter dem 6. März 2021 erklärten sie zur Erhebung der Zweitwohnungssteuer für das Erhebungsjahr 2020, das Objekt über eine Vermittlungsagentur an 81 Tagen vermietet zu haben. In der vermietungsfreien Zeit vom 7. bis zum 11. Februar 2020 sowie vom 20. bis zum 25. September 2020 hätten sie die Wohnung zu Freizeitzwecken genutzt.

4

Die Antragsgegnerin setzte daraufhin mit Bescheid vom 17. September 2021 gegen die Antragstellerin eine Jahreskurabgabe für das Jahr 2020 in Höhe von 81 € fest.

5

Hiergegen erhob die Antragstellerin mit Schreiben vom 18. Oktober 2021 Widerspruch und beantragte gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheides. In ihrer Widerspruchsbegründung vom 9. Dezember 2021 machte sie geltend, die dem Bescheid zugrundeliegende Satzung verstoße gegen höherrangiges Recht und sei deshalb nichtig. Die Definition des Abgabeschuldners und des Abgabegegenstandes in § 2 KAS sowie die Pauschalierung der Bemessungsgrundlage auf 27 Tage in der Hauptsaison gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b KAS verstießen gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot in Art. 3 GG, den Schutz von Ehe und Familie in Art. 6 GG und das Rechtsstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 3 GG. Die Regelung in § 2 Abs. 2 KAS sei in mehrfacher Hinsicht unklar und deshalb mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht zu vereinbaren. Der Wortlaut des § 2 Abs. 2 KAS treffe auf Einwohner des Erhebungsgebiets wie auch auf Eigentümer einer Ferienwohnung zu. Von Einwohnern werde aber keine Jahreskurabgabe erhoben. Der Begriff der im Haushalt lebenden Familienangehörigen gehe deutlich über denjenigen der Ehegatten und Lebenspartner hinaus. Er betreffe auch Kinder des Wohnungseigentümers. Zudem würden Ehegatten gegenüber nicht eingetragenen Lebenspartnern benachteiligt. Die Vorschrift knüpfe zudem an den Haushalt des Wohnungseigentümers an dessen ständigem Aufenthaltsort an, der aber außerhalb des Erhebungsgebietes liege. Die Satzung definiere damit auch denjenigen als Abgabeschuldner, der am Hauptwohnsitz des Wohnungseigentümers in dessen Haushalt lebe, auch wenn dieser überhaupt keinen Bezug zum Erhebungsgebiet habe und sich dort auch nicht aufhalte. Nach der Pauschalierung in § 4 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b KAS reiche allein die Eigenschaft als im selben Haushalt am Hauptwohnsitz des Abgabeschuldners lebender Ehegatte aus, um der Jahreskurabgabe unterworfen zu werden. Eheleute, die zugleich Miteigentümer seien, würden doppelt benachteiligt, weil sie sowohl in ihrer Eigenschaft als Eheleute als auch in ihrer Eigenschaft als Miteigentümer als Abgabeschuldner eingestuft würden. Schließlich hätten sie und ihr Ehemann die Wohnung im Jahr 2020 lediglich an insgesamt elf Tagen genutzt, weshalb die Festsetzung einer pauschalierten Jahreskurabgabe sowohl für sie als auch ihren Ehemann völlig unverhältnismäßig sei. Dies gelte umso mehr, als sie zusätzlich zur Zweitwohnungssteuer veranlagt würden.

6

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 2022, zugestellt am 24. März 2022, wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück. Zur Begründung verwies sie darauf, dass für die Entstehung der Abgabenpflicht der Aufenthalt im Erhebungsgebiet und die Möglichkeit zur Inanspruchnahme der Kur- und Erholungseinrichtungen genügten. In Anbetracht der zu zweit stattgefundenen Aufenthalte vom 7. bis zum 11. Februar 2020 und vom 20. bis zum 25. September 2020 könne auch nicht festgestellt werden, dass die Aufenthalte auf das Notwendige beschränkt gewesen seien. Auf die Zielrichtung des Aufenthaltes komme es nicht an. Meldescheine zu einer bereits geleisteten Tageskurabgabe seien nicht eingereicht worden.

7

Die Antragstellerin hat am Montag, dem 25. April 2022, die unter dem Aktenzeichen
4 A 103/22 anhängige Klage erhoben und zugleich um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.

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Zur Begründung wiederholt sie ihr bisheriges Vorbringen.

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Die Antragstellerin beantragt wörtlich,

10

die Aussetzung der Vollziehung des Kurabgabe-Jahresbescheids 2020 vom 17. September 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. März 2022.

11

Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

13

Sie bezieht sich im Wesentlichen auf die Ausführungen in ihrem Widerspruchsbescheid und verweist auf die obergerichtliche Rechtsprechung zur Zulässigkeit der pauschalierten Jahreskurabgabe. Ihre Satzung setze die Vorgaben des § 10 Abs. 3 KAG um. Die Kurabgabe werde nach § 2 Abs. 2 KAS von allen Personen erhoben, die sich im Erhebungsgebiet aufhielten, ohne dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu haben (ortsfremd) und denen dadurch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der gemeindlichen Leistungen im Sinne des § 1 der Satzung geboten würde. Als ortsfremd würden u.a. auch die in demselben Haushalt lebenden Familienangehörigen (Ehegatten und Lebenspartner) gelten. Ehegatten und Lebenspartnern gleichgestellt seien nach § 2 Abs. 2 Satz 2 KAS Personen, die mit dem Eigentümer bzw. Besitzer der Wohngelegenheit in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft in einem Haushalt lebten. Die Jahreskurabgabe werde als Vorauszahlung erhoben. Nach § 9 Abs. 1 KAS bestehe aber eine Erstattungsmöglichkeit, wenn nachgewiesen werde, dass der Abgabeschuldner während des gesamten abgelaufenen Jahres dem Erhebungsgebiet ferngeblieben sei. Eine Benachteiligung der Ehegatten und/oder Mieteigentümer sei nicht ersichtlich, da die Kurabgabe von allen Personen erhoben werde, die sich im Erhebungsgebiet aufhielten.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

15

Der Antrag der Antragstellerin ist bei verständiger Würdigung ihres Begehrens nach § 122 Abs. 1, § 88 VwGO als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage 4 A 103/22 gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO auszulegen.

16

Der so verstandene Antrag ist zwar zulässig.

17

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO statthaft, weil es sich bei der angefochtenen Jahreskurabgabe um eine öffentliche Abgabe im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO handelt und die von der Antragstellerin erhobene Klage deshalb keine aufschiebende Wirkung hat.

18

Der Zulässigkeit des Antrags steht auch § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO nicht entgegen. Zwar hat die Antragsgegnerin den mit Schreiben der Antragstellerin vom 18. Oktober 2021 gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nicht förmlich abgelehnt. Die Ablehnung des Antrags ist jedoch nach § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO hier ausnahmsweise entbehrlich. Zureichende Gründe, die die Antragsgegnerin an einer Entscheidung über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung in den seit Antragstellung vergangenen sechs Monaten gehindert hätten, wurden von der Antragsgegnerin nicht mitgeteilt und sind auch nicht ersichtlich (vgl. zur „angemessenen Frist“ im Sinne des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO auch VG Schleswig, Beschluss vom 22. Juni 2020 – 4 B 21/20 – juris Rn. 10).

19

Der Antrag ist aber unbegründet.

20

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ist begründet, wenn das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Interesse am Vollzug der in der Hauptsache anzugreifenden Entscheidung überwiegt. Dies ist regelmäßig nach Durchführung einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage in Abhängigkeit von den Erfolgsaussichten der Hauptsache zu beurteilen. Den Maßstab für die gerichtliche Entscheidung bei der Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, die sich gegen die Anforderung öffentlicher Abgaben oder Kosten (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO) richtet, stellt der Maßstab dar, den das Gesetz für das vorgelagerte behördliche Aussetzungsverfahren vorsieht. Nach § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO soll die Aussetzung des Sofortvollzuges bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten dann erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes liegen vor, wenn der Erfolg der Klage zumindest ebenso wahrscheinlich ist wie deren Misserfolg (stRspr, vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 5. Dezember 2018 – 2 MB 26/18 – juris Rn. 5; Beschluss der Kammer vom 26. April 2019 – 4 B 2/19 – juris Rn. 22).

21

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Abgabenbescheides können sich zwar auch aus sich aufdrängenden Satzungsmängeln der zugrundeliegenden kommunalen Abgabensatzung ergeben. Derartige Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Abgabensatzung müssen dann jedoch im Eilverfahren so offensichtlich und eindeutig sein, dass im Hauptsacheverfahren eine andere rechtliche Beurteilung nicht zu erwarten ist. Eine Klärung offener Fragen zur Gültigkeit der jeweiligen Abgabensatzung kann nicht Aufgabe des Eilverfahrens sein. Vielmehr hat die (Inzident-)Kontrolle der Satzung im dafür vorgesehenen Hauptsacheverfahren stattzufinden (OVG Schleswig, Beschluss vom 23. August 2021 – 5 MB 10/21 – juris Rn. 7 m.w.N.; Beschluss der Kammer vom 31. März 2021 – 4 B 1/21 – juris Rn. 24).

22

Ausgehend hiervon bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides vom 17. September 2021 und des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2022.

23

1. Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide sind § 2 und § 10 Abs. 2 und 3 Kommunalabgabengesetz (KAG) in der bis zum 19. Mai 2022 geltenden Fassung in Verbindung mit den Bestimmungen der Kurabgabensatzung der Antragsgegnerin vom 16. Dezember 2019.

24

Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 KAG können Gemeinden und Gemeindeteile im Bereich ihrer Anerkennung als Kur- oder Erholungsort für die Herstellung, Verwaltung und Unterhaltung der zu Kur- und Erholungszwecken bereitgestellten öffentlichen Einrichtungen eine Kurabgabe erheben. Die in Verbindung mit § 2 KAG auf dieser Grundlage erlassene Satzung der Antragsgegnerin unterliegt keinen sich aufdrängenden Satzungsmängeln.

25

Sie berücksichtigt das Zitiergebot des § 66 Abs. 1 Nr. 2 LVwG in ausreichendem Maße und enthält die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG erforderlichen Mindestangaben [§ 2 KAS (Abgabeschuldner, Abgabegegenstand), § 4 und § 5 KAS (Bemessungsgrundlagen), § 7 KAS (Entstehung und Fälligkeit)].

26

Die Regelungen zum Abgabeschuldner und zum Abgabegegenstand in § 2 KAS begegnen ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Nach § 2 Abs. 1 KAS wird die Kurabgabe von allen Personen erhoben, die sich im Erhebungsgebiet aufhalten, ohne dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu haben (ortsfremd) und denen dadurch die Möglichkeit zur Inanspruchnahme der gemeindlichen Kur- und Erholungseinrichtungen und -veranstaltungen geboten wird. Als ortsfremd gilt nach § 2 Abs. 2 Satz 1 KAS auch, wer im Erhebungsgebiet Eigentümer oder Besitzer einer Wohnungseinheit oder Dauer- bzw. Saisonliegeplatzinhaber in Sporthäfen ist sowie die in demselben Haushalt lebenden Familienangehörigen (Ehegatten und Lebenspartner).

27

Diese Regelungen stehen im Einklang mit der im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch geltenden Fassung des § 10 Abs. 3 KAG.

28

Insbesondere führt die Regelung in § 2 Abs. 2 KAS nicht zu einem Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Sie hat nicht zur Folge, dass auch Einwohner der Antragsgegnerin zu Abgabeschuldnern bestimmt würden, ohne sie gleichzeitig zur Jahreskurabgabe heranzuziehen. Die Vorschrift des § 2 Abs. 2 KAS enthält keinen besonderen (eigenständigen) Kurabgabentatbestand, sondern ist mit § 2 Abs. 1 KAS zusammenzulesen und dient insoweit lediglich der Klarstellung des darin enthaltenen Tatbestandsmerkmals der Ortsfremdheit in einem Zweifelsfall (vgl. auch OVG Schleswig, Urteil vom 25. Juni 1991 – 2 L 204/91 – juris Rn. 5). Darüber hinaus ist die in § 10 Abs. 3 KAG und ihm folgend in der Satzung der Antragsgegnerin vorgenommene Unterscheidung zwischen ortsfremden Gästen und ortsansässigen Gemeindebürgern nicht zu beanstanden. Zwar haben auch Gemeindebürger die Möglichkeit, die Kur- und Erholungseinrichtungen in Anspruch zu nehmen; ihre gesetzliche Befreiung von der Kurabgabepflicht findet aber ihre sachlich plausible Grundlage einerseits in dem Umstand, dass derartige Einrichtungen in besonderer Weise gerade für ortsfremde Gäste und den Fremdenverkehr geschaffen, ausgebaut und unterhalten werden, andererseits die Gemeindebürger bereits über die der Gemeinde zufließenden Anteile der Einkommens- und Gewerbesteuer sowie die sonstigen gemeindlichen Abgaben an der Finanzierung des Gemeindehaushalts beteiligt werden (VG Schleswig, Urteil vom 4. August 2003 – 14 A 54/01 – juris Rn. 14 m.w.N.).

29

Die Erstreckung der Aufenthaltsvermutung in § 2 Abs. 2 Satz 1 KAS auf Ehegatten und Lebenspartner rechtfertigt sich vor dem Hintergrund, dass sich Ehegatten und Lebenspartner nach dem Gebot der ehelichen bzw. partnerschaftlichen Lebensgemeinschaft die Benutzung der Wohnung nach § 1353 Abs. 1 BGB bzw. § 2 LPartG gegenseitig zu gestatten haben und Ehegatten bzw. Lebenspartner deshalb gleichberechtigte Mitbesitzer der ehelichen bzw. partnerschaftlichen Wohnung sind, zu der auch eine Zweitwohnung gehört (vgl. ausführlich VG Schleswig, Beschluss vom 9. November 2021 – 4 B 29/21 – juris Rn. 39). Hierin ist auch kein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG zu erblicken, denn die Ehe darf zum Anknüpfungspunkt wirtschaftlich nachteiliger Rechtsfolgen genommen werden, wenn sich für eine Differenzierung zulasten Verheirateter aus der Natur des geregelten Lebensverhältnisses einleuchtende Gründe ergeben. Diese können hier darin gesehen werden, dass sich die Ehe nicht nur in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft erschöpft, sondern dass sie darüber hinaus durch innere Bindungen ausgezeichnet ist. Diese rechtfertigen die Annahme, dass Eheleute Ferien und Urlaub gemeinsam verleben und dass die Nutzung einer Zweitwohnung nicht nur durch einen der Ehepartner, sondern durch beide gemeinsam erfolgt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. November 1994 – 1 BvR 1675/91 – juris Rn. 3; vgl. auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 18. Oktober 2019 – 9 LA 103/18 – juris Rn. 16). Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG im Hinblick auf eine Ungleichbehandlung gegenüber eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaften scheidet hier bereits deshalb aus, weil § 2 Abs. 2 Satz 2 KAS diese der Ehe bzw. Lebenspartnerschaft gleichstellt.

30

Die Aufenthaltsvermutung in § 2 Abs. 2 Satz 1 KAS erstreckt sich entgegen der Annahme der Antragstellerin nicht auf die Kinder des Abgabeschuldners, denn die Umschreibung der „in demselben Haushalt lebenden Familienangehörigen“ wird durch den nachfolgenden Klammerzusatz „(Ehegatten und Lebenspartner)“ abschließend legaldefiniert. „In demselben Haushalt lebende Familienangehörige“ sind danach ausschließlich Ehegatten und Lebenspartner, nicht aber Kinder. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus einem Umkehrschluss aus der Freistellung von Kindern von der Kurabgabepflicht nach § 3 Abs. 2 KAS. Dieser Befreiungstatbestand betrifft insoweit lediglich die nach der Zahl der Tagesaufenthalte bemessene Kurabgabepflicht nach § 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 KAS, nicht aber die Jahrespauschale nach § 4 Abs. 2 KAS.

31

Die Satzung der Antragsgegnerin knüpft mit der Aufenthaltsvermutung in § 2 Abs. 2 KAS auch nicht an einen außerhalb des Erhebungsgebiets liegenden Umstand an. Anknüpfungspunkt ist nach § 2 Abs. 1 KAS, der insoweit § 10 Abs. 3 Satz 1 KAG in der bis zum 19. Mai 2022 geltenden Fassung entspricht, die sich aus dem Aufenthalt im Erhebungsgebiet ergebende Möglichkeit der Inanspruchnahme der gemeindlichen Kur- und Erholungseinrichtungen und -veranstaltungen.

32

Es ist zudem keine Benachteiligung von Ehegatten erkennbar, die zugleich Miteigentümer der Wohnung im Sinne des § 2 Abs. 2 KAS sind. Da die Regelung – wie schon ausgeführt – lediglich der Klarstellung des Tatbestandsmerkmals der Ortsfremdheit dient, scheidet insbesondere eine Doppelveranlagung von vornherein aus. Dementsprechend wurde auch die Antragstellerin nicht etwa in doppelter Höhe als Abgabeschuldnerin in Anspruch genommen.

33

Ferner ist gegen den in § 4 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b KAS gewählten Abgabemaßstab nichts zu erinnern. Danach wird die Zahl der Aufenthaltstage unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Aufenthaltstage auf 27 Tage der Hauptsaisonzeit pauschaliert (Jahrespauschale), wenn der Kurabgabepflichtige Eigentümer, Miteigentümer oder sonstiger Dauernutzungsberechtigter einer Wohnungseinheit oder dessen mit ihm in einem Haushalt lebender Familienangehöriger oder einem Ehegatten bzw. Lebenspartner im Sinne des § 2 Abs. 2 Gleichgestellter ist. Der Abgabesatz je Aufenthaltstag beträgt nach § 5 Abs. 1 Buchst. b KAS in der Hauptsaison 3 €, sodass sich eine Jahrespauschale in Höhe von 81 € ergibt.

34

In der der Erhebung von Kurabgaben zugrundeliegenden Satzung darf eine Typisierung vorgenommen werden, da die Feststellung, an wie vielen Tagen die einzelnen Abgabenpflichtigen sich im Erhebungsgebiet aufhalten, mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand und beträchtlichen Schwierigkeiten verbunden wäre. Es wäre kaum durchführbar, zumindest aber wirtschaftlich unvertretbar, die tatsächliche Aufenthaltsdauer der Eigentümer oder Besitzer von Wohnungseinheiten im Erhebungsgebiet das ganze Jahr über zu überwachen und festzustellen. Die gewählte Satzungsregelung fingiert (unwiderlegbar) die Dauer des (unwiderlegt vermuteten oder eingeräumten) Aufenthalts im Erhebungsgebiet. Bei der Heranziehung zu einer Jahreskurabgabe ist es im Allgemeinen einem Zweitwohnungssteuerinhaber als Abgabeschuldner deshalb verwehrt, im Einzelfall den Nachweis zu führen, er habe sich nur für einen kürzeren Zeitraum in seiner Wohnung aufgehalten. Die für die Inhaber von Ferienwohnungen und die für die Jahreskurabgabe geltende Pauschale darf nicht willkürlich gegriffen werden, sondern ist nachvollziehbar festzulegen. Sie ist – bei Bestehen eines längerfristigen Nutzungsrechts – nach einer bestimmten Zahl von Tagen zu bemessen, die Inhaber von Ferienwohnungen sich wahrscheinlich dort jährlich bzw. im Erhebungszeitraum aufhalten. Bei der Festsetzung als wahrscheinlich geltender Aufenthaltstage ist nach der konkreten Lebenserfahrung zu verfahren und zu beachten, dass die Festsetzung im Durchschnitt aller vom Ersatzmaßstab erfassten Fälle zutreffend sein muss. Die Annahme von 27 Aufenthaltstagen entspricht ohne Weiteres dieser Lebenserfahrung (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 22. Juni 2009 – 2 LB 4/09 – juris Rn. 26 f. zu 28 Aufenthaltstagen).

35

Schließlich besteht auch keine Verpflichtung der Antragsgegnerin, Inhaber von Zweitwohnungen von der Kurabgabenpflicht deshalb auszunehmen, weil sie auch zur Zweitwohnungssteuer veranlagt werden. Es liegt kein Fall einer unzulässigen Doppelbelastung vor. Die drei Abgabearten – Zweitwohnungssteuer, Kur- und Tourismusabgabe – können vielmehr nebeneinander erhoben werden. Gegenstand der Zweitwohnungssteuer ist das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) im Gebiet der die Steuer erhebenden Gemeinde, während die Kurabgabe ein Entgelt für die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Kur- und Erholungseinrichtungen darstellt (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 9. September 2021 – 5 LA 1/21 – juris Rn. 27 m.w.N.).

36

2. Die Rechtsanwendung durch die Antragsgegnerin im konkreten Fall ist nach summarischer Prüfung ebenfalls nicht zu beanstanden.

37

Die Antragstellerin ist gemäß § 2 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 KAS Abgabeschuldnerin. Sie ist Miteigentümerin einer im Erhebungsgebiet gelegenen Wohnung, ohne dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu haben. Ihr wird dadurch die Möglichkeit zur Inanspruchnahme der gemeindlichen Leistungen im Sinne des § 1 KAS geboten.

38

Die festgesetzte Kurabgabe ist auch ihrer Höhe nach nicht zu beanstanden. Sie folgt aus § 4 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b i.V.m. § 5 Abs. 1 Buchst. b KAS und beläuft sich auf 81 € (27 Aufenthaltstage der Hauptsaison à 3 €). Unerheblich ist, dass die Antragstellerin und ihr Ehemann die Wohnung nach eigenen Angaben tatsächlich lediglich an elf Tagen genutzt haben. Da es sich bei der Jahrespauschale des § 4 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b KAS um einen Ersatzmaßstab handelt, der sich aus der Summe der Tagessätze für die angenommene Anzahl von Aufenthaltstagen errechnet, und es sich hierbei um eine Typisierung, nicht um eine widerlegliche Vermutung handelt, hat dies zur Folge, dass auch derjenige Ferienwohnungsinhaber den vollen Betrag der Jahreskurabgabe zu zahlen hat, der nachweisen kann, dass er sich weniger Tage dort aufgehalten hat als für die Jahreskurabgabe zugrunde gelegt worden ist (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 22. Juni 2009 – 2 LB 4/09 – juris Rn. 27).

39

Anrechenbare Kurabgabezahlungen nach § 5 KAS wurden von der Antragstellerin nicht dargelegt (vgl. § 4 Abs. 3 KAS).

40

Es sind darüber hinaus keine Anhaltspunkte vorgetragen oder dafür ersichtlich, dass die Vollziehung des angefochtenen Bescheides für die Antragstellerin eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

41

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

42

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Danach beträgt der Streitwert in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO in der Regel ¼ des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwertes, hier also ¼ von 81 €.


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