Urteil vom Verwaltungsgericht Schwerin (8. Kammer) - 8 A 401/10

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2000,-- € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich gegen einen Gebührenbescheid des Beklagten. Ihre Mitglieder sind Wohnungseigentümer der Wohnungsanlage „G-Park“ in G. auf der Insel P..

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Seit April 2007 ist die Firma Haus- und Makleragentur L. Hausverwalterin der Klägerin. Diese teilte dem Beklagten unter dem 24. Mai 2007 mit, Schriftwechsel und Rechnungen sollten künftig an die Klägerin vertreten durch die Haus- und Makleragentur geschickt werden. Unter dem 1. Oktober 2008 teilte sie dem Beklagten mit, Schriftverkehr und Rechnungen an die Eigentümergemeinschaft „G-Park“ vertreten durch die Makleragentur B. L. zu übersenden.

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Dementsprechend erließ der Beklagte den Gebührenbescheid Trink-/Schmutzwasser vom 19. Januar 2010 mit der Anschrift „Eigentümergem. G-Park z. Hd. Makleragentur B. L. [Adresse]“. Darin setze er für das Jahr 2009 Trinkwassergebühren in Höhe von 2.821,92 € und Schmutzwassergebühren in Höhe von 5.787,48 € fest. Grundlage war der Trinkwasserverbrauch von 1.068 m². Grundgebühren wurden für dreißig Wohneinheiten berücksichtigt.

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Gegen diesen Bescheid erhob die Maklerin L. als Vertreter der Klägerin am 25. Januar 2010 Widerspruch, den der Beklagte mit an die Makleragentur B. L. adressierten Widerspruchsbescheid vom 19. März 2010 - zugestellt am 23. März 2010 - als unbegründet zurück wies. Im Bescheid wird auf eine als Flurstücksauskunft bezeichnete Anlage verwiesen, die sämtliche Eigentümer aufführe. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheides verwiesen.

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Die Klägerin hat unter der Bezeichnung Eigentümergemeinschaft „G-Park“ am 16. April 2010 die vorliegende Klage erhoben. Ob dem Widerspruchsbescheid eine Anlage mit sämtlichen Eigentümern beigefügt war, könne sie nicht sagen.

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Die Klägerin beantragt,

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den Gebührenbescheid VR […] des Beklagten vom 19. Januar 2010 und dessen Widerspruchsbescheid vom 19. März 2010 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung führt er u. a. aus, dass die Adressangabe im Bescheid ausreichend sei. Es ergebe sich bereits aus dem früheren Schriftverkehr zwischen den Beteiligten, dass im Bescheid mit der Klägerin die dahinter stehenden Eigentümer gemeint seien.

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Das Gericht hat durch Gerichtsbescheid vom 8. Juni 2011 die angegriffenen Bescheide aufgehoben. Der Beklagte hat dagegen mündliche Verhandlung beantragt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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1. Die Klage dürfte bereits unzulässig sein. Die Klägerin ist zwar Empfängerin des Gebührenbescheides. Sie dürfte auch insoweit beteiligten- und prozessfähig sein (vgl. §§ 61 Nr. 2, 62 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO]). Sie ist als Eigentümergemeinschaft aber nicht klagebefugt (vgl. § 42 Abs. 2 VwGO), da sie vom Inhalt des Bescheides nicht betroffen ist. Dies sind – wie nachfolgend noch auszuführen ist – als Gebührenschuldner die einzelnen Wohnungs- und Teileigentümer. Mangels Erörterung in der mündlichen Verhandlung stützt das Gericht aber seine Entscheidung nicht auf diesen Gesichtspunkt.

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2. Wird die Klageerhebung durch die einzelnen Eigentümer oder einzelne Eigentümer unterstellt, ist sie jedenfalls unbegründet. Der angegriffene Bescheid des Beklagten und dessen Widerspruchsbescheid sind rechtsmäßig und verletzen die Kläger (also die einzelnen Wohnungs- und Teileigentümer) nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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a) Der angegriffene Gebührenbescheid ist auch insoweit formell rechtsmäßig, da er als zusammengefasster Bescheid im Sinne des § 155 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) i. V. m. § 12 Abs. 1 des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern (KAG M-V) ergangen ist. Danach kann gegen mehrere Abgabenpflichtige ein zusammengefasster Bescheid ergehen, wenn diese die Abgabe als Gesamtschuldner schulden. Wohnungs- und Teileigentümer haften – auch gemäß § 5 Abs. 1 Satz 5 der Gebührensatzung Wasser (GSW) bzw. § 7 Abs. 1 Satz 5 der Gebührensatzung Schmutzwasser des Zweckverbandes Wismar (GSSW) - als Gesamtschuldner für die auf ihrem gemeinschaftlichen Grundstück entfallenden Benutzungsgebühren, da im Gegensatz zu Beiträgen (vgl. § 7 Abs. 2 Satz 5 KAG M-V) in §§ 4, 6 Abs. 4 KAG M-V keine Beschränkung auf Wohnungs- und Teileigentumsanteile vorgesehen sind.

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Vgl. zum Ganzen Siemers, in: Aussprung/Siemers/Holz, Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern (KAG M-V) (Stand: Juni 2010), § 6 Erl. 8.10.4 mwN.

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Zwar setzt auch ein zusammengefasster Bescheid grundsätzlich zusätzlich voraus, dass sämtliche Schuldner im Bescheid genannt sind.

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Vgl. Rüsken, in: Klein, AO, § 155 Rn. 45 f.; Aussprung, in: ders., u. a., KAG M-V, § 12 Erl. 39.4; vgl. ausführlich BFH, Urt. v. 25. September 1990 – IX R 84/88- juris, LS 1 und Rn. 3, 18 ff.

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Denn nach § 157 Abs. 1 AO muss ein Abgabenbescheid angeben, wer Abgabenschuldner ist. Erforderlich ist aber zunächst die Auslegung des Bescheides vom Empfängerhorizont. Danach kann der Bescheid im vorliegenden Fall dahin ausgelegt werden, dass mit der Bezeichnung „A.“ als Schuldner der Gebühren die in der Eigentümergemeinschaft zusammengefassten Eigentümer zum Zeitpunkt des Erlasses des Gebührenbescheides gemeint sind. Dabei bedarf es keiner Klärung, welcher Rechtsnatur die Eigentümergemeinschaft ist.

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Allerdings gibt es in der Rechtsprechung ältere Entscheidungen, die eine strengere Auffassung vertreten. Sie meinen, dass die Bezeichnung Eigentümergemeinschaft als Hinweis auf die Abgabenschuldner grundsätzlich nicht genügt.

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Vgl. etwa BayVGH, Urt. v. 17. Juni 1993 – 23 B 91.1350 -, juris LS u. Rn. 20 ff. mwN, weil unklar sei, ob und in welchem Umfang die einzelnen Eigentümer als Gesamtschuldner heranzuziehen seien; ferner VG Aachen, Urt. v. 1. März 2003 – 7 K 3507/96 – juris Rn. 8 mwN; VG Halle, Urt. v. 26. Mai 2003 – 4 A 320/11 – LS und Rn. 21, mit der Besonderheit, dass im konkreten Fall satzungsmäßig Wohnungs- und Teileigentümer lediglich mit ihrem Miteigentumsanteil gebührenpflichtig waren.

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Auch Aussprung, (in: Aussprung/Siemers/Holz, Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern (Stand: Juli 2009), § 12 Erl. 39.4 aE. mwN) hält Kurzbezeichnungen zur Kennzeichnung von Schuldnern im Bescheid für unzureichend. Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht Göttingen in seinem Beschluss v. 3. Februar 2011 – 3 B 607/09 – zu einem an eine Eigentümergemeinschaft gesandten Abgabenbescheid zutreffend ausgeführt:

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„Der Bescheid vom 02.11.2009 richtet sich zwar nicht ausdrücklich an die antragstellenden einzelnen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft als Miteigentümer des gemeinschaftlichen abfallentsorgten Grundstücks A. Straße B., weil in diesem Bescheid als Abgabepflichtige/r die „Eigentümergemeinschaft A. Straße B.“ bezeichnet ist. Es ist aber unter dem Gesichtspunkt der genügenden Adressatenbestimmung (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 3b NKAG i.V.m. § 119 Abs. 1 AO) unschädlich, dass der Bescheid die Mitglieder der Eigentümergemeinschaft nicht einzeln namentlich mitteilt. Die in einem Bescheid erfolgte Adressierung an eine bestimmte, durch eine Verwalterfirma vertretene Wohnungseigentümergemeinschaft ist nach herrschender Meinung nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont, der durch den Kenntnis- und Wissensstand der die WEG nach außen vertretenden Verwalterfirma gebildet wird, regelmäßig dahin auslegungsfähig und der Bescheid insofern bestimmbar, dass er sich an die bei Bekanntgabe aktuellen Wohnungseigentümer richtet; deren namentliche Aufführung ist nicht erforderlich (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.02.1994 - 8 C 2.92 -, DVBl. 1994, 810/811; OVG Münster, Beschluss vom 06.06.2005 - 9 A 1150/03 -, GemHH 2006, 282, bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 11.11.2005 - 10 B 65.05 -, NJW 2006, 791 = KStZ 2006, 75). Anhaltspunkte dafür, dass hier etwas anderes gelten könnte, sind nicht ersichtlich. Dass sich die Antragsgegnerin durch Einsicht in das Grundbuch eine Liste der bei Bekanntgabe des angefochtenen Bescheides aktuellen Eigentümer hätte verschaffen und sie als Adressaten hätte einsetzen können, ist ohne Belang. Dies hätte zwar zu einer ausdrücklichen Bestimmung des Adressatenkreises geführt, ändert aber nichts daran, dass eine den Anforderungen des § 11 Abs. 1 Nr. 3b NKAG i.V.m § 119 Abs. 1 AO genügende Bestimmbarkeit, bei der nicht nur die dem Bescheid beigefügten Erklärungen, sondern auch die dem/den Betroffenen bekannten Umstände heranzuziehen sind (vgl. BFH, Urteil vom 19.03.2009 - IV R 78/06 -, juris Rn. 17 m.w.N.), schon mit der Kurzbezeichnung der Eigentümergemeinschaft bewirkt worden ist. Ebenso ist ohne Bedeutung, ob und - wenn überhaupt - welche Gedanken die Antragsgegnerin sich über den Adressatenkreis des angefochtenen Bescheides gemacht hat. Bei der Beurteilung der Bestimmbarkeit eines Bescheides ist nicht auf die subjektiven Vorstellungen der erlassenden Behörde abzustellen. Entscheidend ist insofern vielmehr der jeweilige Empfängerhorizont (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 09.06.2005, a.a.O. S. 283). Danach ist hier nach Ansicht der Kammer eine Auslegung im oben erläuterten Sinne geboten.“

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VG Göttingen, Beschluss v. 3. Februar 2011 – 3 B 607/09 – juris Rn. 17; ferner VG Köln, Beschl. v. 20. Juli 2011 – 1 L 872/11 – juris LS 2 u. Rn. 13 ff. mwN.

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Das Gericht folgt dieser Auffassung. Bei Anwendung der vorstehenden Grundsätze sind im vorliegenden Fall die Gebührenschuldner ausreichend bestimmbar bezeichnet. Dafür sprechen im vorliegenden Fall auch die weiteren Umstände. Die Klägerin hat sich selbst als Eigentümergemeinschaft bezeichnet und damit zu erkennen gegeben, dass ihr diese Bezeichnung genügt, um ihre Mitglieder als Schuldner ausreichend zu kennzeichnen. Zudem gibt es nur eine zentrale Ablesung an einem Hauptzähler der Wohnanlage, die interne Verteilung der Gebührenschuld regeln die Eigentümer selbst. Nach allem muss nicht abschließend geklärt werden, ob jedenfalls dem Widerspruchsbescheid eine Liste der Eigentümer beigelegen hat. Sollte das der Fall gewesen sein, wären eventuelle Fehler bei der Angabe der Inhaltsadressaten ohnehin geheilt.

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b) Der Bescheid ist materiell rechtsmäßig. Es ist nichts dafür vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Bescheid mit Rechtsfehlern behaftet ist. Auch die dem Bescheid zugrunde liegende Trink- und Schmutzwassergebührensatzungen entsprechen den rechtlichen Vorgaben.

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c) Soweit nach dem Tenor des an die „Makleragentur B. L.“ gerichtete Widerspruchsbescheides Frau L. („Sie“) die Kosten tragen soll, obgleich sie ersichtlich nur die Verwalterin der Klägerin ist, kann dies allenfalls Gegenstand einer gegen den Widerspruchsbescheid gerichteten isolierten Anfechtung nach § 79 Abs. 2 VwGO sein. Nach den obigen Grundsätzen kommt auch eine Auslegung des Widerspruchsbescheides in Betracht, dass die Eigentümer die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen haben.

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3. Die Kosten des Verfahrens hat als Unterlegender gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Klägerin zu tragen. Die Nebenentscheidungen haben ihre Grundlage in § 167 VwGO, § 709 der Zivilprozessordnung (ZPO).

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