Beschluss vom Verwaltungsgericht Schwerin (4. Kammer) - 4 A 1052/14

Tenor

Der Antrag auf Aufhebung bzw. Wiederaufnahme des Beschlusses des Gerichts vom 2. Dezember 2013 in der Sache 4 A 1230/13 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

1

Die Klägerin begehrt die „Wiederaufnahme“ des durch übereinstimmende Erledigungserklärungen beendeten und mit Beschluss vom 2. Dezember 2013 eingestellten Klageverfahrens 4 A 1230/13.

2

In der dortigen Klage war Streitgegenstand ein Zwangsgeldfestsetzungsbescheid vom 9. Juli 2013 über 100 € betreffend den Anschluss- und Benutzungszwang der öffentlichen Einrichtung zur dezentralen Schmutzwasserentsorgung. Nach Abfuhr des Klärschlamms aus der Kleinkläranlage am 26. September 2013 hatte der Beklagte die Vollstreckung des Zwangsgelds eingestellt und in der mündlichen Verhandlung am 28. November 2013 erklärt, das Zwangsgeld nicht mehr beitreiben zu wollen. Daraufhin haben beide Beteiligte in der mündlichen Verhandlung erklärt, der Rechtsstreit sei in der Hauptsache erledigt. Das Gericht hat das Verfahren mit dem erwähnten Beschluss eingestellt und die Kosten des Verfahrens der Klägerin auferlegt. Zur Begründung wird ausgeführt, es entspreche der Billigkeit (nach § 161 Abs. 2 VwGO), die Kosten des Verfahrens der Klägerin aufzuerlegen. Gründe, die Zwangsgeldfestsetzung als rechtswidrig einzustufen, seien nicht ersichtlich gewesen.

3

Mit Schriftsatz vom 3. April 2014, bei Gericht am nächsten Tag eingegangen, hat sich die Klägerin an das Gericht gewandt und begehrt die Aufhebung des Beschlusses vom 2. Dezember 2013 in der Sache 4 A 1230/13 „als Wiederaufnahmeverfahren nach dem Vierten Buch der ZPO“.

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Die Klägerin trägt vor:

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Ihre Klage sei eine Restitutionsklage nach § 580 Nr. 2 ZPO i. V. m. § 153 VwGO. Hier gehe es um die Urkunde, die der Zwangsgeldfestsetzungsbescheid vom 9. Juli 2013 darstelle. Diese Urkunde sei verfälscht.

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Es habe kein wirksam gewordener Verwaltungsakt vorgelegen, der eine Zwangsgeldfestsetzung erlaubt habe. Ein unwirksamer oder nichtiger Verwaltungsakt entfalte keine Rechtswirkung. Der Mangel lasse sich durch eine spätere Erfüllung der Voraussetzungen nicht beseitigen. Die Vorschriften regelten die Statthaftigkeitsvoraussetzungen einer Zwangsgeldfestsetzung in öffentlich-rechtlichen Verwaltungsverfahren.

7

Diese Voraussetzungen seien durch das Gericht nicht geprüft worden. Der Beschluss vom 2. Dezember 2013 gehe deutlich über die Grenzen des „einfachen Rechtsfehlers“ hinaus und sei offensichtlich rechtswidrig.

8

Der Zwangsgeldfestsetzungsbescheid vom 9. Juli 2013 sei unrechtmäßig und nichtig. Dies hätte auch bei summarischer Prüfung durch das Gericht festgestellt werden können. Ausreichende Ansatzpunkte seien vorgetragen worden. Der Bescheid und Vollzug des Beklagten vom 14. Juni 2013 sei nichtig, da aufgrund der fehlenden Bekanntmachung durch die Gemeinde und des Beklagten kein wirksames Rechtsverhältnis entstanden sei.

9

Durch die fehlende Anhörung, die nicht nachholbar sei, sei ein nicht durch Gesetz abgedecktes Rechtsverhältnis durch das Gericht geschaffen und der Fortbestand zugelassen worden.

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Sie sei der festen Ansicht, dass sie die Flut an Bescheiden der Empfehlung des Einzelrichters in der mündlichen Verhandlung am 6. Juni 2013 zu verdanken gehabt habe.

11

Es seien durch das Gericht nur teilweise die dargelegten Argumente geprüft worden, eine eigene Sachermittlung zur Wahrheit sei nicht durchgeführt worden.

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Die Klägerin beantragt,

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das Verfahren dem Gerichtshof der Europäischen Union vorzulegen.

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Sie stütze sich dabei auf Art. 267 AEUV i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG. Das Rechtsstaatsprinzip gebiete, dass verkündete Rechtsnormen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht würden, dass Betroffene sich zuverlässig Kenntnis vom Inhalt verschaffen könnten (vgl. BVerwG, Urt. v. 6. Juli 1984 - 4 C 24.80 - und Entscheidung des BVerwG v. 27. Juni 2013 - 3 C 21.12 -). Es stelle sich die Frage, ob hier dem Normadressaten die Möglichkeit einer verlässlichen Kenntnisnahme vom Inhalt des geltenden Ortsrechts erschwert werde. Diese Möglichkeit erfordere das rechtsstaatliche Publizitätsgebot.

15

Die Klägerin beantragt in der Sache,

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das Klageverfahren 4 A 1230/13 unter Aufhebung des Beschlusses des Gerichts vom 2. November 2013 wiederaufzunehmen und sodann den Zwangsgeldfestsetzungsbescheid des Beklagten vom 9. Juli 2013 und den Widerspruchsbescheid vom 15. August 2013 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

19

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 12. Dezember 2014 zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

II.

20

Das Wiederaufnahmebegehren der Klägerin - bei dem es sich allerdings nicht um eine Restitions“klage“, sondern der Sache nach um einen Restitutions“antrag“ handelt – ist unzulässig.

21

I. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 153 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in Verbindung mit den §§ 578 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) scheidet im Hinblick auf Einstellungsbeschlüsse nach übereinstimmenden Hauptsacheerledigungserklärungen aus (OVG Lüneburg, Beschl. v. 5. September 2014 – 5 LA 57/14 –, NVwZ-RR 2015, 77 = juris).

22

1. Zwar setzt § 578 Abs. 1 ZPO seinem Wortlaut nach voraus, dass das Verfahren, welches wiederaufgenommen werden soll, durch rechtskräftiges Endurteil abgeschlossen wurde. Es entspricht aber allgemeiner Auffassung, dass über den Wortlaut dieser von anderen Prozessordnungen ebenfalls in Bezug genommenen Bestimmung hinaus auch verfahrensbeendende Beschlüsse der Wiederaufnahme unterliegen (OVG Lüneburg, Beschl. v. 5. September 2014 – 5 LA 57/14 –, a. a. O., Rn. 10 unter Hinweis auf BVerfG, Beschl. v. 22. Jan. 1992 - 2 BvR 40/92 -, juris Rn. 6; Beschl. v. 9. Juni 1993 - 1 BvR 380/93 -, juris Rn. 5; BVerwG, Beschl. v. 26. März 1997 - 5 A 1.97 [5 PKH 14.97], juris Rn. 2; BSG, Beschl. v. 23. April 2014 - B 14 AS 368/13 B -, juris Rn. 5; OVG Münster, Beschl. vom 18. Dezember 2002 - 21 A 4534/02 -, juris Rn. 5; Bader, in: ders. u. a., VwGO, 5. Auflage 2011, § 153 Rn. 2; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Auflage 2013, § 153 Rn. 5; Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflage 2010, § 153 Rn. 10). Die entsprechende Anwendung der Wiederaufnahmevorschriften auf verwaltungsgerichtliche Beschlüsse rechtfertigt sich deshalb, weil Mängel im Sinne der §§ 578, 579 ZPO auch in Verfahren auftreten können, die durch Beschluss beendet werden, so dass auch in diesen Fällen wegen des Gewichts der gesetzlich geregelten Nichtigkeits- und Restitutionsgründe die Möglichkeit bestehen muss, ausnahmsweise einen nicht mehr anfechtbaren Beschluss aufheben zu können (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30. Sept. 1958 - 1 A 19.57 III -, NJW 1959, 117 f.). Außerdem setzt die Verweisungsvorschrift des § 153 Abs. 1 VwGO lediglich voraus, dass es sich um ein rechtskräftig beendetes „Verfahren“ handelt (BVerwG, Beschl. v. 26. März 1997, a. a. O., Rn. 2).

23

2. Im Unterschied zum Wiederaufnahmeverfahren gegen ein rechtskräftiges Urteil wird das Wiederaufnahmeverfahren gegen einen Beschluss nach einhelliger Auffassung allerdings nicht durch Klage, sondern durch einen Antrag eröffnet, über den – wie hier - durch Beschuss zu entscheiden ist (OVG Lüneburg, Beschl. v. 5. September 2014 – 5 LA 57/14 –, a. a. O., unter vergleichendem Hinweis auf etwa BVerfG, Beschl. vom 22. Jan. 1992, a. a. O., Rn. 6; BVerwG, Beschl. v. 11. Mai 1960 - BVerwG 5 A 1.58 -, DVBl 1960, 641, 642; Beschl. v. 26. März 1997, a. a. O., Rn. 2).

24

3. Ein verfahrensbeendender Beschluss im Sinne der zitierten Rechtsprechung und Literatur ist allerdings nicht schon dann gegeben, wenn dieser Beschluss unanfechtbar ist, wie dies beim Einstellungsbeschluss nach Erledigung der Hauptsache in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 2 VwGO und hinsichtlich der nach § 161 Abs. 2 VwGO zu treffenden Kostenentscheidung gemäß § 158 Abs. 2 VwGO der Fall ist. Erforderlich ist vielmehr eine Entscheidung, welche das gerichtliche Verfahren rechtskräftig abschließt (OVG Lüneburg, Beschl. v. 5. September 2014 – 5 LA 57/14 –, a. a. O., Rn. 11 unter Hinweis auf BVerwG, Beschl. vom 30. Mai 1958, a. a. O., Rn. 117, 118; BAG, Beschl. v. 11. Jan. 1995 - 4 AS 24/94 -, juris Rn. 11; OVG Hamburg, Beschl. v. 16. Jan. 2006 - 4 Bf 435/03 -, juris Rn. 6), d. h. der Beschluss muss auf einer Sachprüfung beruhen und ein Verfahren konstitutiv beenden (OVG Magdeburg, Urteil vom 13. März 2000 - A 2 S 323/99 -, juris Rn. 20; Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch u. a., VwGO, Stand: März 2014, § 153 Rn. 5 f.), mithin der materiellen Rechtskraft fähig sein (BVerfG, Beschl. v. 22. Jan. 1992, a. a. O., Rn. 6; BGH, Beschl. v. 8. Mai 2006 - II ZB 10/05 -, juris Rn. 5). Dies ergibt sich aus dem Ziel der Wiederaufnahmevorschriften, nämlich der Beseitigung eines rechtskräftigen Urteils bzw. Beschlusses sowie der Neuverhandlung und Neuentscheidung der Sache (Kopp/Schenke, a. a. O., § 153 Rn. 1). Eine neue (Sach-)Entscheidung setzt aber voraus, dass auch die Entscheidung, deren Aufhebung begehrt wird, auf einer Sachprüfung/Sachentscheidung beruht; in materieller Rechtskraft erwächst nur die Entscheidung des Gerichts über den Streitgegenstand (Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 121 Rn. 19).

25

In Anwendung dieser Grundsätze halten Rechtsprechung und Literatur die §§ 578 ff. ZPO für entsprechend anwendbar bei sog. urteilsvertretenden Beschlüssen - also Beschlüssen, durch die die Berufung verworfen oder zurückgewiesen wird - (vgl. etwa BGH, Urteil vom 29. Juli 2010 - Xa ZR 118/09 -, juris Rn. 11; Guckelberger, a. a. O., § 153 Rn. 11), aber auch bei Beschlüssen, mit denen die Zulassung der Berufung abgelehnt (OVG Hamburg, Beschl. v. 16. Jan. 2006, a. a. O., Rn. 6; Redeker/von Oertzen, VwGO, 15. Auflage 2010, § 153 Rn. 5; vgl. auch OVG Lüneburg, Beschl. v. 24. Mai 2005 - 2 PS 225/05 -) oder die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen wurde (BVerfG, Beschl. v. 22. Jan. 1992, a. a. O., Rn. 6; BVerwG, Beschl. v. 11. Mai 1960, a. a. O., 641, 642; Beschl. v. 26. März 1997, a. a. O., Rn. 2; BAG, Beschl. v. 12. Sept. 2012 - 5 AZN 1743/12 [F] -, juris Rn. 3; zum Ganzen OVG Lüneburg, Beschl. v. 5. September 2014 – 5 LA 57/14 –, a. a. O., Rn. 12).

26

4. Von diesen Arten eines gerichtlichen Beschlusses unterscheidet sich der Beschluss des Gerichts vom 2. Dezember 2013 im Verfahren 4 A 1230/13 jedoch grundlegend. Das genannte Verfahren ist durch die Abgabe übereinstimmender Hauptsacheerledigungserklärungen der Beteiligten wirksam beendet worden. Wie bei der Rücknahmeerklärung entziehen bereits die übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten dem Verfahren den Streitgegenstand; anhängig bleibt es nur wegen der Kostenentscheidung (OVG Lüneburg, Beschl. v. 5. September 2014 – 5 LA 57/14 –, a. a. O., Rn. 13 unter Hinweis auf OVG Magdeburg, Urt. v.13. März 2000 - A 2 S 323/99 -, juris Rn. 21); der in analoger Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO ergehende Einstellungsbeschluss stellt die eingetretene Verfahrensbeendigung lediglich deklaratorisch fest (Kopp/Schenke, a. a. O., § 161 Rn. 15). Die nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu treffende Kostenentscheidung erwächst nicht in materieller Rechtskraft; sie beinhaltet keine Sachprüfung, sondern stellt eine Billigkeitsentscheidung unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes dar. Dementsprechend scheidet im Hinblick auf Einstellungsbeschlüsse nach übereinstimmenden Hauptsacheerledigungserklärungen eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 153 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit §§ 578 ff. ZPO aus (OVG Lüneburg, Beschl. v. 5. September 2014 – 5 LA 57/14 –, a. a. O., Rn. 13 unter Hinweis auf VGH München, Urt. v. 6. Nov. 2008 - 13 A 08.2579 -, juris Rn. 24; Urt. v. 29. Jan. 2009 - 13 A 08.1688 -, juris Rn. 25; Beschl. v. 8. Aug. 2011 - 13a B 10.30362 -, juris Rn. 7; OVG Magdeburg, Urt. v. 13. März 2000, a. a. O., Rn. 20, 25; Guckelberger, a. a. O., § 153 Rn. 11; a. A. offenbar Baumbach u. a., ZPO, 72. Auflage 2014, Grundz § 578 Rn. 12).

27

II. Dass ein Wiederaufnahmeantrag nach §§ 153 Abs. 1 VwGO, 578 ff. ZPO ausscheidet, bedeutet indes nicht, dass sich die Prozessbeteiligten an ihrer Erledigungserklärung ausnahmslos festhalten lassen müssen. Es ist vielmehr anerkannt, dass Prozesserklärungen unter bestimmten Umständen widerrufen werden können, und zwar insbesondere, wenn ein Restitutionsgrund im Sinne des § 580 ZPO vorliegt (OVG Lüneburg, Beschl. v. 5. September 2014 – 5 LA 57/14 –, a. a. O., Rn. 15 unter Hinweis auf BVerwG, Beschl. v. 7. Aug. 1998 - 4 B 75.98 -, juris Rn. 3 m. w. N.; ebenso VGH München, Urt. v. 6. Nov. 2008, a. a. O., Rn. 25; Urt. v. 29. Jan. 2009, a. a. O., Rn. 26; Beschl. v. 8. Aug. 2011, a. a. O., Rn. 8; Rennert, a. a. O., § 153 Rn. 2). Denn lässt der Gesetzgeber es nach Maßgabe der §§ 153 Abs. 1 VwGO, 578 ff. ZPO ausdrücklich zu, sich selbst von der Bindung an ein rechtskräftiges Urteil zu lösen, so entspricht es seinem Regelungswillen, die von ihm gezogenen Konsequenzen unter den in § 580 ZPO genannten Tatbestandsvoraussetzungen auch dann zu ziehen, wenn ein Verfahren anderweitig beendet worden ist.

28

Selbst wenn das Gericht hier zugunsten der juristisch nicht gebildeten Klägerin davon ausgeht, dass mit dem Schriftsatz vom 3. April 2014 ein Widerruf der im Verfahren 4 A 1230/13 abgegebenen Prozesserklärung zur Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache gesehen werden könnte, wäre hier ein Wiederaufnahmegrund zum Widerruf nicht substantiiert bzw. schlüssig dargelegt worden (vgl. VGH München, Beschl. v. 23. Juli 2013 – 6 BV 13.1273 –, juris, Rn. 9; VG München, Gerichtsbescheid v. 1. Dezember 2011 – M 10 K 11.1347 –, juris Rn. 18 m. w. N.; Guckelberger in Sodan/Ziekow, a. a. O., § 153 Rn. 30 m. w. N.; Kopp/Schenke, a. a. O., § 153 Rn. 4 m. w. N.).

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Die Klägerin führt in der Art einer Berufungsschrift (angebliche) Mängel des Einstellungsbeschlusses vom 2. Dezember 2013 bzw. vor allem des Zwangsgeldfestsetzungsbescheids des Beklagten vom 9. Juli 2013 auf.

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Wie bereits in den anderen, durch Urteil abgeschlossenen Wiederaufnahmeklagen ausgeführt, eröffnet weder die Nichtigkeits- noch die Restitutionsklage aber die Grundlage für eine Überprüfung eines rechtskräftigen Urteils durch dasselbe Gericht, wenn der durch das Urteil beschwerte Beteiligte es lediglich verabsäumt hat, Rechtsmittel gegen das frühere (und deshalb rechtskräftige) Urteil einzulegen.

31

Dies gilt entsprechend bei der Frage, ob eine Prozesserklärung ausnahmsweise widerrufen werden kann. Auch hier gibt es keine Widerrufsmöglichkeit als Ersatz für ein nicht zu Ende geführtes Klageverfahren. Der von der Klägerin hier und in den Parallelverfahren dargelegte Vortrag für den vorliegenden Sinneswandel ist aus den dort dargelegten Gründen aber nicht als zulässiger Widerrufsgrund für die Prozesserklärung, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei, anzuerkennen.

32

So geht es der Klägerin erkennbar aber mindestens auch um eine andere, nämlich zu ihren Gunsten erfolgende Billigkeitsentscheidung zur im Beschluss vom 2. Dezember 2013 beantworteten Frage, wer die Kosten des Verfahrens 4 A 1230/13 trägt. Sie ist insoweit sinngemäß der Auffassung, dass der Beklagte die Kosten des Verfahrens tragen müsse, da die Zwangsgeldfestsetzung rechtswidrig gewesen sei. Dies hat das Gericht indessen – im Gegensatz zu einer Vielzahl von Entscheidungen einmal nicht mit vielen Worten - allerdings anders gesehen. Selbst wenn der Schriftsatz der Klägerin vom 3. April 2014 hier vor diesem Hintergrund auch als „Gegenvorstellung“ zu werten wäre, hielte das Gericht an seiner Bewertung fest, dass die Zwangsgeldfestsetzung bis zum erledigenden Ereignis rechtmäßig gewesen und deshalb die Billigkeitsentscheidung ohne Bedenken zu Lasten der Klägerin ausgefallen ist.

33

III. Der Antrag auf Vorlage dieses Rechtsstreits an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit Sitz in Luxemburg nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ist abzulehnen.

34

1. Bereits die Voraussetzungen dieser Norm liegen nicht vor. Die Vorschrift lautet:

35

„Der Gerichtshof der Europäischen Union entscheidet im Wege der Vorabentscheidung

36

a) über die Auslegung der Verträge,

37

b) über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union,

38

Wird eine derartige Frage einem Gericht eines Mitgliedstaats gestellt und hält dieses Gericht eine Entscheidung darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich, so kann es diese Frage dem Gerichtshof zur Entscheidung vorlegen.

39

Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, so ist dieses Gericht zur Anrufung des Gerichtshofs verpflichtet.

40

Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren, das eine inhaftierte Person betrifft, bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, so entscheidet der Gerichtshof innerhalb kürzester Zeit.“

41

Vorliegend trägt die Klägerin nicht vor und ist auch nicht ersichtlich, welche unionsrechtliche/n Vorschrift/en des Primär- oder Sekundärrechts der Europäischen Union hier betroffen sein könnte/n bzw. welche unionsrechtlich determinierte/n nationale/n Vorschrift/en einschlägig sein soll/en. Weder das Kommunalabgabengesetz (des Landes Mecklenburg-Vorpommern) noch die Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern noch das Landesverwaltungsverfahrensgesetz hinsichtlich seines vollstreckungsrechtlichen Teils noch die (insoweit landesrechtliche) Abgabenordnung, jedenfalls soweit sie gemeint sein sollten, sind grundsätzlich durch europa- bzw. unionsrechtliches (Sekundär-) Recht determiniert. Prüfungsgrundlage im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht ist allein nationales höherrangiges Recht wie die Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Verf M-V) und das Grundgesetz (GG). Das von der Klägerin zur Begründung herangezogene Rechtsstaatsprinzip kann daher nur landesverfassungsrechtlich aus Art. 2 Verf M-V bzw. bundesverfassungsrechtlich aus Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG abgeleitet werden. Diese nationalen Verfassungsnormen sind aber kein Prüfungsmaßstab des Gerichtshofs der Europäischen Union.

42

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

43

Eine Streitwertfestsetzung ist nicht erforderlich. Anders als in den Parallelklageverfahren (z. B. 4 A 726/14) handelt es sich hier nämlich in Wahrheit um einen Streit zur Frage, ob das vorangegangene Klageverfahren 4 A 1230/13 unter Aufhebung des Einstellungsbeschlusses des Gerichts vom 2. Dezember 2013 fortzusetzen bzw. ob nicht zumindest eine andere Kostenentscheidung zu treffen ist. Da es sich dabei, wie gesagt, dann um einen Antrag zum (und eigentlich „im“) Verfahren 4 A 1230/13 und nicht um eine (neue) Wiederaufnahmeklage handelt, fallen keine neuen Gerichtsgebühren an. Eine anwaltliche Vertretung, die eine Streitwertfestsetzung neben derjenigen im genannten Einstellungsbeschluss des Gerichts in der Sache 4 A 1230/13 erfordert hätte, liegt bei keinem der Beteiligten vor.

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