Beschluss vom Verwaltungsgericht Sigmaringen - 1 K 518/04

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide der Antragsgegnerin vom 03. Februar 2004 wird wieder hergestellt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, soweit es um die Aufhebung von Bescheiden nach dem BSHG und die Rückforderung von Hilfe zum Lebensunterhalt geht.

Der Streitwert wird auf 2.718,30 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Aufhebung von Sozialhilfebescheiden und die Rückforderung gezahlter Sozialhilfe.
Die Antragstellerin erhielt in den Jahren 1997 bis 2003 (im Jahr 2003 neben den Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz) Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz. Bei einem Datenabgleich mit dem Bundesamt für Finanzen stellte die Antragsgegnerin fest, dass der Antragstellerin im Jahr 2002 bei der Postbank Zinsen in Höhe von 334,-- EUR und bei der Sparkasse N. Zinsen in Höhe von 445,-- EUR zugeflossen waren.
Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin diesen Sachverhalt mit Schreiben vom 21.08.2003 mit. Sie führte aus, sie gehe aufgrund des Datenabgleichs davon aus, dass die Antragstellerin über Vermögen verfüge, das über der Vermögensfreigrenze von 2.301,-- EUR liege. Dieses Vermögen habe sie bisher nicht angegeben. Sie werde aufgefordert, Angaben zu ihren Vermögensverhältnissen zu machen und die beigefügte Ermächtigung und Beauftragung zur Auskunftserteilung durch Geldinstitute unterschrieben zurückzusenden.
Mit Schreiben vom 22.10.2003 teilte die Antragsgegnerin mit, dass sie beabsichtige, die gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt zurückzufordern.
Die Antragstellerin legte eine Bescheinigung der Postbank M. vom 15.10.2003 vor, wonach sie dort am 06.10.2003 keine Konten gehabt habe. Mit Schreiben vom 26.10.2003 trug die Antragstellerin vor, sie habe nie Vermögen gehabt. Das bei der Sparkasse angesparte Geld habe sie in etwa 15 Jahren von der Rente und der Sozialhilfe gespart. Anderes Einkommen habe sie nicht gehabt. Sie könne über das, was sie aus der Sozialhilfe bzw. der Grundsicherungsrente erspart habe, frei verfügen. Das Gesetz mache nicht die Auflage, das Geld zurückzugeben, wenn es den Betrag von 2.301,-- EUR übersteige.
Mit Bescheid vom 29.10.2003 stellte die Antragsgegnerin die laufenden Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz mit Wirkung ab dem 01.10.2003 ein. Zur Begründung führte sie aus, sie gehe aufgrund des Datenabgleichs mit dem Bundesamt für Finanzen davon aus, dass die Antragstellerin Vermögen habe, welches die Freigrenze übersteige und das sie für ihren Lebensunterhalt einsetzen müsse.
Die Antragstellerin legte gegen die Einstellung der Sozialhilfe mit Schreiben vom 11.11.2003 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie im Wesentlichen vor, dass sie kein Vermögen habe, das nach dem Bundessozialhilfegesetz von ihr für ihren Lebensunterhalt einzusetzen sei.
Mit Bescheid vom 03.02.2004 hob die Antragsgegnerin ihre Bescheide über die der Antragstellerin in der Zeit vom 01.06.1997 bis 30.09.2003 gewährte Sozialhilfe nach § 45 SGB X auf und forderte von ihr 29.917,75 EUR zurück. Die sofortige Vollziehung der Verfügung ordnete sie an. Zur Begründung führte sie aus, ein Anspruch auf Sozialhilfe bestehe nur dann, wenn der Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen und Vermögen bestritten werden könne. Vermögen sei einzusetzen, wenn es den Freibetrag von 2.301,-- EUR übersteige. Sie gehe aufgrund der Zinseinnahmen im Jahr 2002, den der Datenabgleich mit dem Bundesamt für Finanzen ergeben habe, davon aus, dass das Vermögen der Antragstellerin seit dem Jahr 2002 den Freibetrag deutlich überstiegen habe. Da die Antragstellerin ihr Vermögen nicht angegeben habe, sei sie ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen. Trotz mehrmaliger Aufforderungen habe sie bis heute nicht nachgewiesen, wie viel Geld sie tatsächlich habe und seit wann sie dieses Geld bei der Postbank und der Sparkasse N. angelegt habe. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin bereits zum Beginn des Hilfebezugs dieses Vermögen besessen habe. Sofern sie durch entsprechende Belege nachweise, wann und in welcher Höhe sie Vermögen bei den Banken angelegt habe, könne der Bescheid nochmals überprüft werden.
Mit weiterem Bescheid ebenfalls vom 03.02.2004 hob die Antragsgegnerin die Bescheide über die Gewährung eines besonderen Mietzuschusses für den Zeitraum vom 01.06.1997 bis 30.09.2003 nach § 45 SGB X auf und forderte die Antragstellerin zur Erstattung von 10.873,21 EUR nach § 50 Abs. 1 SGB X auf. Die Begründung deckt sich mit der des Bescheides über die Rückforderung der Sozialhilfe. Die Bescheide wurden der Antragstellerin am 06.02.2004 zugestellt.
10 
Die Antragstellerin legte mit Schreiben vom 04.03.2004 Widerspruch ein. Das Widerspruchsschreiben trägt das Eingangsdatum „08.03.2004“ (Montag). Zur Begründung führte sie aus, die Begründung der Bescheide sei unzureichend. Die Freistellung von der Zinssteuer habe sich ausschließlich auf das Konto bezogen, das sie bis zum 28.12.2003 bei der Sparkasse gehabt habe. Wie sich das mit dem Sparen verhalten habe, habe sie präzise immer wieder berichtet. Am 01.06.1997 seien die Ersparnisse so niedrig gewesen, dass sie nicht einmal einen Monat davon habe leben können. Sie habe immer wieder berichtet, dass sie seit etwa 15 Jahren von der Sozialhilfe spare. Im Verlauf der Jahre hätten sich die Ersparnisse nach und nach gesteigert. Die Zinsen seien dem Guthaben jeweils zugeschrieben und weiter angelegt worden. Sie habe eine Bestätigung darüber vorgelegt, dass sie bei der Postbank kein Konto habe.
11 
Nach der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht Sigmaringen im Verfahren 1 K 2386/03 wegen der Aufhebung des Bescheides über die Bewilligung von Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz und der Rückforderung der ausbezahlten Grundsicherungsleistungen forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin nochmals mit Schreiben vom 22.03.2004 auf, sie zu ermächtigen, selbst Auskünfte bei der Sparkasse N. und der Postbank bezüglich von Konten einschließlich Kontenbewegungen für die Jahre 1997 bis 2004 einholen zu dürfen.
12 
Mit Bescheid vom 06.04.2004 wies die Antragsgegnerin die Widersprüche der Antragstellerin gegen die Einstellung der Sozialhilfe und die Rückforderung der Sozialhilfe und des besonderen Mietzuschusses zurück. Zur Begründung führte sie aus, Rechtsgrundlage für die Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide seien die §§ 45 und 50 SGB X. Danach könne ein rechtswidriger Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Das Vertrauen der Antragstellerin an der Aufrechterhaltung der Bescheide sei nicht schutzwürdig, da sie einzusetzendes Vermögen verschwiegen habe. Es sei davon auszugehen, dass ihr Vermögen die Freigrenze von 2.301,-- EUR seit Beginn der Hilfegewährung überschritten habe. Ein gegenteiliger Nachweis liege bis heute nicht vor. Die im Gerichtsverfahren wegen der Grundsicherung vorgelegten Nachweise und Angaben reichten nicht aus. Die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt habe für die Zukunft eingestellt werden dürfen, weil das einzusetzende Vermögen den Bedarf nach dem BSHG übersteige. § 45 SGB X räume der Behörde Ermessen ein. Die besondere Situation des Einzelfalls sei zu berücksichtigen. Im Fall der Antragstellerin sei relevant, dass sie trotz mehrfacher Aufforderungen ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei und ihr deshalb habe unterstellt werden müssen, dass sie vorsätzlich Leistungen der Sozialhilfe erwirkt habe. Dies habe dazu geführt, dass ihr die Hilfe zum Lebensunterhalt im Vertrauen auf vollständige und wahre Angaben ab 01.06.1997 in der zurückgeforderten Höhe gewährt worden sei, obwohl davon auszugehen sei, dass sie von Anfang an keinen Anspruch auf Hilfe gehabt habe. Ihre Angaben zum Vermögen bei der Sparkasse N. stärkten die Annahme, dass weiteres Vermögen vorhanden sei bzw. gewesen sei. Insoweit seien keine schützenswerten Interessen auf Seiten der Antragstellerin ersichtlich und es sei nicht unverhältnismäßig, die zu Unrecht erbrachten Leistungen zurückzufordern.
13 
Die Antragsgegnerin beauftragte ihren Amtsboten mit der Zustellung des Widerspruchsbescheides. Dieser legte den Widerspruchsbescheid auf dem Rathaus nieder. In der Zustellungsurkunde trug er das Datum 19.04.2004 ein. Eine Unterschrift des Amtsboten enthält die Zustellungsurkunde nicht. In die dafür vorgesehenen Felder trug er nur das Namenszeichen „X.“ ein.
14 
Die Antragstellerin hat bereits zuvor am 27.02.2004 beim Verwaltungsgericht Sigmaringen einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes gestellt. Eine Klage hat sie bisher nicht erhoben. Zur Begründung ihres Eilantrags trägt die Antragstellerin vor, der Bescheid beruhe auf bloßen Vermutungen. Eine konkrete Begründung fehle. Am 01.06.1996 wie auch später habe sie keine Ersparnisse gehabt, von denen sie hätte leben können. Wie es sich mit dem Sparen verhalten habe, habe sie in den Verfahren wegen der Grundsicherung vorgetragen. Darauf verweise sie. Die Ersparnisse, die sie in 6 Jahren angespart habe, seien nicht so hoch, dass sie davon 6 Jahre lang ihren Lebensunterhalt bestreiten könne.
15 
Die Antragstellerin beantragt (sachdienlich),
16 
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide der Antragsgegnerin vom 03. Februar 2004 wiederherzustellen.
17 
Die Antragsgegnerin beantragt,
18 
den Antrag abzulehnen.
19 
Zur Begründung trägt sie vor, die angefochtenen Bescheide seien zu Recht erlassen worden. Die Bewilligung von Sozialhilfe in dem betroffenen Zeitraum sei aller Voraussicht nach wegen anrechenbaren Vermögens der Antragstellerin rechtswidrig gewesen. Im Verfahren 1 K 2405/03 habe die Antragstellerin selbst ausgeführt, dass die Ersparnisse im Jahr 2002 höher als der Freibetrag von 2.301,-- EUR gewesen seien. Die Antragstellerin habe keine aussagekräftigen Angaben zur Entwicklung ihres Vermögens gemacht. Sie sei wiederholt aufgefordert worden, ihre Vermögensverhältnisse offen zu legen. Die Antragstellerin habe den beim Rathaus niedergelegten Widerspruchsbescheid nicht abgeholt. Dieser sei an die Leistungsabteilung zurückgeleitet worden.
20 
Der Kammer haben die Sozialhilfeakten der Antragstellerin (Blatt 246 bis 291) vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird darauf, sowie auf die Gerichtsakte aus dem Eilverfahren verwiesen.
II.
1.
21 
Der Antrag ist zulässig.
22 
Die Antragstellerin hat gegen die Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide der Antragsgegnerin vom 03.02.2004 rechtzeitig Widerspruch eingelegt. Die Zustellung dieser Bescheide erfolgte am 06.02.2004, der Widerspruch dagegen wurde am 08.03.2004 (Montag) eingelegt. Weil der letzte Tag der Monatsfrist  für den Widerspruch auf einen Sonnabend fiel, trat nach § 193 BGB , § 222 ZPO, § 57 Abs. 2 VwGO an die Stelle des Sonnabends der nächst folgende Werktag.
23 
Der Antrag ist nicht wegen des Eintritts der Bestandskraft des Widerspruchsbescheides vom 06.04.2004 unzulässig geworden. Diese ist nicht eingetreten, da der Widerspruchsbescheid nicht ordnungsgemäß zugestellt und daher selbst nicht bestandskräftig geworden ist. Eine Heilung nach § 9 VwZG ist nicht erfolgt.
24 
Der Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 06.04.2004 ist nach § 73 Abs. 3 Satz 2 VwGO von Amts wegen nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes zuzustellen. Gemeint ist das Verwaltungszustellungsgesetz des Bundes. Die Zustellung durch eigene Bedienstete der Behörde ist in den §§ 5 und 10 - 13 VwZG geregelt. Ist die Zustellung durch ein vom Empfänger unterschriebenes Empfangsbekenntnis (§ 5 Abs. 1 VwZG) und die Ersatzzustellung nach § 11 Abs. 1 VwZG nicht möglich, kann das Schriftstück im Rathaus (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 1 VwZG) niedergelegt werden. Die Niederlegung ist dem Empfänger schriftlich mitzuteilen. Nach § 11 Abs. 5 Sätze 2 und 3 VwZG ist der Grund der Ersatzzustellung, der Ort der Niederlegung des zuzustellenden Schriftstücks und die Art und Weise der schriftlichen Mitteilung der Niederlegung in den Akten zu vermerken.
25 
Das Verwaltungszustellungsgesetz definiert nicht, welche Anforderungen an den Vermerk in der Akte zu stellen sind. Nach der Auffassung der Kammer liegt ein ordnungsgemäßer Vermerk nur dann vor, wenn er von dem mit der Zustellung beauftragten Bediensteten mit seinem vollständigen Nachnamen unterschrieben ist. Dies ist hier nicht geschehen. Die vom Bediensteten der Antragsgegnerin verwendete Urkunde trägt nur sein Namenszeichen, nicht seine Unterschrift. Nach der Auskunft der Antragsgegnerin ist das Namenszeichen „X.“ dem Amtsboten X. zuzuordnen. Bei der Buchstabenkombination „X.“ handelt es sich somit nicht um die Unterschrift mit dem vollen Nachnamen.
26 
Im Zustellungsrecht wird das, was die Person, die die Zustellung vornimmt, bei der Zustellung zu dokumentieren hat, unterschiedlich bezeichnet. Die Wirkungen dieser verschiedenen Zustellungsarten sind aber immer dieselben. Die Zustellung bewirkt den Lauf von Fristen und führt beim Zustellungsempfänger zur Gefahr eines Rechtsverlustes, wenn er innerhalb der Rechtsbehelfsfrist keinen Rechtsbehelf einlegt. Erfolgt die Zustellung durch die Post mit Postzustellungsurkunde, beurkundet der Postbedienstete die Zustellung (§ 3 Abs. 2 Satz 1 VwZG) auf der Postzustellungsurkunde. Nach § 3 Abs. 3 VwZG in Verbindung mit § 182 Abs. 2 Nr. 8 ZPO muss die Postzustellungsurkunde die Unterschrift des Zustellers enthalten. Bei der öffentlichen Zustellung nach § 15 Abs. 3 Satz 3 VwZG ist der Tag des Aushängens und der Tag der Abnahme von dem zuständigen Bediensteten auf dem Schriftstück zu vermerken. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass der Vermerk mit der Unterschrift des Bediensteten zu versehen ist. Ein Hand- bzw. Namenszeichen genügt nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 -  8 C 43/95 -, BVerwGE 104, 301; BGH, Urteil vom 19.051981 - IX ZR 15/80 -,  BGHZ 80, 320). Es gibt keinen Grund dafür, an den Vermerk des zustellenden Bediensteten nach § 11 Abs. 5 Satz 2 und 3 VwZG geringere Anforderungen zu stellen.
2.
27 
Der Antrag ist auch begründet.
28 
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide ist im Sinne des § 80 Abs. 3 VwGO ausreichend begründet.
29 
Das Verwaltungsgericht kann nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs in den Fällen wiederherstellen, in denen die Behörde den Sofortvollzug ihrer Verfügung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat. Das Gericht ist nicht darauf beschränkt, die Begründung zu überprüfen, die die Behörde für den Sofortvollzug gegeben hat. Es trifft seine Entscheidung aufgrund einer eigenen Interessenabwägung. Zu einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs wird es regelmäßig dann kommen, wenn dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit begründet sein wird. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung scheidet regelmäßig dann aus, wenn der Rechtsbehelf mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird. Im Übrigen ist die Begründetheit des Aussetzungsantrags unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache danach zu beurteilen, ob das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das private Interesse des Antragstellers an der Aussetzung des Vollzugs überwiegt.
30 
Für die Prüfung der Kammer sind hier allein die Aufhebungs- und  Rückforderungsbescheide vom 03.02.2004 maßgeblich. Der Widerspruchsbescheid vom 06.04.2004 kann in die Beurteilung nicht einfließen, denn er ist gegenüber der Antragstellerin nicht wirksam geworden. Zum einen ist die Zustellung fehlgeschlagen (siehe oben), zum anderen ist aber auch keine Bekanntgabe erfolgt, da die Antragstellerin den Widerspruchsbescheid nicht bei der Stelle, bei der er niedergelegt wurde, abgeholt hat. Im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens kann nicht davon ausgegangen werden, dass die angefochtenen Bescheide aller Voraussicht nach rechtmäßig sind (b). Bezüglich des zurückgeforderten besonderen Mietzuschusses besteht derzeit auch sonst kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung (a).
a)
31 
Die Antragsgegnerin geht bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides bezüglich des besonderen Mietzuschusses davon aus, dass es im Sinne einer Schonung des öffentlichen Haushalts angebracht sei, dass die Klägerin das Vermögen, das nicht zum Schonvermögen zähle, sofort an die Antragsgegnerin zurückzahlen müsse. Dabei übersieht die Antragsgegnerin die Vorschrift des § 33 Abs. 5 WoGG. Danach ist über die Antragsfrist nach § 27 Abs. 4 WoGG zu belehren, wenn ein nach dem 5. Teil des Wohngeldgesetzes zu Unrecht erbrachter Mietzuschuss zu erstatten ist. Dies kann nur bedeuten, dass die Antragstellerin im Fall der Rückforderung des besonderen Mietzuschusses, weil die Voraussetzungen für seine Bewilligung mangels Sozialhilfebedürftigkeit nicht vorgelegen haben, noch das sogenannte Tabellenwohngeld nach den Teilen 1 bis 4 des Wohngeldgesetzes beantragen kann. Dieses ist alleine einkommensabhängig. Ein Vermögen, das einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt und damit den Anspruch auf den besonderen Mietzuschuss entfallen lässt, berührt den Anspruch auf das Tabellenwohngeld nicht. Es steht somit keinesfalls fest, dass die Antragstellerin das Wohngeld in voller Höhe und endgültig zurückbezahlen muss, wenn die angefochtenen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide bestandskräftig werden. Es ist eher wahrscheinlich, dass die Antragstellerin dann den zurückgeforderten besonderen Mietzuschuss ganz oder teilweise in Form von Tabellenwohngeld behalten kann. Eine Belehrung der Antragstellerin nach § 33 Abs. 5 WoGG ist im Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid wegen des besonderen Mietzuschusses nicht enthalten. Eine Belehrung ist auch sonst nicht erkennbar. Solange die Antragstellerin den Antrag nach § 27 Abs. 4 WoGG noch stellen kann, besteht auch bei Rechtmäßigkeit des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung des Erstattungsanspruchs.
b)
32 
Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn die Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 nicht entgegenstehen.
33 
Die Bewilligungsbescheide über die Sozialhilfe für den Zeitraum vom 01.06.1997 bis zum 30.09.2003 sind aller Voraussicht nach von Anfang an rechtswidrig, weil die Antragstellerin schon am Beginn des Bezugs von Sozialhilfe Vermögen hatte, das der Bewilligung von Hilfe zum Lebensunterhalt entgegenstand. Nach § 11 Abs. 1 BSHG hat nur derjenige Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem aus eigenem Einkommen und Vermögen beschaffen kann. Nach dem gegenwärtig vorliegenden Sachverhalt muss davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin schon bei der Beantragung der Sozialhilfe bei der Stadt Ulm im Jahr 1997 Ersparnisse hatte, welche die nach des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a Variante 2 Verordnung zur Durchführung des § 88 Abs. 2 Nr. 8 des Bundessozialhilfegesetzes geschonten Beträge in einer Höhe überstiegen, dass die Antragstellerin davon ihren Lebensunterhalt bestreiten konnte. Der Einsatz des den Schonbetrag übersteigenden Betrages stellt  auch dann keine Härte im Sinne des § 88 Abs. 3 BSHG dar, wenn die Ersparnisse aus der Sozialhilfe der  Antragstellerin stammten (vgl. Urteil der Kammer vom 18.03.2004 - 1 K 2386/03 - im Verfahren der Antragstellerin wegen Grundsicherung).
34 
Nach dem Datenabgleich mit dem Bundesamt für Finanzen durfte die Antragsgegnerin davon ausgehen, dass die Antragstellerin im Jahr 2002 ein Vermögen hatte, das bei der Postbank Zinsen in Höhe von 334,-- EUR und bei der Sparkasse N. Zinsen in Höhe von 445,-- EUR erbracht hat. Die Antragstellerin bestreitet zwar, im Jahr 2002 bei der Postbank Geld angelegt zu haben. Allein damit lässt sich aber das Ergebnis des Datenabgleichs nicht widerlegen. Die Bescheinigung, die die Antragstellerin von der Postbank mit Datum vom 15.10.2003 beigebracht hat, enthält keine Aussagen dazu, ob sie im Jahr 2002 oder davor bei der Postbank ein Konto hatte. Die Antragstellerin darf sich nicht auf das alleinige Bestreiten verlegen, wenn sie es alleine in der Hand hat, den durch den Datenabgleich begründeten Verdacht eines Kontos bei der Postbank zu widerlegen. Wirkt die Antragstellerin bei einer Aufklärungsmaßnahme, die nur sie durchführen kann, nicht mit, muss sie die Folgen tragen, die sich daraus ergeben, dass der vermeintliche Fehler aus dem Datenabgleich mit dem Bundesamt für Finanzen bezüglich der Zinsen bei der Postbank im Jahr 2002 nicht weiter aufgeklärt werden kann. Für das vorliegende Verfahren ist daher weiter davon auszugehen, dass die Antragstellerin im Jahr 2002 auch ein Konto bei der Postbank hatte.
35 
Das Vorhandensein eines Kontos bei der Sparkasse N. hat die Antragstellerin eingeräumt. Dieses wies zum Ende des Jahres 2003 eine Höhe von mindestens 10.554,-- EUR auf. Eine weitere Aufklärung bezüglich der Zinsen und der Entwicklung ihres Vermögens bei der Sparkasse N. hat die Antragstellerin ebenfalls verweigert. Aufgrund der Angaben der Antragstellerin zu ihrem Sparverhalten, dass sie nämlich das Geld in 15 Jahren von der Rente und der Sozialhilfe erspart habe, sie nie Geld abgehoben und die Zinsen immer habe stehen lassen, ist davon auszugehen, dass sich ihr Vermögen über einen Zeitraum von 15 Jahren aufgebaut hat und somit auch schon bei der Antragstellung bei der Antragsgegnerin Vermögen in beträchtlichem Umfang vorhanden war. Bei der Schilderung ihres Sparverhaltens ist es äußerst unwahrscheinlich, dass ihr Vermögen nicht schon vom Beginn des Bezugs der Sozialhilfe von der Antragsgegnerin die Freigrenze soweit überschritten hatte, dass sie davon ihren Lebensunterhalt bestreiten konnte. Dies legt der nachgewiesene Kontostand bei der Sparkasse N. nahe. Es kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass noch weiter davon auszugehen ist, dass die Antragstellerin auch ein Konto bei der Postbank hatte. Die Antragstellerin schuldet nach wie vor den konkreten Nachweis darüber, dass ihre Angabe, dass sie nie Vermögen gehabt habe, von dem sie ihren Lebensunterhalt habe bestreiten können, wahr ist. Diesen Nachweis kann allein die Antragstellerin erbringen, indem sie es zulässt, dass die entsprechenden Nachfragen bei der Postbank und der Sparkasse N. vorgenommen werden können.
36 
Es mag richtig sein, wenn die Antragstellerin einwendet, dass ihr Vermögen nicht ausgereicht hätte, über den gesamten Zeitraum, auf den sich die Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide beziehen, ihren Lebensunterhalt aus dem eigenen Vermögen zu bestreiten. Darauf kommt es aber nicht an. Es ist nicht der Bedarf der Antragstellerin im gesamten Zeitraum vom 01.06.1997 bis zum 30.09.2003 mit dem ihr in diesem Zeitraum zur Verfügung stehenden Vermögen zu vergleichen. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass Sozialhilfe regelmäßig nur monatlich bewilligt wird. Dies hat zur Folge, dass das vorhandene Vermögen immer nur dem Bedarf eines Monats gegenüberzustellen ist. Wenn es den Monatsbedarf übersteigt, kann Sozialhilfe nicht bewilligt werden. Wird das Vermögen nicht tatsächlich verbraucht, sondern steht es nach Ablauf eines Monats ungeschmälert zur Verfügung, ist es bei der Sozialhilfebewilligung im folgenden Monat wiederum vollständig zu berücksichtigen. Da die Antragstellerin nach ihren Angaben kein Geld von ihren Konten abgehoben hat, ist davon auszugehen, dass sie zu Beginn jeden Monats des Rückforderungszeitraums Vermögen hatte, von dem sie ihren angemessenen Lebensunterhalt für einen Monat hätte bestreiten können (BVerwG, Urteil vom 19.12.1997 - 5 C 7.96 -, BVerwGE 106, 105).
37 
Besteht kein Anspruch auf die Bewilligung von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt, besteht nach § 31 Abs. 1 WoGG auch kein Anspruch auf die Bewilligung eines besonderen Mietzuschusses nach dem 5. Teil des Wohngeldgesetzes. Somit war auch die Bewilligung des besonderen Mitzuschusses parallel zur Sozialhilfe rechtswidrig.
38 
Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen der Rücknahme der Bewilligungsbescheide aller Voraussicht nach nicht entgegen. Zwar dürfte die Antragstellerin den größten Teil der zugeflossenen Leistungen verbraucht haben. Sie kann sich aber voraussichtlich nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X nicht auf Vertrauen berufen. Der Vertrauensschutz ist danach ausgeschlossen, wenn die Bewilligungsbescheide auf Angaben beruhen, die die Antragstellerin zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung nicht vollständig gemacht hat. Die Kammer geht davon aus, dass die Antragstellerin bei der erstmaligen Beantragung von Sozialhilfe und auch später keine Angaben zu ihren Ersparnissen gemacht hat, obwohl danach gefragt war. Daher liegt zumindest grobe Fahrlässigkeit vor. Es hätte sich ihr aufdrängen müssen, dass ein Bankguthaben Vermögen darstellt. Die Rechtsfrage, ob Vermögen gegebenenfalls ganz oder teilweise geschont wird, kann von der Antragsgegnerin regelmäßig nur nach Offenlegung aller Tatsachen richtig entschieden werden.
39 
Die Bewilligungsbescheide beruhen auf den unvollständigen Angaben der Antragstellerin, da nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand von den Vermögensverhältnissen der Antragstellerin davon auszugehen ist, dass ihr bei Angabe ihres oder ihrer Bankguthaben keine Hilfe zum Lebensunterhalt zu bewilligen gewesen wäre. Da der Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X ausgeschlossen ist, steht auch § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X einer Rücknahme der Bescheide für die Vergangenheit nicht entgegen. Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X für die Rücknahme der Bewilligungsbescheide ist eingehalten.
40 
Die Voraussetzungen für die Ausübung des Rücknahmeermessens nach § 45 SGB X liegen somit aller Voraussicht nach vor. Den angefochtenen Bescheiden kann aber nicht entnommen werden, dass die Antragsgegnerin eine Ermessensentscheidung getroffen hat. Auf die Ermessenserwägungen im Widerspruchsbescheid kann nicht abgestellt werden, weil dieser gegenüber der Antragstellerin mangels ordnungsgemäßer Zustellung bzw. sonstiger Bekanntgabe nicht wirksam geworden ist. Der Begründung der Bescheide vom 03.02.2004 kann nicht entnommen werden, dass sich die Antragsgegnerin bewusst war, eine Ermessenentscheidung treffen zu müssen. Sie ist vielmehr wie die Begründung einer gebundenen Entscheidung formuliert. Der Begründung ist auch nicht zu entnehmen, welche Gesichtspunkte bei der Ermessensentscheidung maßgeblich waren. Gibt die Begründung keinen Hinweis auf eine Ermessenentscheidung, kann im Allgemeinen nur davon ausgegangen werden, dass eine solche auch nicht getroffen wurde.
3.
41 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nach § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben, soweit das Verfahren die Hilfe zum Lebensunterhalt betrifft.  Soweit das Verfahren den besonderen Mietzuschuss betrifft, ist es nicht gerichtskostenfrei. Der besondere Mietzuschuss ist im Wohngeldgesetz geregelt und daher nur eine besondere Form der Bewilligung von Wohngeld. Das Wohngeldrecht gehört nicht zu den Materien des § 188 Satz 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 25 Abs. 2,  § 20 Abs. 3, § 13 Abs. 2 GKG. Für das Eilverfahren wird der Streitwert aus dem zurückgeforderten besonderen Mietzuschuss auf ein Viertel des Rückforderungsbetrages reduziert.

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