Beschluss vom Verwaltungsgericht Sigmaringen - 1 K 3340/08

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Verbotsverfügung der Antragsgegnerin vom 03.12.2008 wird mit folgenden Maßgaben wiederhergestellt:

Die Versammlung bzw. der Aufzug der Antragstellerin ist um 17:00 Uhr zu beenden.

Die Versammlung unter freiem Himmel und der Aufzug dürfen nur auf den im Folgenden genannten Plätzen und Straßen stattfinden: Nördlicher Bahnhofplatz im Bereich des nördlichen Ausgangs des Bahnhofs, Olgastraße bis zur Einmündung der Neutorstraße, Neutorstraße bis zur Einmündung der Ludwig-Erhard-Brücke/Karlstraße.

Untersagt ist die Benutzung von Trommeln, von Fahnen - außer den in der am 31.10.2008 bei der Antragsgegnerin eingegangenen Anmeldung aufgezählten Fahnen mit Ausnahme von schwarz-weiß-roten Fahnen - sowie von Transparenten und Plakaten strafbaren Inhalts, die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie das Tragen von Springerstiefeln, Uniformen, Uniformteilen oder gleichartigen Kleidungsstücken als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung. Die Zahl der schwarzen Fahnen wird auf 10 beschränkt. Insgesamt – unter Anrechnung der schwarzen Fahnen – ist nur je 15 Teilnehmer eine Fahne zulässig.

Der Aufzug darf nicht in Form einer militärischen Marschkolonne durchgeführt werden. Die Fahnen dürfen dem Aufzug nicht voran und nicht in Reihen getragen werden.

Möglichen weiteren von der Antragsgegnerin für erforderlich gehaltenen Auflagen ist Folge zu leisten.

Die Antragstellerin trägt 2/5, die Antragsgegnerin und der Beigeladene tragen jeweils 3/10 der Gerichtskosten. Die Antragstellerin trägt je 2/5 der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin und des Beigeladenen. Die Antragsgegnerin und der Beigeladene tragen jeweils 3/10 der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Gründe

 
I.
Mit einem bei der Antragsgegnerin am 31.10.2008 eingegangenen Schreiben meldete die Antragstellerin (die X - Landesverband Baden-Württemberg) durch Herrn A. N. für Freitag, den 01. Mai 2009 eine öffentliche Versammlung mit anschließendem Aufzug der Y (...) in U. unter dem Motto „Aufruhr im Paradies - Eine Jugend stellt sich quer!!!“ an. Nach der Anmeldung treffen die Versammlungsteilnehmer zwischen 11:30 Uhr und 13:00 Uhr am Bahnhofsvorplatz in U. ein. Die Veranstaltung soll um 13:00 Uhr beginnen und um 20:00 Uhr enden. Angemeldet wurde eine näher bezeichnete Demonstrationsroute um die U. Innenstadt herum. Die erste Zwischenkundgebung soll am Bahnhof, die zweite im Bereich der Keplerstraße und die Abschlusskundgebung wieder am Bahnhof stattfinden. Die erwartete Teilnehmerzahl wird mit 500 bis 600 Personen angegeben. Folgende Gegenstände sollen bei der Demonstration Verwendung finden: Fahrzeug mit aufgebauter Lautsprecheranlage für die Reden und für die musikalische Untermalung vor und während der Demonstration und für musikalische Einlagen zwischen den Rednern von Liedermachern, Megafone, Trommeln, Funksprechgeräte, Transparente, Stell- und Trageschilder, X/Y-Fahnen, schwarze Fahnen, schwarz-weiß-rote Fahnen, schwarz-rot-goldene Fahnen, Länderflaggen aller Staaten der Welt, Länderflaggen der Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland, Regionalfahnen (Baden, Franken, Württemberg, Hohenzollern).
Zuvor hatte der G. mit Schreiben vom 02.09.2008 seine Veranstaltung zum 01. Mai 2009 auf dem Münsterplatz angemeldet. Mit Schreiben vom 06.11.2008 stellte der G. einen Antrag auf Genehmigung eines Demonstrationszuges, der um 10:00 Uhr am Weinhof beginnen und gegen den Uhrzeigersinn im Wesentlichen um die Altstadt herum zum Münsterplatz führen soll.
Mit Schreiben vom 05.11.2008 gab die Polizeidirektion U. eine Lageeinschätzung zur geplanten Veranstaltung der Antragstellerin ab. Sie machte u.a. Ausführungen zu den Personen, die in der Demonstrationsanmeldung als Versammlungsleiter benannt wurden, und zu Demonstrationen aus den Jahren 2006 und 2007 in Baden-Württemberg, die „dem rechten Lager“ von der Polizei zugeordnet wurden. Darüber hinaus wurde auch eine Gefahrenprognose für den 01. Mai 2009 abgegeben. Insbesondere wurde ausgeführt, dass Versammlungen des rechten Spektrums nahezu immer eine Vielzahl von Gegenveranstaltungen des bürgerlichen und linken Lagers hervorriefen, an welchen auch Personen des linken autonomen Spektrums teilnähmen, die gezielt Konfrontationen mit der rechten Szene und der Polizei suchten. Hinsichtlich der angemeldeten Versammlung der Antragstellerin sei zu erwarten, dass es in jedem Fall zu Kollisionen mit der traditionellen G.-Veranstaltung zum Tag der Arbeit bereits hinsichtlich des Kundgebungsorts und Aufzugsweges kommen werde. Aufgrund des zeitlichen Vorlaufs für beide Veranstaltungen sei darüber hinaus damit zu rechnen, dass bei beiden Veranstaltungen auch Personen aus dem überregionalen Bereich teilnähmen.
Die Antragsgegnerin hörte die Antragstellerin mit Schreiben vom 13.11.2008 zum beabsichtigten Verbot der angemeldeten Veranstaltung an. Die Antragstellerin äußerte sich dazu nicht.
Mit Bescheid vom 03.12.2008 verbot die Antragstellerin die für den 01.05.2009, 13:00 - 20:00 Uhr schriftlich angemeldete Versammlung - Demonstration mit Kundgebung - und dehnte das Verbot auf jede Form einer Ersatzveranstaltung am 01.05.2009 im Stadtgebiet aus. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, aufgrund der Gesamtstruktur der geplanten Versammlung, welche sich aus dem Thema der Versammlung ergebe sowie aus den Rednern, den Kundgebungsmitteln, dem Versammlungsleiter und dem zu erwartenden Teilnehmerkreis sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus der Versammlung heraus die Verrichtung von Straftaten zu befürchten. Durch das öffentliche Auftreten von neonazistischen Gruppierungen und das Verbreiten entsprechenden Gedankengutes würden grundlegende soziale und ethische Anschauungen von vielen Menschen, insbesondere vor dem Hintergrund der hohen Anzahl der ausländischen Studentinnen und Studenten in U., in erheblicher Weise verletzt. U. sei eine liberale und weltoffene Stadt mit einem relativ hohen Anteil von ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Wie die Erfahrung bei ähnlichen Veranstaltungen in anderen Städten zeige, sei mit der Begehung von Straftaten wie z.B. Verherrlichung von Gewalt, öffentlicher Billigung, Androhung oder Aufforderung zu Straftaten, Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, der Auschwitzlüge, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, Beleidigung, übler Nachrede und Verleumdung von Personen des öffentlichen Lebens, Tragen von Uniformen oder gleichartiger Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung, dem Mit-sich-Führen von Waffen und mit Gewalttaten gegen Demonstranten zu rechnen. Bei verständiger Würdigung der erkennbaren Umstände über die Durchführung der Versammlung sei mit Wahrscheinlichkeit mit einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu rechnen. Dem Bericht der Polizeidirektion U. sei zu entnehmen, dass einer der Versammlungsleiter, Herr L. G., als rechtsmotivierter Gewalttäter in Erscheinung getreten sei. Herr G. sei Anmelder und Versammlungsleiter der Demonstration in S. am 20.10.2007 gewesen, bei der gegen einen Redner wegen Verdachts der Volksverhetzung ermittelt worden sei. Des Weiteren sei ein Verstoß vom 10.03.2007 gegen das Versammlungsgesetz aktenkundig. Bei dem weiteren Versammlungsleiter S. Sc. handele es sich ebenfalls um einen rechtsmotivierten Gewalttäter (wird ausgeführt).
Des Weiteren sei festzustellen, dass Versammlungen des rechten Spektrums nahezu immer eine Vielzahl von Gegenveranstaltungen des bürgerlichen und linken Lagers hervorriefen. Regelmäßig seien hierbei Personen des linken autonomen Spektrums vertreten, welche gezielt die Konfrontation mit der rechten Szene und der Polizei suchten. Hinsichtlich der angemeldeten Versammlung der X am 01.05.2009 sei zu erwarten, dass es in jedem Fall zu Kollisionen mit der traditionellen G.-Veranstaltung zum Tag der Arbeit bereits hinsichtlich des Kundgebungsorts und des Aufzugswegs kommen werde. Darüber hinaus berge die G.-Veranstaltung, an der eine Vielzahl ausländischer Vereine/Interessenvertretungen, überwiegend kurdische Türken, sowie Mitglieder der örtlichen linken autonomen Szene teilnähmen, ein signifikantes Störpotential zur rechten Szene. Bei der von 10:00 Uhr bis ca. 18:00 Uhr dauernden Veranstaltung des G. auf dem Münsterplatz sei mit mehreren tausend Veranstaltungsteilnehmern zu rechnen. Der geplante Aufzugsweg der X/Y führe in einer Entfernung von 50 m am Münsterplatz vorbei. Des Weiteren finde am 01.05.2009 eine weitere Demonstration des G. mit Aufzug durch die U. Innenstadt statt. Auch diese Kundgebung mit Aufzug sei bei der Antragsgegnerin bereits angemeldet. Die Teilnehmerzahl betrage ca. 1000 Personen. Diese Demonstration habe im Jahr 2008 das Thema „Gegen Rechts und Fremdenfeindlichkeit - für soziale Gerechtigkeit“ gehabt. Bei dieser Demonstration schlössen sich erfahrungsgemäß eine Vielzahl ausländischer Vereine an, die dem linken Spektrum zuzurechnen seien. Aufgrund der beiden Veranstaltungen/Kundgebungen des G. und der Annahme, dass nach Bekanntwerden des Kundgebungstermins der X/Y weitere Gegendemonstrationen angemeldet würden, sei damit zu rechnen, dass es zu Gewalttätigkeiten und Sachbeschädigungen in der U. Innenstadt kommen werde, die durch das provokante Auftreten der Teilnehmer der X/Y-Demonstration hervorgerufen würden. Es sei davon auszugehen, dass die Aufzugsstrecke der X/Y dazu beitrage, dass Straftaten verübt würden. Die Polizei werde auch bei Hinzuziehung von auswärtigen Kräften nicht in der Lage sein, die Durchführung der Veranstaltung der X/Y zu sichern und die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. Des Weiteren sei der Ort der Kundgebung - der Bahnhofsvorplatz in U. - für die Durchführung dieser Veranstaltung ungeeignet. Die von der Antragstellerin angemeldeten Mittel zur Verwendung bei der Demonstration erinnerten an Veranstaltungen, die Nationalsozialisten während des „Dritten Reiches“ auf Aufmärschen abgehalten hätten. Dadurch sehe man die öffentliche Ordnung als gefährdet an. Einem Aufzug mit Fahnen komme eine Symbolik zu, die in dieser Form zum Schutz der Rechtsgüter nicht vonstatten gehen könne. Mit Trommeln und Megafonen wolle man während des Aufzugs auf sich aufmerksam machen und die Menge einheizen. Dazu kämen noch Hochhalter (lange Stangen mit Plakaten), mit denen versucht werde, auch die Zuschauer, die sich außerhalb des Teilnehmerkreises befänden, mit Parolen und Zeichen zu beeinflussen. Der Bescheid wurde am 05.12.2008 zugestellt.
Mit Schreiben vom 12.12.2008 beantragte der Beigeladene anlässlich seiner Veranstaltungen „Gegen Rechts“ am 01.05.2009 von 11:00 Uhr bis 17:00 Uhr Sondernutzungserlaubnisse für zehn Standorte in U..
Am 29.12.2008 legte die Antragstellerin Widerspruch ein und kündigte eine Begründung im Rahmen des Eilverfahrens an.
Die Antragstellerin hat am 23.12.2008 beim Verwaltungsgericht Sigmaringen einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt.
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Die Antragstellerin beantragt,
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die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Verbotsverfügung der Antragsgegnerin vom 03.12.2008 wiederherzustellen.
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Die Verbotsverfügung der Antragsgegnerin sei rechtswidrig und verletze die Antragstellerin in ihren Rechten auf Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 GG und Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 GG. Bei der Aufzählung der drohenden Straftaten in der Verbotsverfügung handele es sich um pauschale Behauptungen und Vermutungen.
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Zu Unrecht begründe die Antragsgegnerin das Versammlungsverbot damit, dass Versammlungsleiter L. G. sein solle. Dieser sei kein Straftäter, schon gar kein Gewalttäter. Im Übrigen dürfe ein Versammlungsverbot nicht auf die Person des Versammlungsleiters gestützt werden. Gegebenenfalls sei ein milderes Mittel anzuwenden. Zu Unrecht begründet die Antragsgegnerin das Versammlungsverbot auch damit, dass Versammlungsleiter S. Sc. sein solle. Statt Herrn Sc. werde hiermit als stellvertretender Versammlungsleiter Herr A. N. benannt.
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Das Versammlungsverbot könne nicht damit begründet werden, dass der G. bereits eine Veranstaltung durchführe und eine Vielzahl von Gegenveranstaltungen des bürgerlichen und des linken Lagers erwartet werde. Es sei eine Interessenabwägung zwischen den gegenläufigen Versammlungen vorzunehmen. Das Auftreten gegenläufiger politischer Demonstrationen stelle keine Gefahr dar, wenn die Teilnehmer aller Versammlungen friedlich seien und blieben. Die Antragsgegnerin habe keine Personen benannt, die unfriedlich seien. Es sei daran zu denken, andere Demonstrationen und Versammlungen räumlich und zeitlich voneinander zu trennen und insofern Auflagen zu erlassen. Das Totalverbot sei unverhältnismäßig. Die Antragsgegnerin habe nicht konkret dargelegt, weshalb sie nicht in der Lage sei, die Lage zu beherrschen. Zu Unrecht meine die Antragsgegnerin, dass der Bahnhof und der Reiseverkehr durch die Versammlung der Antragstellerin gestört und behindert würden. Behinderungen im Bahnverkehr seien hinzunehmen und wögen gegenüber den Grundrechten aus Art. 5 und 8 GG weniger schwer. Aus Erfahrung in anderen Großstädten habe es sich gezeigt, dass es sinnvoll sei, Demonstrationen der X und anderer rechtsgerichteter Vereine und Personen am Bahnhof beginnen und enden zu lassen, denn fast alle Teilnehmer rechtsgerichteter Versammlungen reisten mit der Bahn an. Zu Unrecht berufe sich die Antragsgegnerin für ihr Versammlungsverbot auf das Zeigen von Fahnen und insbesondere von schwarzen Fahnen, Trommeln, Megafonen und Hochhaltern (lange Stangen mit Schildern/Plakaten). Die genannten Gegenstände dürften nach der Rechtsprechung nicht verboten werden (wird ausgeführt).
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Die Demonstrationen und Versammlungen aus den Jahren 2006 und 2007, die von der Antragsgegnerin zur Untermauerung ihrer Verbotsverfügung angeführt worden seien, seien bis auf eine Demonstration in L. nicht von der Antragstellerin oder der Y angemeldet worden. Bei der Versammlung der Y Baden-Württemberg am 07.10.2006 in L. habe es keine Verhaftungen oder Festnahmen oder irgendwelche Vorfälle gegeben, die die Versammlung der Y betroffen hätten. Die angeführten acht Festnahmen könnten nur solche aus der Gegendemonstration gewesen sein. Die Internetseite „...“ enthalte die von der Antragsgegnerin genannten Bilder über die marschierenden Demonstranten nicht. Diese seien kurz nach ihrer Veröffentlichung im Internet wieder entfernt worden, lange vor der Stellung des Eilantrags beim Verwaltungsgericht. Dass in der genannten Internetseite politische Gegner als „Feinde“ bezeichnet worden seien, sei in der politischen Auseinandersetzung nichts Unübliches.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung führt sie aus, sie sei zu der Überzeugung gekommen, dass es aus der geplanten Versammlung heraus zur Verübung von Straftaten, zu Angriffen auf die Polizei und zu gewalttätigen strafrechtlich relevanten Konfrontationen zwischen „rechten“ und „linken“ Gruppen kommen werde, die von der Polizei nicht mehr verhindert werden könnten. Es handele sich hierbei nicht um bloße Vermutungen oder Befürchtungen bzw. Annahmen, da solche Gefahren nicht ausgeschlossen werden könnten, sondern um eine feste Überzeugung. Hierzu werde auf die durch die Polizeidirektion U. übermittelten Erkenntnisse verwiesen. Daraus folge, dass die Mitglieder der X und Y Gewalttaten dadurch begingen, dass sie Gegendemonstranten bewusst provozierten oder verdeckt angriffen (wird ausgeführt). Vorrangiges Ziel der beantragten Versammlung sei nicht die Inanspruchnahme des Rechts auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung, sondern Provokation der linken Szene und Gewaltausübung gegen diese. Dies werde bestätigt durch eine Internetseite der Y (...); unter der Überschrift „Der 1. Mai - unser Kampftag!“ finde sich im dritten Absatz folgender Text:
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„Dies begann zunächst im Jahre 1992 in Berlin, wo sich die seit 1995 verbotene „FAP“ mit einigen dutzend Aktivisten am 1. Mai in Prenzlauer Berg versammelte. Von einem richtigen Aufmarsch konnte noch keine Rede sein, aber erste Auseinandersetzungen mit dem Feind sorgten bundesweit für mediales Aufsehen: Es gab wieder einen nationalen 1. Mai - Kampftag!“
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Die Kampfabsicht werde weiter bestätigt durch eine Filmsequenz, die über die oben genannte Internetseite einsehbar sei. Es würden Y-Mitglieder gezeigt, die in geschlossener Reihe aufmarschierten und uniformähnlich gekleidet seien. Die textliche Kampfansage und die beschriebene Filmsequenz seien im Veranstaltungshinweis enthalten, der sich konkret auf die Veranstaltung am 1. Mai 2009 in U. beziehe. Die durch frühere Veranstaltungen konkret belegte Gewaltausübung im Verein mit der Ankündigung der Versammlung als Kampftag gewinne in U. besondere Brisanz wegen der Größe der Veranstaltung. Von der Antragstellerin würden ca. 500 bis 600 Teilnehmer erwartet, vom G. 5000 bis 6000 Besucher. Die Gegendemonstranten seien gerade dabei, sich zu organisieren. Es dürften ebenfalls 4000 bis 5000 Personen zusammenkommen. Die große Anzahl anwesender Personen von über 10000 ermögliche es Straftätern unterzutauchen und dort aktiv zu werden. Die Zahl der zu erwartenden Besucher werde die Polizei vor kaum lösbare Probleme stellen.
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Die Antragsgegnerin habe unter genauer Beachtung der Maßgaben des VGH Baden-Württemberg erwogen, ob anstelle eines totalen Verbots der Versammlung das mildere Mittel der Anordnung von Auflagen in Frage kommen könnte. Es sei ebenfalls geprüft worden, ob durch eine Veränderung der Versammlungsmodalitäten die Gefahren soweit reduziert werden könnten, dass sie beherrschbar würden. Solche Möglichkeiten hätten sich nicht ergeben. Auf die vom Verwaltungsgericht angeforderte Stellungnahme der Polizeidirektion U. werde verwiesen.
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Die Antragsgegnerin habe eindeutig nachweisen können, dass die von der X am 1. Mai geplante Versammlung ein paramilitärisches und einschüchterndes Gepräge haben solle, das durch das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht geschützt werde. Kein Mensch, dem es nur um das Versammlungsrecht als Ausdrucksform der Kommunikation gehe, würde darauf verfallen, sich in einem Werbefilm aufmarschmäßig in geschlossener Reihe und uniformähnlich gekleidet zu präsentieren. Es solle versucht werden, unter dem Deckmantel der Versammlungsfreiheit die Meinungsfreiheit des Bürgers zu beeinträchtigen. Man werde einem paramilitärischen Auftreten nicht gerecht, wenn man dieses als bloßen Verstoß gegen die Kleiderordnung und damit als Lappalie abtun würde. Der Gesetzentwurf der Landesregierung zum Versammlungsrecht Baden-Württemberg greife diese Problematik auf. § 7 untersage zum einen das Tragen von Uniformen, Uniformteilen oder gleichartiger Kleidungsstücke und zum anderen ein paramilitärisches Auftreten, sofern dieses Verhalten jeweils darauf gerichtet oder geeignet sei, den Eindruck der Gewaltbereitschaft zu vermitteln und die Bevölkerung einzuschüchtern. Ein solches Auftreten werde in der Regel durch die Kombination von äußerer Erscheinung (z.B. einheitlich schwarzer Bekleidung, Bomberjacke, Springerstiefel) und Verhaltensweise (z.B. Demonstration in Formation und Marschtritt, das Schlagen von Landsknechtstrommeln) erzeugt. Das Landesversammlungsrecht sei zwar noch nicht in Kraft getreten. Die Erläuterungen zum Gesetzentwurf seien aber hilfreich beim Bewerten und Einschätzen der Gefahrenlage. Der Werbefilm der Antragstellerin zeige gerade mustergültig paramilitärisches Auftreten und Einschüchterungsverhalten. Es sei deshalb leicht nachvollziehbar, dass die Antragstellerin die einschlägigen Szenen aus ihrem Werbefilm herausgeschnitten habe und jetzt versuche, die Angelegenheit herunterzuspielen und als Missgeschick darzustellen.
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Der Beigeladene beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung trägt er vor, die angemeldete Versammlung der Antragstellerin sei als Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu bewerten. Beim 1. Mai handele es sich um einen Tag der Gewerkschaften, der in U. seit Jahrzehnten begangen werde. Die Mitglieder des G. in U., darunter auch viele hier lebende Immigrantinnen und Immigranten, sollten durch den Aufmarsch der Antragstellerin provoziert werden. Die Gewerkschaftsmitglieder hätten noch gut in Erinnerung, wie die Nazis am 02.05.1933 die Gewerkschaften zerschlagen hätten. Sie fühlten sich daher verpflichtet, dieser Provokation entgegenzutreten. Aufgrund der jüngsten Ereignisse sei bekannt, dass die Anhänger der Antragstellerin dazu neigten, gegen Mitglieder der Beigeladenen gewalttätig zu werden. Angesichts der Vorfälle nach der Demonstration in D. sei in U. mit einer aufgeladenen Atmosphäre zu rechnen, aus der heraus erneut mit Straftaten gegen Mitglieder der Beigeladenen zu rechnen sei. Da am 1. Mai an mehreren Orten Veranstaltungen stattfänden, sei die Polizei nicht in der Lage, die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Stadt U. aufrechtzuerhalten. Eine räumliche Verlagerung der Versammlung, wie vom Gericht angedacht, beseitige die zu erwartende Gefahrenlage nicht. Der Werteordnung des Grundgesetzes sei auch unterhalb der Schwelle strafrechtlicher und verfassungsgerichtlicher Verbots- und Verwirkungsentscheidungen Rechnung zu tragen. Die Versammlung der Antragstellerin laufe grundsätzlichen Wertvorstellungen, der Abkehr vom Nationalsozialismus, zuwider. Der Gefährdung der öffentlichen Ordnung könne auch nicht im Auflagenwege begegnet werden. Art. 5 GG schütze zwar auch politisch missliebige Meinungen. Bei dem Gedankengut von Neonazis gehe es aber nicht um irgendeine „politisch missliebige Meinung“, sondern um Anschauungen, denen das Grundgesetz mit seinem historischen Gedächtnis eine klare Absage erteilt habe. Die Freiheit müsse in der wehrhaften Demokratie des Grundgesetzes dort ihre Grenzen finden, wo der Versuch unternommen werde, das menschenverachtende Gedankengut des Dritten Reiches wiederzubeleben. Auch nach der Rechtsprechung der 1. Kammer des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts sei die Untersagung einer Versammlung möglich, wenn sie mit einer Provokation besonderer Art und Intensität verbunden sei. Dies sei vorliegend der Fall, da die Antragstellerin nach ihren Angaben im Internet ihren Aufmarsch zum 1. Mai als Kampfansage gegenüber der organisierten Arbeiterbewegung verstehe. Dieser hier festzustellenden spezifischen Provokationswirkung könne auch nicht mittels Auflagen begegnet werden, ohne den Charakter der angemeldeten Versammlung erheblich zu verändern. Die spezifische Provokationswirkung ergebe sich wesentlich aus dem gewählten Thema und dem gewählten Tag der Veranstaltung.
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Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, das von der Antragsgegnerin angeführte Werbevideo für die Veranstaltung in U. stehe schon seit drei Monaten nicht mehr im Internet. Herr N. habe es herausnehmen lassen, nachdem er davon erfahren habe. Der Ton zu den Filmbildern stamme von dem Schauspieler G. aus dem Film „D...“. Zudem gehe von einer Versammlung mit 500 Personen keine einschüchternde Wirkung aus. Die Einschätzung der Polizei zum für möglich gehaltenen Weg für den Aufzug der Antragstellerin beruhe auf Bequemlichkeitsüberlegungen. Die Antragstellerin nehme aber ein Grundrecht war und sei vor Personen, die dieses beeinträchtigen wollten, wirksam zu schützen. Die Blockade eines Aufzugs durch eine Gegenveranstaltung stelle nach dem Versammlungsgesetz eine Straftat dar.
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Die Antragsgegnerin hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass für die vom Beigeladenen beantragten Sondernutzungen noch keine Sondernutzungserlaubnisse erteilt worden seien. Erkenntnisse über konkret geplante Straftaten bei der Veranstaltung der Antragstellerin habe man nicht. In der Verbotsverfügung habe man aufgrund der Erkenntnisse, die von der Polizeidirektion U. mitgeteilt worden seien, eine Prognose angestellt. Die Antragstellerin plane keinen durch die Versammlungsfreiheit geschützten Aufzug, sondern einen nicht geschützten Aufmarsch paramilitärischer Art. Dies werde aus dem Werbevideo der Antragstellerin für die Veranstaltung in U. deutlich. Dieses gleiche einer NS-Wochenschau. Der erwartete Einschüchterungseffekt der Veranstaltung widerspreche dem für Versammlungen geltenden Friedlichkeitsgebot.
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Der Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, dass er bei der Antragsgegnerin für seinen Aufzug eine neue Route angemeldet habe. Es solle an der Kreuzung Neue Straße mit der Donaustraße/Frauenstraße zu einem Zusammenschluss mit einem aus N.-U. über die Herdbrücke kommenden Aufzug kommen. Danach wolle man über die Frauenstraße und die Olgastraße zum Bahnhof, um dort ankommende Kollegen abzuholen und ihnen ein sicheres Geleit zu geben. Danach gehe es über die Friedrich-Ebert-Straße, die Neue Straße, die Glöcklerstraße und die Hirschstraße zum Münsterplatz, wo die traditionelle Kundgebung des G. um 12:30 beginnen solle.
29 
Polizeioberrat M. von der Polizeidirektion U. hat in der mündlichen Verhandlung auf Fragen zu neuen Erkenntnissen bezüglich der bisherigen Stellungnahmen im Wesentlichen das Folgende ausgeführt: Es gebe hinsichtlich der Begehung von Straftaten anlässlich der Veranstaltung der Antragstellerin gegenüber der im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren mitgeteilten Lageeinschätzung keine neuen Erkenntnisse. Die Polizei habe die Aufgabe, Straftaten zu verhindern und aufzuklären. Die Beweislage sei aber schwierig. Es komme daher bei Strafverfahren anlässlich Konfrontationen zwischen rechten und linken Demonstranten zu vielen Verfahrenseinstellungen. Nach der Erfahrung der Polizei würden solche Konfrontationen oft von der Seite der Rechten provoziert, z. B. durch entsprechende und laute Meinungskundgebungen. Das Problem in U. bestehe auch darin, dass von Seiten der Antragstellerin 500-600 Personen erwartet würden, üblich seien 30-60 Teilnehmer, bei der Veranstaltung in Tübingen im Jahr 2007 seien es 250 Personen gewesen. Die Teilnehmer der Veranstaltung der Antragstellerin würden bei ihrem Eintreffen auf das Mitführen verbotener Gegenstände durchsucht. Dies lasse sich bei den gewaltbereiten Teilnehmern der Gegenveranstaltung nicht flächendeckend durchführen. Diese agierten aus der Masse der friedlichen Gegendemonstranten heraus.
30 
Bezüglich der Ausführungen von Polizeioberrat M. zur Gewährleistung der Sicherheit bei einer Durchführung der angemeldeten Veranstaltung der Antragstellerin in U. am 01.05.2009 wird auf dessen in der Anlage zum Protokoll protokollierte Angaben verwiesen.
31 
Das von der Antragsgegnerin vorgelegte Video ist in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen worden.
32 
Der Kammer haben die Akten der Antragsgegnerin vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird darauf sowie auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
33 
Der Antrag der Antragstellerin ist zulässig und teilweise begründet.
34 
Das Verwaltungsgericht kann nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs in den Fällen wiederherstellen, in denen die Behörde den Sofortvollzug ihrer Verfügung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat. Das Gericht ist nicht darauf beschränkt, die Begründung zu überprüfen, die die Behörde für die Anordnung des Sofortvollzugs gegeben hat. Es trifft seine Entscheidung aufgrund einer eigenen Interessenabwägung. Die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs wird regelmäßig dann wiederhergestellt, wenn dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit begründet sein wird. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung scheidet regelmäßig dann aus, wenn der Rechtsbehelf mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird. Im Übrigen ist die Begründetheit des Aussetzungsantrags unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache danach zu beurteilen, ob das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das private Interesse des Antragstellers an der Aussetzung des Vollzugs überwiegt.
35 
Das vollständige Verbot der angemeldeten Versammlung unter freiem Himmel und des angemeldeten Aufzugs ist aller Voraussicht nach rechtswidrig. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin kann aber nur unter Auflagen nach § 80 Abs. 5 Satz 4 Variante 2 VwGO wiederhergestellt werden.
1.
36 
Nach § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz (VersG) kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.
37 
Hinreichende Anhaltspunkte für eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch die Antragstellerin selbst sind bei der Durchführung ihrer Versammlung und ihres Aufzugs nicht ersichtlich.
38 
Nach dem Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 30.04.2002 - 1 S 1050/02 - juris, der auf der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beruht und den die Kammer ihrer Entscheidung zugrunde legt, gilt für die Auslegung des Begriffes der öffentlichen Sicherheit das Folgende:
39 
„Der Begriff der "öffentlichen Sicherheit" umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen, wobei in der Regel eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angenommen wird, wenn eine strafbare Verletzung dieser Schutzgüter droht (BVerfGE 69, 315, 353 f.). Für die versammlungsrechtliche Gefahrenprognose gelten nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundrecht der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) strenge Anforderungen: Danach setzt die mit der Formulierung der "erkennbaren Umstände" in § 15 Abs. 1 VersG bezeichnete Prognosebasis tatsächliche Anhaltspunkte bzw. nachweisbare Tatsachen voraus, bloße Verdachtsmomente und Vermutungen reichen nicht (BVerfGE 69, 315, 353 f.; BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschlüsse vom 26.01.2001 - 1 BvQ 8/01 -, NJW 2001, 1407, 1408, vom 14.07.2000, NJW 2000, 3051, 3052, und vom 21.04.1998, NVwZ 1998, 834, 835). Der Prognosemaßstab der "unmittelbaren Gefährdung" erfordert, dass der Eintritt eines Schadens für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschlüsse vom 08.12.2001 - 1 BvQ 49/01 -, vom 14.07.2000, NJW 2000, 3051, 3052 f., und vom 21.04.1998, NVwZ 1998, 834, 835; BVerfGE 69, 315, 353 f., 360). Notwendig ist dabei immer ein hinreichend konkreter Bezug der Erkenntnisse oder Tatsachen zu der nun geplanten Veranstaltung (BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschlüsse vom 08.12.2001 - 1 BvQ 49/01 -, vom 01.05.2001 - 1 BvQ 21/01 -, NJW 2001, 2078, 2079, vom 07.04.2001, NJW 2001, 2072, 2073, vom 14.07.2000, NJW 2000, 3051, 3052, und vom 21.04.2000, NVwZ-RR 2000, 554, 555)“.
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Von diesen Grundsätzen ausgehend vermag die Kammer keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür festzustellen, dass aus der Veranstaltung heraus die Verübung von Straftaten zu befürchten ist. Soweit die Antragsgegnerin - unter Rückgriff auf die in der Lageinschätzung der Polizeidirektion U. genannten Demonstrationen aus den Jahren 2006 bis 2008 - vorträgt, die Erfahrungen mit vielen ähnlichen Veranstaltungen in anderen Städten zeigten, dass mit der Begehung bestimmter Straftaten zu rechnen sei, wird kein konkreter Bezug zu der geplanten Veranstaltung der Antragstellerin hergestellt. Neue Erkenntnisse gibt es nach den Ausführungen der Auskunftsperson der Polizeidirektion U. in der mündlichen Verhandlung nicht. Zudem hat die Antragstellerin, unwidersprochen von der Antragsgegnerin, ausgeführt, dass bis auf eine der Veranstaltungen aus der Lagebeurteilung der Polizeidirektion U. alle Veranstaltungen nicht von der Antragstellerin angemeldet worden seien.
41 
Nach den Auskünften der Polizeidirektion U. ist aber ernsthaft damit zu rechnen, dass es notwendig sein wird, die Veranstaltung der Antragstellerin vor Angriffen von Personen des linken autonomen Spektrums (sogenannter Schwarzer Block), welche gezielt die Konfrontation mit der rechten Szene und der Polizei suchten, zu schützen (vgl. Darstellung „Demonstrationslage Rechts“ vom 05.11.2008 in der Akte der Antragsgegnerin), um die Begehung von Straftaten zu verhindern. Zwar konnte die Auskunftsperson der Polizeidirektion U. in der mündlichen Verhandlung keine konkreten Angaben zu dem in U. zu erwartenden Gewaltpotential auf Seiten des linken autonomen Spektrums machen. Diese Personen seien derzeit dabei, sich auf den NATO-Gipfel Anfang April 2009 in Straßburg/Kehl/Baden-Baden vorzubereiten. Er rechne aber damit, dass diese Szene auch am 01.05.2009 in U. erscheinen und sich möglicherweise auch anlässlich des NATO-Gipfels wegen Aktionen in U. absprechen werde. Diese Personen agierten aus dem Umfeld friedlicher Gegendemonstranten heraus und seien im Vorfeld nicht flächendeckend zu kontrollieren. Die Kammer teilt die Einschätzung der Polizeidirektion U.. Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die linke autonome Szene die Veranstaltung der Antragstellerin gerade nicht zum Anlass zur Durchführung eigener - auch gewalttätiger - Aktionen nehmen sollte. Insbesondere aufgrund der von der Antragstellerin erwarteten Anzahl von Teilnehmern an ihrer Veranstaltung und des Aufsehens, das sie bereits erregt hat, dürfte sie aller Voraussicht nach auch aus der Sicht der linken autonomen Szene eine attraktive Plattform sein, um sich selbst in Szene zu setzen.
42 
Die aufgrund der geplanten Gegenveranstaltungen befürchteten Gefahren, wobei diese nicht von der großen Mehrheit der friedlichen Gegendemonstranten ausgehen, sondern von Personen, die unter dem Schutzschirm der friedlichen Gegendemonstranten gewalttätige Aktionen durchführen wollen, rechtfertigen aber nicht das Verbot der Veranstaltung der Antragstellerin. Die Begründung aus der angefochtenen Verbotsverfügung der Antragsgegnerin, dass die Polizei nicht in der Lage sein werde, Konfrontationen zu beherrschen, entbehrt nach der Anhörung der Auskunftsperson der Polizeidirektion U. in der mündlichen Verhandlung einer tatsächlichen Grundlage, da die Lage durch den Erlass entsprechender Auflagen zum Ort der Versammlung und zum Weg des angemeldeten Aufzuges beherrschbar wird.
43 
Der Erlass dieser Auflagen geht dem vollständigen Verbot der Veranstaltung der Antragstellerin vor. Nach dem Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 30.04.2002 (a.a.O.) gilt Folgendes:
44 
„Im Übrigen ist der Hinweis in der angegriffenen Verfügung auf die u.U. durch Gegendemonstrationen hervorgerufenen Gefahren (...) keinesfalls geeignet, ein umfassendes Versammlungsverbot zu rechtfertigen. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Senats, dass Gefahren infolge angekündigter Gegendemonstrationen primär durch behördliche Maßnahmen gegen den Störer, also die Gegendemonstranten, zu begegnen ist. Es ist Aufgabe der zum Schutz der rechtsstaatlichen Ordnung berufenen Polizei, in unparteiischer Weise auf die Verwirklichung des Versammlungsrechts hinzuwirken. Gegen die Versammlung als ganze darf in einer solchen Situation grundsätzlich nur unter den besonderen Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes eingeschritten werden (vgl. BVerfGE 69, 315, 355, 360 f.; 1. Kammer des Ersten Senats, Beschlüsse vom 26.03.2001, NJW 2001, 1411, 1412, vom 24.03.2001, NJW 2001, 2069, 2072, vom 01.09.2000 - 1 BvQ 24/00 -, NVwZ 2000, 1406, 1407, vom 14.07.2000, NJW 2000, 3051, 3052 f., und vom 21.04.1998, NVwZ 1998, 834, 836; vgl. auch den Senatsbeschluss vom 22.01.1994, NVwZ-RR 1994, 393 f.)...
45 
Außerdem muss die Versammlungsbehörde mit Blick auf den rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit immer prüfen, ob ein polizeilicher Notstand durch Modifikation der Versammlungsumstände entfallen kann, ohne dadurch den konkreten Zweck der Versammlung zu vereiteln (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschlüsse vom 01.09.2000 - 1 BvQ 24/00 -, NVwZ 2000, 1406, 1407, und vom 18.08.2000, NJW 2000, 3053, 3056). Das Verbot einer Versammlung setzt als Ultima Ratio in jedem Fall voraus, dass das mildere Mittel der Erteilung von Auflagen ausgeschöpft ist (vgl. BVerfGE 69, 315, 353). Signalisiert der Veranstalter seine Bereitschaft zur Veränderung der Versammlungsmodalitäten, ist die Versammlungsbehörde im Rahmen ihrer Kooperationspflicht gehalten, diesen Möglichkeiten nachzugehen und nach Wegen zu suchen, die Versammlung gegen Gefahren zu schützen, die nicht von ihr selbst ausgehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.08.2000, a.a.O.; BVerfGE 69, 315, 357; zur Kooperationsobliegenheit des Veranstalters vgl. BVerfGE 69, 315, 357, sowie die Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 01.05.2001 - 1 BvQ 21/01 -, NJW 2001, 2078, 2079, vom 26.01.2001, NJW 2001, 1407, 1408, und vom 14.07.2000, NJW 2000, 3051, 3053)“.
46 
Nach den Erläuterungen der Auskunftsperson der Polizeidirektion U. ist die Lage auch dann beherrschbar, wenn Gegendemonstranten des linken Spektrums die Konfrontation mit der Versammlung und dem Aufzug der Antragstellerin suchen, wenn sich die Veranstaltung der Antragstellerin auf die im Tenor genannten Örtlichkeiten beschränkt. Bei deren Auswahl ist auf die Möglichkeiten der verfügbaren Polizeikräfte zum Schutz der Veranstaltung der Antragstellerin Rücksicht zu nehmen und ein Ausgleich mit den Interessen der Antragstellerin zu suchen. Deshalb war es ihr im Ergebnis zu ermöglichen, neben der Versammlung nördlich des nördlichen der beiden nach Osten führenden Ausgänge des Bahnhofs (Bereich vor dem Postgebäude) auch einen Aufzug bis zur Einmündung der Neutorstraße in Ludwig-Erhard-Brücke/Karlstraße durchzuführen. Zwar kann nicht der gesamte Bereich durch Gitter abgesperrt werden. Die Neutorstraße ist aber in dem zugelassen Bereich ausreichend breit, um der Polizei ein wirksames Handeln zum Schutz der Veranstaltung der Antragstellerin zu ermöglichen. Unmittelbar angrenzend an diese Straßen liegen keine Gebäude von besonderer Relevanz für den Einsatz der Polizei. Etwas anderes wurde von den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung auch nicht vorgetragen.
47 
Angesichts der engen Verhältnisse in den Straßen zwischen der Karlstraße und der Olgastraße, zu nennen sind hier die Bessererstraße, die Ensingerstraße, die Syrlinstraße, die Karl-Schefold-Straße und die Keplerstraße, scheidet es nach der Auffassung der Kammer aus, den Aufzug über die Karlstraße und eine der genannten Verbindungsstraßen in die Olgastraße und auf dieser zurück zum Bahnhof laufen zu lassen. Die ursprünglich angemeldete Route, die mit einem Abstecher nach Norden im Wesentlichen um den historischen Stadtkern der Stadt U. herum verlaufen sollte, scheidet angesichts der Länge des für die Polizei dann zu schützenden Weges aus. Zudem ist es erforderlich, die Veranstaltung der Antragstellerin und die traditionelle 1.-Mai-Veranstaltung des Beigeladenen und dessen auch bereits in den Vorjahren durchgeführten Aufzug räumlich und zeitlich zu trennen. Denn nach den mitgeteilten Erfahrungen der Polizeidirektion U., die es nachvollziehbar erscheinen lassen, dass sie sich wiederholen, ist es zu erwarten, dass die gewaltbereiten Gegendemonstranten im Umfeld der Veranstaltung des Beigeladenen bzw. aus dieser Veranstaltung heraus agieren werden. Die Polizei kann ihre Aufgabe effektiv nur bei einer Trennung der verschiedenen Veranstaltungen am 01.05.2009 in U. erfüllen. Die erforderliche Trennung hat zur Folge, dass auch die Veranstaltungen des Beigeladenen und etwaige weitere Gegenveranstaltungen auf das Erfordernis einer räumlichen und zeitlichen Trennung Rücksicht zu nehmen haben. Der VGH Baden-Württemberg hat in seinem Beschluss vom 30.04.2002 (a.a.O.) zur Problematik mehrerer Veranstaltungen am gleichen Tag in einer Stadt das Folgende ausgeführt, das auch die Kammer ihrer Entscheidung zugrunde legt:
48 
„Ebenfalls ohne Erfolg bleibt der Versuch der Beschwerde, das Demonstrationsverbot für den Bereich der Innenstadt der Antragsgegnerin schon damit zu rechtfertigen, dass nahezu die gesamte Innenstadt mit Veranstaltungen "belegt" sei, die zeitlich vor Eingang der Anmeldung des Antragstellers bei der Antragsgegnerin angemeldet worden seien... Darauf hinzuweisen ist im Übrigen, dass eine "flächendeckende" Anmeldung von Gegenveranstaltungen allein mit dem Ziel, durch die faktische Belegung öffentlicher Straßen und Plätze eine andere Demonstration zu verhindern, an der Schutzwirkung des Art. 8 GG nicht teilnimmt, weil dieses Grundrecht eine Bereitschaft zur Zielverfolgung allein mit kommunikativen Mitteln voraussetzt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.06.1991, BVerfGE 84, 203, 209; Bull, Grenzen des grundrechtlichen Schutzes für rechtsextreme Demonstrationen, Rechtsgutachten, 2000, S. 31; Höllein, NVwZ 1994, 635, 638).
49 
Selbst wenn die angemeldeten Gegenveranstaltungen nicht gezielt auf Verhinderung der Veranstaltung des Antragstellers gerichtet sind, ergibt sich keine andere Beurteilung. Denn in einer solchen Situation kann die Versammlungsbehörde nicht von einem "Erstanmelderprivileg" in dem Sinne ausgehen, dass bei nur begrenzt zur Verfügung stehenden Örtlichkeiten die später angemeldete Versammlung ohne weiteres zu verbieten sei. Vorrangig muss auch hier sein, die räumliche Kollision der Veranstaltungen durch Auflagen gemäß § 15 Abs. 1 VersG zu vermeiden. Da sowohl die Teilnehmer der verschiedenen Gegenveranstaltungen wie auch die Teilnehmer der streitgegenständlichen Demonstration jeweils ihr Grundrecht aus Art. 8 GG wahrnehmen, muss ein schonender Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen herbeigeführt werden (vgl. den Beschluss des VG Karlsruhe vom 29.05.2001 - 12 K 1228/01 -; den hiergegen gerichteten Antrag auf Zulassung der Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 01.06.2001 - 1 S 1182/01 - abgelehnt; vgl. auch Höllein, NVwZ 1994, 635, 638). In diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass aus dem aus Art. 8 Abs. 1 GG abzuleitenden Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung (vgl. BVerfGE 69, 315 <343>) nur folgt, dass der Veranstalter sein Demonstrationsinteresse eigenständig konkretisieren darf. Kollidiert sein Grundrecht der Versammlungsfreiheit aber mit anderen Rechtsgütern, etwa auch dem Grundrecht anderer nach Art. 8 GG, steht ihm nicht auch ein Bestimmungsrecht darüber zu, wie gewichtig diese Rechtsgüter in die Abwägung einzubringen sind und wie die Interessenkollision rechtlich bewältigt werden kann. Insoweit bleibt ihm nur die Möglichkeit, seine Vorstellungen im Zuge einer Kooperation mit der Verwaltungsbehörde einzubringen. Die Abwägung, ob und inwieweit gegenläufige Interessen die Einschränkung der Demonstrationsfreiheit rechtfertigen, obliegt der Versammlungsbehörde und den mit der rechtlichen Überprüfung befassten Gerichten (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschlüsse vom 26.01.2001 - 1 BvQ 8/01 -, NJW 2001, 1407, 1408, und - 1 BvQ 9/01 -, NJW 2001, 1409, 1410).
50 
Ausgehend hiervon wäre es zunächst Sache der Antragsgegnerin gewesen, die seit der Anmeldung der streitgegenständlichen Demonstration im Mai 2001 bestehende räumliche Kollisionslage rechtlich zu bewältigen und auszuloten, ob und inwieweit ein vernünftiger Interessenausgleich insbesondere durch zeitliche und örtliche Vorgaben hinsichtlich der nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin zunächst angemeldeten Veranstaltungen auf der einen und der Veranstaltung des Antragstellers auf der anderen Seite herbeigeführt werden kann.“
51 
Da die Veranstaltung der Antragstellerin nur an den ihr durch die Auflage zugewiesenen Orten stattfinden kann, ist es nicht möglich, andere Versammlungen oder Aufzüge an den gleichen Orten am 01.05.2009 in U. durchzuführen. Nach den Ausführungen der Auskunftsperson der Polizeidirektion U. in der mündlichen Verhandlung reicht eine zeitliche Trennung der Veranstaltungen in diesem Bereich nicht aus, da ernsthaft damit zu rechnen ist, dass Teilnehmer der früher stattfindenden Veranstaltung zurückbleiben, um die Straßen zur Verhinderung des Aufzuges der Antragstellerin zu blockieren. Dies schließt es aus, dass der Beigeladene seinen Aufzug durch die Neutorstraße und die Olgastraße zwischen der Neutorstraße und dem Bahnhof führt. Gleichfalls ausgeschlossen ist die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen von Gegenveranstaltungen unmittelbar vor dem Bahnhof und auf dem Karlsplatz. Die traditionelle Veranstaltung des Beigeladenen zum 1. Mai ist davon nicht betroffen. Festzuhalten ist auch, dass die Sondernutzungserlaubnisse für den Bahnhofsplatz und den Karlsplatz erst nach der Anmeldung der Veranstaltung der Antragstellerin beantragt wurden, auch die Anmeldung des Aufzugs erst danach erfolgte und dieser erst aufgrund einer weiteren Änderung am Bahnhof vorbeigeführt werden sollte.
52 
Die zeitliche Begrenzung der Veranstaltung der Antragstellerin auf 17:00 Uhr soll sicherstellen, dass diese auch bei Verzögerungen noch vor Eintritt der Dunkelheit (Sonnenuntergang am 01.05.2009 in U.: 20:34 Uhr) zu Ende geht. Diese zeitliche Begrenzung spielt bei einem ungestörten Ablauf der Veranstaltung auch nach der Auffassung der Antragstellerin keine Rolle. Dies gilt umso mehr, als die Route des Aufzugs, die durch den vorliegenden Beschluss zugelassen wird, gegenüber der Anmeldung erheblich kürzer ist. Die Zeit bis 17:00 Uhr wird nur ausgeschöpft, wenn es zu Störungen beim Ablauf der Veranstaltung kommt. Kommt es aber zu Störungen, wird die Arbeit der Polizei wesentlich erleichtert, wenn sie noch vor Einbruch der Dunkelheit beendet werden kann. Bei Blockaden benötigt die Polizei nach ihrer Auskunft zur Auflösung oft 2-3 Stunden, zu denen für die Abfahrtsphase eine weitere Stunde hinzugerechnet werden muss. Bei Abwägung aller Interessen ist die zeitliche Beschränkung verhältnismäßig.
53 
Auf die Person der Versammlungsleiter kann die Antragsgegnerin ihr Verbot nicht stützen. Der beanstandete Herr Sc. wurde von der Antragstellerin als Versammlungsleiter zurückgezogen und durch Herrn N. ersetzt. Die von der Polizeidirektion U. der Antragsgegnerin mitgeteilten Erkenntnisse über den weiteren Versammlungsleiter L. G. reichen nicht aus, um ihn als Versammlungsleiter ablehnen zu können. Zudem hätte der Antragstellerin bei einer begründeten Beanstandung des Herrn G. als Versammlungsleiter die Gelegenheit gegeben werden müssen, eine andere Person zu benennen. Das Verbot der Versammlung lässt sich damit nicht rechtfertigen.
2.
54 
Das Versammlungsverbot lässt sich auch nicht auf eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Ordnung stützen. Zu diesem Verbotstatbestand führte der VGH Baden-Württemberg in seinem Beschluss vom 30.04.2002 (a.a.O.) in einem vergleichbaren Fall das Folgende aus, das auch die Kammer ihrer Entscheidung zugrunde legt:
55 
„a) Dies gilt zunächst für das Beschwerdevorbringen, bereits die Anschauungen des Antragstellers seien mit grundgesetzlichen Wertvorstellungen unvereinbar bzw. das Verbreiten neonazistischen Gedankenguts verletze grundlegende soziale und ethische Anschauungen vieler Menschen. Diese auf den Inhalt der erwarteten demonstrativen Meinungsäußerungen abstellende Begründung ist verfassungsrechtlich nicht tragfähig.
56 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der der Senat folgt, ist das insoweit einschlägige Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) für die freiheitlich demokratische Grundordnung schlechthin konstituierend. Es gilt die Vermutung zugunsten freier Rede. Die Bürger sind dabei frei, grundlegende Wertungen der Verfassung in Frage zu stellen, solange sie dadurch Rechtsgüter anderer nicht gefährden. Die plurale Demokratie des Grundgesetzes vertraut auf die Fähigkeit der Gesamtheit der Bürger, sich mit Kritik an der Verfassung auseinander zu setzen und sie dadurch abzuwehren (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 24.03.2001, NJW 2001, 2069, 2070). Auch die Ablehnung eines bestimmten - etwa nationalsozialistischen - Gedankenguts durch den ganz überwiegenden Teil der Bevölkerung rechtfertigt für sich allein keine Beschränkung der Grundrechte rechtsextremer Demonstranten (vgl. Hoffmann-Riem, NVwZ 2002, 257, 261). Vielmehr lassen das Grundgesetz und die übrige Rechtsordnung ein Verbot von Meinungsäußerungen nur unter ganz engen Voraussetzungen zu.
57 
Dies folgt zunächst daraus, dass das Grundgesetz im Hinblick auf den Umgang mit Gegnern der Verfassung besondere Vorkehrungen zum Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung getroffen hat, die im Übrigen auch dem Ziel dienen, ein Wiederaufleben des Nationalsozialismus zu verhindern (BVerfG, Beschluss vom 24.03.2001, a.a.O.). So hat es für Verbote von Parteien und die Verwirkung des Grundrechtsschutzes bestimmter Personen in den Art. 18 und 21 Abs. 2 GG formelle und materielle Hürden aufgestellt. Diese erzeugen - solange das Bundesverfassungsgericht ein Parteiverbot bzw. die Verwirkung von Grundrechten nicht festgestellt hat - eine Sperrwirkung dahingehend, dass die für verfassungsfeindlich gehaltene Partei oder Person zwar politisch bekämpft, ihre Grundrechtsausübung aber grundsätzlich - soweit sie mit allgemein erlaubten Mitteln arbeitet - nicht unterbunden werden darf (st. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts, vgl. nur 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 01.05.2001, NJW 2001, 2076, 2077 m.w.N.)...
58 
Im Übrigen kann allein wegen der inhaltlichen Ausrichtung einer Versammlung unterhalb der Strafbarkeitsschwelle eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG grundsätzlich nicht angenommen werden. Die Meinungsäußerungsfreiheit findet ihre Grenze in den allgemeinen Gesetzen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG, wobei zur Abwehr von kommunikativen Angriffen auf Schutzgüter der Verfassung besondere Strafrechtsnormen geschaffen worden sind (speziell im Bereich politischer Auseinandersetzungen etwa §§ 86, 86 a StGB , §§ 90a, b StGB , § 130 StGB ). Diese den Inhalt von Meinungsäußerungen beschränkenden Straftatbestände sind grundsätzlich abschließend und verwehren den Rückgriff auf die in § 15 Abs. 1 VersG enthaltene Ermächtigung zum Schutz der öffentlichen Ordnung, soweit nicht die Verwirklichung eines Straftatbestandes droht. Der Gesetzgeber hat durch die enge Fassung der Straftatbestände zum Ausdruck gebracht, im Übrigen keinen Vorrang des Rechtsgüterschutzes gegenüber Meinungsäußerungen anzuerkennen. Deshalb ist § 15 Abs. 1 VersG hinsichtlich des Schutzes der öffentlichen Ordnung gegenüber kommunikativen Angriffen insoweit einengend auszulegen, als zur Abwehr entsprechender Rechtsgüterverletzungen besondere Strafrechtsnormen geschaffen worden sind. Daneben kommen zusätzliche, d.h. nicht durch den unmittelbar demokratisch legitimierten Gesetzgeber, sondern lediglich durch die Versammlungsbehörde oder die Verwaltungsgerichte im Einzelfall konkretisierte "verfassungsimmanente Grenzen" der Inhalte von Meinungsäußerungen nicht zum Tragen (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschlüsse vom 01.05.2001, NJW 2001, NJW 2001, 2076 f., vom 07.04.2001, NJW 2001, 2072, 2074, und vom 24.03.2001, NJW 2001, 2069, 2070 f.; a.A. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 30.04.2001, NJW 2001, 2114, 2115, vom 12.04.2001, NJW 2001, 2113, und vom 23.03.2001, NJW 2001, 2111, 2112). Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund vermag die Antragsgegnerin, soweit sie die - strafrechtlich irrelevante - Verbreitung nationalsozialistischen oder jedenfalls rechtsextremen Gedankenguts befürchtet, das Versammlungsverbot nicht in verfassungsrechtlich zulässiger Weise auf eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG zu stützen.
59 
b) Jenseits des Inhalts der beabsichtigten demonstrativen Meinungsäußerung sind allerdings auch nach Auffassung des Senats einzelne Merkmale bzw. Modalitäten der angemeldeten Demonstration geeignet, die öffentliche Ordnung zu gefährden (aa). Auch insoweit ist indes das von der Antragsgegnerin verfügte Versammlungsverbot nicht gerechtfertigt, weil auch diesen Gefährdungen durch Auflagen begegnet werden kann (bb).
60 
aa) Das Tatbestandsmerkmal der Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG kann erfüllt sein, wenn über den bloßen (etwa nationalsozialistischen) Inhalt hinaus Besonderheiten der gemeinschaftlichen Kundgabe und Erörterung bzw. besondere Begleitumstände der Demonstration gegeben sind, etwa wenn die befürchtete Gefahr auf besonderen, beispielsweise provokativen oder aggressiven Begleitumständen beruht, die einen Einschüchterungseffekt sowie ein Klima der Gewaltdemonstration und potenzieller Gewaltbereitschaft erzeugen. Dies kann - ohne dass dieser Aufzählung ein abschließender Charakter zukäme und vorbehaltlich der besonderen Umstände des Einzelfalls - etwa beim Mitführen bestimmter Gegenstände (z.B. Landsknechtstrommeln, Fackeln, Fanfaren, Fahnen u.ä.), beim Tragen uniformartiger Kleidungsstücke, beim Auftreten in Marschordnung oder beim Skandieren bestimmter Parolen der Fall sein. Denn das in diesem Zusammenhang einschlägige Grundrecht der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) schützt Aufzüge, nicht aber Aufmärsche mit paramilitärischen oder sonst wie einschüchternden Begleitumständen (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschlüsse vom 07.04.2001, NJW 2001, 2072, 2074, und vom 24.3.2001, NJW 2001, 2069, 2071; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.02.01, NWVBl. 2001, 474, 475). Entsprechendes kann gelten, wenn einem symbolträchtigen Datum oder Ort eine spezifische Provokationswirkung zukommt (vgl. zum symbolträchtigen Datum BVerfG, Beschluss vom 26.01.2001 - 1 BvQ 9/01 -, NJW 2001, 1409, 1410 ; vgl. auch Beschlüsse vom 12.04.2001, - 1 BvQ 19/01 -, NJW 2001, 2075, 2076, sowie - 1 BvQ 20/01 -, juris; vgl. zum symbolträchtigen Ort OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.01.2002 - 5 B 12/02 -; Hoffmann-Riem, NVwZ 2002, 257, 261). Ausgehend hiervon führt der für die Versammlung gewählte Termin des 1.-Mai-Feiertags nicht zu einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann die öffentliche Ordnung betroffen sein, wenn "einem bestimmten Tag ein in der Gesellschaft eindeutiger Sinngehalt mit gewichtiger Symbolkraft zukommt, der bei der Durchführung des Aufzugs an diesem Tag in einer Weise angegriffen wird, dass dadurch zugleich grundlegende soziale oder ethische Anschauungen in erheblicher Weise verletzt werden" (BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 26.1.2001, NJW 2001, 1409, 1410 ). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
61 
Mit der Antragsgegnerin ist allerdings auch der Senat der Auffassung, dass die Durchführung einer Veranstaltung am 1.-Mai-Feiertag durch eine dem rechtsextremen Spektrum zuzurechnende Partei bei Teilen der Bevölkerung, gerade angesichts der historischen Prägung ... als Industrie- und Arbeiterstadt und insbesondere in Kreisen der Gewerkschaften, Assoziationen an die Pervertierung und Instrumentalisierung des Feiertags der Arbeiterbewegung durch das nationalsozialistische Regime weckt und dem gemäß als Provokation empfunden wird (zur propagandistischen Umfunktionierung des traditionellen Feiertags der internationalen Arbeiterbewegung zum "Tag der nationalen Arbeit" am 01.05.1933 durch die Nationalsozialisten sowie zur anschließenden Zerschlagung der Gewerkschaften und deren Eingliederung in die "Deutsche Arbeitsfront" - DAF - vgl. Ian Kershaw, "Hitler.1889-1936", 1999, S. 602 f.; Heinz Höhne, "Gebt mir vier Jahre Zeit", 2. Aufl. 1999, S. 129; Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band IV, 2000, § 130 III. 4.). Indes nimmt der Antragsteller nicht von sich aus auf entsprechende historische Ereignisse Bezug und kann auch nicht in einer Weise damit in Zusammenhang gebracht werden, die ohne weiteres die Einschränkung seiner Grundrechte rechtfertigt. Auch dürfte die Begehung des 1. Mai, der gemäß Art. 3 Abs. 2 der Landesverfassung gesetzlicher Feiertag ist, nicht einer bestimmten politischen Richtung oder bestimmten Organisationen vorbehalten und damit Gruppierungen des rechten Spektrums nicht von vornherein verwehrt sein. Jedenfalls kann nicht festgestellt werden, dass dem 1.-Mai-Feiertag im Bewusstsein der Bevölkerung eine solche Symbolwirkung zukommt, die angesichts der Geschehnisse zu Zeiten des Nationalsozialismus die Einschätzung rechtfertigt, die Durchführung einer Versammlung des Antragstellers an diesem Tag werde allgemein als bewusste, den öffentlichen Frieden störende Provokation empfunden. Dem entspricht es, dass das Bundesverfassungsgericht bereits über gegen die ... gerichtete und mit dem Symbolcharakter des 1.-Mai-Feiertags begründete Demonstrationsverbote zu entscheiden hatte, ohne unter diesem Gesichtspunkt einen Anlass für eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung zu sehen (Beschlüsse vom 01.05.2001 - 1 BvQ 21/01 -, NJW 2001, 2076, und - 1 BvQ 22/01 - NJW 2001, 2078).
62 
Die vom Antragsteller beabsichtigte Verwendung von Fackeln ist nach Auffassung des Senats allerdings geeignet, die öffentliche Ordnung zu gefährden (vgl. bereits oben S. 14). Zutreffend weist die Antraggegnerin darauf hin, dass sich insoweit eine Art des Aufzugs ergäbe, der an nationalsozialistische Fackelzüge während des "Dritten Reichs" erinnert und die Assoziation einer Verherrlichung des Nationalsozialismus hervorruft. Damit handelt es sich um eine Modalität der Versammlung mit einer erheblichen Provokationswirkung, die nach Auffassung des Senats geeignet ist, das friedliche Zusammenleben der Bürger konkret zu beeinträchtigen. Eine vergleichbare erhebliche Provokationswirkung käme ferner den geplanten Kundgebungen vor der ...-... Moschee am ... und am ... (Gewerkschaftshaus) zu.
63 
bb) Kann in dem aufgezeigten Umfang die bloße Gefährdung der öffentlichen Ordnung ein verfassungsmäßiger Grund für die Einschränkung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit sein, scheidet sie aber jedenfalls als Rechtsgrundlage eines Versammlungsverbotes grundsätzlich aus. Denn Mehrheitsanschauungen allein reichen zur Bestimmung des Gehalts der öffentlichen Ordnung nicht. Art. 8 GG ist für die Freiheitlichkeit der demokratischen Ordnung besonders wichtig als Minderheitenschutzrecht. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass Verbote von Versammlungen im Wesentlichen nur zur Abwehr von Gefahren für elementare Rechtsgüter in Betracht kommen. Da dieser Schutz regelmäßig in der positiven Rechtsordnung und damit im Rahmen des Schutzes der öffentlichen Sicherheit verwirklicht wird, rechtfertigt eine bloße Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Allgemeinen ein Versammlungsverbot nicht (BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschlüsse vom 07.04.2001, NJW 2001, 2072, 2074 f., vom 24.03.2001, NJW 2001, 2069, 2070 f., und vom 26.01.2001 - 1 BvQ 9/01 -, NJW 2001, 1409; vgl. auch BVerfGE 69, 315, 352 f.).
64 
Zur Abwehr der aufgezeigten Gefahren für die öffentliche Ordnung ist die Antragsgegnerin daher berechtigt, dem Antragsteller Auflagen zu erteilen...“.
65 
Hinsichtlich des Weges des Aufzugs ist in der mündlichen Verhandlung nicht erkennbar geworden, dass dieser unmittelbar an einem Gebäude vorbeiführt, bei dem allein durch dessen Passieren eine Provokationswirkung in dem im Beschluss des VGH Baden-Württemberg (aaO) beschriebenen Sinn entstehen könnte. Entsprechende Hinweise auf relevante Gebäude wurden von den Beteiligten nicht gegeben. Solche sind auch aufgrund der amtlichen Stadtkarte U. / Neu U. aus dem Jahr 2005 nicht erkennbar.
66 
Die Auflagen hinsichtlich der „Ausrüstung“ der Teilnehmer an der Versammlung und dem Aufzug der Antragstellerin sind erforderlich, um zu verhindern, dass ihre Veranstaltung sich durch ihr Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifiziert und durch Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.09.2003 - 1 BvQ 32/03 -, juris) und aus einem geschützten Aufzug kein unzulässiger an die Zeiten des Nationalsozialismus erinnernder Aufmarsch wird.
67 
Die Benutzung und damit auch das Mitführen von Trommeln ist vollständig zu untersagen, weil diese zum Takt Schlagen benutzt werden und ein unzulässiges militärisches Marschieren im Gleichschritt fördern können. Das Verbot, den Aufzug in Form einer militärischen Marschkolonne durchzuführen, und die Beschränkung der Anzahl der Fahnen sollen verhindern, dass der Aufzug der Antragstellerin an die Fahnenaufmärsche aus der Zeit des Nationalsozialismus erinnert. Dem gleichen Zweck dient die Auflage, dass die Fahnen dem Aufzug nicht voran und nicht in Reihen getragen werden dürfen. Zulässig ist es damit, die Fahnen unregelmäßig während der Versammlung oder des Aufzugs verstreut mit sich zu führen. Damit soll ein militärisches Gepräge der Veranstaltung durch entsprechende Anordnung der Fahnenträger beispielsweise durch das Auftreten von Fahnenabordnungen vermieden werden. Das Verbot von schwarz-weiß-roten Fahnen des Deutschen Reiches dient gleichfalls dem Zweck zu verhindern, dass der Aufzug als NS-Veranstaltung erkennbar wird (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 14.11.2008 - 10 CS 08.3016 -, juris). Das Mitführen schwarzer Fahnen ist erlaubt. Die Kammer beschränkt deren Anzahl aber, wie dies im Beschluss des BVerfG vom 29.02.2002 (- 1 BvQ 9/02 -, juris) erfolgt ist, auf 10.
68 
Die Antragsgegnerin hat die Möglichkeit, weitere Auflagen anzuordnen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn dies aufgrund neuer Erkenntnisse geboten ist. Bei gleichbleibender Erkenntnislage sind weitere Auflagen unzulässig, soweit die Sachbereiche bereits durch die Auflagen der Kammer geregelt werden.
69 
Die Antragstellerin ist mit ihrem Begehren, insbesondere soweit dies die Route für den angemeldeten Aufmarsch betrifft, nicht vollständig durchgedrungen Die Abweisung des Antrags der Antragstellerin im Übrigen folgt aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidung und der Kostenentscheidung. Es ist kein Teil Streitgegenstandes unentschieden geblieben.
70 
Der Antrag der Antragstellerin aus der Anzeige der Versammlung und des Aufzugs auf die Genehmigung von Ordnern gehört nicht zum Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1, § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO.

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