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| Das Gericht konnte im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO). Die Entscheidung ergeht durch den Berichterstatter, nachdem die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben (vgl. § 87a Abs. 3, Abs. 2 VwGO). |
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| Die Klage ist zulässig und teilweise begründet. Die Klägerin hat zu dem gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG (dazu I.), Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16a GG (dazu II.) und Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG (dazu III.). Insoweit ist der Bescheid des Bundesamts vom 04.06.2020 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat jedoch einen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots hinsichtlich Kamerun und Nigeria nach § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK (dazu IV.). Insoweit ist der Bescheid des Bundesamts vom 04.06.2020 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). |
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| I. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. |
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| 1. Die Flüchtlingseigenschaft ist einem Ausländer zuzuerkennen, der Flüchtling ist (§ 3 Abs. 1 AsylG, § 60 Abs. 1 AufenthG), sofern er nicht die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt (§ 3 Abs. 4 AsylG). Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) - Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) - ist der Ausländer gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Dabei sind die in § 3 Abs. 2 und 3 AsylG aufgeführten Ausschlussgründe zu beachten. |
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| Als Verfolgungshandlung gelten nach § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 04. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) - EMRK - keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). |
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| Zwischen den in § 3 Abs. 1 i. V. m. § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG). Die Verfolgung kann vom Staat sowie den weiteren in § 3c AsylG im Einzelnen aufgezählten Akteuren ausgehen. Nach § 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. |
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| Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. VGH BW, Urteil vom 19.09.2013 - A 11 S 689/13 -, Juris). Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 - QRL - ist die Tatsache, dass ein Kläger bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Klägers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Kläger erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung ist bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des Merkmals „begründete Furcht“ weiterhin zu beachten, auch wenn auf sie - anders als nach § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG in der bis zum 30.11.2013 gültigen Fassung - in §§ 3 ff. AsylG oder § 60 AufenthG nicht ausdrücklich Bezug genommen wird (Zeitler, in: HTK-AuslR, Stand 24.11.2016, § 3 AsylG, zu Abs. 1 Nr. 3.2). |
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| Das Gericht trifft seine Entscheidung bei alledem gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Auch im Asylverfahren muss die danach gebotene Überzeugungsgewissheit dergestalt bestehen, dass das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit (nicht etwa nur von der Wahrscheinlichkeit) des vom Kläger behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals erlangt hat. Wegen des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich der Betroffene insbesondere hinsichtlich der von ihm vorgetragenen Vorgänge im Heimat-, also im „Verfolgerland“ vielfach befindet, genügt für diese Vorgänge in der Regel die Glaubhaftmachung, wodurch allerdings das Gericht nicht von einer Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO enthoben ist. Vielmehr darf das Gericht keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit verlangen. Es muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind. Unter Berücksichtigung des beschriebenen Beweisnotstands kommt dabei dem persönlichen Vorbringen des Klägers und dessen Würdigung gesteigerte Bedeutung zu, weswegen allein der Tatsachenvortrag des Asylsuchenden zum Erfolg der Klage führen kann, sofern seine Behauptungen unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände in dem Sinne „glaubhaft“ sind, dass sich das Gericht von ihrer Wahrheit überzeugen kann. So sieht etwa auch Art. 4 Abs. 5 RL 2011/95/EU unter bestimmten Umständen vor, dass die Einlassung des Schutzsuchenden ausreichend sein kann und es keiner Nachweise seiner Aussagen bedarf. Dies ist der Fall, wenn dieser sich offenkundig bemüht hat, seinen Antrag zu begründen, alle ihm verfügbaren Anhaltspunkte vorliegen, und er eine hinreichende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Anhaltspunkte gegeben hat, festgestellt wurde, dass seine Aussagen kohärent und plausibel sind und sie zu den für seinen Fall relevanten, verfügbaren besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen, er internationalen Schutz zum frühestmöglichen Zeitpunkt beantragt hat (es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war) und schließlich auch seine generelle Glaubwürdigkeit festgestellt worden ist. |
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| Es ist demzufolge zunächst Sache des Schutzsuchenden, die Gründe für seine Furcht vor Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei verständiger Würdigung ergibt, dass ihm in seinem Heimatstaat Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass er zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Erhebliche Widersprüche und Unstimmigkeiten im Vorbringen können dem entgegenstehen, es sei denn, diese können überzeugend aufgelöst werden (BVerwG, Urteil vom 23.02.1988 – 9 C 32/87 –, Rn. 9, Juris). Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u.a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Schutzsuchenden berücksichtigt werden. |
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| 2. Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. |
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| Das Gericht geht entsprechend der Ausführungen des Bundesamts im angegriffenen Bescheid, denen es nach § 77 Abs. 2 AsylG folgt und auf die insoweit verwiesen wird, davon aus, dass die Klägerin die kamerunische und die nigerianische Staatsangehörigkeit hat. |
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| Flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung droht der Klägerin in Kamerun und Nigeria nicht aufgrund von ihren Eltern abgeleiteter Gründe. Das Gericht verweist insoweit auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Freiburg im rechtskräftigem Urteil vom 29.05.2020 – A 4 K 10556/17 – (hinsichtlich des Vaters) und die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Sigmaringen im rechtskräftigen Urteil vom 29.06.2020 – A 8 K 10476/17 – (hinsichtlich der Mutter), mit denen die von den Eltern geltend gemachten Verfolgungsgründe abschließend gewürdigt wurden. Im Übrigen folgt das Gericht diesbezüglich nach § 77 Abs. 2 AsylG den Ausführungen des Bundesamts im angegriffenen Bescheid. |
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| Auch soweit die Klägerin eigene Gründe geltend macht und sich darauf beruft, dass ihr in Kamerun und Nigeria flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung drohe, da sie ein „Halbblut“ sei und da ihr weibliche Genitalverstümmelung drohe, dringt sie damit nicht durch. Auch diesbezüglich folgt das Gericht nach § 77 Abs. 2 AsylG den Ausführungen des Bundesamts im angegriffenen Bescheid. |
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| II. Aus denselben Erwägungen scheidet auch die Anerkennung als Asylberechtigte aus. |
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| III. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes, weil sie keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihr in ihren Herkunftsstaaten ein ernsthafter Schaden droht, § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG. Dies gilt für alle drei Varianten des ernsthaften Schadens im Sinne des § 4 AsylG. |
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| 1. Dabei gilt im Rahmen des subsidiären Schutzes für die Beurteilung der Frage, ob ein ernsthafter Schaden droht, der einheitliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Dieser aus dem Tatbestandsmerkmal „... tatsächlich Gefahr liefe ...“ des Art. 2f QRL abzuleitende Maßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt („real risk“, vgl. BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, NVwZ 2012, 454 Rn. 20; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 20.03.2013 - 10 C 23.12 -, NVwZ 2013, 936 Rn. 32). |
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| Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der der Prognose zugrunde zu legen ist, gilt unabhängig davon, ob der Betroffene bereits vor seiner Ausreise einen ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG erlitten hat. Ein solcher Umstand stellte aber einen ernsthaften Hinweis dar, dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden. Dies folgt aus der Vermutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 QRL (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 17.09.2019 - 1 B 43.19 -, juris Rn. 7). |
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| 2. Nach diesen Maßstäben droht der Klägerin weder die Verhängung noch die Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), noch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Auch diesbezüglich verweist das Gericht hinsichtlich abgeleiteter Gründe auf die rechtskräftigen Urteile in den Verfahren der Eltern und folgt hinsichtlich eigener Gründe gem. § 77 Abs. 2 AsylG den Darstellungen des Bundesamts im angegriffenen Bescheid. |
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| 3. Die Gewährung subsidiären Schutzes auf Grundlage von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG kommt auch nicht unter dem allgemeinen Gesichtspunkt der humanitären Situation in Kamerun oder Nigeria in Betracht. In Kamerun und Nigeria fehlt es jedenfalls an einem erforderlichen Akteur als Voraussetzung für die Zuerkennung subsidiären Schutzes insoweit (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i. V. m. § 3c AsylG, vgl. zum Erfordernis eines solchen ausführlich VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, Rn. 54-70, Juris). |
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| Nach dieser Vorschrift ist subsidiärer Schutz zuzuerkennen, wenn der Ausländer stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden in Gestalt einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts droht (vgl. zu den Voraussetzungen im Einzelnen ausführlich BVerwG, Urteil vom 20.05.2020 - 1 C 11.19 -, Rn. 16 ff; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, Rn. 84-103, jeweils Juris). |
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| Abzustellen ist für die erforderliche Prognose vorliegend hinsichtlich Nigeria entsprechend der Ausführungen des Verwaltungsgerichts Freiburg im Verfahren des Vaters (Urteil vom 29.05.2020 – A 4 K 10556/17 –) auf den Bundesstaat Edo und hinsichtlich Kamerun entsprechend der Ausführungen des Verwaltungsgerichts Sigmaringen im Verfahren der Mutter (Urteil vom 29.06.2020 – A 8 K 10476/17 –) auf die Provinz South-West. |
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| a) Dies zugrunde gelegt, liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG für die Klägerin hinsichtlich Kamerun nicht vor, zumal sie im Hinblick auf die Gefahr, willkürlicher Gewalt zum Opfer zu fallen, keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände aufweist. |
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| Zwar kommt es in den englischsprachigen Regionen, vor allem in Bamenda, immer wieder zu politisch bedingten Unruhen. Gewaltsame Zusammenstöße zwischen Demonstranten und den Sicherheitskräften sowie bewaffnete Überfälle auf Sicherheitskräfte dauern in der Region an und haben wiederholt Todesopfer und Verletzte gefordert. Die Bevölkerung ist dabei wiederholt ebenfalls betroffen und ist extralegalen Hinrichtungen, geschlechtsspezifischer Gewalt, Kidnappings, der Zerstörung von Eigentum und Misshandlungen ausgesetzt (vgl. BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Kamerun, Gesamtaktualisierung am 10.11.2020 (Aktualität geprüft am 19.04.2021), S. 12; OCHA, Cameroon: Situation Report (Stand: 02.07.2021)). Für die Provinz South-West als solche lässt sich die erforderliche Gefahrendichte für die Annahme der tatsächlichen Gefahr eines ernsthaften Schadens in Gestalt einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit von Zivilpersonen infolge willkürlicher Gewalt aber auch unter Berücksichtigung der jüngsten verfügbaren Informationen bei weitem nicht feststellen (ausgehend von einer Einwohnerzahl der Provinz von ca. 1.553.300 Menschen; zu provinzbezogenen Opferzahlen: ACCORD, Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data (ACLED), Stand: 23.06.2020); dies gilt selbst bei Annahme von Opferzahlen, die deutlich über denjenigen liegen, die dem Gericht zur Verfügung stehen. Das in der Provinz vorherrschende Ausmaß an willkürlicher Gewalt genügt damit auch bei der gebotenen quantitativ-qualitativen Betrachtung bisher weiterhin nicht, um eine tatsächliche Gefahr des Erleidens eines ernsthaften Schadens nach den oben dargestellten Maßstäben anzunehmen. |
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| b) Auch die Voraussetzungen hinsichtlich Nigeria liegen nicht vor. Denn in der Provinz Edo herrscht kein bewaffneter innerstaatlicher Konflikt (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria vom 05.12.2020 (Stand: September 2020), S. 17). |
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| IV. Die Klägerin hat jedoch unter Berücksichtigung des jeweiligen Familienverbands (dazu 1.) einen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK hinsichtlich Kamerun (dazu 2.) und Nigeria (dazu 3.). |
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| 1. Dabei ist hinsichtlich der Rückkehr der Klägerin nach Kamerun auf den Familienverband ohne den Vater, hinsichtlich der Rückkehr nach Nigeria auf den Familienverband ohne die Mutter abzustellen. |
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| a) Der Prognose, welche Gefahren einem Ausländer bei Rückkehr in den Herkunftsstaat drohen, ist eine - zwar notwendig hypothetische, aber doch - realitätsnahe Rückkehrsituation zugrunde zu legen (BVerwG, Urteil vom 08.09.1992 - 9 C 8.91 -, Juris). Lebt der Ausländer auch in Deutschland in familiärer Gemeinschaft mit der Kernfamilie, ist hiernach für die Bildung der Verfolgungsprognose der hypothetische Aufenthalt des Ausländers im Herkunftsland in Gemeinschaft mit den weiteren Mitgliedern dieser Kernfamilie zu unterstellen (BVerwG, Urteil vom 16.08.1993 - 9 C 7.93 - Juris). Art. 6 GG gewährt zwar keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt (BVerfG, Beschluss vom 05.062013 - 2 BvR 586/13 - Juris), enthält aber als wertentscheidende Grundsatznorm, dass der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, und gebietet die Berücksichtigung bestehender familiärer Bindungen bei staatlichen Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung. Bereits für die Bestimmung der voraussichtlichen Rückkehrsituation ist daher im Grundsatz davon auszugehen, dass ein nach Art. 6 GG/Art. 8 EMRK besonders schutzwürdiger Familienverband aus Eltern mit ihren minderjährigen Kindern nicht aufgelöst oder gar durch staatliche Maßnahmen zwangsweise getrennt wird. Die Mitglieder eines solchen Familienverbandes werden im Regelfall auch tatsächlich bestrebt sein, ihr - grundrechtlich geschütztes - familiäres Zusammenleben in einem Schutz- und Beistandsverband entweder im Bundesgebiet oder im Herkunftsland fortzusetzen. |
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| Diese Regelvermutung gemeinsamer Rückkehr als Grundlage der Verfolgungsprognose setzt eine familiäre Gemeinschaft voraus, die zwischen den Eltern und ihren minderjährigen Kindern (Kernfamilie) bereits im Bundesgebiet tatsächlich als Lebens- und Erziehungsgemeinschaft (fort-)besteht und infolgedessen die Prognose rechtfertigt, sie werde bei einer Rückkehr in das Herkunftsland dort fortgesetzt werden. Für eine in diesem Sinne "gelebte" Kernfamilie reichen allein rechtliche Beziehungen, ein gemeinsames Sorgerecht oder eine reine Begegnungsgemeinschaft nicht aus. Maßgeblich ist für die typisierende Betrachtung im Rahmen der Rückkehrprognose nicht der - nicht auf Kernfamilien beschränkte - Schutzbereich des Art. 6 GG (dazu Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 6 Rn. 10) bzw. des Art. 8 EMRK. Bestehende, von familiärer Verbundenheit geprägte enge Bindungen jenseits der Kernfamilie mögen ebenfalls durch nach Art. 6 GG schutzwürdige besondere Zuneigung und Nähe, familiäre Verantwortlichkeit füreinander, Rücksichtnahme- und Beistandsbereitschaft geprägt sein (BVerfG, Beschluss vom 24.06.2014 - 1 BvR 2926/13 - Rn. 22 f., Juris); sie rechtfertigen für sich allein aber nicht die typisierende Regelvermutung gemeinsamer Rückkehr als Grundlage der Verfolgungsprognose. |
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| Eine im Regelfall gemeinsame Rückkehr im Familienverband ist der Gefährdungsprognose auch dann zugrunde zu legen, wenn einzelnen Mitgliedern der Kernfamilie bereits bestandskräftig ein Schutzstatus zuerkannt oder für diese ein nationales Abschiebungsverbot festgestellt worden ist. (BVerwG, Urteil vom 04.07.2019 – 1 C 45/18 –, Rn. 19, Juris). |
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| b) Nach diesen Maßstäben ist hinsichtlich der Rückkehr der Klägerin nach Kamerun auf die Familie ohne den Vater (dazu aa)), hinsichtlich der Rückkehr nach Nigeria auf die Familie ohne die Mutter (dazu bb)) abzustellen. |
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| aa) Die Familie lebt in Deutschland in familiärer Gemeinschaft zusammen, sodass grundsätzlich auf die gemeinsame Rückkehr aller Familienmitglieder im Familienverbund abzustellen wäre. Daran ändert auch der Ausgang der Asylverfahren der Familienangehörigen nichts, da die gemeinsame Rückkehr selbst im Fall des erfolgreichen Ausgangs – dies gilt für die Mutter der Klägerin, zu deren Gunsten hinsichtlich Kamerun ein Abschiebungsverbot festgestellt wurde – anzunehmen ist. Das Verfahren des Vaters der Klägerin endete hingegen erfolglos und das Verfahren der jüngeren Schwester der Klägerin läuft noch. Indessen kann nicht unterstellt werden, dass auch der Vater der Klägerin, den die Mutter der Klägerin in Deutschland kennengelernt hat und der nigerianischer Staatsangehöriger ist, gemeinsam mit der Mutter der Klägerin und den beiden gemeinsamen minderjährigen Kindern nach Kamerun zurückkehren wird. In einem solchen Fall divergierender Staatsangehörigkeiten kann nicht davon ausgegangen werden, dass der an den Fortbestand der familiären Lebensgemeinschaft geknüpfte Regelfall einer gemeinsamen Rückkehr im Familienverband vorliegt (ausdrücklich offengelassen, wann dies der Fall ist: BVerwG, Urteil vom 04. Juli 2019 – 1 C 45/18 –, Rn. 23, juris). Nach Einschätzung des Berichterstatters geht die angeführte Rechtsprechung davon aus, dass eine (hypothetische) Rückkehr im Familienverband dann unterstellt werden kann, wenn alle Familienmitglieder über denselben Herkunftsstaat verfügen und daher - jedenfalls hypothetisch - auch freiwillig in das Herkunftsland zurückkehren können. Ein solcher Fall liegt hier indessen ersichtlich nicht vor. Denn es ist weder erkennbar noch sonst sichergestellt, dass der Vater der Klägerin, der noch nie in Kamerun war und dort über keinerlei Anknüpfungspunkte verfügt, ohne weiteres nach Kamerun wird einreisen können. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich dieser - mit offenen Erfolgsaussichten - ein Aufenthaltsrecht in Kamerun wird erstreiten müssen, wobei letztlich auch darauf zu verweisen ist, dass - selbst unterstellt der Vater der Klägerin kehrte gemeinsam mit der Familie nach Kamerun zurück - nicht erkennbar ist, dass er als nigerianischer Staatsangehöriger über ausreichende Mittel oder Kontakte in Kamerun verfügen würde, um die Situation der Mutter der Klägerin signifikant gegenüber derjenigen einer alleinstehenden Frau ohne familiäre Beziehungen zu verbessern. |
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| bb) Entsprechend der Ausführungen unter aa) ist hinsichtlich der Rückkehr der Klägerin nach Nigeria auf den aus der Klägerin, ihrem Vater und ihrer Schwester bestehenden Familienverband abzustellen, während ihre Mutter aufgrund ihrer kamerunischen Staatsangehörigkeit nicht berücksichtigt werden kann. |
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| 2. Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK hinsichtlich Kamerun sind erfüllt. Denn die rechtlichen Voraussetzungen hierfür (vgl. eingehend VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, Rn. 162-201, Juris) sind für die Klägerin unter Berücksichtigung der Lebensverhältnisse in Kamerun (dazu a)) und ihrer individuellen und persönlichen Umstände (dazu b)) erfüllt. |
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| a) Für die relevanten Lebensverhältnisse in Kamerun allgemein und die Situation von Rückkehrern nach Kamerun im Besonderen verweist das Gericht gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid (vgl. Bescheid, S. 13), die auch unter Berücksichtigung neuerer Erkenntnisquellen weiterhin zutreffen (vgl. nur Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kamerun vom 17.08.2020 (Stand: Juli 2020), S. 23 ff.; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Kamerun, Gesamtaktualisierung am 17.05.2019 (Update am 11.02.2020), S. 40 ff.). Danach gehört Kamerun weiterhin zu den wirtschaftlich stärksten Ländern Zentralafrikas. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist grundsätzlich durch eigene landwirtschaftliche Produktion und Lebensmittelimporte gesichert. In ganz Kamerun gibt es karitative Einrichtungen, die in besonderen Notlagen helfen. Im Übrigen werden Notlagen in der Regel von funktionierenden sozialen Netzen wie insbesondere der Großfamilie aufgefangen. In den Städten gibt es Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen, in denen überlebensnotwendige Maßnahmen durchgeführt werden können. Die Behandlung chronischer Krankheiten, insbesondere in den Bereichen Innere Medizin und Psychiatrie, wird in den öffentlichen Krankenhäusern der größeren Städte vorgenommen. |
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| b) Ausgehend von diesen Verhältnissen in Kamerun gelangte das Gericht zu der Überzeugung, dass im Falle der Klägerin nach den o. g. Maßstäben ein ganz außergewöhnlicher Fall vorliegt, in dem humanitäre Gründe ihrer Abschiebung im Sinne von Art. 3 EMRK zwingend entgegenstehen. |
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| Die minderjährige Klägerin und ihre ebenfalls minderjährige jüngere Schwester sind zur Existenzsicherung allein (s. o.) auf ihre Mutter angewiesen. Hinsichtlich der Umstände der Mutter verweist das Gericht auf die Feststellungen des Verwaltungsgerichts Sigmaringen im Urteil vom 29.06.2020 – A 8 K 10476/17 –. Demnach verfügt die Mutter der Klägerin über ein soziales Netz in Kamerun, da sich ihr Bruder bereits um ihre beiden älteren Töchter (im Zeitpunkt der Anhörung am 02.10.2017 7 und 11 Jahre alt) kümmert. Die Mutter der Klägerin ist demnach zwölf Jahre lang zur Schule gegangen und hat in Kamerun als Putzfrau und Erntehelferin gearbeitet und durch diese Erwerbstätigkeit zeitweise den Unterhalt ihrer älteren beiden Töchter erwirtschaftet. |
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| Das Gericht geht unter Einbeziehung der aktuellen Situation prognostisch davon aus, dass die Mutter der Klägerin – auch unter Berücksichtigung ihres sozialen Netzes – nicht in der Lage wäre, die Existenz ihrer Familie in Kamerun zu sichern. Es bestehen durchgreifende Zweifel daran, dass die Mutter der Klägerin im Fall einer Rückkehr nach Kamerun uneingeschränkt bzw. überhaupt erwerbsfähig wäre. Denn die Mutter der Klägerin leidet – wie vom Verwaltungsgericht Sigmaringen im Urteil vom 29.06.2020 – A 8 K 10476/17 – festgestellt – an psychischen Erkrankungen, welche eine medizinische Behandlung zwingend erfordern, welche in Kamerun nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zur Verfügung steht, was für die Mutter der Klägerin erhebliche gesundheitliche Folgen bis hin zu einem Suizid haben könnte. Einer Erwerbstätigkeit der Mutter der Klägerin steht weiter entgegen, dass nur sie in der Lage sein dürfte, ihre noch sehr jungen beiden jüngeren Töchter zu versorgen. Es kommt hinzu, dass die Klägerin – durch vorliegende medizinische Atteste belegt – an einer Autoimmungranulozytopenie bzw. einer schweren Neutropenie sowie einer Gedeihstörung leidet. Insbesondere aufgrund der Gedeihstörung bedarf die Fütterung der Klägerin – wie sich aus den vorliegenden Attesten ergibt – besonderer Umsicht und der persönlichen Fürsorge der Mutter. Sofern die Mutter der Klägerin somit überhaupt in der Lage sein sollte, ein Erwerbseinkommen zu erzielen, wäre dieses – auch unter Berücksichtigung einer möglichen Unterstützung durch den Bruder – kaum ausreichend, um vier minderjährige Kinder zu versorgen. Diesbezüglich ist weiter zu berücksichtigen, dass der finanzielle Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts der Familie erheblich erhöht sein dürfte, da sowohl die Mutter der Klägerin als auch diese an behandlungsbedürftigen Erkrankungen leiden, die – sofern sie in Kamerun überhaupt behandelbar sind – jedenfalls erhebliche Kosten verursachen. |
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| 3. Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK hinsichtlich Nigeria sind ebenfalls erfüllt. Denn die rechtlichen Voraussetzungen hierfür (vgl. eingehend VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, Rn. 162-201, Juris) sind für die Klägerin unter Berücksichtigung der Lebensverhältnisse in Nigeria (dazu a)) und ihrer individuellen und persönlichen Umstände (dazu b)) erfüllt. |
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| a) Für die relevanten Lebensverhältnisse in Nigeria allgemein und die Situation von Rückkehrern nach Kamerun im Besonderen verweist das Gericht gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid (vgl. Bescheid, S. 15 f.), die auch unter Berücksichtigung neuerer Erkenntnisquellen weiterhin zutreffen: nach Angaben des Auswärtigen Amtes (vgl. hierzu und zum Folgenden: Bericht über die asyl - und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand: September 2020), 05.12.2020, S. 23) ist Haupteinnahmequelle des nigerianischen Staates mit etwa 80 % der Gesamteinnahmen die Öl- und Gasförderung. Zudem sind der (informelle) Handel und die Landwirtschaft von Bedeutung, die dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bietet. Nigeria verfügt über die größte Volkswirtschaft Afrikas, ist größter Ölproduzent des Kontinents und zählt mit einem pro-Kopf-Einkommen von 2.022 USD (2018, in Kaufkraftparitäten: 5.990 USD) zur Gruppe der Länder mit mittlerem Einkommen/ untere Einkommenskategorie („lower middle income countries“). Die nigerianische Wirtschaft wies im letzten Quartal 2019 ein Wachstum von 2,6% auf; das BIP expandierte damit erstmals seit den Rezessionsjahren 2016/17 auf Höhe des Bevölkerungswachstums. Arbeitslosigkeit (23%, bei Menschen bis 35 Jahren jedoch 35%) und Ungleichheit bei der Einkommensverteilung (Gini-Koeffizient 2019: 39) liegen etwa auf dem Sub-Sahara-Durchschnitt; die extreme Armut (weniger als 1,90 USD/Tag) ist mit ca. 45% der Bevölkerung jedoch sehr hoch. Mit dem Ölpreisverfall im 1. Quartal 2020 und den direkten und indirekten Auswirkungen der COVID-19-Krise auf die NGA Volkswirtschaft sind die ursprünglichen Wachstumsprognosen für 2020 (IWF: 2,5%) schlagartig hinfällig geworden. Eine Vorhersage des IWF von Anfang April rechnete für 2020 mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 3,4%; andere Prognosen liegen noch ungünstiger. Nigeria als rohölexportierendes Land ist damit stärker betroffen als der Durchschnitt der Sub-Sahara-Staaten. Auch die Sozialprognose (Arbeitslosigkeit, Armutsbekämpfung etc.) fällt damit entsprechend ungünstig aus (vgl. hierzu Auswärtiges Amt (AA), Bericht über die asyl - und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand: September 2020), 05.12.2020, S. 23; so auch BFA, Länderinformation der Staatendokumentation, Nigeria aus dem COI-CMS, generiert am 23.11.2020, Version 2, S. 69). |
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| In der Regel unterstützt die Großfamilie beschäftigungslose Angehörige. Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen. Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (vgl. BFA, Länderinformation der Staatendokumentation, Nigeria aus dem COI-CMS, generiert am 23.11.2020, Version 2, S. 71 m. w. N.). |
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| b) Ausgehend von diesen Verhältnissen in Nigeria gelangte das Gericht zu der Überzeugung, dass im Falle der Klägerin nach den o. g. Maßstäben ein ganz außergewöhnlicher Fall vorliegt, in dem humanitäre Gründe ihrer Abschiebung im Sinne von Art. 3 EMRK zwingend entgegenstehen. |
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| Die minderjährige Klägerin und ihre ebenfalls minderjährige jüngere Schwester sind zur Existenzsicherung allein (s. o.) auf ihren Vater angewiesen. Hinsichtlich der Umstände des Vaters verweist das Gericht auf die Feststellungen des Verwaltungsgerichts Freiburg im Urteil vom 29.05.2020 – A 4 K 10556/17 –. Demnach ist der Vater der Klägerin Analphabet und hat in Nigeria eine Förderschule besucht, um Lesen und Schreiben zu lernen. Später hat er eine Ausbildung zum Innendekorateur begonnen und auf dem Bau gearbeitet. Der Kläger ist u. a. auch wegen Erbstreitigkeiten mit seinem Onkel ausgereist. Die vorgebrachte Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) oder andere schwerwiegende psychische Erkrankung ist nicht durch Vorlage den rechtlichen Anforderungen genügender qualifizierter fachärztlicher Atteste belegt worden, zumal hinsichtlich der PTBS Zweifel an dem geschilderten der Erkrankung zugrunde liegenden Trauma bestehen und es an einer nachvollziehbaren Begründung fehlt, dass die psychische Erkrankung erstmals im gerichtlichen Verfahren vorgetragen worden ist. Es ist zudem nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass sich der Gesundheitszustand des Vaters der Klägerin bei einer Rückkehr nach Nigeria alsbald wesentlich verschlechtern wird. |
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| Das Gericht kommt unter Berücksichtigung dieser Umstände sowie unter Einbeziehung der aktuellen Situation prognostisch zu dem Schluss, dass der Vater der Klägerin nicht in der Lage wäre, die Existenz seiner Familie in Nigeria zu sichern. Allein aufgrund der Ausführungen des VG Freiburg zum Gesundheitszustand des Vaters der Klägerin steht nicht bereits ohne Weiteres fest, dass dieser (uneingeschränkt) erwerbsfähig ist. Selbst falls dies der Fall sein sollte, ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger die Existenz der Familie sicherstellen könnte. Denn der Kläger – der aufgrund der Ausführungen des VG Freiburg wohl nicht ohne Weiteres auf familiäre Unterstützung zur Betreuung seiner Töchter verwiesen werden kann – wäre an einer Erwerbstätigkeit jedenfalls aufgrund des o. g. erhöhten Betreuungsbedarfs seiner Töchter – insbesondere hinsichtlich der Klägerin – gehindert. Insbesondere aufgrund der Gedeihstörung bedarf die Fütterung der Klägerin – wie sich aus den vorliegenden Attesten ergibt – besonderer Umsicht und der persönlichen Fürsorge des Vaters, der zu seiner Tochter ein sehr gutes Verhältnis hat und sich auch in Deutschland erheblich in die Betreuung der Klägerin einbringt. Es ist weiter zu berücksichtigen, dass der finanzielle Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts der Familie erheblich erhöht sein dürfte, da jedenfalls die Klägerin an behandlungsbedürftigen Erkrankungen leidet, die – sofern sie in Nigeria überhaupt behandelbar sind – jedenfalls erhebliche Kosten verursachen. |
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| Vor diesem Hintergrund ist nicht davon auszugehen, dass es der Mutter bzw. dem Vater der Klägerin gelingen wird das Existenzminimum der Klägerin in Kamerun bzw. Nigeria sicherzustellen und der Klägerin droht damit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verelendung. |
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| V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 VwGO. Der Berichterstatter misst den Streitgegenständen Flüchtlingseigenschaft, subsidiärer Schutz und nationale Abschiebungsverbote jeweils eine Kostenquote von 1/3 zu. Gerichtskosten werden in diesem Verfahren nicht erhoben (§ 83b AsylG). |
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