Urteil vom Verwaltungsgericht Stuttgart - DL 20 K 2137/09

Tenor

Die Disziplinarverfügung der Beklagten vom 20.05.2009 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
Die am ... geborene Klägerin ist Diplom-Verwaltungswirtin (FH). Am 01.05.2000 begann sie ihren Dienst als Beamtin im gehobenen Verwaltungsdienst bei der Beklagten, wo sie bis 31.12.2004 im Amt für Soziale Dienste, zuletzt als Stadtoberinspektorin (A 10) tätig war. Mit Bescheid vom 23.12.2003 wurde gegenüber der Klägerin eine Aufstiegshemmung verfügt, nachdem in der Leistungsbeurteilung vom 23.10.2003 festgestellt wurde, dass ihr derzeitiger Leistungsstand nicht den mit dem Amt verbundenen durchschnittlichen Anforderungen entspricht. Am 27.04.2004 wurde sie wegen Verletzung des Datenschutzes gerügt. Nach längerer krankheitsbedingter Abwesenheit - von Januar 2004 bis Ende Januar 2005 insgesamt 137 Krankheitstage - erfolgte am 20.04.2005 und 21.06.2005 auf einen entsprechenden Untersuchungsauftrag der Beklagten hin, eine amtsärztliche Untersuchung zur Überprüfung der weiteren Dienstfähigkeit der Klägerin. Nach dem Schreiben der Amtsärztin des Landratsamtes Böblingen vom 12.08.2005 fanden sich keine Anhaltspunkte für eine Dienstunfähigkeit. Nachdem die Klägerin in der dienstlichen Beurteilung vom 12.04.2006 mit der Leistungsbewertung Stufe 3 beurteilt wurde, wurde die Aufstiegshemmung mit Verfügung der Beklagen vom 14.06.2006 aufgehoben und die Klägerin rückwirkend zum 01.04.2006 der Stufe 6 ihres Grundgehalts zugeordnet.
Nach der Auflösung des Amtes für Soziale Dienste bei der Beklagten zum 31.12.2004 wurde die Klägerin mit Wirkung vom 01.01.2005 bis zunächst 31.12.2010 dem ... zugeteilt, wo sie bis Februar 2008 im Bereich der Leistungsgewährung für die Bearbeitung von Arbeitslosengeld - II - Anträgen zuständig war. Mit Schreiben vom 22.02.2008 stellte die Beklagte die Klägerin vorläufig vom Dienst frei, nachdem der Geschäftsführer des ... der Beklagten mit Schreiben vom 19.02.2008 mitgeteilt hatte, dass die Klägerin im Rahmen polizeilicher Ermittlungen wegen des Diebstahls von Akten beim ... ein Geständnis abgelegt habe. Unter dem 19.02.2008 wurde durch das ... zugleich die Zustimmung für die Beschäftigung der Klägerin mit sofortiger Wirkung zurückgenommen.
Mit Verfügung vom 29.02.2008 wurden disziplinarrechtlichen Vorermittlungen gegen die Klägerin wegen des Verdachts, dass die Klägerin für das Abhandenkommen zahlreicher Unterlagen im ... zwischen September 2007 und Februar 2008 verantwortlich sei, eingeleitet. Am 20.05.2008 wurde deswegen das förmliche Disziplinarverfahren eingeleitet und bis zum Abschluss des Strafverfahren ausgesetzt. Gleichzeitig wurde die Klägerin vorläufig des Dienstes enthoben.
Mit Urteil des Amtsgerichts Böblingen vom 29.08.2008 - 17 Ds 103 Js 23677/08 -, rechtskräftig seit 29.08.2008, wurde die Klägerin wegen Urkundenunterdrückung in 40 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 50 Euro verurteilt. Nach den Urteilsgründen nahm die Klägerin zwischen Oktober 2007 und Januar 2008 jeweils aufgrund eines neugefassten Tatentschlusses in insgesamt 40 Fällen im ... eingegangene Schriftstücke an sich, welche zu Aktenvorgängen gehörten, die von Kollegen der Klägerin bearbeitet wurde und zerriss die Schriftstücke und warf sie in den Papierkorb. Die Vernichtung der Unterlagen führte zu Verzögerungen in der Bearbeitung der jeweiligen Leistungsfälle. In der Hauptverhandlung vom 29.08.2008 wurde weitere in der Anklageschrift aufgeführte 29 Fälle nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.
Mit Schreiben vom 22.10.2008 setzte die Beklagte das ausgesetzte Disziplinarverfahren fort und bestellte einen Ermittlungsführer. Nach vorheriger Anhörung wurde die Klägerin mit Verfügung vom 22.12.2008 wegen der Vorgänge, die Grundlage der strafgerichtlichen Verurteilung vom 29.08.2008 waren, vorläufig des Dienstes enthoben und ab 01.01.2009 wurden 50 % ihrer Dienstbezüge einbehalten. Diese Verfügung ist Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens mit dem Aktenzeichen DL 20 K 225/09. Mit Schreiben vom 19.02.2009 wurde die Klägerin zur beabsichtigten Entfernung aus dem Beamtenverhältnis angehört, ihr wurde Gelegenheit zur abschließenden Äußerung eingeräumt.
Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 10.03.2009 sprach sich die Klägerin gegen die beabsichtigte Disziplinarmaßnahme aus. Es wurde gerügt, dass sich in den Akten unzutreffende Aktenvermerke über zurückliegende Vorgänge befänden, die ein falsches Bild von der Persönlichkeit der Klägerin zeichneten. Nicht berücksichtigt worden sei, dass sich wegen einer Erkrankung im Jahre 2004 und nachfolgender unzureichender Einarbeitung in das Arbeitslosengeld II ab 2005 zunächst Arbeitsrückstände angehäuft hätten. Zudem seien ihr in ihrem Arbeitsbereich beim ... zwischen April 2006 und Januar 2008 systematisch zahlreiche Unterlagen und Posteingänge von Dritten entwendet worden. Sie schätze, es handele sich zwischen 100 und 150 Posteingänge. Das stelle sich als klares Mobbing gegen sie dar. Im Frühjahr 2007 habe sie dies gegenüber ihrem Vorgesetzten auch offenbart, dieser habe ihr nicht geglaubt und habe sich auch keinen entsprechenden Vermerk angefertigt. Dies stelle eine erhebliche Fürsorgepflichtverletzung ihr gegenüber dar. Sie habe erheblich unter Mobbing ihrer Kollegen gelitten. Da sie sich nicht mehr zu helfen gewusst habe, habe sie sich dann dazu entschlossen, ihrerseits Posteingänge ihrer Kollegen zu unterdrücken. Sie habe sich in jedem einzelnen Fall in einer psychischen Notlage befunden. Zudem sei ihr von der Gruppenleiterin auch vorgeworfen worden, alkoholkrank zu sein, was nicht der Wirklichkeit entspreche. Auch durch diesen Vorwurf habe sie sich gemobbt geführt, wie auch dadurch, dass - zunächst ohne ihr Wissen - ab 06.11.2007 durch die Gruppenleiterin ihre Post kontrolliert worden sei. Die objektiv vorhandenen mildernden Umstände bei der Tatbegehung milderten die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Es liege aufgrund der Milderungsgründe nur ein mittelschweres Dienstvergehen vor. Sie habe schon im Vorfeld der Urkundenunterdrückungen ihren Vorgesetzten davon in Kenntnis gesetzt, dass sie seit längerem Mobbing durch Kollegen ausgesetzt sei, was nicht ernstgenommen worden sei. Sie habe sich daher an ihrem Arbeitsplatz völlig isoliert gefühlt. Die Taten seien als reine Verzweiflungstaten als Reaktion auf die Unterdrückung von Unterlagen in ihrem Arbeitsbereich zu werten. Die Taten entsprächen nicht ihrem Persönlichkeitsbild. Zudem sei ihr Geständnis, ohne das die Taten nicht hätten aufgeklärt werden können, mildernd zu bewerten. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass durch die Verurteilung nur das Vertrauen zum Dienstherrn beeinträchtigt worden sei. Da die Taten der Allgemeinheit nicht bekannt worden seien, sei kein Ansehensverlust des Job-Center eingetreten. Zudem müsste auch berücksichtigt werden, dass im Strafverfahren 29 angeschuldigte weitere angebliche Urkundenunterdrückungen eingestellt worden seien.
Mit Disziplinarverfügung vom 20.05.2009, zugestellt am 23.05.2009, wurde die Klägerin aus dem Beamtenverhältnis entfernt (Nr. 1). Unter Nr. 2 wurde verfügt, dass sie bis zur Rechtskraft dieser Entscheidung des Dienstes enthoben und 50 % der monatlichen Bezüge der Klägerin einbehalten werden. Zur Begründung wird ausgeführt: Die Klägerin habe mit der abgeurteilten Urkundenunterdrückung ein schweres Dienstvergehen begangen und vielfach gegen die ihr obliegende Verpflichtung gemäß § 36 BeamtStG, das Recht zu achten und zu verteidigen, und gegen die aus § 34 BeamtStG folgende Pflicht, sich mit voller Hingabe ihrem Beruf zu widmen und sich innerhalb des Dienstes vertrauenswürdig zu verhalten, verstoßen. Unter Berücksichtigung der Dauerhaftigkeit und Vielzahl des Fehlverhaltens, sei das Vertrauensverhältnis zwischen der Beamtin und dem Dienstherrn in nicht wieder gutzumachender Art und Weise zerstört worden. Hinzu komme, dass durch die Urkundenunterdrückungen auch das Vertrauen der Allgemeineinheit in die pflichtgemäße Amtsführung endgültig zerstört worden sei. Ein materieller Schaden habe zwar durch die erneute Anforderung der Unterlagen jeweils verhindert werden können, jedoch sei der Vertrauensverlust in die korrekte Verwaltungsarbeit eingetreten und das öffentliche Ansehen des ... in erheblichem Maße beschädigt worden. Die von der Klägerin geltend gemachte Not- und Konfliktsituation für die Taten habe bei den Ermittlungen nicht festgestellt werden können. Selbst wenn diese kein Vertrauen zu ihrem Dienstvorgesetzten beim ... gehabt hätte, hätte die Beamtin den Dienstweg einhalten und sich direkt mit ihren Beschwerden und Bedenken an die Beklagte wenden müssen, was diese jedoch nicht getan habe. Auch an die städtische Personalvertretung habe sie sich nicht gewandt. Im bisherigen dienstlichen Verhalten seien immer wieder Fehlleistungen der Beamtin festzustellen gewesen.
Eine Mobbingsituation der Beamtin durch ihre Kollegen sei nicht erkennen. Das Betriebsklima unter den Kollegen im ... und zu den Vorgesetzten sei als normal beschrieben worden. Mildernd sei auch nicht zu berücksichtigen, dass die Beamtin durch die Taten keine finanziellen Vorteile erlangt habe. Die Beamtin habe durch ihr Verhalten billigend in Kauf genommen, dass durch die Vernichtung von Unterlagen den Leistungsempfängern Schaden zugefügt werden könne.
10 
Mit weiterer nachfolgender Verfügung vom 03.09.2009 wurde die sofortige Vollziehung der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ausgesprochen. Die sofortige Vollziehung sei im überwiegenden öffentlichen Interesse geboten. Es müsse verhindert werden, dass eine auch nur vorläufige Weiterführung der dienstlichen Tätigkeit der Beamtin das Vertrauen der Allgemeinheit in die Ordnungsmäßigkeit und Lauterkeit der Tätigkeit von Beamten weiter beschädige. Dies wäre der Fall, wenn Kunden des ..., bei denen die von der Klägerin vernichteten Unterlagen erneut hätten angefordert werden müssen, erkennen müssten, dass die Klägerin weiterhin dort tätig sei. Unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens würde eine auch nur vorläufige Weiterbeschäftigung das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität der öffentlichen Verwaltung erschüttern. Zudem müsse verhindert werden, dass durch eine Weiterbeschäftigung Unruhe in den Behördenbetrieb des ... gebracht werde. Wegen des eingetretenen Vertrauensverlustes sei eine Weiterbeschäftigung auch nicht vorläufig zumutbar.
11 
Am 02.06.2009 hat die Klägerin gegen die Disziplinarverfügung vom 20.05.2009 Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Zur Begründung wird im Wesentlichen das bisherige Vorbringen wiederholt. Ergänzend wird geltend gemacht, dass es die Beklagte pflichtwidrig unterlassen habe, auch entlastende Umstände, auf die sich die Klägerin berufen habe, wie etwa die geltend gemachte Mobbingsituation, zu ermitteln. Es sei auch nicht richtig, dass es in der Vergangenheit zu Fehlleistungen der Klägerin gekommen sei. Schließlich sei auch die Einbehaltung von 50% der Dienstbezüge fehlerhaft. Die Klägerin habe bereits Fixkosten - ohne Ausgaben für Ernährung, Kleidung und Reparaturen - von 1.122,74 EUR nachgewiesen. Das angeblich gute Betriebsklima im ... werde weiterhin bestritten. Dies belege auch eine Untersuchung des ..., das in der Zeit vom 01.10.2007 bis 31.07.2008 Mitarbeiterbefragungen durchgeführt habe.
12 
Die Klägerin beantragt,
13 
die Disziplinarverfügung der Beklagten vom 20.05.2009 aufzuheben.
14 
Die Beklagte beantragt,
15 
die Klage abzuweisen.
16 
Zur Begründung wird auf den ergangenen Bescheid verwiesen.
17 
Dem Gericht liegen die Personalakten und Disziplinarakten der Beklagten sowie die Strafakten des Amtsgerichts Böblingen vor. Hierauf und auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
18 
Nach Widerruf des gerichtlichen Vergleichs vom 18.03.2010 entscheidet die Disziplinarammer im Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung (§ 2 LDG i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO).
19 
Die - ohne die Durchführung eines Vorverfahrens (vgl. § 15 Abs. 2 AGVwGO) - zulässige Klage ist begründet. Die Disziplinarverfügung der Beklagten vom 20.05.2009 ist aufzuheben, da sie rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt, § 21 Satz 1 AGVwGO.
20 
Rechtsgrundlage für die Entfernung eines Beamten aus dem Beamtenverhältnis ist § 31 Abs. 1 LDG. Hat der Beamte danach durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die pflichtgemäße Amtsführung endgültig verloren, wird er aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Entfernung der Klägerin aus dem Beamtenverhältnis vorliegen, da das behördliche Disziplinarverfahren an einem schweren Verfahrensmangel leidet, der im gerichtlichen Verfahren nicht geheilt werden kann und der zur Rechtswidrigkeit der Verfügung führt. Denn die Klägerin wurde vor Erlass der Verfügung nicht entsprechend der Verpflichtung der Beklagten aus § 80 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 75 Abs. 2 Satz 2 LPVG von dieser beabsichtigten Maßnahme und ihrem Recht, die Mitwirkung des Personalrats zu beantragen, hingewiesen.
21 
Nach § 80 Abs. 1 Nr. 5 LPVG wirkt der Personalrat beim Erlass von Disziplinarverfügungen oder schriftlichen Missbilligungen mit. Nach § 38 Abs. 1 LDG werden Disziplinarmaßnahmen - wie hier die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach § 31 LDG - durch Disziplinarverfügung ausgesprochen, so dass der Anwendungsbereich des § 80 Abs. 1 Nr. 5 LPVG eröffnet ist. Allerdings ist das Mitwirkungsrecht des Personalrats abhängig von einem entsprechenden Antrag des Beamten. Wahrnehmen kann der Beamte das Antragsrecht jedoch nur, wenn er vor Erlass der beabsichtigten Maßnahme rechtzeitig auf sein Antragsrecht hingewiesen wurde, was § 80 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 75 Abs. 2 Satz 2 LPVG vorschreibt. Die Vorschrift des § 80 Abs. 1 Nr. 5 LPVG hat dabei eine eigenständige verfahrensrechtliche Bedeutung (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 01.02.2000 - D 17 S 1/00 -), die aus sachlichen Gründen zum Schutz des von einer Disziplinarverfügung bedrohten Beamten die Mitwirkung des Personalrats anordnet.
22 
Die Klägerin ist ausweislich der vorliegenden Disziplinarakten der Beklagten vor Erlass der Disziplinarverfügung vom 20.05.2009 in keinem Verfahrensstadium entsprechend § 80 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 75 Abs. 2 Satz 2 LPVG auf ihr Antragsrecht zur Mitwirkung des Personalrats hingewiesen worden. Lediglich bei der Postöffnung bzw. Überprüfung des Outlook - Ordners der Klägerin am 28.02.2008 war der Personalrat anwesend. Zu dem Zeitpunkt war jedoch noch gar kein Disziplinarverfahren eingeleitet. Vor dem Erlass der Disziplinarverfügung wurde der Klägerin im Schreiben der Beklagten vom 19.02.2009 zwar dargelegt, welche Disziplinarmaßnahme beabsichtigt ist und ihr wurde auch Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme eingeräumt; ein Hinweis auf ihr Recht, die Mitwirkung des Personalrats beantragen zu können, fehlt hierbei jedoch.
23 
Der danach fehlende Hinweis auf das Antragsrecht zur Mitwirkung des Personalrats führt zur Rechtswidrigkeit der Disziplinarverfügung (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 01.02.2000, a.a.O; ständige Rechtsprechung des BVerwG zu § 78 BPersVG: vgl. u.a. Urt. v. 09.12.1999 - 2 C 4.99 -, BVerwGE 110, 173 m.w.N.). Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Mitwirkung des Personalrats nur deshalb unterblieben ist, weil die Klägerin über ihr Antragsrecht nicht informiert war. Eine Heilung des Verfahrensmangels im gerichtlichen Verfahren ist nicht möglich (vgl. § 45 Abs. 2 LVwVfG). Denn die Mitwirkung des Personalrats soll diesem gerade die Möglichkeit geben, vor Erlass der Disziplinarmaßnahme auf die Willensbildung des Dienstvorgesetzten wirkungsvoll Einfluss zu nehmen. Diese Einflussmöglichkeit ist nach Erlass der Disziplinarverfügung nicht mehr gegeben, so dass die Mitwirkung des Personalrats nach der Klageerhebung nicht mehr nachgeholt werden kann (vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 20.02.1990 - 4 S 287/87 -, VBlBW 1991, 65). Daher verbiete es sich auch, den Rechtsgedanken des § 46 LVwVfG heranzuziehen, wonach die Aufhebung des Verwaltungsaktes nicht allein deshalb beansprucht werden kann, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hätte. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin im Falle ordnungsgemäßer Unterrichtung die Mitwirkung des Personalrats beantragt, dieser gegen die beabsichtigte Entfernung Einwendungen erhoben und der Beklagte eine andere Disziplinarmaßnahme verhängt hätte. In der mündlichen Verhandlung vom 18.03.2010 hat die Klägerin im Übrigen dargelegt, dass sie auf der Beteiligung des Personalrates bestanden hätte.
24 
Es braucht daher nicht weiter geklärt zu werden, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 Abs. 1 LDG vorliegen. Danach ist auch Nr. 2 der Verfügung der Beklagten vom 20.05.2009 jedenfalls bereits wegen der Rechtswidrigkeit der Entscheidung über die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtswidrig, ohne dass es im Ergebnis darauf ankommt, ob es sich hierbei um eine selbständige Regelung nach § 31 Abs. 2 LDG handelt oder lediglich um eine wiederholende Verfügung der Regelungen unter Nr. 2 des Bescheids der Beklagten vom 22.12.2008 (vgl. hierzu die Ausführungen des VGH Baden-Württemberg in dem den Beteiligten bekannten Beschluss vom 18.11.2009 - DL 20 K 1146/09-). Denn die Disziplinarkammer hat mit Urteil vom heutigen Tage auch die Verfügung der Beklagten vom 22.12.2008 aufgehoben (vgl. Verfahren DL 20 K 225/09).
25 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Gründe

 
18 
Nach Widerruf des gerichtlichen Vergleichs vom 18.03.2010 entscheidet die Disziplinarammer im Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung (§ 2 LDG i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO).
19 
Die - ohne die Durchführung eines Vorverfahrens (vgl. § 15 Abs. 2 AGVwGO) - zulässige Klage ist begründet. Die Disziplinarverfügung der Beklagten vom 20.05.2009 ist aufzuheben, da sie rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt, § 21 Satz 1 AGVwGO.
20 
Rechtsgrundlage für die Entfernung eines Beamten aus dem Beamtenverhältnis ist § 31 Abs. 1 LDG. Hat der Beamte danach durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die pflichtgemäße Amtsführung endgültig verloren, wird er aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Entfernung der Klägerin aus dem Beamtenverhältnis vorliegen, da das behördliche Disziplinarverfahren an einem schweren Verfahrensmangel leidet, der im gerichtlichen Verfahren nicht geheilt werden kann und der zur Rechtswidrigkeit der Verfügung führt. Denn die Klägerin wurde vor Erlass der Verfügung nicht entsprechend der Verpflichtung der Beklagten aus § 80 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 75 Abs. 2 Satz 2 LPVG von dieser beabsichtigten Maßnahme und ihrem Recht, die Mitwirkung des Personalrats zu beantragen, hingewiesen.
21 
Nach § 80 Abs. 1 Nr. 5 LPVG wirkt der Personalrat beim Erlass von Disziplinarverfügungen oder schriftlichen Missbilligungen mit. Nach § 38 Abs. 1 LDG werden Disziplinarmaßnahmen - wie hier die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach § 31 LDG - durch Disziplinarverfügung ausgesprochen, so dass der Anwendungsbereich des § 80 Abs. 1 Nr. 5 LPVG eröffnet ist. Allerdings ist das Mitwirkungsrecht des Personalrats abhängig von einem entsprechenden Antrag des Beamten. Wahrnehmen kann der Beamte das Antragsrecht jedoch nur, wenn er vor Erlass der beabsichtigten Maßnahme rechtzeitig auf sein Antragsrecht hingewiesen wurde, was § 80 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 75 Abs. 2 Satz 2 LPVG vorschreibt. Die Vorschrift des § 80 Abs. 1 Nr. 5 LPVG hat dabei eine eigenständige verfahrensrechtliche Bedeutung (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 01.02.2000 - D 17 S 1/00 -), die aus sachlichen Gründen zum Schutz des von einer Disziplinarverfügung bedrohten Beamten die Mitwirkung des Personalrats anordnet.
22 
Die Klägerin ist ausweislich der vorliegenden Disziplinarakten der Beklagten vor Erlass der Disziplinarverfügung vom 20.05.2009 in keinem Verfahrensstadium entsprechend § 80 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 75 Abs. 2 Satz 2 LPVG auf ihr Antragsrecht zur Mitwirkung des Personalrats hingewiesen worden. Lediglich bei der Postöffnung bzw. Überprüfung des Outlook - Ordners der Klägerin am 28.02.2008 war der Personalrat anwesend. Zu dem Zeitpunkt war jedoch noch gar kein Disziplinarverfahren eingeleitet. Vor dem Erlass der Disziplinarverfügung wurde der Klägerin im Schreiben der Beklagten vom 19.02.2009 zwar dargelegt, welche Disziplinarmaßnahme beabsichtigt ist und ihr wurde auch Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme eingeräumt; ein Hinweis auf ihr Recht, die Mitwirkung des Personalrats beantragen zu können, fehlt hierbei jedoch.
23 
Der danach fehlende Hinweis auf das Antragsrecht zur Mitwirkung des Personalrats führt zur Rechtswidrigkeit der Disziplinarverfügung (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 01.02.2000, a.a.O; ständige Rechtsprechung des BVerwG zu § 78 BPersVG: vgl. u.a. Urt. v. 09.12.1999 - 2 C 4.99 -, BVerwGE 110, 173 m.w.N.). Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Mitwirkung des Personalrats nur deshalb unterblieben ist, weil die Klägerin über ihr Antragsrecht nicht informiert war. Eine Heilung des Verfahrensmangels im gerichtlichen Verfahren ist nicht möglich (vgl. § 45 Abs. 2 LVwVfG). Denn die Mitwirkung des Personalrats soll diesem gerade die Möglichkeit geben, vor Erlass der Disziplinarmaßnahme auf die Willensbildung des Dienstvorgesetzten wirkungsvoll Einfluss zu nehmen. Diese Einflussmöglichkeit ist nach Erlass der Disziplinarverfügung nicht mehr gegeben, so dass die Mitwirkung des Personalrats nach der Klageerhebung nicht mehr nachgeholt werden kann (vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 20.02.1990 - 4 S 287/87 -, VBlBW 1991, 65). Daher verbiete es sich auch, den Rechtsgedanken des § 46 LVwVfG heranzuziehen, wonach die Aufhebung des Verwaltungsaktes nicht allein deshalb beansprucht werden kann, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hätte. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin im Falle ordnungsgemäßer Unterrichtung die Mitwirkung des Personalrats beantragt, dieser gegen die beabsichtigte Entfernung Einwendungen erhoben und der Beklagte eine andere Disziplinarmaßnahme verhängt hätte. In der mündlichen Verhandlung vom 18.03.2010 hat die Klägerin im Übrigen dargelegt, dass sie auf der Beteiligung des Personalrates bestanden hätte.
24 
Es braucht daher nicht weiter geklärt zu werden, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 Abs. 1 LDG vorliegen. Danach ist auch Nr. 2 der Verfügung der Beklagten vom 20.05.2009 jedenfalls bereits wegen der Rechtswidrigkeit der Entscheidung über die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtswidrig, ohne dass es im Ergebnis darauf ankommt, ob es sich hierbei um eine selbständige Regelung nach § 31 Abs. 2 LDG handelt oder lediglich um eine wiederholende Verfügung der Regelungen unter Nr. 2 des Bescheids der Beklagten vom 22.12.2008 (vgl. hierzu die Ausführungen des VGH Baden-Württemberg in dem den Beteiligten bekannten Beschluss vom 18.11.2009 - DL 20 K 1146/09-). Denn die Disziplinarkammer hat mit Urteil vom heutigen Tage auch die Verfügung der Beklagten vom 22.12.2008 aufgehoben (vgl. Verfahren DL 20 K 225/09).
25 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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