Urteil vom Verwaltungsgericht Stuttgart - 11 K 2620/21

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 21. April 2021 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, gegenüber der Klägerin auszusprechen:

„1. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens trägt das Land Baden-Württemberg.

2. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten in diesem Widerspruchsverfahren wird

für notwendig erklärt.

3. Die an die Widerspruchsführerin zu erstattenden Kosten des Widerspruchs-

verfahrens werden auf EUR 492,45 festgesetzt.“

Die Beklagte wird verpflichtet, an die Klägerin EUR 492,45 zu bezahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten dieses Verfahrens.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung der Gebühren ihres Verfahrensbevollmächtigten aus einem ausländerrechtlichen Widerspruchsverfahren.
Die Klägerin ist Staatsangehörige von Sri Lanka. Sie gelangte im Jahr 2008 nach Deutschland und stellte einen Antrag auf Asyl, worauf ihr vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 26.07.2010 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde. In der Folge erhielt sie eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG. Ebenso wurde ihr ein Reiseausweis für Flüchtlinge ausgestellt. Am 16.08.2013 erhielt die Klägerin von der Beklagten eine Niederlassungserlaubnis. Hierzu erhielt sie einen elektronischen Aufenthaltstitel im sog. „Scheckkarten-Format“.
Das entsprechende Dokument der Klägerin wurde am 25.01.2017 durch ein neues Dokument ersetzt. Zeitgleich wurde der Klägerin ein neuer Reiseausweis für Flüchtlinge ausgestellt, nachdem das Vorgängerdokument abgelaufen war. Der neue Reiseausweis besaß eine Gültigkeit bis zum 19.12.2019. Auf dem Aufenthaltstitel selbst waren die Anmerkungen gemäß § 78 Abs. 2 Satz 3 Nr. 11 AufenthG und gemäß § 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6, zweite Alternative AufenthG enthalten, „Pass gültig bis 19.12.2019“ und „Kartennutzung bis 19.12.2019“.
In der Folgezeit beantragte die Klägerin ihre Einbürgerung in den deutschen Staatsverband bei der Einbürgerungsbehörde der Beklagten. Diese wandte sich daraufhin an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und bat um Prüfung, ob bezüglich der asylrechtlichen Begünstigung ein Widerrufsverfahren gemäß § 73 AsylG eingeleitet werden könne. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge leitete sodann ein   solches Widerrufsverfahren ein und hörte die Klägerin hierzu an.
Mit Bescheid vom 31.10.2018 widerrief das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die der Klägerin zuerkannte Flüchtlingseigenschaft, lehnte es ab, den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Der Widerrufsbescheid wurde der  Klägerin am 16.01.2019 zugestellt. Er wurde am 31.01.2019 bestandskräftig.
Unter dem 13.12.2019 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Neuausstellung ihres Aufenthaltstitels und eine Verlängerung ihres Reiseausweises für Flüchtlinge. Letzteren Antrag nahm die Klägerin mit Unterschrift auf dem Antragsformular später wieder zurück, nachdem ihr von der Beklagten dargelegt worden war, dass ihre Flüchtlingseigenschaft bestandskräftig widerrufen worden sei.
Mit Schreiben vom 18.12.2019 forderte die Beklagte die Klägerin auf, persönlich in den nächsten Wochen bei der Ausländerbehörde vorzusprechen und ihren Reiseausweis für Flüchtlinge, ihren Anerkennungsbescheid des BAMF vom 26.07.2010 sowie  weitere Unterlagen mitzubringen. Die Niederlassungserlaubnis ist in diesem Aufforderungsschreiben nicht genannt. Die Vorsprache der Klägerin erfolgte am 13.01.2020.
Im Rahmen dieser Vorsprache, bei der die Klägerin die weiteren geforderten Unterlagen vorlegte, ließ sich die Beklagte von der Klägerin den abgelaufenen Reiseausweis für Flüchtlinge und den elektronischen Aufenthaltstitel als Dokument ihrer Niederlassungserlaubnis aushändigen. Die Klägerin erhielt insoweit eine Bescheinigung, die jedoch nur bestätigte, dass der Pass Nr. Z0591GRW7 der Klägerin bei der Beklagten hinterlegt sei. Auf der für die Verwaltungsakten bestimmten Kopie dieser Bestätigung vermerkte die Mitarbeiterin der Beklagten handschriftlich „Pass + NE im Tresor“.
Die Klägerin wandte sich in der Folge an ihren Verfahrensbevollmächtigten. Mit   Telefax vom 10.02.2020 zeigte dieser gegenüber der Beklagten seine Vollmacht an und forderte die Beklagte auf, die einbehaltene Niederlassungserlaubnis unverzüglich herauszugeben. Hilfsweise beantragte er einen Ausweis-Ersatz auszustellen, bis der Klägerin einen Nationalpass ihres Heimatlandes ausgestellt worden sei, höchst hilfsweise, ihr eine Niederlassungserlaubnis oder eine Aufenthaltserlaubnis zunächst als Ausweisersatz zu erteilen.
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Nachdem eine Reaktion der Beklagten nicht erfolgte, mahnte der Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin unter dem 16.03.2020 die Beklagte erneut an. Daraufhin   äußerte sich die Beklagte unter dem 20.03.2020 gegenüber dem Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin und teilte mit, der Reiseausweis für Flüchtlinge sei aufgrund des Widerrufs der zuerkannten Flüchtlingseigenschaft eingezogen worden. Beim Ausländeramt erfolge nun die Prüfung eines Widerrufs der Niederlassungserlaubnis gemäß § 52 AufenthG. Insoweit werde nun um Übersendung einer Kopie des    Nationalpasses der Klägerin gebeten. Die angeforderte Bestätigung über den Besitz einer Niederlassungserlaubnis könne nicht ausgestellt werden, da die Prüfung des Widerrufs noch nicht abgeschlossen sei.
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Mit Telefax vom 25.03.2020 legte die Klägerin über ihren Verfahrensbevollmächtigten gegen den Einbehalt der Niederlassungserlaubnis Widerspruch ein. Die Handlungsweise der Beklagten sei rechtswidrig, die Niederlassungserlaubnis müsse herausgegeben werden.
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Mit Antwort-Schreiben vom 27.03.2020 an den Verfahrensbevollmächtigten der  Klägerin räumte die Beklagte der Klägerin die Gelegenheit zur Abholung ihrer Niederlassungserlaubnis durch Vorsprache auf der Behörde ein. Die Klägerin nahm das Aufenthalts-Dokument am 30.03.2020 sodann wieder in Empfang.
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Mit weiterem Schreiben vom 31.03.2020 erläuterte die Beklagte dem Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin ihre Vorgehensweise. Die Niederlassungserlaubnis der Klägerin sei gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vorübergehend eingezogen worden. Man habe sie inzwischen wieder ausgehändigt. Es werde daher um Mitteilung gebeten, ob der Widerspruch zurückgenommen werde. Im Prüfungsverfahren auf Widerruf der Niederlassungserlaubnis holte die Beklagte zeitgleich zahlreiche Informationen und Bescheinigungen ein.
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Mit Schreiben vom 18.02.2021 schließlich teilte die Beklagte dem Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin mit, nach ausführlicher Prüfung der Sach- und Rechtslage werde von einem Widerruf der Niederlassungserlaubnis der Klägerin abgesehen.
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Mit Telefax vom 22.02.2021 teilte der Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin der  Beklagten mit, der Widerspruch vom 25.03.2020 habe sich nach der Herausgabe der Niederlassungserlaubnis erledigt und damit werde das Widerspruchsverfahren für  erledigt erklärt. Zugleich beantragte er auszusprechen:
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1. Das Widerspruchsverfahren wird eingestellt.
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2. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren wird für notwendig erklärt.
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3. Die Beklagte erstattet die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten.
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Diese Kosten wurden auf EUR 492,54 beziffert.
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Mit der hier angegriffenen Entscheidung vom 21.04.2021 teilte die Beklagte dem  Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin zunächst mit, das Widerspruchsverfahren gegen die Verfügung vom 13.01.2020 sei eingestellt. Zugleich traf die Beklagte die Entscheidung, die Aufwendungen der Klägerin werden nicht erstattet. Zur Begründung führt sie u. a. aus, im Rahmen der Vorsprache der Klägerin am 13.01.2020 sei ihr gegenüber verfügt worden, dass sie ihre Niederlassungserlaubnis vorübergehend der Ausländerbehörde zu überlassen habe. Die Gründe seien mitgeteilt worden. Dies sei auch mit Schreiben vom 20.03.2020 bereits mitgeteilt worden, dass die Niederlassungserlaubnis vorübergehend einbehalten worden sei, um die Prüfung eines Widerrufs der Niederlassungserlaubnis durchzuführen. Mit Herausgabe der Niederlassungserlaubnis am 30.03.2020 an die Klägerin sei die ursprüngliche Verfügung vom 13.01.2020 gegenstandslos geworden. Das Widerspruchsverfahren habe sich damit erledigt. Da die Akte noch nicht an die zuständige Widerspruchsbehörde abgegeben worden sei, sei für diese Mitteilung die Ausgangsbehörde zuständig. Eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsaktes sei nicht geboten. Vielmehr sei das Verfahren nur einzustellen. Die Aufwendungen der Widerspruchsführerin in diesem Verfahren seien hier gemäß § 80 Abs. 1 Satz 5 LVwVfG nach billigem Ermessen nicht erstattungsfähig. Die Voraussetzungen für das  Einbehalten der Niederlassungserlaubnis hätten vorgelegen. Dies ergebe sich aus  § 48 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Daraus ergebe sich die Verpflichtung, Dokumente auszuhändigen oder vorübergehend zu überlassen, soweit dies zur Durchführung von ausländerrechtlichen Maßnahmen erforderlich sei. In der beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung wurde die Klägerin auf die Möglichkeit einer Klageerhebung zum Verwaltungsgericht hingewiesen.
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Die Klägerin hat am 17.05.2021 das Verwaltungsgericht angerufen. Zur Begründung verweist sie auf den Geschehensablauf. Die Klage sei zulässig, da die Rechtsbehelfs-belehrung in der angegriffenen Verfügung der Beklagten dies so ausgesprochen habe. Die Klage sei auch schon deshalb begründet, weil die Beklagte selbst für die angegriffene Entscheidung vom 21.04.2021 nicht zuständig gewesen sei. Im laufenden Widerspruchsverfahren hätte eine solche Entscheidung durch das Regierungspräsidium xxxxxxx als Widerspruchsbehörde erfolgen müssen. Die getroffene Kostenentscheidung sei auch rechtswidrig. Die Klägerin habe sich hier anwaltlicher Hilfe bedienen dürfen, nachdem zuvor ihre Niederlassungserlaubnis rechtswidrig einbehalten worden sei. Durch die anschließende Herausgabe der einbehaltenen Niederlassungserlaubnis habe die Beklagte zu erkennen gegeben, dass sie ihr vorheriges Handeln als rechtswidrig angesehen habe. Das Einbehalten der Niederlassungserlaubnis im Rahmen der Vorsprache am 13.01.2020 sei auch in keiner Weise gerechtfertigt gewesen, denn die Beklagte räume ein, es habe überprüft werden müssen, ob die Niederlassungserlaubnis widerrufen werde. Ein solches Vorgehen sei von § 48 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht gedeckt. Durch das Vorgehen der Beklagten sei die Klägerin ohne Dokument Ihres Aufenthaltsstatus gewesen und in der Gefahr, im Falle einer Kontrolle vorläufig festgenommen zu werden. Im Übrigen sei es zur Überprüfung eines Widerrufs nicht erforderlich, das Dokument in Händen zu halten.
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Die Klägerin beantragt (sachlich gefasst),
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a) den Bescheid der Beklagten vom 21.04.2021 aufzuheben und die
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Beklagte zu verpflichten, gegenüber der Klägerin auszusprechen:
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1. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens trägt das Land Baden-
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  Württemberg.
27 
2. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten in diesem Widerspruchs-
28 
  verfahren wird für notwendig erklärt.
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3. Die an die Widerspruchsführerin zu erstattenden Kosten des Wider-
30 
  spruchsverfahrens werden auf EUR 492,45 festgesetzt.
31 
b) Die Beklagte wird verpflichtet, an die Klägerin EUR 492,45 zu bezahlen.
32 
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
34 
Nach der Einstellung eines Widerspruchsverfahrens sei gemäß § 80 Abs. 1 Satz 5 LVwVfG über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen zu entscheiden. Hier sei die Entscheidung, keine Kosten zu erstatten, rechtmäßig gewesen. Denn die  vorangegangene Verfügung vom 13.01.2020, das Einbehalten der Niederlassungs- erlaubnis der Klägerin, sei nach § 48 Abs. 1 Satz 1 AufenthG rechtmäßig gewesen. Die Vorgehensweise entspreche vollständig dem von der Beklagten für solcherlei Fälle vorgesehen Ablauf. Nach Widerruf der Flüchtlingseigenschaft lasse sich die Behörde im Rahmen der Prüfung, ob nun auch der Aufenthaltstitel zu widerrufen sei, stets den Reiseausweis für Flüchtlinge, den betreffenden Aufenthaltstitel sowie Nachweise über die Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnraums sowie über Sprachkenntnisse und Integrationsleistungen vorlegen. Sämtliche Unterlagen würden dann   zunächst ohne eine Prüfung am Schalter entgegengenommen und dem zuständigen Sachbearbeiter zugeleitet. Der Sachbearbeiter benötige diese Unterlagen, um sich unter Hinzuziehung der Ausländerakte ein Gesamtbild des Falles zu machen und   entscheiden zu können. Das sei von § 48 Abs. 1 AufenthG gedeckt.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze, die  Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Der Berichterstatter konnte anstelle der Kammer und ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Verfahrensbeteiligten hierzu jeweils ihre Zustimmung erklärt haben (§§ 87a Abs. 2, 101 Abs. 2 VwGO).
37 
1. Die Klage ist zulässig. Abweichend von § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist das Fehlen eines Vorverfahrens im Hinblick auf den angegriffenen Bescheid der Beklagten vom 21.04.2021 hier unschädlich.
38 
a) Entgegen der Annahme der Klägerin folgt dies aber nicht schon daraus, dass der angegriffene Bescheid in seiner Rechtsbehelfsbelehrung angibt, gegen diesen   Bescheid könne (unmittelbar) Klage zum Verwaltungsgericht erhoben werden. Allein durch eine unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung ließe sich § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht umgehen. Die verfahrensrechtlichen Folgen einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung sind in § 58 VwGO abschließend geregelt. Dass ein Rechtsbehelf überflüssig wird, wenn über ihn nicht oder unrichtig belehrt wird, ist dort nicht bestimmt (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 23.07.1998 - 8 S 3189/96 -, juris unter Verweis auf BVerwG, Urt. v. 20.04.1994 - 11 C 2.93 -, juris; Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl., § 68 Rz. 27 u. 36 a. E.).
39 
b) Auch der Umstand, dass sich die Beklagte auf die vorliegende Klage eingelassen hat, ohne das fehlende Vorverfahren zu rügen, genügt für sich genommen ebenfalls nicht, um vom Erfordernis des § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO abzusehen. Einmal davon abgesehen, dass sich das rügelose Einlassen einer beklagten Ausgangsbehörde im Fall einer unrichtig erteilten Rechtsbehelfsbelehrung ja mit ihrer Rechtsauffassung deckt und daher in derartigen Fällen der Regelfall sein dürfte, kann solches regelmäßig nur angenommen werden, wenn Ausgangsbehörde und Widerspruchsbehörde identisch sind. Das Bundesverwaltungsgericht (a. a. O., Rz. 18) betont, entscheidend sei dabei, ob dem Zweck des Vorverfahrens bereits Rechnung getragen sei oder sich sein Zweck ohnehin nicht mehr erreichen lasse. Dies sei dann der Fall, wenn sich eine Beklagte durch diejenige Behörde, die auch den Widerspruchsbescheid hätte erlassen müssen, auf die Klage sachlich eingelassen und deren Abweisung beantragt habe. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Würde man gleichwohl durch jedwedes rügeloses  Einlassen einer Beklagten nach vorheriger fehlerbehafteten Rechtsbehelfsbelehrung ein Abweichen von § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO zulassen, könnte eine Ausgangsbehörde die Befassung mit einer Sache durch die Widerspruchsbehörde, im Regelfall des § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO also der nächsthöheren Behörde, umgehen. Solches ist angesichts der vergleichsweise klaren Regelung des § 68 Abs. 1 VwGO und der   Bedeutung des Vorverfahrens für den Rechtsschutz und für eine sinnvolle Abgrenzung der Aufgaben von Behörden und Gerichten abzulehnen (Schenke, a. a. O., Rz. 27).
40 
c) Die Zulässigkeit einer unmittelbaren Klageerhebung entgegen § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO resultiert vorliegend aus der besonderen Fallkonstellation. Anerkannt ist durch das Gesetz, dass es einer Nachprüfung im Rahmen eines Vorverfahrens nicht bedarf, wenn der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält (§ 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO). Ergeht in einem laufenden Widerspruchs-verfahren eine Abhilfeentscheidung durch die Ausgangsbehörde oder ein Widerspruchsbescheid durch die zuständige Widerspruchsbehörde und enthält dieser eine    Beschwer, etwa dahingehend, dass keine Kosten des Widerspruchsführers erstattet werden oder aber, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren nicht für notwendig anerkannt wird, so ist nunmehr gegen eine solche  (negative) Kostenerstattungsentscheidung gemäß § 80 Abs. 1 Satz 5 LVwVfG unmittelbar die Klage richtiger Rechtsbehelf. Dies folgt aus dem Grundsatz, „nach einem Widerspruchsverfahren kein Widerspruchsverfahren“ (BVerwG, Urt. v. 12.08.2014   – 1 C 2/14 –, juris Rz. 12).
41 
Zwar ist auch eine solche Konstellation vorliegend nicht wirklich gegeben. Die Beklagte hat mit ihrem Bescheid vom 21.04.2021 weder eine Abhilfeentscheidung erlassen noch liegt eine Widerspruchsentscheidung der Widerspruchsbehörde vor. Die angegriffene Verfügung der Beklagten besteht vielmehr zum einen aus der formlosen  Mitteilung, dass das Widerspruchsverfahren erledigt sei und daneben aus einer   isolierten Kostenerstattungsentscheidung i. S. v. § 80 Abs. 1 Satz 5 LVwVfG. Gegen isolierte Kostenentscheidungen wie auch gegen Kostenfestsetzungsentscheidungen der Höhe nach, falls eine Kostenlastentscheidung nach § 73 Abs. 3 Satz 1 VwGO durch die Widerspruchsbehörde vorliegt, wird seit jeher vertreten, dass grundsätzlich vor Klageerhebung ein Vorverfahren notwendig ist (BVerwG, Urt. v. 18.04.1988 - 6 C 41/85 -, juris Rz. 24; Wysk, in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl., § 80 Rz. 64).
42 
Allerdings handelt es sich bei der angegriffenen Entscheidung der Beklagten vom 21.04.2021 nicht wirklich um eine isolierte Kostenfestsetzungsentscheidung über die Höhe der Kosten oder über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren. Der Kostenerstattungsausspruch gemäß § 80 Abs. 1 Satz 5 LVwVfG (der so in § 80 des VwVfG nicht enthalten ist) ähnelt   vielmehr in der gegebenen Konstellation eher einer im Widerspruchsverfahren ergangenen Abhilfeentscheidung, verbunden mit einer erstmaligen Beschwer, nämlich der Negation eines Erstattungsanspruchs. Erledigendes Ereignis zu dem von der Klägerin geführten Widerspruchsverfahren war die Entscheidung der Beklagten, ihr die    zunächst einbehaltene Niederlassungserlaubnis wieder auszuhändigen (dazu   sogleich mehr). Dies rechtfertigt es hier, in analoger Anwendung von § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 1. Alternative VwGO von der Notwendigkeit eines Vorverfahrens hinsichtlich der erstmaligen Beschwer der Klägerin abzusehen und gegen die Versagung  eines Kostenerstattungsanspruchs nach § 80 Abs. 1 Satz 5 LVwVfG ausnahmsweise eine unmittelbare Klagemöglichkeit zu eröffnen. Mit Blick auf den Gesichtspunkt der Prozessökonomie kann eine solche Vorgehensweise verhindern, dass es zu einem weiteren Widerspruchsverfahren mit dann weiteren Kostenstreitigkeiten und letztlich zu einer „Endlosschleife“ kommt (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.08.2014 - 1 C 2/14 -, juris Rz. 14).
43 
Die vorverfahrenslose unmittelbare Klageerhebung ist in der gegebenen Konstellation daher (ausnahmsweise) nicht zu beanstanden.
44 
2. Die Klage ist auch begründet. Die angegriffene Entscheidung der Beklagten vom 21.04.2021 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Sie war daher unter Ausspruch der sich aus dem Tenor ergebenden Verpflichtung aufzuheben (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das der Beklagten eingeräumte Ermessen nach § 80 Abs. 1 Satz 5 LVwVfG ließ sich hier rechtmäßig nur in der sich aus dem Tenor ergebenden Weise ausüben.
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a) Wiederum entgegen der Rechtsansicht der Klägerin folgt die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Kostenerstattungsentscheidung nicht daraus, dass die Beklagte hierfür gar nicht zuständig gewesen wäre. Zuständig für eine solche Entscheidung ist die  Behörde, bei der das Widerspruchsverfahren nach Einlegung des Widerspruchs in dem Zeitpunkt anhängig ist, in dem sich die Notwendigkeit einer Kostenerstattungsentscheidung nach § 80 Abs. 1 Satz 5 LVwVfG ergibt. Im vorliegenden Fall ergab sich die Notwendigkeit einer solchen Entscheidung aufgrund des Umstands, dass sich das Widerspruchsverfahren erledigt hatte und die Klägerin auch eine entsprechende   Erledigungserklärung abgegeben hatte. Zu diesem Zeitpunkt war aber noch die  Ausgangsbehörde, die Beklagte, mit der Angelegenheit befasst. Der sogenannte  Devolutiveffekt durch Abgabe der Verfahrensakten an die übergeordnete      Widerspruchsbehörde war noch nicht eingetreten als es bereits zum erledigenden  Ereignis, der Wiederherausgabe der einbehaltenen Niederlassungserlaubnis der  Klägerin kam. In einem solchen Fall ist die Einholung einer Erledigungserklärung der Widerspruchsführerin und die anschließende Kostenerstattungsentscheidung von der noch befassten Ausgangsbehörde zu bewirken. Einer Aktenvorlage an die Widerspruchsbehörde nach der Erledigung des Widerspruchsverfahrens bedarf es nicht mehr.
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b) Das Gericht lässt dahingestellt, ob die Kostenentscheidung, wie sie sich aus dem Verpflichtungsausspruch des Tenors des Urteils ergibt, schon deshalb die nach   billigem Ermessen einzig richtige Entscheidung nach § 80 Abs. 1 Satz 5 LVwVfG sein kann, weil sich die Beklagte im vorangegangenen Widerspruchsverfahren einseitig in die Rolle der Unterlegenen begeben hat, indem sie unmittelbar nach Erhebung des Widerspruchs durch den Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin dieser das Recht eingeräumt hat, das zuvor einbehaltene Dokument über ihre Niederlassungserlaubnis auf der Behörde wieder abzuholen. Die zeitlichen Abläufe des Verfahrens lassen   eigentlich keine andere Deutung zu. Auf den ersten Herausgabeanspruch der Klägerin durch ihren Verfahrensbevollmächtigten mit Telefax vom 10.02.2020 hatte die   Beklagte noch keinerlei Reaktion gezeigt. Auf sein wiederholtes Begehren unter dem 16.03.2020 äußerte sich die Beklagte zunächst mit Schreiben vom 20.03.2020 und verteidigte ihre Vorgehensweise. Nachdem der Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin für diese dann mit Telefax vom 25.03.2020 förmlich Widerspruch eingelegt hatte, teilte die Beklagte mit Antwort-Schreiben vom 27.03.2020, also zwei Tage später, mit, die Klägerin könne das Dokument wieder in Empfang nehmen. Etwas anderes als ein Nachgeben der Behörde unmittelbar nach der Einlegung des förmlichen Widerspruchs, mag man in diesem Geschehensablauf fast nicht zu erkennen.
47 
Allerdings hat die Beklagte mit weiterem Schreiben vom 31.03.2020 gegenüber dem Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin ihre Vorgehensweise ausdrücklich verteidigt. Sie hat - warum auch immer (vgl. unten) - nicht eingeräumt, dass ein Fehler geschehen sei, vielmehr hat sie an ihrer Vorgehensweise festgehalten. Auch wenn dies wenig überzeugend wirkt, so kann letztlich nicht völlig ausgeschlossen werden, dass aus Sicht der Sachbearbeiterin der Beklagten just zu diesem Zeitpunkt, als der Widerspruch der Klägerin eingegangen war, ihre „Prüfarbeit“ (dazu sogleich) soweit gediehen war, dass sie nunmehr die Herausgabe des zuvor einbehaltenen Dokumentes für verantwortbar hielt, ohne dass sie sich in die Rolle der Unterlegenen begeben wollte.
48 
c) Dass nach Erledigung des Widerspruchsverfahrens der aus dem Tenor ersichtliche Kostenausspruch einzig richtige Ermessensentscheidung nach § 80 Abs. 1 Satz 5 LVwVfG sein konnte, ergibt sich im vorliegenden Verfahren jedenfalls daraus, dass die Vorgehensweise der Beklagten rechtswidrig war und das von der Klägerin eingeleitete Widerspruchsverfahren vollumfänglich begründet gewesen ist.
49 
aa) Soweit die Beklagte sich in ihrer Klageerwiderung darauf beruft, die von ihr   gezeigte Vorgehensweise entspreche vollständig dem von der Beklagten für solcherlei Fälle vorgesehene Ablauf, versteht sich von selbst, dass eine solche Argumentation („das haben wir immer so gemacht“) nicht trägt. Der Berichterstatter hat im Übrigen auch Zweifel, ob dieser Vortrag zutrifft. Es fällt schon auf, dass im Aufforderungsschreiben der Beklagten vom 18.12.2019, mit dem die Klägerin zur persönlichen Vorsprache aufgefordert wurde, die Liste der von ihr mitzubringenden Dokumente und Unterlagen die Niederlassungserlaubnis der Klägerin nicht erwähnt. Wäre es „gängige Praxis“ im Falle des Widerrufs der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft neben der Einziehung des Reiseausweises für Flüchtlinge im Rahmen einer dann möglichen Prüfung des Widerrufs des auf die Zuerkennungsentscheidung hin erteilten Aufenthaltstitels von allen davon Betroffenen diesen Titel sogleich einzubehalten, so müsste in diesem Aufforderungsschreiben die Pflicht, den Aufenthaltstitel bei der angeordneten Vorsprache mitzubringen, wohl routinemäßig erfolgen. Auch fällt auf, dass in der der Klägerin anlässlich dieser Vorsprache ausgehändigten Bescheinigung über die Abnahme von Dokumenten lediglich der einbehaltene Reiseausweis für Flüchtlinge aufgeführt ist. Der Einbehalt des Aufenthaltstitels, der angeblich in solcherlei Fällen stets vorgesehen sei, ist in der der Klägerin ausgehändigten Bescheinigung nicht erwähnt.
50 
bb) Selbst wenn die Vorgehensweise, wie hier geschehen, vollständig dem von der Beklagten für solcherlei Fälle vorgesehenen Ablauf entsprochen hätte, wäre sie hier
- und wohl auch in jedem anderen Einzelfall - rechtswidrig.
51 
Zu Recht weist der VGH Baden-Württemberg (Beschl. v. 20.01.2022 - 11 S
2757/20 -, juris) darauf hin, dass ohne ein bescheinigtes Aufenthaltsrecht beispielsweise bei einer polizeilichen Kontrolle ein Ausländer Gefahr läuft, dass er oder sie weiteren polizeilichen Maßnahmen wie beispielsweise Festhalten und Ingewahrsamnahme zur Klärung des Aufenthaltsstatus bei der Ausländerbehörde unterworfen wird. Diese abstrakt drohenden Nachteile sind immer unzumutbar (vgl. bereits VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 03.08.2018 - 11 S 1351/18 - juris Rn. 3 m.w.N.). Dies wird um ein Vielfaches potenziert, wenn zeitglich das einzige Identitätsdokument der Person - hier der Reiseausweis für Flüchtlinge - von der Behörde einbehalten wird. Insoweit hielt die Klägerin dann zwar eine Bescheinigung der Beklagten in Händen. Diese äußert sich jedoch nicht zum Aufenthaltsstatus der Person.
52 
Das Herbeiführen einer solchen abstrakten Gefahr durch eine Ausländerbehörde käme - wenn überhaupt - nur in besonders schwerwiegenden Fällen, etwa bei einer drohenden akuten Missbrauchsgefahr des Ausweisdokumentes o. ä. in Betracht (und auch dann nur in Verbindung mit einer amtlichen Abnahmebescheinigung, ggf. unter Beifügung einer lesbaren Kopie des abgenommenen Dokuments). Was die Beklagte demgegenüber im Verfahren als Motiv für ihre (mündlich ausgesprochene) Einbehaltungsverfügung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 AufenthG vorbringt, ist in jeder Hinsicht ungenügend.
53 
Der Beklagten ist zuzugestehen, dass nach der bestandskräftigen Widerrufsentscheidung der ursprünglich zuerkannten Flüchtlingsanerkennung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Anlass bestanden haben mag, behördlicherseits über einen korrespondierenden Widerruf des auf diese Zuerkennungsentscheidung hin  erteilten Aufenthaltstitels nachzudenken. Die Einziehungsverfügung, betreffend den Reiseausweis für Flüchtlinge, durfte die Beklagte selbstredend verfügen (letzterer war im Zeitpunkt der Vorsprache ohnehin abgelaufen; vgl. dazu sogleich).
54 
Weder für die Prüfung, ob ein Widerrufsverfahren überhaupt einzuleiten wäre, noch für eine Entscheidung über einen Widerruf der Niederlassungserlaubnis, war ein Einbehalt des elektronischen Dokuments des Aufenthaltstitels der Klägerin in irgendeiner Weise von Nutzen. Selbst stundenlanges Betrachten der Niederlassungserlaubnis hätte den Sachbearbeiter insoweit nicht voranbringen können. Im Übrigen hätte die Betrachtung einer Farbkopie, wie sie auf Seite 182 der Verwaltungsakten enthalten ist, wohl auch völlig ausgereicht.
55 
Umgekehrt ergibt sich aus § 78 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ein Anspruch eines Ausländers, dem ein Aufenthaltstitel zuerkannt worden ist, auf Ausstellung eines eigenständigen Dokumentes hierüber. Damit korrespondiert ein Recht zum Besitz dieses Dokumentes, solange der Aufenthaltstitel besteht. Erst mit der Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet (vgl. § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG; nicht: Vollziehbarkeit; dazu sogleich) würde das Recht zum Besitz dieses Aufenthaltstitel-Dokuments enden. Davon konnte vorliegend keine Rede sein.
56 
cc) Das Gericht hat erwogen, der Beklagten einen Aushändigungs- und Überlassungsanspruch nach § 48 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bezüglich des elektronischen Dokumentes der Niederlassungserlaubnis der Klägerin unter dem Gesichtspunkt zuzubilligen, dass darin enthaltene Eintragungen korrekturbedürftig waren. So entsprach der Hinweis nach § 78 Abs. 1 Satz 3 Nr. 11 AufenthG über die Gültigkeitsdauer des zugehörigen Passes nicht mehr der Wirklichkeit. Auch war die Angabe nach § 78 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 2. Alternative AufenthG über die technische Kartennutzungsdauer nicht mehr aktuell, da bereits abgelaufen (wobei insoweit anzumerken wäre, dass die genannte Norm nur die Angabe der technischen Kartennutzungsdauer gestattet und nicht eine Angabe über eine „generelle“ Kartennutzungsdauer, wie von der Beklagten eingetragen, was ebenfalls die Gefahr birgt, die betreffende Person im Falle einer polizeilichen Kontrolle oder sonst im Geschäftsleben in Schwierigkeiten zu bringen).
57 
Allerdings fehlt im Aufenthaltsgesetz schon eine dem § 11 Abs. 1 Nr. 2, 2. Alternative i. V. m. § 12 und § 13 PassG entsprechende Vorschrift, wonach unzutreffende Eintragungen eine Ungültigkeit des Dokuments mit der Folge von Herausgabepflichten (vgl. auch § 15 Nr. 1 PassG) zur Folge haben. Des Weiteren hat sich die Beklagte an keiner Stelle des Verfahrens auf diesen Rechtsgedanken berufen. Jedenfalls hätte auch dann sichergestellt werden müssen, dass die Klägerin uneingeschränkt über eine Nachweismöglichkeit ihres Aufenthaltstitels verfügt (Abnahmebescheinigung i.V.m. einer   lesbaren Farb-Kopie), um unzumutbare Beeinträchtigungen (vgl. oben) zu umgehen. Angesichts der Marginalität der hier vorliegenden unzutreffenden Eintragungen hätte aber ohne Weiteres auch bis zur Neuausstellung eines elektronischen Dokumentes, etwa nach Ausstellung eines Nationalpasses anstelle des eingezogenen Reiseausweises für Flüchtlinge, in einer „Umtauschaktion“ dann erst der Einbehalt des bisherigen  Dokumentes verfügt werden können.
58 
dd) Zuletzt folgt auch aus der „verunglückten“ Rechtskonstruktion des § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nichts Anderes. Die Norm erklärt „unbeschadet“ der „aufschiebenden Wirkung“ von Widerspruch und Klage die Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, für unberührt und führt so eine dem Verwaltungsverfahrensrecht an sich fremde Kategorie, die wirksame Belastung eines belastenden Verwaltungsaktes, trotz aufschiebender Wirkung eines Rechtsbehelfs, ein.
59 
Der „vorsorgliche“ Einbehalt eines elektronischen Aufenthaltstitels käme nach dieser Rechtskonstruktion vielleicht dann in Betracht, wenn ganz unmittelbar bevorstehend eine Verwaltungsentscheidung zu treffen wäre, die in diesem Sinne zur Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts führen würde. Aber auch dann wäre unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr die Feststellung erforderlich, dass andernfalls etwa die Erlangung des elektronischen Aufenthaltstitels, also nach Erlass der kurz bevorstehenden titelvernichtenden Entscheidung, erheblich erschwert und ein Titelmissbrauch zu gewärtigen wäre. Nichts davon kam im Falle der Klägerin seinerzeit in Betracht.
60 
d) Auf Grund der Rechtswidrigkeit des Vorgehens der Beklagten am 13.01.2021 und des von der Klägerin eingelegten Widerspruchs war, nachdem sich das Widerspruchsverfahren erledigt hatte, die einzig ermessensgerechte Entscheidung gemäß § 80 Abs. 1 Satz 5 LVwVfG, dass die Kosten des Widerspruchsverfahrens der Rechtsträger der handelnden Behörde, mithin das Land Baden-Württemberg, trägt. Dass die Klägerin das Vorgehen der Behörde in irgendeiner Weise „provoziert“ oder vorwerfbar veranlasst haben könnte, ist in keiner Weise ersichtlich.
61 
e) Ebenso war einzig ermessensgerecht auszusprechen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren für die Klägerin notwendig gewesen ist. Es war der Klägerin angesichts der Komplexität der Rechtsfragen und angesichts der Vorgehensweise der Beklagten anlässlich der Vorsprache der Klägerin am 13.01.2020 nicht zuzumuten, eigenständig ohne anwaltliche Hilfe das Widerspruchsverfahren zu führen. Dies bedarf hier keiner weiteren Darlegung.
62 
f) Zuletzt hatte die Klägerin damit auch einen Anspruch auf Festsetzung der geltend gemachten Kosten ihres Verfahrensbevollmächtigten in diesem Widerspruchsverfahren. Die Berechnung des bevollmächtigten Rechtsanwalts, ausgehend vom Regelstreitwert i. H. v. EUR 5.000,- ist nicht zu beanstanden.
63 
3. Da eine Kostenerstattungsentscheidung nach § 81 Abs. 1 Satz 5 LVwVfG - anders als ein Kostenfestsetzungsbeschluss des Gerichts - keinen vollstreckbaren Titel  darstellt, durfte die Klägerin zugleich im Wege der Klagehäufung (§ 44 VwGO) beanspruchen, dass das Gericht in dieser Höhe einen Zahlungsanspruch ausspricht, der dann ggf. vollstreckbar wäre.
64 
4. Die Kostenentscheidung - auch dieses Verfahrens - folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Gründe

36 
Der Berichterstatter konnte anstelle der Kammer und ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Verfahrensbeteiligten hierzu jeweils ihre Zustimmung erklärt haben (§§ 87a Abs. 2, 101 Abs. 2 VwGO).
37 
1. Die Klage ist zulässig. Abweichend von § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist das Fehlen eines Vorverfahrens im Hinblick auf den angegriffenen Bescheid der Beklagten vom 21.04.2021 hier unschädlich.
38 
a) Entgegen der Annahme der Klägerin folgt dies aber nicht schon daraus, dass der angegriffene Bescheid in seiner Rechtsbehelfsbelehrung angibt, gegen diesen   Bescheid könne (unmittelbar) Klage zum Verwaltungsgericht erhoben werden. Allein durch eine unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung ließe sich § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht umgehen. Die verfahrensrechtlichen Folgen einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung sind in § 58 VwGO abschließend geregelt. Dass ein Rechtsbehelf überflüssig wird, wenn über ihn nicht oder unrichtig belehrt wird, ist dort nicht bestimmt (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 23.07.1998 - 8 S 3189/96 -, juris unter Verweis auf BVerwG, Urt. v. 20.04.1994 - 11 C 2.93 -, juris; Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl., § 68 Rz. 27 u. 36 a. E.).
39 
b) Auch der Umstand, dass sich die Beklagte auf die vorliegende Klage eingelassen hat, ohne das fehlende Vorverfahren zu rügen, genügt für sich genommen ebenfalls nicht, um vom Erfordernis des § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO abzusehen. Einmal davon abgesehen, dass sich das rügelose Einlassen einer beklagten Ausgangsbehörde im Fall einer unrichtig erteilten Rechtsbehelfsbelehrung ja mit ihrer Rechtsauffassung deckt und daher in derartigen Fällen der Regelfall sein dürfte, kann solches regelmäßig nur angenommen werden, wenn Ausgangsbehörde und Widerspruchsbehörde identisch sind. Das Bundesverwaltungsgericht (a. a. O., Rz. 18) betont, entscheidend sei dabei, ob dem Zweck des Vorverfahrens bereits Rechnung getragen sei oder sich sein Zweck ohnehin nicht mehr erreichen lasse. Dies sei dann der Fall, wenn sich eine Beklagte durch diejenige Behörde, die auch den Widerspruchsbescheid hätte erlassen müssen, auf die Klage sachlich eingelassen und deren Abweisung beantragt habe. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Würde man gleichwohl durch jedwedes rügeloses  Einlassen einer Beklagten nach vorheriger fehlerbehafteten Rechtsbehelfsbelehrung ein Abweichen von § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO zulassen, könnte eine Ausgangsbehörde die Befassung mit einer Sache durch die Widerspruchsbehörde, im Regelfall des § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO also der nächsthöheren Behörde, umgehen. Solches ist angesichts der vergleichsweise klaren Regelung des § 68 Abs. 1 VwGO und der   Bedeutung des Vorverfahrens für den Rechtsschutz und für eine sinnvolle Abgrenzung der Aufgaben von Behörden und Gerichten abzulehnen (Schenke, a. a. O., Rz. 27).
40 
c) Die Zulässigkeit einer unmittelbaren Klageerhebung entgegen § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO resultiert vorliegend aus der besonderen Fallkonstellation. Anerkannt ist durch das Gesetz, dass es einer Nachprüfung im Rahmen eines Vorverfahrens nicht bedarf, wenn der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält (§ 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO). Ergeht in einem laufenden Widerspruchs-verfahren eine Abhilfeentscheidung durch die Ausgangsbehörde oder ein Widerspruchsbescheid durch die zuständige Widerspruchsbehörde und enthält dieser eine    Beschwer, etwa dahingehend, dass keine Kosten des Widerspruchsführers erstattet werden oder aber, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren nicht für notwendig anerkannt wird, so ist nunmehr gegen eine solche  (negative) Kostenerstattungsentscheidung gemäß § 80 Abs. 1 Satz 5 LVwVfG unmittelbar die Klage richtiger Rechtsbehelf. Dies folgt aus dem Grundsatz, „nach einem Widerspruchsverfahren kein Widerspruchsverfahren“ (BVerwG, Urt. v. 12.08.2014   – 1 C 2/14 –, juris Rz. 12).
41 
Zwar ist auch eine solche Konstellation vorliegend nicht wirklich gegeben. Die Beklagte hat mit ihrem Bescheid vom 21.04.2021 weder eine Abhilfeentscheidung erlassen noch liegt eine Widerspruchsentscheidung der Widerspruchsbehörde vor. Die angegriffene Verfügung der Beklagten besteht vielmehr zum einen aus der formlosen  Mitteilung, dass das Widerspruchsverfahren erledigt sei und daneben aus einer   isolierten Kostenerstattungsentscheidung i. S. v. § 80 Abs. 1 Satz 5 LVwVfG. Gegen isolierte Kostenentscheidungen wie auch gegen Kostenfestsetzungsentscheidungen der Höhe nach, falls eine Kostenlastentscheidung nach § 73 Abs. 3 Satz 1 VwGO durch die Widerspruchsbehörde vorliegt, wird seit jeher vertreten, dass grundsätzlich vor Klageerhebung ein Vorverfahren notwendig ist (BVerwG, Urt. v. 18.04.1988 - 6 C 41/85 -, juris Rz. 24; Wysk, in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl., § 80 Rz. 64).
42 
Allerdings handelt es sich bei der angegriffenen Entscheidung der Beklagten vom 21.04.2021 nicht wirklich um eine isolierte Kostenfestsetzungsentscheidung über die Höhe der Kosten oder über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren. Der Kostenerstattungsausspruch gemäß § 80 Abs. 1 Satz 5 LVwVfG (der so in § 80 des VwVfG nicht enthalten ist) ähnelt   vielmehr in der gegebenen Konstellation eher einer im Widerspruchsverfahren ergangenen Abhilfeentscheidung, verbunden mit einer erstmaligen Beschwer, nämlich der Negation eines Erstattungsanspruchs. Erledigendes Ereignis zu dem von der Klägerin geführten Widerspruchsverfahren war die Entscheidung der Beklagten, ihr die    zunächst einbehaltene Niederlassungserlaubnis wieder auszuhändigen (dazu   sogleich mehr). Dies rechtfertigt es hier, in analoger Anwendung von § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 1. Alternative VwGO von der Notwendigkeit eines Vorverfahrens hinsichtlich der erstmaligen Beschwer der Klägerin abzusehen und gegen die Versagung  eines Kostenerstattungsanspruchs nach § 80 Abs. 1 Satz 5 LVwVfG ausnahmsweise eine unmittelbare Klagemöglichkeit zu eröffnen. Mit Blick auf den Gesichtspunkt der Prozessökonomie kann eine solche Vorgehensweise verhindern, dass es zu einem weiteren Widerspruchsverfahren mit dann weiteren Kostenstreitigkeiten und letztlich zu einer „Endlosschleife“ kommt (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.08.2014 - 1 C 2/14 -, juris Rz. 14).
43 
Die vorverfahrenslose unmittelbare Klageerhebung ist in der gegebenen Konstellation daher (ausnahmsweise) nicht zu beanstanden.
44 
2. Die Klage ist auch begründet. Die angegriffene Entscheidung der Beklagten vom 21.04.2021 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Sie war daher unter Ausspruch der sich aus dem Tenor ergebenden Verpflichtung aufzuheben (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das der Beklagten eingeräumte Ermessen nach § 80 Abs. 1 Satz 5 LVwVfG ließ sich hier rechtmäßig nur in der sich aus dem Tenor ergebenden Weise ausüben.
45 
a) Wiederum entgegen der Rechtsansicht der Klägerin folgt die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Kostenerstattungsentscheidung nicht daraus, dass die Beklagte hierfür gar nicht zuständig gewesen wäre. Zuständig für eine solche Entscheidung ist die  Behörde, bei der das Widerspruchsverfahren nach Einlegung des Widerspruchs in dem Zeitpunkt anhängig ist, in dem sich die Notwendigkeit einer Kostenerstattungsentscheidung nach § 80 Abs. 1 Satz 5 LVwVfG ergibt. Im vorliegenden Fall ergab sich die Notwendigkeit einer solchen Entscheidung aufgrund des Umstands, dass sich das Widerspruchsverfahren erledigt hatte und die Klägerin auch eine entsprechende   Erledigungserklärung abgegeben hatte. Zu diesem Zeitpunkt war aber noch die  Ausgangsbehörde, die Beklagte, mit der Angelegenheit befasst. Der sogenannte  Devolutiveffekt durch Abgabe der Verfahrensakten an die übergeordnete      Widerspruchsbehörde war noch nicht eingetreten als es bereits zum erledigenden  Ereignis, der Wiederherausgabe der einbehaltenen Niederlassungserlaubnis der  Klägerin kam. In einem solchen Fall ist die Einholung einer Erledigungserklärung der Widerspruchsführerin und die anschließende Kostenerstattungsentscheidung von der noch befassten Ausgangsbehörde zu bewirken. Einer Aktenvorlage an die Widerspruchsbehörde nach der Erledigung des Widerspruchsverfahrens bedarf es nicht mehr.
46 
b) Das Gericht lässt dahingestellt, ob die Kostenentscheidung, wie sie sich aus dem Verpflichtungsausspruch des Tenors des Urteils ergibt, schon deshalb die nach   billigem Ermessen einzig richtige Entscheidung nach § 80 Abs. 1 Satz 5 LVwVfG sein kann, weil sich die Beklagte im vorangegangenen Widerspruchsverfahren einseitig in die Rolle der Unterlegenen begeben hat, indem sie unmittelbar nach Erhebung des Widerspruchs durch den Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin dieser das Recht eingeräumt hat, das zuvor einbehaltene Dokument über ihre Niederlassungserlaubnis auf der Behörde wieder abzuholen. Die zeitlichen Abläufe des Verfahrens lassen   eigentlich keine andere Deutung zu. Auf den ersten Herausgabeanspruch der Klägerin durch ihren Verfahrensbevollmächtigten mit Telefax vom 10.02.2020 hatte die   Beklagte noch keinerlei Reaktion gezeigt. Auf sein wiederholtes Begehren unter dem 16.03.2020 äußerte sich die Beklagte zunächst mit Schreiben vom 20.03.2020 und verteidigte ihre Vorgehensweise. Nachdem der Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin für diese dann mit Telefax vom 25.03.2020 förmlich Widerspruch eingelegt hatte, teilte die Beklagte mit Antwort-Schreiben vom 27.03.2020, also zwei Tage später, mit, die Klägerin könne das Dokument wieder in Empfang nehmen. Etwas anderes als ein Nachgeben der Behörde unmittelbar nach der Einlegung des förmlichen Widerspruchs, mag man in diesem Geschehensablauf fast nicht zu erkennen.
47 
Allerdings hat die Beklagte mit weiterem Schreiben vom 31.03.2020 gegenüber dem Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin ihre Vorgehensweise ausdrücklich verteidigt. Sie hat - warum auch immer (vgl. unten) - nicht eingeräumt, dass ein Fehler geschehen sei, vielmehr hat sie an ihrer Vorgehensweise festgehalten. Auch wenn dies wenig überzeugend wirkt, so kann letztlich nicht völlig ausgeschlossen werden, dass aus Sicht der Sachbearbeiterin der Beklagten just zu diesem Zeitpunkt, als der Widerspruch der Klägerin eingegangen war, ihre „Prüfarbeit“ (dazu sogleich) soweit gediehen war, dass sie nunmehr die Herausgabe des zuvor einbehaltenen Dokumentes für verantwortbar hielt, ohne dass sie sich in die Rolle der Unterlegenen begeben wollte.
48 
c) Dass nach Erledigung des Widerspruchsverfahrens der aus dem Tenor ersichtliche Kostenausspruch einzig richtige Ermessensentscheidung nach § 80 Abs. 1 Satz 5 LVwVfG sein konnte, ergibt sich im vorliegenden Verfahren jedenfalls daraus, dass die Vorgehensweise der Beklagten rechtswidrig war und das von der Klägerin eingeleitete Widerspruchsverfahren vollumfänglich begründet gewesen ist.
49 
aa) Soweit die Beklagte sich in ihrer Klageerwiderung darauf beruft, die von ihr   gezeigte Vorgehensweise entspreche vollständig dem von der Beklagten für solcherlei Fälle vorgesehene Ablauf, versteht sich von selbst, dass eine solche Argumentation („das haben wir immer so gemacht“) nicht trägt. Der Berichterstatter hat im Übrigen auch Zweifel, ob dieser Vortrag zutrifft. Es fällt schon auf, dass im Aufforderungsschreiben der Beklagten vom 18.12.2019, mit dem die Klägerin zur persönlichen Vorsprache aufgefordert wurde, die Liste der von ihr mitzubringenden Dokumente und Unterlagen die Niederlassungserlaubnis der Klägerin nicht erwähnt. Wäre es „gängige Praxis“ im Falle des Widerrufs der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft neben der Einziehung des Reiseausweises für Flüchtlinge im Rahmen einer dann möglichen Prüfung des Widerrufs des auf die Zuerkennungsentscheidung hin erteilten Aufenthaltstitels von allen davon Betroffenen diesen Titel sogleich einzubehalten, so müsste in diesem Aufforderungsschreiben die Pflicht, den Aufenthaltstitel bei der angeordneten Vorsprache mitzubringen, wohl routinemäßig erfolgen. Auch fällt auf, dass in der der Klägerin anlässlich dieser Vorsprache ausgehändigten Bescheinigung über die Abnahme von Dokumenten lediglich der einbehaltene Reiseausweis für Flüchtlinge aufgeführt ist. Der Einbehalt des Aufenthaltstitels, der angeblich in solcherlei Fällen stets vorgesehen sei, ist in der der Klägerin ausgehändigten Bescheinigung nicht erwähnt.
50 
bb) Selbst wenn die Vorgehensweise, wie hier geschehen, vollständig dem von der Beklagten für solcherlei Fälle vorgesehenen Ablauf entsprochen hätte, wäre sie hier
- und wohl auch in jedem anderen Einzelfall - rechtswidrig.
51 
Zu Recht weist der VGH Baden-Württemberg (Beschl. v. 20.01.2022 - 11 S
2757/20 -, juris) darauf hin, dass ohne ein bescheinigtes Aufenthaltsrecht beispielsweise bei einer polizeilichen Kontrolle ein Ausländer Gefahr läuft, dass er oder sie weiteren polizeilichen Maßnahmen wie beispielsweise Festhalten und Ingewahrsamnahme zur Klärung des Aufenthaltsstatus bei der Ausländerbehörde unterworfen wird. Diese abstrakt drohenden Nachteile sind immer unzumutbar (vgl. bereits VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 03.08.2018 - 11 S 1351/18 - juris Rn. 3 m.w.N.). Dies wird um ein Vielfaches potenziert, wenn zeitglich das einzige Identitätsdokument der Person - hier der Reiseausweis für Flüchtlinge - von der Behörde einbehalten wird. Insoweit hielt die Klägerin dann zwar eine Bescheinigung der Beklagten in Händen. Diese äußert sich jedoch nicht zum Aufenthaltsstatus der Person.
52 
Das Herbeiführen einer solchen abstrakten Gefahr durch eine Ausländerbehörde käme - wenn überhaupt - nur in besonders schwerwiegenden Fällen, etwa bei einer drohenden akuten Missbrauchsgefahr des Ausweisdokumentes o. ä. in Betracht (und auch dann nur in Verbindung mit einer amtlichen Abnahmebescheinigung, ggf. unter Beifügung einer lesbaren Kopie des abgenommenen Dokuments). Was die Beklagte demgegenüber im Verfahren als Motiv für ihre (mündlich ausgesprochene) Einbehaltungsverfügung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 AufenthG vorbringt, ist in jeder Hinsicht ungenügend.
53 
Der Beklagten ist zuzugestehen, dass nach der bestandskräftigen Widerrufsentscheidung der ursprünglich zuerkannten Flüchtlingsanerkennung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Anlass bestanden haben mag, behördlicherseits über einen korrespondierenden Widerruf des auf diese Zuerkennungsentscheidung hin  erteilten Aufenthaltstitels nachzudenken. Die Einziehungsverfügung, betreffend den Reiseausweis für Flüchtlinge, durfte die Beklagte selbstredend verfügen (letzterer war im Zeitpunkt der Vorsprache ohnehin abgelaufen; vgl. dazu sogleich).
54 
Weder für die Prüfung, ob ein Widerrufsverfahren überhaupt einzuleiten wäre, noch für eine Entscheidung über einen Widerruf der Niederlassungserlaubnis, war ein Einbehalt des elektronischen Dokuments des Aufenthaltstitels der Klägerin in irgendeiner Weise von Nutzen. Selbst stundenlanges Betrachten der Niederlassungserlaubnis hätte den Sachbearbeiter insoweit nicht voranbringen können. Im Übrigen hätte die Betrachtung einer Farbkopie, wie sie auf Seite 182 der Verwaltungsakten enthalten ist, wohl auch völlig ausgereicht.
55 
Umgekehrt ergibt sich aus § 78 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ein Anspruch eines Ausländers, dem ein Aufenthaltstitel zuerkannt worden ist, auf Ausstellung eines eigenständigen Dokumentes hierüber. Damit korrespondiert ein Recht zum Besitz dieses Dokumentes, solange der Aufenthaltstitel besteht. Erst mit der Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet (vgl. § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG; nicht: Vollziehbarkeit; dazu sogleich) würde das Recht zum Besitz dieses Aufenthaltstitel-Dokuments enden. Davon konnte vorliegend keine Rede sein.
56 
cc) Das Gericht hat erwogen, der Beklagten einen Aushändigungs- und Überlassungsanspruch nach § 48 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bezüglich des elektronischen Dokumentes der Niederlassungserlaubnis der Klägerin unter dem Gesichtspunkt zuzubilligen, dass darin enthaltene Eintragungen korrekturbedürftig waren. So entsprach der Hinweis nach § 78 Abs. 1 Satz 3 Nr. 11 AufenthG über die Gültigkeitsdauer des zugehörigen Passes nicht mehr der Wirklichkeit. Auch war die Angabe nach § 78 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 2. Alternative AufenthG über die technische Kartennutzungsdauer nicht mehr aktuell, da bereits abgelaufen (wobei insoweit anzumerken wäre, dass die genannte Norm nur die Angabe der technischen Kartennutzungsdauer gestattet und nicht eine Angabe über eine „generelle“ Kartennutzungsdauer, wie von der Beklagten eingetragen, was ebenfalls die Gefahr birgt, die betreffende Person im Falle einer polizeilichen Kontrolle oder sonst im Geschäftsleben in Schwierigkeiten zu bringen).
57 
Allerdings fehlt im Aufenthaltsgesetz schon eine dem § 11 Abs. 1 Nr. 2, 2. Alternative i. V. m. § 12 und § 13 PassG entsprechende Vorschrift, wonach unzutreffende Eintragungen eine Ungültigkeit des Dokuments mit der Folge von Herausgabepflichten (vgl. auch § 15 Nr. 1 PassG) zur Folge haben. Des Weiteren hat sich die Beklagte an keiner Stelle des Verfahrens auf diesen Rechtsgedanken berufen. Jedenfalls hätte auch dann sichergestellt werden müssen, dass die Klägerin uneingeschränkt über eine Nachweismöglichkeit ihres Aufenthaltstitels verfügt (Abnahmebescheinigung i.V.m. einer   lesbaren Farb-Kopie), um unzumutbare Beeinträchtigungen (vgl. oben) zu umgehen. Angesichts der Marginalität der hier vorliegenden unzutreffenden Eintragungen hätte aber ohne Weiteres auch bis zur Neuausstellung eines elektronischen Dokumentes, etwa nach Ausstellung eines Nationalpasses anstelle des eingezogenen Reiseausweises für Flüchtlinge, in einer „Umtauschaktion“ dann erst der Einbehalt des bisherigen  Dokumentes verfügt werden können.
58 
dd) Zuletzt folgt auch aus der „verunglückten“ Rechtskonstruktion des § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nichts Anderes. Die Norm erklärt „unbeschadet“ der „aufschiebenden Wirkung“ von Widerspruch und Klage die Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, für unberührt und führt so eine dem Verwaltungsverfahrensrecht an sich fremde Kategorie, die wirksame Belastung eines belastenden Verwaltungsaktes, trotz aufschiebender Wirkung eines Rechtsbehelfs, ein.
59 
Der „vorsorgliche“ Einbehalt eines elektronischen Aufenthaltstitels käme nach dieser Rechtskonstruktion vielleicht dann in Betracht, wenn ganz unmittelbar bevorstehend eine Verwaltungsentscheidung zu treffen wäre, die in diesem Sinne zur Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts führen würde. Aber auch dann wäre unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr die Feststellung erforderlich, dass andernfalls etwa die Erlangung des elektronischen Aufenthaltstitels, also nach Erlass der kurz bevorstehenden titelvernichtenden Entscheidung, erheblich erschwert und ein Titelmissbrauch zu gewärtigen wäre. Nichts davon kam im Falle der Klägerin seinerzeit in Betracht.
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d) Auf Grund der Rechtswidrigkeit des Vorgehens der Beklagten am 13.01.2021 und des von der Klägerin eingelegten Widerspruchs war, nachdem sich das Widerspruchsverfahren erledigt hatte, die einzig ermessensgerechte Entscheidung gemäß § 80 Abs. 1 Satz 5 LVwVfG, dass die Kosten des Widerspruchsverfahrens der Rechtsträger der handelnden Behörde, mithin das Land Baden-Württemberg, trägt. Dass die Klägerin das Vorgehen der Behörde in irgendeiner Weise „provoziert“ oder vorwerfbar veranlasst haben könnte, ist in keiner Weise ersichtlich.
61 
e) Ebenso war einzig ermessensgerecht auszusprechen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren für die Klägerin notwendig gewesen ist. Es war der Klägerin angesichts der Komplexität der Rechtsfragen und angesichts der Vorgehensweise der Beklagten anlässlich der Vorsprache der Klägerin am 13.01.2020 nicht zuzumuten, eigenständig ohne anwaltliche Hilfe das Widerspruchsverfahren zu führen. Dies bedarf hier keiner weiteren Darlegung.
62 
f) Zuletzt hatte die Klägerin damit auch einen Anspruch auf Festsetzung der geltend gemachten Kosten ihres Verfahrensbevollmächtigten in diesem Widerspruchsverfahren. Die Berechnung des bevollmächtigten Rechtsanwalts, ausgehend vom Regelstreitwert i. H. v. EUR 5.000,- ist nicht zu beanstanden.
63 
3. Da eine Kostenerstattungsentscheidung nach § 81 Abs. 1 Satz 5 LVwVfG - anders als ein Kostenfestsetzungsbeschluss des Gerichts - keinen vollstreckbaren Titel  darstellt, durfte die Klägerin zugleich im Wege der Klagehäufung (§ 44 VwGO) beanspruchen, dass das Gericht in dieser Höhe einen Zahlungsanspruch ausspricht, der dann ggf. vollstreckbar wäre.
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4. Die Kostenentscheidung - auch dieses Verfahrens - folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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