Urteil vom Verwaltungsgericht Stuttgart - 4 K 1014/22

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
Die am ...1979 geborene Klägerin ist thailändische Staatsangehörige. Sie heiratete am 04.01.2013 in ihrem Heimatland den deutschen Staatsangehörigen R. Am 01.12.2013 reiste die Klägerin im Besitz eines nationalen Visums zum Familiennachzug in das Bundesgebiet ein. Am 27.02.2014 erhielt sie eine bis zum 26.02.2015 geltende Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 und Nr. 1 AufenthG, die am 25.02.2015 bis zum 24.02.2018 verlängert wurde. Am 23.02.2018 hat die Stadt S der Klägerin eine Niederlassungserlaubnis auf der Grundlage des § 28 Abs. 2 AufenthG erteilt.
Am 12.12.2017 beantragte die Klägerin die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
Die Klägerin lebt bei ihrem Ehemann und ihrem am ...2015 geborenen Kind. Vom 01.04.2013 bis 31.12.2017 bezog die Klägerin Leistungen nach SGB II. Im August 2018 stellte die Klägerin beim Job Center S einen weiteren Antrag auf Leistungen nach SGB II.
Mit Bescheid vom 06.03.2019 lehnte die Stadt S den Antrag auf Einbürgerung ab und führte zur Begründung aus, die zeitliche Voraussetzung eines acht Jahre rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthaltes erfülle die Klägerin nicht, so dass eine Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG ausscheide. Auch eine Einbürgerung der Klägerin nach § 9 StAG sei nicht möglich. Die Klägerin könne ihren Lebensunterhalt nicht sichern. Sie habe vom 01.04.2013 bis 31.12.2017 sowie von Juli bis August 2018 Leistungen nach SGB II erhalten. Vom 01.03.2018 bis 28.02.2019 sei sie befristet beim M O in S beschäftigt gewesen. Nachweise über eine Verlängerung des Beschäftigungsverhältnisses seien nicht vorgelegt worden. Der Arbeitgeber habe die Verlängerung des Arbeitsvertrages um ein weiteres Jahr in Teilzeit (30 Stunden pro Woche) nur telefonisch bestätigt. Die Klägerin habe auch nicht nachgewiesen, dass ihr deutscher Ehemann als Selbständiger ausreichendes Einkommen habe. Nachweise über die Selbständigkeit des Ehemanns sowie dessen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung habe die Klägerin nicht vorgelegt. Auch Einkommenssteuerbescheide des Ehemannes seien nicht vorgelegt worden. Unter Berücksichtigung der kurzen Erwerbsbiographie der Klägerin im Verhältnis zur bisherigen Aufenthaltszeit und dem langen Bezug von Leistungen des Job Centers in der Vergangenheit sei davon auszugehen, dass die Klägerin ihren eigenen und den Lebensunterhalt der Familie nicht aus eigenem Einkommen bestreiten könne, ohne auf einen Anspruch auf Unterhalt aus öffentlichen Mitteln angewiesen zu sein.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 12.03.2019 Widerspruch ein und brachte zur Begründung vor, sie lebe nach wie vor mit ihrem Ehemann zusammen. Sie sei nicht verantwortlich für ihren Ehemann und könne ihn nicht zwingen, im Einbürgerungsverfahren mitzuwirken. Sie selbst habe keine Leistungen nach SGB II beantragt oder erhalten. Sie könne ihren Ehemann jedoch nicht hindern, derartige Anträge zu stellen. Seit dem 01.03.2018 habe sie einen Kindergartenplatz und sei seit diesem Zeitpunkt arbeitstätig. Mit dem Gehalt könne sie sich selbst und ihr Kind versorgen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.09.2019 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, die Klägerin erfülle die gesetzlich vorgeschriebene Unterhaltsfähigkeit nicht. Zur Unterhaltsfähigkeit zähle auch eine ausreichende soziale Absicherung gegen Krankheit, für das Alter und den Fall der Pflegebedürftigkeit. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass bei ihr von einer nachhaltigen Lebensunterhaltssicherung auszugehen sei. Vielmehr beziehe sie durchgehend Leistungen nach dem SGB II. Im Hinblick auf die bisherige Erwerbsbiographie mit vorhandenem SGB II-Leistungsbezug könne eine hinreichend dauerhafte Sicherung des Lebensunterhaltes nicht prognostiziert werden. Zudem reiche die bisherige gesetzliche Rentenanwartschaft für die Bestreitung des Lebensunterhalts nicht aus. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass sie oder ihr Ehemann eine private Altersvorsorge getroffen hätten. Zudem sei der von der Klägerin vorgetragene Sachverhalt verwirrend. Einerseits habe sie angegeben, sie sei bereits 6 Jahre verheiratet, andererseits mache sie geltend, sie lebe in ihrer gemeinsamen Wohnung getrennt. Ob der Ehemann in der Lage sei, einen auskömmlichen Unterhalt zu zahlen, bleibe unklar.
Bereits am 13.03.2019 hat die Klägerin Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, die eidesstattliche Erklärung ihres Ehemannes zur Gehalts- und Finanzsituation sei nicht berücksichtigt worden. Die Ablehnungsentscheidung stelle eine soziale bzw. erhebliche Härte dar.
Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid der Stadt S vom 06.03.2019 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 24.09.2019 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie in den deutschen Staatsverband einzubürgern.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie verweist auf den Inhalt des angefochtenen Bescheids. Ergänzend trug sie mit Schriftsatz vom 04.08.2020 vor, zwar habe die Staatsanwaltschaft S das Verfahren gegen die Klägerin wegen Erschleichens eines Aufenthaltstitels am 06.07.2020 eingestellt; dies sei jedoch mit der geringen Schuld der Klägerin begründet worden. Aus der Mitteilung des Jobcenters S vom 17.07.2020 ergebe sich, dass die Klägerin seit Februar 2020 fortlaufend Leistungen des Jobcenters bezogen habe, ohne dies anzugeben. Damit sei klargestellt, dass der Lebensunterhalt nicht ohne die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestritten werden könne. Zudem habe der Ehemann der Klägerin angegeben, dass wegen Insolvenz kein Anwalt beauftragt werden könne. Hieraus folge, dass bezogen auf die Bedarfsgemeinschaft der Lebensunterhalt der Klägerin nicht gesichert sei.
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Mit Bescheid vom 01.07.2020 nahm die Stadt S die am 23.02.2018 erteilte Niederlassungserlaubnis mit Wirkung vom Erteilungsdatum an zurück. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 04.07.2020 Widerspruch ein, über den bislang nicht entschieden worden ist.
15 
Am 15.07.2020 gab die Klägerin gegenüber der Stadt S eine Bekenntnis- und Loyalitätserklärung ab.
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Das Jobcenter S teilte mit Schreiben vom 17.07.2020 mit, der Klägerin seien für die Zeiträume Juli 2017 bis August 2017, Juli 2018 bis August 2018 und seit Februar 2019 Leistungen nach SGB II bewilligt worden.
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Mit Schreiben vom 09.02.2022 rief die Klägerin das seit dem 21.09.2020 ruhende Verfahren wieder an.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die zur Sache gehörende Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Das Gericht konnte trotz Ausbleibens von Beteiligten über die Sache verhandeln und entscheiden, da sie ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§ 102 Abs. 2 VwGO).
20 
Das Gericht kann über die Klage unter Mitwirkung des abgelehnten Richters entscheiden. Denn das mit Schreiben vom 29.06.2022 eingereichte Befangenheitsgesuch ist rechtsmissbräuchlich und folglich unzulässig.
21 
Nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. In Fällen der offensichtlich rechtsmissbräuchlichen Ablehnung ist der abgelehnte Richter jedoch nicht den Beschränkungen des § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 47 ZPO unterworfen und daher auch nicht zur dienstlichen Äußerung nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO verpflichtet. Ein Ablehnungsgesuch kann ausnahmsweise dann unter Mitwirkung des abgelehnten Richters als unzulässig verworfen werden oder überhaupt unberücksichtigt bleiben, wenn es sich als offenbarer Missbrauch des Ablehnungsrechts darstellt; Indizien für einen solchen Missbrauch des Ablehnungsrechts können sein, dass die Begründung des Gesuchs nicht hinreichend konkret auf den abgelehnten Richter bezogen ist, dass der Inhalt der Begründung von vornherein ersichtlich ungeeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen, oder dass verfahrensfremde Zwecke, wie etwa das Ziel, den Prozess zu verschleppen, verfolgt werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.11.2017 - 10 B 5/17 - juris Rn. 1). Solche Indizien ermöglichen die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuchs, wenn zur Begründung des Rechtsmissbrauchs nicht auf den Verfahrensgegenstand selbst eingegangen werden muss (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.03.2013 - 1 BvR 2853/11 - juris Rn. 30; BVerwG, Beschl. v. 29.11.2017 - 10 B 5/17 - juris Rn. 1).
22 
Gemessen hieran stellt sich der im Schreiben vom 29.06.2022 enthaltene Ablehnungsantrag der Klägerin als rechtsmissbräuchlich dar. Zur Befangenheit wird lediglich vorgetragen, der Befangenheitsantrag ergehe wegen fahrlässiger wie willkürliche Diskriminierung und Vorverurteilung der Klägerin. Das Befangenheitsgesuch richtet sich gegen die Ablehnung des Terminverlegungsantrages; es dient ersichtlich dazu, den Termin zur mündlichen Verhandlung am 30.06.2022 zu torpedieren mit dem Ziel, dass ein neuer Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt werden muss. Das Ablehnungsverfahren wird jedoch nach seinem Sinn und Zweck missbraucht, wenn es - wie vorliegend - dazu dienen soll, Druck auf die zur Entscheidung berufenen Richter dahin auszuüben, dass sie in dem vom Ablehnenden gewünschten Sinne entscheiden (vgl. BFH, Beschl. v. 18.10.1994 - VIII B 120/93 - juris Rn. 25; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.11.2013 - 17 U 221/12 - juris Rn. 13). Das prozessuale Verhalten der Klägerin hinsichtlich des Ablehnungsantrags stellt sich demnach als rechtsmissbräuchlich dar.
23 
Das am 01.07.2022 und damit nach Schluss der mündlichen Verhandlung beim Gericht eingegangene Schreiben der Klägerin vom 01.07.2022 gibt keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen (§ 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
24 
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
25 
Der geltend gemachte Anspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.10.2005 - 5 C 8/05 - juris Rn.10; Urt. v. 05.06.2014 - 10 C 2/14 - juris Rn. 10 und Urt. v. 01.06.2017 - 1 C 16/16 - juris Rn. 9). Damit ist abzustellen auf das Staatsangehörigkeitsgesetz - StAG - in der aktuellen Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 12. August 2021 (BGBl. I S. 3538).
26 
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Einbürgerung weder nach § 10 Abs. 1 StAG (1.) noch nach § 9 Abs. 1 StAG (2.) und auch nicht nach § 8 Abs. 1 StAG (3.) zu.
27 
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 StAG.
28 
Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG ist ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Abs. 1 Satz 1 StAG oder gesetzlich vertreten ist, auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind, die weiteren Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 7 StAG vorliegen, seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist und kein Ausschlussgrund nach § 11 StAG vorliegt. Diese Voraussetzungen sind nicht sämtlich erfüllt. Die Klägerin besitzt aktuell kein qualifiziertes Aufenthaltsrecht im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG (a). Weiter fehlt es an den Anspruchsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG (b) und des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG (c). Ob die Klägerin über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 StAG), kann dahingestellt bleiben.
29 
a) Die Klägerin erfüllt nicht die Anspruchsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG; es fehlt an dem erforderlichen qualifizierten Aufenthaltstitel.
30 
§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG setzt voraus, dass der Einbürgerungsbewerber ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt.
31 
Zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung besitzt die Klägerin den von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG geforderten Aufenthaltstitel nicht. Die Beklagte hat die der Klägerin erteilte Niederlassungserlaubnis mit Bescheid vom 01.07.2020 zurückgenommen. Diese Rücknahme führte gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG zum Erlöschen der Niederlassungserlaubnis und hat die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts der Klägerin beendet (§ 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Der von der Klägerin mit Schreiben vom 04.07.2020 eingelegte Widerspruch bewirkt lediglich, dass die mit der Bekanntgabe des Rücknahmebescheids vom 01.07.2020 entstandene Ausreisepflicht (§ 50 Abs. 1 AufenthG) nicht vollziehbar ist (§ 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG), ändert jedoch nichts an der - mangels Aufenthaltsrechts - Unrechtmäßigkeit ihres Aufenthalts (vgl. OVG Magdeburg, Beschl. v. 07.03.2006 - 2 M 130/06 - juris Rn. 5; OVG Bautzen, Beschl. v. 06.10.2009 - 3 B 159/08 - juris Rn. 2). Diese Wirkung entfällt erst mit Aufhebung der verfügten Rücknahme durch die Behörde oder das Gericht (§ 84 Abs. 2 Satz 3 AufenthG). Die Einbürgerungsbehörde und das Gericht sind an die Tatbestandswirkung wirksamer Entscheidungen der Ausländerbehörde gebunden und nicht befugt, deren Rechtmäßigkeit im Einbürgerungsverfahren zu prüfen (vgl. HTK-StAR / § 10 StAG / zu Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Stand: 19.04.2022, Rn. 12 m.w.N.).
32 
Aufgrund des zum gegenwärtigen Zeitpunkt bestehenden unrechtmäßigen Aufenthalts der Klägerin ist auch die Anspruchsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG, wonach der Ausländer einen rechtmäßigen Aufenthalt im Inland haben muss, nicht erfüllt.
33 
b) Die Klägerin erfüllt zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auch nicht die Anspruchsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG.
34 
§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG setzt voraus, dass der Einbürgerungsbewerber den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitssuchende) oder dem SGB XII (Sozialhilfe) bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat. Das Erfordernis, seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten zu können, ist eine wichtige Voraussetzung, um sich langfristig erfolgreich in die deutsche Gesellschaft integrieren zu können. In einer auf Erwerbsarbeit ausgerichteten Gesellschaftsordnung wie der deutschen ist die wirtschaftliche Selbständigkeit grundsätzlich Voraussetzung für eine volle gesellschaftliche Teilhabe. Die geforderte eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts stellt einen Beleg auch wirtschaftlicher Integration dar. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung soll einer Zuwanderung in die Sozialsysteme entgegengewirkt werden. Der Einbürgerungsbewerber trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG. Er hat deshalb auch darzulegen und zu beweisen, dass er den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen eigenständig bestreiten kann (vgl. HTK-StAR / § 10 StAG / zu Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Stand: 31.05.2022, Rn. 3, 5, 7, jeweils m.w.N.).
35 
Eine Absicherung gegen das Risiko von Krankheit und Pflege ist Teil des sozialen Standards in Deutschland, weshalb eine Kranken- und Pflegeversicherung zum Lebensunterhalt eines Einbürgerungsbewerbers zählt. Bei erwerbsfähigen Einbürgerungsbewerbern gehört zudem eine Altersvorsorge zum Lebensunterhalt dazu; der Aufbau einer Altersvorsorge ist wesentlicher Bestandteil des sozialen Sicherungssystems in Deutschland und die Teilnahme hieran Ausdruck der wirtschaftlichen Integration (vgl. HTK-StAR / § 10 StAG / zu Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, a.a.O., Rn. 10, 12, 13, jeweils m.w.N.).
36 
Die Feststellung, ob der Einbürgerungsbewerber den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen bestreiten kann, erfordert einen Vergleich des voraussichtlichen Unterhaltsbedarfs mit den nachhaltig zur Verfügung stehenden Mitteln. Der Lebensunterhalt ist demnach gesichert, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel den Bedarf übersteigen. Bei erwerbsfähigen Einbürgerungsbewerbern richtet sich die Ermittlung des Unterhaltsbedarfs nach den Bestimmungen des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB II). Für die Berechnung des maßgeblichen Unterhaltsbedarfs ist auf die Leistungsansprüche der Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 9 Abs. 1 und 2 SGB II abzustellen, in der der Einbürgerungsbewerber aktuell lebt. Demnach ist der Bedarfsberechnung der Personenkreis zugrunde zu legen, der sich aus den Regeln über die Bedarfsgemeinschaft gemäß § 9 Abs. 2 i.V.m § 7 Abs. 2 bis 3a SGB II ergibt, unabhängig davon, inwieweit zwischen diesen Personen unterhaltsrechtliche Beziehungen bestehen. Wer zur Bedarfsgemeinschaft gehört, bestimmt sich nach § 7 Abs. 3 SGB II. Zur Bedarfsgemeinschaft können auch ein deutscher Ehepartner und deutsche Kinder zählen. Innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft, deren gesamter Bedarf nicht aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt wird, gilt jede Person im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II) und hat im Regelfall einen Leistungsanspruch in Höhe dieses Anteils. Das führt regelmäßig dazu, dass der Lebensunterhalt des Einbürgerungsbewerbers dann nicht gesichert ist, wenn der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft, deren Mitglied er ist, nicht durch eigene Mittel bestritten werden kann. Die Bedarfsberechnung bestimmt sich grundsätzlich nach § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II; danach umfassen die Leistungen des Arbeitslosengeldes II den Regelbedarf (§ 20 SGB II), die Mehrbedarfe (§ 21, §§ 24 - 27 SGB II) sowie den Bedarf für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II). Bei Unterkunft und Heizung ist auf die tatsächlich anfallenden Kosten abzustellen. Hinzuzurechnen ist auch der nicht vom Regelbedarf erfasste Anteil der Kosten für elektrische Energie, d.h. der auf Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallende Teil der Stromkosten, der Bestandteil der Unterkunftskosten ist. Auch die für die Krankenversicherung aufzuwendenden Beträge zählen zum Unterhaltsbedarf. Auf Bedarfsseite sind auch die Kosten für eine private Pflegeversicherung hinzuzurechnen (vgl. HTK-StAR / § 10 StAG / zu Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, a.a.O., Rn. 16, 17, 20, 21, 22, 23, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 38, jeweils m.w.N.).
37 
Dem festgestellten Unterhaltsbedarf sind die dem Einbürgerungsbewerber tatsächlich zur Verfügung stehenden Mittel (Existenzmittel) gegenüber zu stellen. Bei im Bundesgebiet zusammenlebenden Ehegatten kann auf ein gemeinsames Einkommen abgestellt werden. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG regelt nicht, aus welchen Mitteln der Einbürgerungsbewerber den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II und SGB XII bestreiten kann. Deshalb sind alle zur Verfügung stehenden Mittel, die die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II und SGB XII ausschließen, berücksichtigungsfähig. Der Lebensunterhalt kann somit gesichert sein, wenn der Einbürgerungsbewerber einer den Unterhaltsbedarf abdeckenden selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgeht und Einkommen bezieht. Möglich ist aber auch der Bezug von Renten oder ähnlichen Leistungen, die gewährt werden, ohne dass der Einbürgerungsbewerber (noch) in einem Arbeitsverhältnis steht. Ausreichend ist auch, dass der Einbürgerungsbewerber seinen Lebensunterhalt aus seinem Vermögen bestreitet. Nicht ausgeschlossen ist des Weiteren, dass er Ansprüche gegen Dritte hat wie beispielsweise ein Familienangehöriger, der - weil er den Haushalt führt und die Kinder betreut - Unterhaltsansprüche gegen den Ehepartner geltend machen kann. Bei der Ermittlung des zur Verfügung stehenden Einkommens sind Verbindlichkeiten des Einbürgerungsbewerbers grundsätzlich in Abzug zu bringen. Zwar können die Gläubiger auf die dem Einbürgerungsbewerber zufließenden Geldmittel nicht oder nicht in vollem Umfang zugreifen, weil er in den Genuss des Pfändungsschutzes der §§ 850 ff ZPO kommt. Anderenfalls wäre der Einbürgerungsbewerber ganz oder teilweise auf öffentliche Mittel angewiesen, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Ist aber die Bestreitung des Lebensunterhaltes bei wertender Betrachtung nicht eigener wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, sondern allein dem gesetzlichen Schuldnerschutz zu verdanken, ist die dauerhafte Sicherung des Lebensunterhaltes bei Verbindlichkeiten des Einbürgerungsbewerbers fraglich. Im Hinblick auf den Normzweck des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG, einer Zuwanderung in die Sozialsysteme entgegenzuwirken, ist es deshalb geboten, Verbindlichkeiten des Einbürgerungsbewerbers bei der Ermittlung des zur Verfügung stehenden Einkommens zu berücksichtigen. Auch Zinsbelastungen sowie Neben- und Betriebskosten im Fall eines selbst bewohnten Eigentums sind vom Einkommen abzuziehen. Ratenzahlungen auf bestehende Unterhaltsrückstände nach dem Unterhaltsvorschussgesetz sind vom Einkommen gleichfalls in Abzug zu bringen. Unterhaltsansprüche Dritter gegenüber dem Einbürgerungsbewerber sind vom vorhandenen Einkommen ebenfalls abzuziehen. Unterhaltsansprüche der mit dem Einbürgerungsbewerber in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen werden jedoch vom Einkommen nicht abgezogen; diese Ansprüche werden über Regel- und ggf. Mehrbedarfe (§§ 20, 21 SGB II) berücksichtigt (vgl. HTK-StAR / § 10 StAG / zu Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, a.a.O., Rn. 52, 53, 54, 55, 57, 58, 59, 60, 61, jeweils m.w.N.).
38 
Ist der nach den Regelungen des SGB II/SGB XII bestehende Bedarf nicht vollständig gedeckt, ist zu prüfen, ob die verbleibende Einkommenslücke durch unschädliche Sozialleistungen geschlossen werden kann. Berücksichtigungsfähig (unschädliche Sozialleistungen) sind das Kindergeld, der Kinderzuschlag und das Erziehungs- oder Elterngeld sowie alle anderen öffentlichen Mittel mit Ausnahme von Leistungen nach dem SGB II und SGB XII. Zu den berücksichtigungsfähigen Mitteln zählen beispielsweise auch Renten, Krankengeld, Arbeitslosengeld, Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und Ausbildungsförderung sowie alle öffentlichen Mitteln, die auf Beitragsleistungen beruhen. Die Herkunft der Mittel kann allerdings bei der Frage der Nachhaltigkeit/Prognose relevant sein. Denn die zur Verfügung stehenden Existenzmittel müssen eine gewisse Nachhaltigkeit aufweisen (vgl. HTK-StAR / § 10 StAG / zu Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, a.a.O., Rn. 63, 64, 65, 66, jeweils m.w.N.).
39 
Bei unselbständiger Erwerbstätigkeit des Einbürgerungsbewerbers richtet sich die Ermittlung des zur Verfügung stehenden Einkommens nach §§ 11 bis 11b SGB II. Einkommen im Sinne des § 11 SGB II sind alle geldwerten und zur endgültigen Verwendung zufließenden tatsächlichen Leistungen. Sofern laufende Einnahmen im maßgeblichen Zeitraum in unterschiedlicher Höhe zufließen, kann ein monatliches Durchschnittseinkommen zu Grunde gelegt werden. Von dem gemäß § 11 Abs. 1 SGB II zu ermittelnden Bruttoeinkommen sind die in § 11b SGB II genannten Beträge abzuziehen, weil der Lebensunterhalt dann nicht gesichert ist, wenn ein Anspruch auf (aufstockende) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II besteht (vgl. HTK-StAR / § 10 StAG / zu Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, a.a.O., Rn. 70, 71, 72, 73, jeweils m.w.N.).
40 
Bei der Frage, ob der Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II und SGB XII bestritten werden kann, ist nicht nur auf die aktuelle Situation abzustellen. Erforderlich ist auch eine gewisse Nachhaltigkeit. Es ist eine Prognose darüber anzustellen, ob der Einbürgerungsbewerber auch in einem überschaubaren Zeitraum in der Zukunft in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt aus eigenen Einkünften zu bestreiten. Eine positive Prognose künftiger Unterhaltsfähigkeit ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Eintritt einer nach den Vorschriften des SGB II und des SGB XII relevanten Hilfebedürftigkeit auch für einen überschaubaren Zeitraum in der Zukunft nicht zu erwarten ist. Es ist die Frage zu beantworten, ob der Einbürgerungsbewerber aller Voraussicht nach bei nicht wesentlich veränderten und unter Außerachtlassung von unvorhergesehenen Umständen den Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln, Zuwendungen Dritter sowie als unschädlich eingeordneten öffentlichen Mitteln auch in der Zukunft wird bestreiten können. Es muss eine gewisse Verlässlichkeit des Mittelzuflusses gewährleistet sein, die eine unter dem Gesichtspunkt der Dauerhaftigkeit positive Prognose zulässt. Die Prognoseentscheidung setzt auch eine Abschätzung aufgrund rückschauender Betrachtung voraus. Hierzu muss auf der Basis der sich aus der bisherigen Erwerbsbiografie ergebenden Daten ein Verlaufsschema erkennbar sein, das die begründete Annahme stabiler Einkommensverhältnisse erlaubt. Bei der Beurteilung, ob der Lebensunterhalt in Zukunft durch eine eigene Erwerbstätigkeit gesichert ist, ist an die bisherige Aufenthalts-, Ausbildungs- und Erwerbsbiografie des Einbürgerungsbewerbers anzuknüpfen und unter Berücksichtigung seiner aktuellen Lebens-, Wohn- und Beschäftigungssituation abzuschätzen, ob er in wirtschaftlich so stabilen Verhältnissen lebt, dass er voraussichtlich weder kurz- noch mittelfristig zum Kreis der nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs Leistungsberechtigten zählen wird. Bei der anzustellenden Prognose ist die Qualifikation des Einbürgerungsbewerbers, insbesondere seine Ausbildung und seine Sprachkenntnisse, ebenso zu berücksichtigen wie die Frage, ob sich der Einbürgerungsbewerber in der Vergangenheit um eine Beschäftigung bemüht hat. Aus der bisherigen Erwerbsbiographie resultierende oder wegen sonstiger Umstände absehbare Risiken des Arbeitsplatzverlustes oder einer wesentlichen Einkommensverschlechterung sind auszuschließen (vgl. HTK-StAR / § 10 StAG / zu Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, a.a.O., Rn. 83, 84, 85, 86, 87, 90, 91, 92, 93, jeweils m.w.N.).
41 
Eine positive Prognoseentscheidung kann nicht getroffen werden, wenn der Einbürgerungsbewerber lediglich pauschal und unsubstantiiert behauptet, er bestreite den Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln. Vielmehr bedarf es nachvollziehbarer, aussagekräftiger und umfassender Angaben, die eine verlässliche Beurteilung der wirtschaftlichen Situation ermöglichen. Handelt es sich um zeitlich limitierte Leistungen (z.B. Bezug von Arbeitslosengeld, Erziehungsgeld, Krankengeld oder Ausbildungsförderung), die der Einbürgerungsbewerber bezieht, so kann dies zu einer negativen Prognose führen, wenn sich keine zuverlässige Kompensation abzeichnet. Zweifel, ob der Lebensunterhalt in Zukunft ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII bestritten werden kann, können auch angezeigt sein bei rechtlich und tatsächlich ungesicherten Zuwendungen Dritter. Solche Zweifel können gleichfalls angezeigt sein bei einem befristeten oder gekündigten Arbeitsverhältnis sowie bei einem ständigen Wechsel von Erwerbstätigkeit in randständigen Arbeitsverhältnissen und längeren Phasen der Arbeitslosigkeit. Ist die Erwerbsbiografie des Einbürgerungsbewerbers von langjährigen, ganz überwiegend durch relativ kurze, häufige geringfügige bzw. (allein) nicht bedarfsdeckende Arbeitsverhältnisse geprägt, bestehen erhebliche Zweifel daran, dass es ihm nunmehr dauerhaft gelingen wird, seinen Lebensunterhalt zu sichern. Eine positive Prognose kann auch noch nicht gestellt werden, wenn das neu begründete Arbeitsverhältnis sich noch in der Probezeit befindet. Zweifel, dass der Lebensunterhalt in Zukunft ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II und SGB XII bestritten werden kann, gehen zu Lasten des Einbürgerungsbewerbers (vgl. HTK-StAR / § 10 StAG / zu Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, a.a.O., Rn. 88, 121, 124, 125, 127, 129, 132, jeweils m.w.N.).
42 
In Anwendung dieser Grundsätze vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass die Klägerin den Lebensunterhalt für sich und ihre unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII bestreiten kann.
43 
Das Gericht hat die Klägerin mit Schreiben vom 14.04.2022 aufgefordert, Nachweise über die Altersvorsorge, Nachweise über das Erwerbseinkommen ihres Ehemannes, Nachweise der aktuellen Kosten für Miete, Warmwasser, Heizung und Strom sowie Kopien der Zuwendungsbescheide, falls die Klägerin Wohngeld, Kindergeld, Kinderzuschlag, Erziehungs- oder Elterngeld beziehen sollte, dem Gericht bis zum 24.05.2022 vorzulegen. Dieses gerichtliche Schreiben wurde der Klägerin ausweislich der in der Akte befindlichen Postzustellungsurkunde am 21.04.2022 zugestellt. Bis zur mündlichen Verhandlung sind beim Gericht die angeforderten Unterlagen nicht eingegangen. Die nach Schluss der mündlichen Verhandlung beim Gericht eingegangenen Verdienstbescheinigungen der Klägerin und ihres Ehemannes sind alleine nicht hinreichend für die Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG erfüllt sind. Zudem fehlt jeglicher Nachweis zur Altersvorsorge. Schließlich kann eine positive Prognose auch für den Fall, dass die Existenzmittel den Unterhaltsbedarf übersteigen sollten, nicht getroffen werden, da nach der vorgelegten Arbeitsbescheinigung des Arbeitgebers das gegenwärtige Arbeitsverhältnis der Klägerin sich noch bis zum 31.08.2022 in der Probezeit befindet.
44 
c) Die Klägerin erfüllt zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auch nicht die Anspruchsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG.
45 
§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG setzt u.a. voraus, dass sich der Einbürgerungsbewerber zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt (sog. Bekenntniserklärung). Aus dem Umstand, dass das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung von einem entsprechenden Bewusstsein des Einbürgerungsbewerbers getragen sein muss, folgt zwingend, dass der Einbürgerungsbewerber zumindest einfache Grundkenntnisse der freiheitlichen demokratischen Grundordnung besitzen und den Inhalt der von ihm abgegebenen Bekenntniserklärung verstanden haben muss. Denn nur derjenige kann sich glaubhaft zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen, der wenigstens über einen Grundbestand an staatsbürgerlichem Wissen verfügt und den Inhalt der freiheitlichen demokratischen Grundordnung jedenfalls in Ansätzen kennt. Bei einer Einbürgerung ist deshalb im Rahmen einer persönlichen Befragung zu prüfen und festzustellen, ob der Einbürgerungsbewerber die von ihm abgegebene Bekenntniserklärung verstanden hat (vgl. HTK-StAR / § 10 StAG / zu Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Stand: 25.05.2022, Rn. 46, 47, jeweils m.w.N.). Dieser Befragung hat sich die Klägerin entzogen, da sie in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Das Gericht kann deshalb nicht prüfen und feststellen, ob die Klägerin die von ihr am 15.07.2020 unterzeichnete Bekenntniserklärung verstanden hat.
46 
2. Eine Einbürgerung der Klägerin nach § 9 Abs. 1 StAG scheidet gleichfalls aus.
47 
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 StAG sollen Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner Deutscher unter den Voraussetzungen des § 10 Absatz 1 eingebürgert werden, wenn sie seit drei Jahren ihren rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und die Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft seit zwei Jahren besteht. Da die Klägerin nach den Ausführungen unter Ziffer 1 nicht sämtliche tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 StAG erfüllt, scheidet eine Einbürgerung auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 StAG gleichfalls aus.
48 
3. Die Klägerin kann auch nicht nach § 8 Abs. 1 StAG in den deutschen Staatsverband eingebürgert werden.
49 
§ 8 Abs. 1 StAG setzt u.a. voraus, dass der Einbürgerungsbewerber einen rechtmäßigen Aufenthalt im Inland hat. Dies ist - wie bereits dargelegt - vorliegend zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht der Fall; auf die obigen Ausführungen wird verwiesen.
50 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Gründe

19 
Das Gericht konnte trotz Ausbleibens von Beteiligten über die Sache verhandeln und entscheiden, da sie ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§ 102 Abs. 2 VwGO).
20 
Das Gericht kann über die Klage unter Mitwirkung des abgelehnten Richters entscheiden. Denn das mit Schreiben vom 29.06.2022 eingereichte Befangenheitsgesuch ist rechtsmissbräuchlich und folglich unzulässig.
21 
Nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. In Fällen der offensichtlich rechtsmissbräuchlichen Ablehnung ist der abgelehnte Richter jedoch nicht den Beschränkungen des § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 47 ZPO unterworfen und daher auch nicht zur dienstlichen Äußerung nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO verpflichtet. Ein Ablehnungsgesuch kann ausnahmsweise dann unter Mitwirkung des abgelehnten Richters als unzulässig verworfen werden oder überhaupt unberücksichtigt bleiben, wenn es sich als offenbarer Missbrauch des Ablehnungsrechts darstellt; Indizien für einen solchen Missbrauch des Ablehnungsrechts können sein, dass die Begründung des Gesuchs nicht hinreichend konkret auf den abgelehnten Richter bezogen ist, dass der Inhalt der Begründung von vornherein ersichtlich ungeeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen, oder dass verfahrensfremde Zwecke, wie etwa das Ziel, den Prozess zu verschleppen, verfolgt werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.11.2017 - 10 B 5/17 - juris Rn. 1). Solche Indizien ermöglichen die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuchs, wenn zur Begründung des Rechtsmissbrauchs nicht auf den Verfahrensgegenstand selbst eingegangen werden muss (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.03.2013 - 1 BvR 2853/11 - juris Rn. 30; BVerwG, Beschl. v. 29.11.2017 - 10 B 5/17 - juris Rn. 1).
22 
Gemessen hieran stellt sich der im Schreiben vom 29.06.2022 enthaltene Ablehnungsantrag der Klägerin als rechtsmissbräuchlich dar. Zur Befangenheit wird lediglich vorgetragen, der Befangenheitsantrag ergehe wegen fahrlässiger wie willkürliche Diskriminierung und Vorverurteilung der Klägerin. Das Befangenheitsgesuch richtet sich gegen die Ablehnung des Terminverlegungsantrages; es dient ersichtlich dazu, den Termin zur mündlichen Verhandlung am 30.06.2022 zu torpedieren mit dem Ziel, dass ein neuer Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt werden muss. Das Ablehnungsverfahren wird jedoch nach seinem Sinn und Zweck missbraucht, wenn es - wie vorliegend - dazu dienen soll, Druck auf die zur Entscheidung berufenen Richter dahin auszuüben, dass sie in dem vom Ablehnenden gewünschten Sinne entscheiden (vgl. BFH, Beschl. v. 18.10.1994 - VIII B 120/93 - juris Rn. 25; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.11.2013 - 17 U 221/12 - juris Rn. 13). Das prozessuale Verhalten der Klägerin hinsichtlich des Ablehnungsantrags stellt sich demnach als rechtsmissbräuchlich dar.
23 
Das am 01.07.2022 und damit nach Schluss der mündlichen Verhandlung beim Gericht eingegangene Schreiben der Klägerin vom 01.07.2022 gibt keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen (§ 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
24 
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
25 
Der geltend gemachte Anspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.10.2005 - 5 C 8/05 - juris Rn.10; Urt. v. 05.06.2014 - 10 C 2/14 - juris Rn. 10 und Urt. v. 01.06.2017 - 1 C 16/16 - juris Rn. 9). Damit ist abzustellen auf das Staatsangehörigkeitsgesetz - StAG - in der aktuellen Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 12. August 2021 (BGBl. I S. 3538).
26 
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Einbürgerung weder nach § 10 Abs. 1 StAG (1.) noch nach § 9 Abs. 1 StAG (2.) und auch nicht nach § 8 Abs. 1 StAG (3.) zu.
27 
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 StAG.
28 
Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG ist ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Abs. 1 Satz 1 StAG oder gesetzlich vertreten ist, auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind, die weiteren Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 7 StAG vorliegen, seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist und kein Ausschlussgrund nach § 11 StAG vorliegt. Diese Voraussetzungen sind nicht sämtlich erfüllt. Die Klägerin besitzt aktuell kein qualifiziertes Aufenthaltsrecht im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG (a). Weiter fehlt es an den Anspruchsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG (b) und des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG (c). Ob die Klägerin über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 StAG), kann dahingestellt bleiben.
29 
a) Die Klägerin erfüllt nicht die Anspruchsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG; es fehlt an dem erforderlichen qualifizierten Aufenthaltstitel.
30 
§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG setzt voraus, dass der Einbürgerungsbewerber ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt.
31 
Zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung besitzt die Klägerin den von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG geforderten Aufenthaltstitel nicht. Die Beklagte hat die der Klägerin erteilte Niederlassungserlaubnis mit Bescheid vom 01.07.2020 zurückgenommen. Diese Rücknahme führte gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG zum Erlöschen der Niederlassungserlaubnis und hat die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts der Klägerin beendet (§ 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Der von der Klägerin mit Schreiben vom 04.07.2020 eingelegte Widerspruch bewirkt lediglich, dass die mit der Bekanntgabe des Rücknahmebescheids vom 01.07.2020 entstandene Ausreisepflicht (§ 50 Abs. 1 AufenthG) nicht vollziehbar ist (§ 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG), ändert jedoch nichts an der - mangels Aufenthaltsrechts - Unrechtmäßigkeit ihres Aufenthalts (vgl. OVG Magdeburg, Beschl. v. 07.03.2006 - 2 M 130/06 - juris Rn. 5; OVG Bautzen, Beschl. v. 06.10.2009 - 3 B 159/08 - juris Rn. 2). Diese Wirkung entfällt erst mit Aufhebung der verfügten Rücknahme durch die Behörde oder das Gericht (§ 84 Abs. 2 Satz 3 AufenthG). Die Einbürgerungsbehörde und das Gericht sind an die Tatbestandswirkung wirksamer Entscheidungen der Ausländerbehörde gebunden und nicht befugt, deren Rechtmäßigkeit im Einbürgerungsverfahren zu prüfen (vgl. HTK-StAR / § 10 StAG / zu Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Stand: 19.04.2022, Rn. 12 m.w.N.).
32 
Aufgrund des zum gegenwärtigen Zeitpunkt bestehenden unrechtmäßigen Aufenthalts der Klägerin ist auch die Anspruchsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG, wonach der Ausländer einen rechtmäßigen Aufenthalt im Inland haben muss, nicht erfüllt.
33 
b) Die Klägerin erfüllt zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auch nicht die Anspruchsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG.
34 
§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG setzt voraus, dass der Einbürgerungsbewerber den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitssuchende) oder dem SGB XII (Sozialhilfe) bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat. Das Erfordernis, seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten zu können, ist eine wichtige Voraussetzung, um sich langfristig erfolgreich in die deutsche Gesellschaft integrieren zu können. In einer auf Erwerbsarbeit ausgerichteten Gesellschaftsordnung wie der deutschen ist die wirtschaftliche Selbständigkeit grundsätzlich Voraussetzung für eine volle gesellschaftliche Teilhabe. Die geforderte eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts stellt einen Beleg auch wirtschaftlicher Integration dar. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung soll einer Zuwanderung in die Sozialsysteme entgegengewirkt werden. Der Einbürgerungsbewerber trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG. Er hat deshalb auch darzulegen und zu beweisen, dass er den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen eigenständig bestreiten kann (vgl. HTK-StAR / § 10 StAG / zu Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Stand: 31.05.2022, Rn. 3, 5, 7, jeweils m.w.N.).
35 
Eine Absicherung gegen das Risiko von Krankheit und Pflege ist Teil des sozialen Standards in Deutschland, weshalb eine Kranken- und Pflegeversicherung zum Lebensunterhalt eines Einbürgerungsbewerbers zählt. Bei erwerbsfähigen Einbürgerungsbewerbern gehört zudem eine Altersvorsorge zum Lebensunterhalt dazu; der Aufbau einer Altersvorsorge ist wesentlicher Bestandteil des sozialen Sicherungssystems in Deutschland und die Teilnahme hieran Ausdruck der wirtschaftlichen Integration (vgl. HTK-StAR / § 10 StAG / zu Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, a.a.O., Rn. 10, 12, 13, jeweils m.w.N.).
36 
Die Feststellung, ob der Einbürgerungsbewerber den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen bestreiten kann, erfordert einen Vergleich des voraussichtlichen Unterhaltsbedarfs mit den nachhaltig zur Verfügung stehenden Mitteln. Der Lebensunterhalt ist demnach gesichert, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel den Bedarf übersteigen. Bei erwerbsfähigen Einbürgerungsbewerbern richtet sich die Ermittlung des Unterhaltsbedarfs nach den Bestimmungen des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB II). Für die Berechnung des maßgeblichen Unterhaltsbedarfs ist auf die Leistungsansprüche der Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 9 Abs. 1 und 2 SGB II abzustellen, in der der Einbürgerungsbewerber aktuell lebt. Demnach ist der Bedarfsberechnung der Personenkreis zugrunde zu legen, der sich aus den Regeln über die Bedarfsgemeinschaft gemäß § 9 Abs. 2 i.V.m § 7 Abs. 2 bis 3a SGB II ergibt, unabhängig davon, inwieweit zwischen diesen Personen unterhaltsrechtliche Beziehungen bestehen. Wer zur Bedarfsgemeinschaft gehört, bestimmt sich nach § 7 Abs. 3 SGB II. Zur Bedarfsgemeinschaft können auch ein deutscher Ehepartner und deutsche Kinder zählen. Innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft, deren gesamter Bedarf nicht aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt wird, gilt jede Person im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II) und hat im Regelfall einen Leistungsanspruch in Höhe dieses Anteils. Das führt regelmäßig dazu, dass der Lebensunterhalt des Einbürgerungsbewerbers dann nicht gesichert ist, wenn der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft, deren Mitglied er ist, nicht durch eigene Mittel bestritten werden kann. Die Bedarfsberechnung bestimmt sich grundsätzlich nach § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II; danach umfassen die Leistungen des Arbeitslosengeldes II den Regelbedarf (§ 20 SGB II), die Mehrbedarfe (§ 21, §§ 24 - 27 SGB II) sowie den Bedarf für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II). Bei Unterkunft und Heizung ist auf die tatsächlich anfallenden Kosten abzustellen. Hinzuzurechnen ist auch der nicht vom Regelbedarf erfasste Anteil der Kosten für elektrische Energie, d.h. der auf Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallende Teil der Stromkosten, der Bestandteil der Unterkunftskosten ist. Auch die für die Krankenversicherung aufzuwendenden Beträge zählen zum Unterhaltsbedarf. Auf Bedarfsseite sind auch die Kosten für eine private Pflegeversicherung hinzuzurechnen (vgl. HTK-StAR / § 10 StAG / zu Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, a.a.O., Rn. 16, 17, 20, 21, 22, 23, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 38, jeweils m.w.N.).
37 
Dem festgestellten Unterhaltsbedarf sind die dem Einbürgerungsbewerber tatsächlich zur Verfügung stehenden Mittel (Existenzmittel) gegenüber zu stellen. Bei im Bundesgebiet zusammenlebenden Ehegatten kann auf ein gemeinsames Einkommen abgestellt werden. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG regelt nicht, aus welchen Mitteln der Einbürgerungsbewerber den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II und SGB XII bestreiten kann. Deshalb sind alle zur Verfügung stehenden Mittel, die die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II und SGB XII ausschließen, berücksichtigungsfähig. Der Lebensunterhalt kann somit gesichert sein, wenn der Einbürgerungsbewerber einer den Unterhaltsbedarf abdeckenden selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgeht und Einkommen bezieht. Möglich ist aber auch der Bezug von Renten oder ähnlichen Leistungen, die gewährt werden, ohne dass der Einbürgerungsbewerber (noch) in einem Arbeitsverhältnis steht. Ausreichend ist auch, dass der Einbürgerungsbewerber seinen Lebensunterhalt aus seinem Vermögen bestreitet. Nicht ausgeschlossen ist des Weiteren, dass er Ansprüche gegen Dritte hat wie beispielsweise ein Familienangehöriger, der - weil er den Haushalt führt und die Kinder betreut - Unterhaltsansprüche gegen den Ehepartner geltend machen kann. Bei der Ermittlung des zur Verfügung stehenden Einkommens sind Verbindlichkeiten des Einbürgerungsbewerbers grundsätzlich in Abzug zu bringen. Zwar können die Gläubiger auf die dem Einbürgerungsbewerber zufließenden Geldmittel nicht oder nicht in vollem Umfang zugreifen, weil er in den Genuss des Pfändungsschutzes der §§ 850 ff ZPO kommt. Anderenfalls wäre der Einbürgerungsbewerber ganz oder teilweise auf öffentliche Mittel angewiesen, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Ist aber die Bestreitung des Lebensunterhaltes bei wertender Betrachtung nicht eigener wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, sondern allein dem gesetzlichen Schuldnerschutz zu verdanken, ist die dauerhafte Sicherung des Lebensunterhaltes bei Verbindlichkeiten des Einbürgerungsbewerbers fraglich. Im Hinblick auf den Normzweck des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG, einer Zuwanderung in die Sozialsysteme entgegenzuwirken, ist es deshalb geboten, Verbindlichkeiten des Einbürgerungsbewerbers bei der Ermittlung des zur Verfügung stehenden Einkommens zu berücksichtigen. Auch Zinsbelastungen sowie Neben- und Betriebskosten im Fall eines selbst bewohnten Eigentums sind vom Einkommen abzuziehen. Ratenzahlungen auf bestehende Unterhaltsrückstände nach dem Unterhaltsvorschussgesetz sind vom Einkommen gleichfalls in Abzug zu bringen. Unterhaltsansprüche Dritter gegenüber dem Einbürgerungsbewerber sind vom vorhandenen Einkommen ebenfalls abzuziehen. Unterhaltsansprüche der mit dem Einbürgerungsbewerber in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen werden jedoch vom Einkommen nicht abgezogen; diese Ansprüche werden über Regel- und ggf. Mehrbedarfe (§§ 20, 21 SGB II) berücksichtigt (vgl. HTK-StAR / § 10 StAG / zu Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, a.a.O., Rn. 52, 53, 54, 55, 57, 58, 59, 60, 61, jeweils m.w.N.).
38 
Ist der nach den Regelungen des SGB II/SGB XII bestehende Bedarf nicht vollständig gedeckt, ist zu prüfen, ob die verbleibende Einkommenslücke durch unschädliche Sozialleistungen geschlossen werden kann. Berücksichtigungsfähig (unschädliche Sozialleistungen) sind das Kindergeld, der Kinderzuschlag und das Erziehungs- oder Elterngeld sowie alle anderen öffentlichen Mittel mit Ausnahme von Leistungen nach dem SGB II und SGB XII. Zu den berücksichtigungsfähigen Mitteln zählen beispielsweise auch Renten, Krankengeld, Arbeitslosengeld, Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und Ausbildungsförderung sowie alle öffentlichen Mitteln, die auf Beitragsleistungen beruhen. Die Herkunft der Mittel kann allerdings bei der Frage der Nachhaltigkeit/Prognose relevant sein. Denn die zur Verfügung stehenden Existenzmittel müssen eine gewisse Nachhaltigkeit aufweisen (vgl. HTK-StAR / § 10 StAG / zu Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, a.a.O., Rn. 63, 64, 65, 66, jeweils m.w.N.).
39 
Bei unselbständiger Erwerbstätigkeit des Einbürgerungsbewerbers richtet sich die Ermittlung des zur Verfügung stehenden Einkommens nach §§ 11 bis 11b SGB II. Einkommen im Sinne des § 11 SGB II sind alle geldwerten und zur endgültigen Verwendung zufließenden tatsächlichen Leistungen. Sofern laufende Einnahmen im maßgeblichen Zeitraum in unterschiedlicher Höhe zufließen, kann ein monatliches Durchschnittseinkommen zu Grunde gelegt werden. Von dem gemäß § 11 Abs. 1 SGB II zu ermittelnden Bruttoeinkommen sind die in § 11b SGB II genannten Beträge abzuziehen, weil der Lebensunterhalt dann nicht gesichert ist, wenn ein Anspruch auf (aufstockende) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II besteht (vgl. HTK-StAR / § 10 StAG / zu Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, a.a.O., Rn. 70, 71, 72, 73, jeweils m.w.N.).
40 
Bei der Frage, ob der Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II und SGB XII bestritten werden kann, ist nicht nur auf die aktuelle Situation abzustellen. Erforderlich ist auch eine gewisse Nachhaltigkeit. Es ist eine Prognose darüber anzustellen, ob der Einbürgerungsbewerber auch in einem überschaubaren Zeitraum in der Zukunft in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt aus eigenen Einkünften zu bestreiten. Eine positive Prognose künftiger Unterhaltsfähigkeit ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Eintritt einer nach den Vorschriften des SGB II und des SGB XII relevanten Hilfebedürftigkeit auch für einen überschaubaren Zeitraum in der Zukunft nicht zu erwarten ist. Es ist die Frage zu beantworten, ob der Einbürgerungsbewerber aller Voraussicht nach bei nicht wesentlich veränderten und unter Außerachtlassung von unvorhergesehenen Umständen den Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln, Zuwendungen Dritter sowie als unschädlich eingeordneten öffentlichen Mitteln auch in der Zukunft wird bestreiten können. Es muss eine gewisse Verlässlichkeit des Mittelzuflusses gewährleistet sein, die eine unter dem Gesichtspunkt der Dauerhaftigkeit positive Prognose zulässt. Die Prognoseentscheidung setzt auch eine Abschätzung aufgrund rückschauender Betrachtung voraus. Hierzu muss auf der Basis der sich aus der bisherigen Erwerbsbiografie ergebenden Daten ein Verlaufsschema erkennbar sein, das die begründete Annahme stabiler Einkommensverhältnisse erlaubt. Bei der Beurteilung, ob der Lebensunterhalt in Zukunft durch eine eigene Erwerbstätigkeit gesichert ist, ist an die bisherige Aufenthalts-, Ausbildungs- und Erwerbsbiografie des Einbürgerungsbewerbers anzuknüpfen und unter Berücksichtigung seiner aktuellen Lebens-, Wohn- und Beschäftigungssituation abzuschätzen, ob er in wirtschaftlich so stabilen Verhältnissen lebt, dass er voraussichtlich weder kurz- noch mittelfristig zum Kreis der nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs Leistungsberechtigten zählen wird. Bei der anzustellenden Prognose ist die Qualifikation des Einbürgerungsbewerbers, insbesondere seine Ausbildung und seine Sprachkenntnisse, ebenso zu berücksichtigen wie die Frage, ob sich der Einbürgerungsbewerber in der Vergangenheit um eine Beschäftigung bemüht hat. Aus der bisherigen Erwerbsbiographie resultierende oder wegen sonstiger Umstände absehbare Risiken des Arbeitsplatzverlustes oder einer wesentlichen Einkommensverschlechterung sind auszuschließen (vgl. HTK-StAR / § 10 StAG / zu Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, a.a.O., Rn. 83, 84, 85, 86, 87, 90, 91, 92, 93, jeweils m.w.N.).
41 
Eine positive Prognoseentscheidung kann nicht getroffen werden, wenn der Einbürgerungsbewerber lediglich pauschal und unsubstantiiert behauptet, er bestreite den Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln. Vielmehr bedarf es nachvollziehbarer, aussagekräftiger und umfassender Angaben, die eine verlässliche Beurteilung der wirtschaftlichen Situation ermöglichen. Handelt es sich um zeitlich limitierte Leistungen (z.B. Bezug von Arbeitslosengeld, Erziehungsgeld, Krankengeld oder Ausbildungsförderung), die der Einbürgerungsbewerber bezieht, so kann dies zu einer negativen Prognose führen, wenn sich keine zuverlässige Kompensation abzeichnet. Zweifel, ob der Lebensunterhalt in Zukunft ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII bestritten werden kann, können auch angezeigt sein bei rechtlich und tatsächlich ungesicherten Zuwendungen Dritter. Solche Zweifel können gleichfalls angezeigt sein bei einem befristeten oder gekündigten Arbeitsverhältnis sowie bei einem ständigen Wechsel von Erwerbstätigkeit in randständigen Arbeitsverhältnissen und längeren Phasen der Arbeitslosigkeit. Ist die Erwerbsbiografie des Einbürgerungsbewerbers von langjährigen, ganz überwiegend durch relativ kurze, häufige geringfügige bzw. (allein) nicht bedarfsdeckende Arbeitsverhältnisse geprägt, bestehen erhebliche Zweifel daran, dass es ihm nunmehr dauerhaft gelingen wird, seinen Lebensunterhalt zu sichern. Eine positive Prognose kann auch noch nicht gestellt werden, wenn das neu begründete Arbeitsverhältnis sich noch in der Probezeit befindet. Zweifel, dass der Lebensunterhalt in Zukunft ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II und SGB XII bestritten werden kann, gehen zu Lasten des Einbürgerungsbewerbers (vgl. HTK-StAR / § 10 StAG / zu Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, a.a.O., Rn. 88, 121, 124, 125, 127, 129, 132, jeweils m.w.N.).
42 
In Anwendung dieser Grundsätze vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass die Klägerin den Lebensunterhalt für sich und ihre unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII bestreiten kann.
43 
Das Gericht hat die Klägerin mit Schreiben vom 14.04.2022 aufgefordert, Nachweise über die Altersvorsorge, Nachweise über das Erwerbseinkommen ihres Ehemannes, Nachweise der aktuellen Kosten für Miete, Warmwasser, Heizung und Strom sowie Kopien der Zuwendungsbescheide, falls die Klägerin Wohngeld, Kindergeld, Kinderzuschlag, Erziehungs- oder Elterngeld beziehen sollte, dem Gericht bis zum 24.05.2022 vorzulegen. Dieses gerichtliche Schreiben wurde der Klägerin ausweislich der in der Akte befindlichen Postzustellungsurkunde am 21.04.2022 zugestellt. Bis zur mündlichen Verhandlung sind beim Gericht die angeforderten Unterlagen nicht eingegangen. Die nach Schluss der mündlichen Verhandlung beim Gericht eingegangenen Verdienstbescheinigungen der Klägerin und ihres Ehemannes sind alleine nicht hinreichend für die Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG erfüllt sind. Zudem fehlt jeglicher Nachweis zur Altersvorsorge. Schließlich kann eine positive Prognose auch für den Fall, dass die Existenzmittel den Unterhaltsbedarf übersteigen sollten, nicht getroffen werden, da nach der vorgelegten Arbeitsbescheinigung des Arbeitgebers das gegenwärtige Arbeitsverhältnis der Klägerin sich noch bis zum 31.08.2022 in der Probezeit befindet.
44 
c) Die Klägerin erfüllt zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auch nicht die Anspruchsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG.
45 
§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG setzt u.a. voraus, dass sich der Einbürgerungsbewerber zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt (sog. Bekenntniserklärung). Aus dem Umstand, dass das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung von einem entsprechenden Bewusstsein des Einbürgerungsbewerbers getragen sein muss, folgt zwingend, dass der Einbürgerungsbewerber zumindest einfache Grundkenntnisse der freiheitlichen demokratischen Grundordnung besitzen und den Inhalt der von ihm abgegebenen Bekenntniserklärung verstanden haben muss. Denn nur derjenige kann sich glaubhaft zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen, der wenigstens über einen Grundbestand an staatsbürgerlichem Wissen verfügt und den Inhalt der freiheitlichen demokratischen Grundordnung jedenfalls in Ansätzen kennt. Bei einer Einbürgerung ist deshalb im Rahmen einer persönlichen Befragung zu prüfen und festzustellen, ob der Einbürgerungsbewerber die von ihm abgegebene Bekenntniserklärung verstanden hat (vgl. HTK-StAR / § 10 StAG / zu Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Stand: 25.05.2022, Rn. 46, 47, jeweils m.w.N.). Dieser Befragung hat sich die Klägerin entzogen, da sie in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Das Gericht kann deshalb nicht prüfen und feststellen, ob die Klägerin die von ihr am 15.07.2020 unterzeichnete Bekenntniserklärung verstanden hat.
46 
2. Eine Einbürgerung der Klägerin nach § 9 Abs. 1 StAG scheidet gleichfalls aus.
47 
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 StAG sollen Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner Deutscher unter den Voraussetzungen des § 10 Absatz 1 eingebürgert werden, wenn sie seit drei Jahren ihren rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und die Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft seit zwei Jahren besteht. Da die Klägerin nach den Ausführungen unter Ziffer 1 nicht sämtliche tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 StAG erfüllt, scheidet eine Einbürgerung auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 StAG gleichfalls aus.
48 
3. Die Klägerin kann auch nicht nach § 8 Abs. 1 StAG in den deutschen Staatsverband eingebürgert werden.
49 
§ 8 Abs. 1 StAG setzt u.a. voraus, dass der Einbürgerungsbewerber einen rechtmäßigen Aufenthalt im Inland hat. Dies ist - wie bereits dargelegt - vorliegend zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht der Fall; auf die obigen Ausführungen wird verwiesen.
50 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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