Beschluss vom Verwaltungsgericht Stuttgart - 2 K 3005/22

Tenor

Die Anträge werden abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Streitwert wird auf 15.000 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Antragsteller wenden sich gegen die der Beigeladenen von der Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung vom 24.02.2021 für den Neubau von fünf großen Wohngebäuden mit insgesamt 125 Wohnungen.
Die Antragsteller sind Mieter des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks D.-Straße 3 in O. Für dieses Grundstück setzt der Bebauungsplan „P.-O.“ der damals noch selbständigen Gemeinde N. vom 11.03.1964 ein reines Wohngebiet fest.
Die Beigeladene ist Eigentümerin verschiedener nördlich der D.-Straße befindlicher Grundstücke, auf denen die fünf Wohngebäude sowie die Tiefgarage geplant sind (Vorhabengrundstücke).
Die Antragsgegnerin beschloss am 11.11.2020 für den Bereich zwischen D.-Straße und B.-Straße den Bebauungsplan „P.-O. 2“, auf dessen Grundlage insbesondere der Neubau von fünf Wohnhäusern mit insgesamt 125 Wohnungen stattfinden sollte. Aufgrund eines von den Antragstellern angestrengten Normenkontrollverfahrens erklärte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg diesen Bebauungsplan mit Urteil vom 07.04.2022 - 8 S 3320/21 - für unwirksam.
Bereits am 24.07.2020 beantragte die Beigeladene bei der Antragsgegnerin die Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau von fünf Wohngebäuden mit einer Tiefgarage auf den Vorhabengrundstücken. Der Eigentümer des von den Antragstellern bewohnten, auf der gegenüberliegenden Seite der D.-Straße befindlichen Grundstücks wurde hiervon nicht als Angrenzer benachrichtigt. Am 24.02.2021 wurde der Beigeladenen die Baugenehmigung erteilt.
Am 26.04.2022 - nachdem der 8 Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg den Bebauungsplan „P.-O. 2“ für unwirksam erklärte - erhoben die Antragsteller Widerspruch gegen die der Beigeladenen am 24.02.2021 erteilte Baugenehmigung.
Mit Schriftsatz vom 30.05.2022 haben die Antragsteller beim Verwaltungsgericht Stuttgart beantragt, „die Vollziehung der der beizuladenden GmbH […] erteilten Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 24.02.2021 […] auszusetzen“. Zur Begründung führen sie aus, dass die Grundlage für die Erteilung der Baugenehmigung, der Bebauungsplan „P.-O. 2“, für unwirksam erklärt worden sei. Im Normenkontrollverfahren sei die Antragsbefugnis der Antragsteller als Mieter des Grundstücks D.-Straße 3 bejaht worden. Auch die Möglichkeit einer Verbesserung der Rechtsposition der Antragsteller sei in diesem Verfahren angenommen worden, weil der Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen sei, dass die Baugenehmigung ihnen gegenüber noch nicht bestandskräftig sei. Im Verfahren gegen die Baugenehmigung könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragsteller nicht in eigenen Rechten verletzt sein können, denn dann könne auch die Frage der Bestandskraft als Vorfrage für das Normenkontrollverfahren keine Zulässigkeitsvoraussetzung sein. Die Frage der möglichen subjektiven Beeinträchtigung in eigenen Rechten durch eine Zunahme von Verkehrslärm betreffe die Antragsteller sowohl hinsichtlich des Bebauungsplanes als auch hinsichtlich der auf dieser Grundlage erteilten Baugenehmigung. Ansonsten könnten die Antragsteller den Bebauungsplan zu Fall bringen, wären aber gegen die erteilte Baugenehmigung ohne Handhabe und müssten hilflos mitansehen, wie die Bebauung fortgesetzt werde und ihre über das Normenkontrollverfahren erstrittene Rechtsposition Makulatur würde. Dies sei vor dem Hintergrund des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht hinnehmbar. Das Bauvorhaben sei ihnen gegenüber mit Blick auf die durch das neue Baugebiet zusätzlich verursachte Lärmbelastung rücksichtslos. Für die Annahme der Verletzung in eigenen Rechten komme es auf die tatsächliche Beeinträchtigung an, diese betreffe die Bewohner des Hauses, nicht den Eigentümer des Grundstücks. Der Eigentümer des Grundstücks habe seine Rechte auch durch Erklärung vom 22.06.2022 an die Antragsteller abgetreten, da er mangels Betroffenheit von den Auswirkungen des Bauvorhabens an einer Rechtsverfolgung kein Interesse habe.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene, die selbst keinen Antrag gestellt hat, sind den Anträgen entgegengetreten.
II.
Die Anträge der Antragsteller sind bereits unzulässig.
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Sie sind zwar - bei gebotener Auslegung des Begehrens der Antragsteller - als solche auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller statthaft (§ 80a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB).
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Die Antragsteller sind aber als Mieter des Grundstücks D.-Straße 3 bereits nicht antragsbefugt (hierzu 1.) Daran ändert auch die Abtretung von Rechten durch ihren Vermieter, den Eigentümer des Grundstücks, nichts (hierzu 2.).
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1. Die Antragsteller sind nicht antragsbefugt.
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a) Nach § 42 Abs. 2 VwGO, der im vorläufigen Rechtsschutz entsprechend anzuwenden ist (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 42 Rn. 80), setzt eine Klage- bzw. Antragsbefugnis voraus, dass der Kläger/Antragsteller eine Verletzung eigener Rechte geltend machen kann. Rechtsschutz wird nach § 42 Abs. 2 VwGO nur in diesem Fall gewährt; dies entspricht, positiv gewendet, der Gewährleistung des Art. 19 Abs. 4 GG (Happ, a.a.O., § 42 Rn. 70). Die Frage des Drittschutzes - und damit einer Antragsbefugnis von Dritten - stellt sich in besonderer Weise beim Nachbarschutz im Baurecht (Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 20. Auflage 2020, § 42 Rn. 96), denn dort gilt - etwa im Vergleich zur Abwehr von Immissionen außerhalb des Städtebaurechts - ein nur begrenzter Nachbarschutz (Happ, a.a.O., § 42 Rn. 100).
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Ausweislich der Kompetenznorm des Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG geht es im Bauplanungsrecht um die Schlichtung bodenrechtlicher Nutzungskonflikte. Das Bauplanungsrecht hat daher eine grundstücks- und keine personenbezogene Zielrichtung. Aus diesem Grund ist der bauplanungsrechtliche Drittschutz personell auf Grundstückseigentümer und auf in eigentumsähnlicher Weise dinglich Berechtigte, die - wie z.B. Erbbauberechtigte oder Nießbraucher - die Grundstücke mit ihren Nutzungen „repräsentieren“, zu begrenzen (Bay. VGH, Beschl. v. 01.04.2022 - 15 CS 22.642 - juris Rn. 32; Schiller, in: Bracher/Reidt/Schiller, Bauplanungsrecht, 9. Auflage 2022, Rn. 18.740; sog. Repräsentationsprinzip). Aufgabe des Bauplanungsrechts ist es, die einzelnen Grundstücke einer auch im Verhältnis untereinander verträglichen Nutzung zuzuführen. Indem es in dieser Weise auf einen Ausgleich möglicher Bodennutzungskonflikte zielt, bestimmt es zugleich den Inhalt des Grundeigentums. Demgemäß beruht bauplanungsrechtlicher Nachbarschutz auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses. Es widerspräche der grundstücksbezogenen Ausrichtung des Bauplanungsrechts, wenn Personen, die nur eine vom Grundstücksrepräsentanten abgeleitete Rechtsposition innehaben, in den Interessenausgleich der Grundstückseigentümer - womöglich auch gegen deren Willen - mit eigenen verwaltungsrechtlichen Abwehransprüchen und ihrer klageweisen Geltendmachung intervenieren könnten (zu alledem Bay. VGH, Beschl. v. 01.04.2022 - 15 CS 22.642 - juris Rn. 32 mit zahlreichen Nachweisen). Da es nicht um die Ausgestaltung ihres Grundeigentums durch bauplanungsrechtliche Vorschriften geht, sind sie auf ihre schuldrechtlichen Ansprüche gegenüber dem Eigentümer, also typischerweise dem Vermieter oder Verpächter, beschränkt (Schiller, in: Bracher/Reidt/Schiller, Bauplanungsrecht, 9. Auflage 2022, Rn. 18.740).
15 
Im Grundsatz sind daher nur dinglich Berechtigte als Nachbarn im Sinne des Bauplanungsrechts in Baunachbarstreitigkeiten antragsbefugt (vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 11.07.1989 - 4 B 33.89 - juris; Hess. VGH, Beschl. v. 17.11.2014 - 4 B 1270/14 - juris Rn. 30; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.06.2006 - 8 S 997/06 - juris Rn. 2; Kaiser, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht Band 2, 4. Auflage 2020, § 41 Rn. 165).
16 
b) Etwas Anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Antragsteller nicht daraus, dass auch lediglich obligatorisch Berechtigte in Normenkontrollverfahren antragsbefugt sein können. Es ist seit Langem in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren auch obligatorisch Berechtigte umfassen kann, wenn diese abwägungserhebliche Belange, bei denen die Möglichkeit der fehlerhaften Behandlung besteht, geltend machen - etwa eine spürbare Zunahme von Immissionen (BVerwG, Urt. v. 05.11.1999 - 4 CN 3.99 - juris Rn. 15; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 03.09.2019 - 8 S 2056/17 - juris Rn. 56; Beschl. v. 27.06.2006 - 8 S 997/06 - juris; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 47 Rn. 50). Das in § 1 Abs. 6 BauGB enthaltene Abwägungsgebot hat drittschützenden Charakter hinsichtlich aller privater Belange, die erheblich sind und dieses kann „Recht“ im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO sein (BVerwG, Urt. v. 05.11.1999 - 4 CN 3.99 - juris Rn. 15; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 03.09.2019 - 8 S 2056/17 - juris Rn. 56). Das öffentliche Bauplanungsrecht stellt die Schlichtung bodenrechtlicher Nutzungskonflikte in den Mittelpunkt, während im Normenkontrollverfahren auf abwägungserhebliche private Belange - die nicht zwingend an eine dingliche Berechtigung gebunden sind - abgestellt wird. Die Antragsteller werden dadurch nicht schutz- bzw. „hilflos“ gestellt, vielmehr haben sie sich an den dinglich Berechtigten zu wenden, von dem sie ihre Rechtsposition ableiten und ggf. gegen diesen vorzugehen. Hiergegen spricht auch nicht, dass die Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren davon abhängig gemacht wurde, ob die Antragsteller ihre Rechtsstellung mit dem Vorgehen gegen den Bebauungsplan noch verbessern könnten - was nicht der Fall gewesen wäre, wenn der Bebauungsplan durch unanfechtbar genehmigte Maßnahmen vollständig verwirklicht worden wäre, was der Senat nicht angenommen hat (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 07.04.2022 - 8 S 3302/21 - S. 13). Denn aus dem Umstand, dass die den Bebauungsplan umsetzende Baugenehmigung im Normenkontrollverfahren nicht bestandskräftig sein darf, damit die Antragsteller in diesem Verfahren eine Antragsbefugnis begründen können, folgt nicht im Umkehrschluss, dass die Antragsteller auch im Verfahren gegen die Baugenehmigung antragsbefugt sein müssen. Vielmehr genügt, dass das Vorgehen gegen den Bebauungsplan (irgendeinen) Sinn ergibt - vorliegend hätte dieser etwa darin bestehen können, dass die Antragsteller auf den Eigentümer des von ihnen bewohnten Grundstückes derart einwirken, dass dieser ein Verfahren gegen die Baugenehmigung anstrengt. Die Frage der Bestandskraft der Baugenehmigung kann daher im Normenkontrollverfahren auch dann sinnigerweise eine Zulässigkeitsvoraussetzung sein, wenn die Antragsteller nicht selbst befugt sind, gegen diese (mit Aussicht auf Erfolg) vorzugehen.
17 
c) Die Antragsteller können eine Antragsbefugnis auch nicht aus Art. 2 Abs. 2 GG ableiten. Es ist zwar nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass lediglich obligatorisch Berechtigte unter Berufung auf Art. 2 Abs. 2 GG ihre Antragsbefugnis in Baunachbarstreitigkeiten begründen können. Ein solcher (Ausnahme-)Fall liegt aber evident nicht vor.
18 
Obligatorisch Berechtigte können eine Antragsbefugnis aus Art. 2 Abs. 2 GG allenfalls dann herleiten, wenn es um die Abwehr von Gesundheitsgefahren geht. Hierbei ist allerdings Zurückhaltung geboten, denn auch in diesen Fällen ist die Zielrichtung des öffentlichen Bauplanungsrechts - die Schlichtung bodenrechtlicher Nutzungskonflikte - sowie der Umstand zu berücksichtigen, dass obligatorisch Berechtigte auch in diesen Fällen Ansprüche gegenüber den Grundstückseigentümern haben, damit diese gegen derartige Beeinträchtigungen vorgehen. Eine Antragsbefugnis lässt sich daher aus Art. 2 Abs. 2 GG nur dann begründen, wenn es um die Abwehr akuter Gesundheitsgefahren geht (vgl. Schiller, in: Bracher/Reidt/Schiller, Bauplanungsrecht, 9. Auflage 2022, Rn. 18.742). Keinesfalls kann über den Umweg des Art. 2 Abs. 2 GG bei jedem gewöhnlichen Bauvorhaben, das etwa zu zusätzlichem Verkehrsaufkommen führt, eine Antragsbefugnis nur obligatorisch Berechtigter begründet werden; der ausdifferenzierte Nachbarschutz im öffentlichen Bauplanungsrecht wäre dann bloße Makulatur und weitgehend überflüssig. Erforderlich ist vielmehr, dass sich obligatorisch Berechtigte auf eine relevante Gesundheitsgefahr berufen können, die über die gewöhnliche Betroffenheit von Mietern durch Bauvorhaben hinausgeht; notwendig sind konkrete Gesundheitsgefahren (Schenke, in: Kopp/Schenke, 26. Auflage 2020, § 42 Rn. 97 bezeichnet die Klagebefugnis obligatorisch Berechtigter daher als „denkbar, allerdings praktisch kaum relevant“). Bloße Störungen des körperlichen oder seelischen Wohlbefindens ohne gesundheitsschädliche Relevanz fallen hingegen nicht unter den durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten Schutz der Gesundheit (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 09.02.1995 - 3 S 3407/94 - juris; vgl. auch OVG Hamburg, Beschl. v. 13.10.1989 - Bs II 44/89 - NVwZ 1990, 379). Das Bundesverwaltungsgericht ist etwa bei der Baugenehmigung für ein Zwischenlager, in dem Transportbehälter für bestrahlte Brennelemente aus Leichtwasserreaktoren (LWR-Brennelemente) aufbewahrt werden sollen, davon ausgegangen, dass es nicht offensichtlich ausgeschlossen sei, dass der lediglich obligatorisch Berechtigte in seinem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit verletzt sein kann (BVerwG, Urt. v. 11.05.1989 - 4 C 1.88 - juris Rn. 20).
19 
Nach diesen Grundsätzen können die Antragsteller ihre Antragsbefugnis evident nicht aus Art. 2 Abs. 2 GG herleiten. Eine Gesundheitsgefährdung durch Lärmbelästigung, insbesondere Verkehrslärm, behaupten die Antragsteller bereits nicht. Sie behaupten schon nicht nachvollziehbar, dass sie durch das Bauvorhaben unzumutbaren Lärmimmissionen (was unterhalb der Schwelle der Gesundheitsgefahr liegen würde) ausgesetzt sind. Ihr Vortrag enthält keinerlei Anhaltspunkte hierzu, was etwa durch Bezugnahme auf oder Kritik an (vorhandenen) Prognosen möglich wäre, die die These der Antragsteller, soweit für die Kammer ersichtlich, im Übrigen gerade nicht stützen. Vielmehr stellen sie darauf ab, dass eine „Konfliktlage“ durch zusätzliche Lärmbelästigung nicht planerisch aufgelöst worden sei - womit wohl auf das erfolgreiche Normenkontrollverfahren gegen den Bebauungsplan „P.-O. 2“ vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Bezug genommen wird; eine Lärmbeeinträchtigung der Antragsteller hatte für das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg aber nur insoweit Bedeutung, als es zur Begründung der Antragsbefugnis herangezogen wurde. Dafür, dass der Bebauungsplan wegen materieller Mängel für unwirksam erklärt wurde, hatte die von den Antragsgegnern gerügte Lärmbelästigung keinerlei Bedeutung. Die ohne jede Substanz behauptete „Möglichkeit der unzumutbaren Beeinträchtigung durch Verkehrslärm“ durch die Baugenehmigung ist nicht geeignet, die Möglichkeit einer konkreten Gesundheitsgefährdung zu begründen.
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2. Eine Antragsbefugnis kann auch nicht aus gewillkürter Prozessstandschaft der Antragsteller hergeleitet werden. Ein solche ist im Verwaltungsprozess im Hinblick auf § 42 Abs. 2 VwGO grundsätzlich nicht zulässig, soweit gesetzlich nichts Anderes bestimmt ist, was im Anfechtungsstreit um eine Baugenehmigung nicht der Fall ist (OVG Niedersachsen, Urt. v. 26.07.2012 - 1 LC 130/09 - juris Rn. 58; VG Regensburg, Beschl. v. 10.03.2014 - RO 2 S 14.341 - juris Rn. 24; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 26.10.1995 - 3 C 27.94 - juris; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 21.06.2022 - 1 S 1865/20 - juris Rn. 109; Sennekamp, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Auflage 2021, § 42 VwGO Rn. 179). Die am 22.06.2022 unterzeichnete Erklärung des Eigentümers, dass seine Rechte durch die Antragsteller geltend gemacht werden können, ist daher unbeachtlich.
III.
21 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO. Es entsprach nicht der Billigkeit, den Antragstellern die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, denn diese hat mangels Antragstellung kein Kostenrisiko auf sich genommen (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).
22 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Nach dieser Nummer ist bei der Klage eines Nachbarn gegen eine Baugenehmigung ein Streitwert zwischen 7.500 EUR und 15.000 EUR festzusetzen, soweit nicht ein höherer wirtschaftlicher Schaden feststellbar ist. Dem folgend gehen die Baurechtssenate des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg davon aus, dass bei der Klage eines Nachbarn gegen die Baugenehmigung für ein Ein- oder (kleineres) Mehrfamilienwohnhaus im Hauptsacheverfahren ein Streitwert von 10.000 EUR festzusetzen ist (Beschl. v. 13.08.2014 - 8 S 979/14 - ZfBR 2014, 704; Beschl. v. 27.08.2014 - 3 S 1400/14 - juris). Der Antrag der Antragsteller richtet sich gegen fünf Wohnhäuser mit zusammen 125 Wohnungen, sodass der obere Wert des im Streitwertkatalog vorgegebenen Rahmens auszuschöpfen ist. Eine Erhöhung hat deswegen auszuscheiden, da sie alle im Objekt desselben Grundeigentümers wohnen. Da sich die Antragsteller gegen die Errichtung, nicht nur die Nutzung des Vorhabens wenden, wird die Hauptsache faktisch vorweggenommen, so dass eine Reduzierung dieses Werts nach Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs nicht in Betracht kommt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 01.04.2019 - 5 S 2102/18 - juris Rn. 18).

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