Urteil vom Verwaltungsgericht Trier (Disziplinarkammer) - 3 K 101/10.TR

Tenor

Der Beklagte wird aus dem Dienst entfernt.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich derjenigen des behördlichen Disziplinarverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Zahlung oder Hinterlegung einer Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor der Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger betreibt die Entfernung des Beklagten aus dem Dienst.

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Der am ... 1958 in ... geborene Beklagte steht als Polizeihauptkommissar im Dienst des klagenden Landes. Im Anschluss an den Besuch der Grund- und Hauptschule besuchte er das Staatliche Aufbaugymnasium in ..., von dem er in der Jahrgangsstufe 11 abging. Am ... 1976 wurde der Beklagte als Polizeiwachtmeister in den Polizeidienst des Landes Rheinland-Pfalz eingestellt. Nach Abschluss seines Vorbereitungsdienstes bei der Bereitschaftspolizei Rheinland-Pfalz legte er am 28. März 1980 seine Laufbahnprüfung für den mittleren Polizeidienst ab. Am 10. Juni 1998 folgte die Laufbahnprüfung für den gehobenen Polizeidienst bei der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung Rheinland-Pfalz.

3

In der Zeit vom 03. Juli 1978 bis 31. Juli 1980 wurde der Beklagte als Polizeihauptwachtmeister bei der Kreisverwaltung ... (Polizeiamt ...) und im Anschluss hieran als Polizeihauptwachtmeister, Polizeimeister (ab 01. Juni 1981) und Polizeiobermeister (ab 18. Mai 1988) bei der Kreisverwaltung ... (Schutzpolizeiinspektion ...) eingesetzt. Seit dem 01. September 1993 verrichtete er seinen Dienst beim Polizeipräsidium ... / Polizeiinspektion ..., zunächst als Polizeiobermeister und nach durchlaufenen Beförderungen seit dem 18. Mai 2005 als Polizeihauptkommissar.

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In seiner letzten dienstlichen Beurteilung vom ... 2005 wurden seine Leistungen mit der Gesamtbewertung "A" beurteilt.

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Der Beklagte ist seit dem ... 1984 verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Mit Bescheid vom ... 2009 wurde bei ihm ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt.

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Straf- und disziplinarrechtlich ist der Beklagte bislang nicht in Erscheinung getreten.

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Mit Verfügung vom 06. Dezember 2007 wurde gegen den Beklagten wegen des Verdachts eines Dienstvergehens das vorliegende Disziplinarverfahren eingeleitet und mit Rücksicht auf ein sachgleiches Strafverfahren wegen Urkundenfälschung und Betrugs (Staatsanwaltschaft ..., Az. 8003 Js 27215/07) ausgesetzt. Dem Beklagten wurde vorgeworfen, im Mai 2007 gefälschte Gebührenquittungen hergestellt und diese in der Folgezeit bei Verkehrskontrollen verwendet zu haben, um von den kontrollierten Verkehrsteilnehmern wegen angeblicher Fahrzeugmängel ein Verwarnungsgeld zu verlangen und die Zahlung zu quittieren.

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Mit Verfügung vom 19. Dezember 2007 wurde dem Beklagten die Führung seiner Dienstgeschäfte untersagt. Im Anschluss hieran wurde er mit Verfügung vom 26. Februar 2008 vorläufig des Dienstes enthoben.

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Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren führte zu einer Verurteilung des Beklagten zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten wegen Betruges und Urkundenfälschung jeweils in besonders schwerem Fall durch das Amtsgericht ... mit Urteil vom 11. August 2009 (Az.: 8003 Js 27215/07 Ds), deren Vollstreckung für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Darüber hinaus wurde dem Beklagten die Auflage erteilt, einen Geldbetrag in Höhe von 900,- Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zu zahlen. Das Urteil wurde am 19. August 2009 rechtskräftig.

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Das Disziplinarverfahren wurde nachfolgend mit Verfügung vom 05. November 2009 fortgesetzt, wobei angesichts der umfassenden Beweiserhebung im Strafverfahren auf die Durchführung disziplinarer Ermittlungen verzichtet wurde. Dem Beklagten wurde Gelegenheit gegeben, weitere Ermittlungen sowie hinsichtlich der beabsichtigten Erhebung der Disziplinarklage die Mitbestimmung der Personalvertretung zu beantragen.

11

Auf Antrag des Beklagten wurde die Personalvertretung beteiligt, die der Erhebung der Disziplinarklage zustimmte.

12

Mit Schreiben vom 26. November 2009 regte der Verfahrensbevollmächtigte des Beklagten weitere Ermittlungen an, und legte eine ärztliche Bescheinigung der Praxis Dr. ..., vom 22. Juli 2009 vor. Er wies im Übrigen darauf hin, dass der im Strafverfahren beauftragte Sachverständige Professor Dr. ... in seinem Gutachten vom 23. Juni 2008 zu dem Ergebnis gelangt sei, der Beamte habe die Anlasstaten 2007 zwar nicht in einem Zustand verminderter Schuldfähigkeit begangen, wohl aber während einer subjektiv und objektiv belastenden Lebensphase, die nunmehr überwunden sei. In diesem Zusammenhang sei die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 03. Mai 2007, Az. 2 C 9/06 zu berücksichtigen.

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Nachdem der Beklagte einen Bescheid des Amtes für soziale Angelegenheiten vom ... 2009 vorgelegt hatte, aus dem sich ein Grad der Behinderung von 50 (1. Psychische Erkrankung, Persönlichkeitsstörung [50], 2. Ohrgeräusche [10]) ergibt, wurde ihm mit Schreiben vom 13. Januar 2010 Gelegenheit gegeben, die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung zu beantragen sowie sich innerhalb der Frist von einem Monat nach Zugang des Schreibens abschließend schriftlich zu äußern.

14

Durch Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 28. Januar 2010 beantragte der Beklagte die Mitwirkung der Schwerbehindertenvertretung, die unter dem 17. Februar 2010 eine Stellungnahme abgab.

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Am 09. März 2010 hat der Kläger Disziplinarklage mit dem Ziel der Entfernung des Beklagten aus dem Dienst erhoben. Dem Beamten wird zur Last gelegt, seine Hingabepflicht, seine Pflicht zu einem achtungs- und vertrauensgerechten Verhalten sowie die Pflicht zur Wahrung des Ansehens der Polizei in der Öffentlichkeit schuldhaft verletzt zu haben, indem er im Mai 2007 insgesamt fünf Gebührenquittungen selbst hergestellt und drei dieser Quittungen bei Verkehrskontrollen zur Ahndung von tatsächlich nicht begangenen Verkehrsverstößen eingesetzt habe. Dabei habe er das vereinnahmte Geld, entsprechend einem zuvor gefassten Entschluss, für sich verwandt. Dieser Sachverhalt stehe fest aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichts ... vom 11. August 2009 und sei im vorliegenden Verfahren bindend. Durch die planmäßig verübten Straftaten des Betruges und der Urkundenfälschung habe er in eklatanter Weise seine Pflichten verletzt. Erschwerend sei zu berücksichtigen, dass er als Polizeibeamter zur Verhinderung und Verfolgung von Straftaten dienstlich verpflichtet sei und von ihm in besonderem Maße ein gesetzeskonformer Lebenswandel erwartet werde. In Anbetracht der gravierenden Verfehlungen im Kernbereich seiner Dienstpflichten sowie der damit gezeigten schwerwiegenden Charaktermängel, sei dem Dienstherrn eine weitere Zusammenarbeit mit dem Beklagten nicht mehr zuzumuten. Eine weitere Verwendung im Polizeidienst sei auch mit Blick auf die Resonanz in der Öffentlichkeit, welche von Polizeibediensteten ein erhöhtes Maß an charakterlicher Integrität erwarte, nicht vermittelbar. Gründe für einen Schuldausschluss bzw. für eine erhebliche Verschuldensminderung lägen ausweislich des im Strafverfahren eingeholten psychiatrischen Gutachtens des Sachverständigen Professor Dr. ... vom 23. Juni 2008 nicht vor. Auch die dem Beklagten bescheinigte günstige Zukunftsprognose könne diesen nicht durchgreifend entlasten, da vorliegend keiner der im Rahmen der Zumessungskriterien zu berücksichtigenden anerkannten Milderungsgründe gegeben sei. Die Anwendbarkeit des Milderungsgrundes einer psychischen Ausnahmesituation scheide bereits mangels Kausalität zwischen seelischem Schockzustand und Fehlverhalten aus, da derjenige, der durch ein bestimmtes, schockartig wirkendes Ereignis vorübergehend in seinem Denken und Handeln beeinträchtigt sei, deshalb nicht zwangsläufig die in Rede stehenden Straftaten verüben müsse. Für die Annahme einer einmaligen persönlichkeitsfremden kurzschlussartigen Augenblickstat verbleibe angesichts der geplanten und wiederholten Tatausführung kein Raum. Auch sei die in der Rechtsprechung angenommene Geringwertigkeitsgrenze überschritten. Seine bisherige Unbescholtenheit, sein soziales Engagement, seine damalige belastende - und zwischenzeitlich überwundene - Lebensphase sowie seine Bemühungen zur Vermeidung eines Wiederholungsfalles träten hinter der besonderen Schwere des Dienstvergehens sowie den hieraus resultierenden irreparablen Vertrauensverlust zurück.

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Der Kläger beantragt,

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den Beklagten aus dem Dienst zu entfernen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Den ihm zur Last gelegten Sachverhalt streite er nicht ab. Dennoch sei er für die geschilderten Taten nicht zur Rechenschaft zu ziehen, weil er zum damaligen Zeitpunkt schuldunfähig gewesen sei. Er habe zum Tatzeitpunkt unter einer schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen gelitten, wobei diese Symptomatik in dem Gutachten des Professor Dr. ... nicht berücksichtigt worden sei. Die Taten seien völlig persönlichkeitsfremd. Dies sei ein Umstand, der auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einer Entfernung aus dem Dienst entgegenstehen könne.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze sowie auf die Verwaltungs- und Personalakten verwiesen. Diese lagen dem Gericht vor und waren ebenso wie die Akten der Staatsanwaltschaft ... (Az.: 8003 Js 27215/07) Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

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Der Beklagte hat sich eines Dienstvergehens schuldig gemacht, das unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere des Umfangs, in dem er seine Pflichten verletzt und das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit beeinträchtigt hat, sowie unter angemessener Berücksichtigung seines Persönlichkeitsbildes die Entfernung aus dem Dienst (§§ 3 Abs. 1 Nr. 5, 8, 11 des Landesdisziplinargesetzes - LDG - ) erforderlich macht.

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Das der Klageerhebung vorangegangene Disziplinarverfahren ist ordnungsgemäß durchgeführt worden. Insbesondere wurden innerhalb der Frist des § 64 LDG keine wesentlichen Mängel des behördlichen Verfahrens oder der Klageschrift geltend gemacht.

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In der Sache steht fest, dass sich der Beklagte eines schweren Dienstvergehens schuldig gemacht hat. Nach § 85 Abs. 1 Landesbeamtengesetz - LBG- bzw. § 47 Abs. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern - BeamtStG - begeht der Beamte ein Dienstvergehen, wenn er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt. Zu den elementaren und im Interesse der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes unabdingbaren Verhaltensgeboten gehört die sich aus § 64 S. 3 LBG bzw. § 34 S. 3 BeamtStG ergebende Pflicht des Beamten, sein Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes so auszurichten, dass es der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Beruf erfordert. Hierzu gehört insbesondere die Pflicht, sich gesetzestreu zu verhalten und nicht gegen Strafgesetze zu verstoßen. Nach § 214 LBG hat ein Polizeibeamter zudem neben den allgemeinen Pflichten die im Wesen des Polizeidienstes begründete besondere Pflicht, das Ansehen der Polizei zu wahren, Dienstzucht zu halten und sich rückhaltlos für den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung einzusetzen. Gegen diese Dienstpflichten hat der Beklagte durch das Herstellen von Gebührenquittungen und den Einsatz von drei der insgesamt fünf selbst hergestellten Quittungen in einem solchen Maß verstoßen, welches die Entfernung des Beamten aus dem Dienst erforderlich macht.

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Die dieser rechtlichen Würdigung zugrunde liegenden Tatsachen ergeben sich aus den Gründen des rechtskräftige Strafurteils des Amtsgerichts ... vom 11. August 2009 (Az.: 8003 Js 27215/07 - 3 Ds). In dem Urteil ist unter anderem ausgeführt:

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"... Der Angeklagte litt in der Vergangenheit wiederholt unter Depressionen. Erstmals traten diese 1997 während seines berufsbegleitenden Studiums an der Fachhochschule auf. Der Angeklagte behandelte diese Depressionen ohne ärztliche Hilfe durch die Einnahme von Anti-Depressiva. In den Jahren 2003 und 2004 traten erneut Depressionen bei dem Angeklagten auf. Zur damaligen Zeit litt die Tochter des Angeklagten unter epileptischen Anfällen und bei ihr wurde das Guillain-Barre-Syndrom diagnostiziert. Bei dem Guillain-Barre-Syndrom handelt es sich um eine entzündliche Erkrankung der aus dem Rückenmark hervorgehenden Nervenwurzeln und der peripheren Nerven mit Lähmungserscheinungen, die typischerweise an den Beinen beginnt und sich bis hin zur Atemlähmung ausbreiten kann. Darüber hinaus hatte der Angeklagte den Eindruck, sich in einer finanziellen Notlage zu befinden, da er Schulden aus einer Darlehensverbindlichkeit für den Bau eines Hauses in Höhe von 160.000,- Euro hatte. Im Jahr 2005 klang die Depression des Angeklagten ab und trat erst im Jahr 2007 wieder auf. Damals musste sich die Ehefrau des Angeklagten wegen eines Bandscheibenvorfalls einer Operation unterziehen und befand sich zugleich in medizinischer Behandlung wegen einer Veränderung des Hautbildes. Aufgrund der Nutzung eines Dispositionskredits in Höhe von 3.000,- Euro und des Kredits für den Hausbau unterlag der Angeklagte weiterhin dem Eindruck, sich in einer finanziellen Notlage zu befinden.

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Nach den Taten, die Gegenstand dieses Urteils sind, befand sich der Angeklagte von Juli 2007 bis Januar 2008 und von März 2009 bis April 2009 in der Psychiatrie ...

II.

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Die Hauptverhandlung hat aufgrund des Geständnisses des Angeklagten und der Auswertung der aus dem Sitzungsprotokoll ersichtlichen Urkunden zu folgenden Feststellungen geführt:

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Im Mai 2007 stellte der Angeklagte in einer Nacht einige Tage vor dem 13.05.2009 mittels eines Computers, eines Perforationsgeräts und eines Tintenstrahldruckers fünf Gebührenquittungen her, die in ihrem Aussehen den von der örtlichen Polizei verwendeten Gebührenquittungen bei Verkehrskontrollen weitgehend entsprachen und lediglich kleinere Unterschiede zu diesen aufwiesen. Der Angeklagte wollte diese Gebührenquittungen im Rahmen von Verkehrskontrollen einsetzen, um von den kontrollierten Verkehrsteilnehmern für tatsächlich nicht vorliegende Verkehrsverstöße ein Verwarnungsgeld zu kassieren. Mit den auf diesem Wege erhaltenen finanziellen Mitteln wollte er seinen unter Ziffer I genannten Dispositionskredit ausgleichen.

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Der Angeklagte stellte die zuvor genannten Gebührenquittungen zunächst ohne eine Vergleichsvorlage aus dem Gedächtnis her und veränderte diese in den nachfolgenden Tagen, um sie an die von der Polizei verwendeten Original-Gebührenquittungen anzugleichen. Die durch den Angeklagten hergestellten Gebührenquittungen wiesen die Kenn-Nr. 1379 auf und unterschieden sich leicht in ihrem Schriftbild, in ihrer farblichen Gestaltung, dem Wortlaut des abgedruckten Verwarnungstextes sowie durch das Fehlen des Siegels mit dem Wappen von Rheinland-Pfalz und der Inschrift 'Polizeipräsidium ...' von den von der Polizei verwendeten Original-Gebührenquittungen. Farblich waren die vom Angeklagten hergestellten Gebührenquittungen blau, rot und weiß gestaltet, während die Original-Gebührenquittungen blau, orange, und weiß gestaltet sind.

31

Der Angeklagte verwendete drei der fünf selbst hergestellten Gebührenquittungen in der Folgezeit bei Verkehrskontrollen, in denen er den kontrollierten Verkehrsteilnehmern in seiner Funktion als Polizeibeamter während des Dienstes und in Uniform gegenüber trat. Diese Kontrollen vollzogen sich im Einzelnen wie folgt:

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In der Nach vom 13. auf den 14.05.2007 führte die Polizeiinspektion ... auf der B ... zwischen ... und der Tankstellenanlage ... eine Lkw-Kontrolle durch, in deren Verlauf der spanische Staatsangehörige ... durch eine Streifenwagenbesatzung bestehend aus Polizeioberkommissar ... und dem Angeklagten wegen eines Verkehrsverstoßes angehalten und kontrolliert wurde. Bei der Kontrolle von Herrn ... verbliebt Polizeioberkommissar ... in dem Streifenwagen, während der Angeklagte in das Führerhaus des von Herr ... gesteuerten Lkw einstieg und dort Herrn ... aufforderte, wegen weiterer angeblicher Mängel, die tatsächlich nicht vorlagen, ein Verwarngeld in Höhe von insgesamt 70,- Euro zu zahlen. Herr ..., der der deutschen Sprache nur teilweise mächtig ist, verstand aufgrund seiner Sprachschwierigkeiten die behaupteten Mängel nicht - was dem Angeklagten auch bewusst war und dessen Absicht entsprach - zahlte aber unter dem Eindruck, dass der Angeklagte als Polizeibeamter auftrat, die ohne rechtliche Grundlage geforderten 70,- Euro an den Angeklagten. Der Angeklagte händigte ihm daraufhin zwei der von ihm zuvor selbst gefertigten Gebührenquittungen aus, um den Eindruck einer rechtmäßigen Kontrolle und rechtmäßigen Einforderung eines Verwarnungsgeldes zu untermauern. Die vereinnahmten 70,- Euro behielt der Angeklagte entsprechend seinem Tatplan für sich (Fall 1).

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An einem weiteren Tag im Mai 2007 verlangte der Angeklagte ebenfalls im Rahmen einer in Uniform durchgeführten Verkehrskontrolle von einem unbekannten Verkehrsteilnehmer die Zahlung eines Verwarngeldes in unbekannter Höhe wegen angeblicher Mängel, die tatsächlich nicht vorlagen und stellte diesem nach Erhalt des Verwarngeldes die dritte selbst hergestellte Gebührenquittung aus, um den Eindruck einer rechtmäßigen Kontrolle und Zahlungsaufforderung zu untermauern (Fall 2).

34

Der Angeklagte handelte in beiden Fällen in der Absicht, durch das so vereinnahmte Geld einen Dispositionskredit auszugleichen ...

35

Der Angeklagte hat sich nach dem unter II festgestellten Sachverhalt in zwei Fällen des Betruges in einem besonders schweren Fall gemäß § 263 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 4 StGB in Tateinheit mit Urkundenfälschung in einem besonders schweren Fall gemäß § 267 Abs. 1 Abs. 3 Nr. 4 StGB schuldig gemacht ..."

36

Diese Feststellungen des Strafgerichts sind nach § 16 Abs. 1 LDG im Disziplinarverfahren für die Disziplinarkammer bindend. Eine Lösung von den tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils kommt nach § 16 Abs. 1 S. 2 LDG nicht in Betracht. Dies wäre nur dann zulässig, wenn die Kammer infolge der Bindung an das Strafurteil gezwungen wäre, auf der Grundlage offensichtlich unrichtiger oder inzwischen als unzutreffend erkannter Feststellungen zu entscheiden, wenn etwa die Feststellungen im Widerspruch zu den Denkgesetzen oder jeder Lebenserfahrung stehen würden oder aus sonstigen Gründen offenbar unrichtig wären. Die bloße Möglichkeit, dass das Geschehen auch anders gewesen sein könnte, reicht zu einem Lösungsbeschluss nicht aus (vgl. ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, Urteil vom 26. November 1991 - Az.: 1 D 19.91 - JURIS).

37

Anhaltspunkte, die nach diesen Überlegungen geeignet wären, eine Lösung von den Feststellungen des Strafgerichts zu rechtfertigen, sind vorliegend - sowohl was den inneren als auch den äußeren Tatbestand der Straftat betrifft - nicht ersichtlich. Der Beklagte war im Termin zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht ... in vollem Umfang geständig. Auch im Disziplinarverfahren hat er keine Gründe vorgetragen, die die Richtigkeit der Feststellungen infrage stellen könnten. Dies gilt insbesondere auch in Bezug auf das Vorliegen von Schuldausschlussgründen zum Tatzeitpunkt. Der Beklagte ist den dahingehenden Feststellungen des Gutachters Professor Dr. ... in seinem Gutachten vom 23. Juni 2008, die bereits Gegenstand des Strafverfahrens waren und auch dem vorliegenden Disziplinarverfahren zugrunde gelegt werden, nicht substantiiert entgegen getreten. Auch von Amts wegen erschließen sich dem Gericht keine Gründe insoweit eine weitergehende Sachverhaltsaufklärung zu betreiben. Eine mögliche verminderte Schuldfähigkeit des Beklagten, auf die noch einzugehen sein wird, stellt keinen Schuldausschlussgrund dar und lässt daher das Vorliegen eines Dienstvergehens unberührt. Damit bleibt festzustellen, dass der Beklagte sich in zwei Fällen des vorsätzlichen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung schuldig gemacht hat. Das hierin begründete innerdienstliche Dienstvergehen nach § 85 Abs. 1 LDG macht nach § 11 Abs. 2 LDG auch unter Berücksichtigung der erinnerten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 03. Mai 2007 (Az.: 2 C 9/06) die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis unausweichlich.

38

Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 11 Abs. 1 S. 2 LDG nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme ist demnach die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich und für Dritte, insbesondere nach der Höhe des entstandenen Schadens.

39

Das Bemessungskriterium "Persönlichkeitsbild des Beamten" erfasst dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten, vor, bei und nach der Tat. Es erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder einer psychischen Ausnahmesituation davon abweicht. Einen Aspekt des Persönlichkeitsbildes stellt auch tätige Reue dar, wie sie durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils noch vor der drohenden Entdeckung zum Ausdruck kommt.

40

Das Bemessungskriterium "Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit" erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion.

41

Aus den gesetzlichen Vorgaben des § 11 Abs. 1 S. 2 LDG folgt die Verpflichtung der Verwaltungsgerichte, aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte darüber zu befinden, ob der Beamte auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen wird, oder ob die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wiedergutzumachen ist. Ergibt die prognostische Gesamtwürdigung, dass ein endgültiger Vertrauensverlust noch nicht eingetreten ist, haben die Verwaltungsgerichte diejenige Disziplinarmaßnahme zu verhängen, die erforderlich ist, um den Beamten zur Beachtung der Dienstpflichten anzuhalten und der Ansehensbeeinträchtigung entgegen zu wirken (BVerwG a.a.O.).

42

Ausgehend von der Schwere des Dienstvergehens war im vorliegenden Einzelfall die Verhängung der Höchstmaßnahme gerechtfertigt, da keine Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung zu Gunsten des Beklagten derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist.

43

Durch betrügerisches Verhalten - egal ob innerhalb oder außerhalb des Dienstes - verletzt ein Beamter im Regelfall die ihm obliegende Pflicht, der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordert, in erheblichem Maße. Der betrügerisch handelnde Beamte setzt sich durch ein solches Verhalten vor allem erheblichen Zweifeln an seiner Vertrauenswürdigkeit aus. Die Verwaltung, die nicht jedes Verhalten ihrer Bediensteten kontrollieren kann, ist auf deren Ehrlichkeit und Redlichkeit angewiesen; schon deshalb erschüttert derjenige, der sich eines Betruges schuldig macht, im Regelfall das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit. Die angemessene disziplinarrechtliche Reaktion hängt jedoch von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (vgl. Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Kommentar, § 13 BDG Rnr. 34 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung).

44

Vorliegend hat der Beklagte unter Ausnutzung seiner dienstlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in mehreren Schritten unechte Gebührenquittungen hergestellt mit dem Ziel, diese bewusst im Rechtsverkehr einzusetzen und die dadurch zu Unrecht erlangten Gelder für sich zu verwenden. Entsprechend seinem Tatplan hat der Beklagte sodann zunächst zwei und dann wiederum eine dieser Urkunden bei Verkehrskontrollen eingesetzt, wobei er bewusst sein Auftreten als Polizeibeamter - im ersten Fall gegenüber einem der deutschen Sprache nicht mächtigen Verkehrsteilnehmer - ausgenutzt hat, um den Erfolg und zugleich die Verdeckung seiner Straftat zu gewährleisten. Ein derart planmäßig handelnder Polizeibeamter versagt im Kernbereich seiner Dienstpflichten und stellt seine Integrität und Vertrauenswürdigkeit als Beamter nicht nur gegenüber seinem Dienstherrn, sondern auch gegenüber der Allgemeinheit derart in Frage, dass allein aufgrund der Schwere des Dienstvergehens die Verhängung der Höchstmaßnahme in jedem Fall als indiziert anzusehen ist.

45

Das erhebliche Gewicht des Dienstvergehens spiegelt sich vorliegend unbeschadet der vorbenannten Erwägungen auch darin wider, dass das Strafgericht eine nicht unerhebliche Freiheitsstrafe trotz der umfangreich gewürdigten Strafzumessungserwägungen zu Gunsten des Beklagten verhängt hat. Zwar ist die im Strafverfahren ausgesprochene Strafe dann für das Disziplinarmaß nicht präjudiziell, wenn das Fehlverhalten des Beamten strafrechtlich und disziplinarrechtlich unterschiedliche Bedeutung hat. Hier aber schlägt die strafrechtliche Bedeutung auf die disziplinarrechtliche Wertung durch, weil Ansehensschädigung und Vertrauensbeeinträchtigung von der Straftat und ihren einzelnen Umständen abhängen, so dass die Einstufung des Falles und das Strafmaß auch präjudizielle Bedeutung für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1999, Az.: 1 D 72/97 - JURIS).

46

Weder das Persönlichkeitsbild des Beamten noch der Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit lassen vorliegend ausnahmsweise eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme zu. Insbesondere kann der Beklagte sich nicht auf ein persönlichkeitsfremdes Verhalten berufen. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Zugriffsdelikten hat als persönlichkeitsfremdes Verhalten solche Milderungsgründe anerkannt, die typischerweise Beweggründe oder Verhaltensweisen des Beamten umfassen, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben. Zum einen tragen sie existentiellen wirtschaftlichen Notlagen sowie körperlichen oder psychischen Ausnahmesituationen Rechnung, in denen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher nicht mehr vorausgesetzt werden kann. Sie erfassen das persönlichkeitsfremde Verhalten in einer finanziellen oder einer psychischen Ausnahmesituation. Darüber hinaus erfassen sie ein tätiges Abrücken von der Tat, insbesondere durch freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens vor drohender Entdeckung. Da diese Milderungsgründe nicht als abschließender Kanon der Entlastungsgründe anzusehen sind, müssen aber auch sonstige Gesichtspunkte berücksichtigt werden, die im Vergleich zu den Milderungsgründen geeignet sein können, den Schluss zu rechtfertigen, der Beamte habe das Vertrauensverhältnis noch nicht vollends zerstört. Generell gilt jedoch, dass deren Gewicht umso größer sein muss, je schwerer das Zugriffsdelikt aufgrund der Höhe des Schadens, der Anzahl und Häufigkeit der Zugriffshandlungen, der Begehung von "Begleitdelikten" und anderer belastender Gesichtspunkte im Einzelfall wiegt (BVerwG a.a.O.).

47

Auch in entsprechender Anwendung dieser auf Zugriffsdelikte zugeschnittenen Milderungsgründe kann der Beklagte sich nicht auf deren Vorliegen berufen. Zunächst lag der Wert des von ihm durch die Straftaten erlangten Vorteils unbestritten bei ca. 150 Euro und damit über der anerkannten Geringwertigkeitsschwelle von etwa 50 Euro.

48

Die Voraussetzungen des Milderungsgrundes der freiwilligen Offenbarung sowie der freiwilligen Wiedergutmachung des Schadens liegen ebenfalls nicht vor.

49

Dem Beamten kommt auch nicht der Milderungsgrund der unverschuldeten unausweichlichen finanziellen Notlage zugute (vgl. BVerwG, Urteil vom 06. Juni 2007, Az.: 1 D 2.06, Urteil vom 13. Mai 1997, Az.: 1 D 44.96 - JURIS). Dieser Milderungsgrund setzt voraus, dass der Zugriff auf das Bargeld bzw. das sich Verschaffen des Bargeldes zu dem Zweck erfolgt, eine für den Beamten existentielle Notlage abzuwenden oder zu mildern. In einer derart existentiellen finanziellen Notlage befand der Beklagte sich jedoch unstreitig zum Zeitpunkt der von ihm begangenen Verfehlungen nicht. Zwar waren seine finanziellen Verhältnisse aufgrund eines Darlehens und eines Dispositionskredits angespannt. Jedoch war der Lebensunterhalt seiner Familie zum hier maßgeblichen Tatzeitpunkt ebenso wie in den Jahren davor, in denen immer wieder finanzielle Engpässe zu verzeichnen waren, nicht bedroht. Unbeschadet dessen war der finanzielle Engpass in erster Linie durch den Bau eines Eigenheims selbst herbeigeführt, so dass auch keine unverschuldete Notlage vorlag, wie dies jedoch der Milderungsgrund voraussetzt. Im Übrigen war die zugespitzte finanzielle Situation auch nicht ausweglos, da der Beklagte Schuldnerberatungen um Rat und Hilfe hätte bitten können, wovon er jedoch keinen Gebrauch gemacht hat. Insofern entlastet ihn auch eine irrige Vorstellung von seiner finanziellen Notlage nicht, da er auch in diesem Fall fremde Hilfe hätte in Anspruch nehmen können.

50

Da der Beklagte darüber hinaus planmäßig vorgegangen ist, d.h. zunächst die Quittungsbelege gefertigt und sie nach Tagen erst bewusst eingesetzt hat, kann er sich auch nicht auf den Milderungsgrund eines einmaligen persönlichkeitsfremden Augenblicksversagens in einer besonderen Versuchungssituation berufen.

51

Es ist auch nicht der Milderungsgrund des Handelns in einer psychischen Ausnahmesituation gegeben. Eine solche Situation wird in aller Regel hervorgerufen durch den plötzlichen unvorhergesehenen Eintritt eines Ereignisses, das gemäß seiner Bedeutung für die besonderen Lebensumstände des Betroffenen bei diesem einen seelischen Schock auslöst, der seinerseits zur Begehung eines Dienstvergehens führt (BVerwG, Urteil vom 09. Mai 2001, Az.: 1 D 22.00 - JURIS -). Ein solcher Schock, der zudem kausal zur Begehung des hier angeschuldigten Dienstvergehens des Beklagten geführt haben könnte, ist indes nicht ersichtlich. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass der Beklagte - wie insbesondere der Gutachter Professor Dr. ... in seinem Gutachten vom 23. Juni 2008 anschaulich verdeutlicht - sich zu Beginn des Jahres 2007, bedingt durch den Bandscheibenvorfall seiner Ehefrau, die Diagnose eines Melanoms und die Befürchtung, dass die bereits 2004 an einem Guillain-Barre-Syndrom erkrankte Tochter einen Rückfall erlitten haben könnte, in einer schweren psychischen Belastungssituation befand, die, wie der Gutachter ausführt, zweifellos geeignet war, den Beklagten "nachhaltig zu erschüttern". Grundsätzlich kann auch nicht von vorneherein ausgeschlossen werden, dass die Konfrontation mit einer Erkrankung naher Familienangehöriger ein plötzliches unvorhergesehenes Ereignis im Sinne des vorgenannten Milderungsgrundes darstellen kann, welches schockartig auf die Seelenlage einwirken kann (vgl. Weis, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Kommentar, J 975 Rnr. 110). Auch verkennt das Gericht nicht, dass das im Zusammenhang mit dem Schock gezeigte Fehlverhalten kein schocktypisches Verhalten sein muss, und dass sich ein Schockzustand auch über einen längeren Zeitraum erstrecken kann (vgl. BVerwG vom 09. Mai 2001, Az.: 1 D 22/00 - JURIS). Der Annahme eines vom Bundesverwaltungsgericht lediglich geforderten schockbedingten Verhaltens stehen jedoch vorliegend die konkreten Tatumstände entgegen, denn diese müssen in jedem Fall indiziell belegen, dass ein kurzschlussartiges persönlichkeitsfremdes Fehlverhalten vorliegt. Die dem Beklagten konkret zur Last gelegte Tatausführung lässt jedoch gerade nicht auf eine kopflose oder panikartige Reaktion auf die Kenntnisnahme der Erkrankung seiner Familienangehörigen schließen. Wie der Beklagte insbesondere auch im Termin zur mündlichen Verhandlung dargelegt hat, erschienen ihm die Fertigung von Gebührenquittungen und deren nachträglicher Einsatz als "die Lösung für seine Probleme". Dementsprechend gab er auch beim Gutachter an: "Ich dachte, ich kriege damit alles in den Griff". Diese Äußerungen belegen, dass der Beklagte bewusst nach Lösungswegen gesucht hat, um insbesondere einen Ausweg aus seiner schlechten finanziellen Situation zu finden. Das Ergebnis seiner Überlegungen mündete darin, dass er einige Tage vor dem 13. Mai 2007 in einer Nacht Gebührenquittungen herstellte, die den tatsächlich verwendeten Quittungen ähnlich sahen. Die zunächst aus dem Gedächtnis heraus hergestellten Quittungen veränderte er in den nachfolgenden Tagen, um sie an die von der Polizei verwendeten Originalgebührenquittungen anzugleichen. All dies geschah in der vorgefassten Absicht, diese bei Verkehrskontrollen auch tatsächlich einzusetzen. Im Rahmen einer Verkehrskontrolle in der Nacht vom 13. auf den 14. Mai 2007 suchte der Beklagte sich sodann bewusst den spanischen Verkehrsteilnehmer ... aus, um gerade dessen Hilfslosigkeit aufgrund der mangelnden Sprachkenntnisse auszunutzen. Dabei war dem Beklagten auch bewusst, dass der LKW-Fahrer unter dem Eindruck, einem Polizeibeamten gegenüber zu stehen, die sodann ohne rechtliche Grundlage geforderten 70 Euro an ihn aushändigte. Um die Rechtmäßigkeit seiner Kontrolle zu untermauern, übergab er dem LKW-Fahrer sodann zwei der von ihm gefälschten Gebührenquittungen. Ein derart bewusst gewolltes, geplantes und zielstrebig ausgeführtes Handeln ist unter keinen Umständen geeignet, den Tatbestand eines schockbedingten Fehlverhaltens zu begründen.

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Bleibt damit dem Beklagten die Berufung auf die von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannten Milderungsgründe verwehrt, liegen darüber hinaus aber auch keine sonstigen Umstände vor, die den Schluss rechtfertigen könnten, dass der Beamte das Vertrauensverhältnis noch nicht vollends zerstört hat (vgl. BVerwG, a.a.O.).

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Als ein solcher entlastender Gesichtspunkt kommt grundsätzlich eine Tathandlung im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB in Betracht. Dass der Beklagte jedoch nicht im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit gehandelt hat, ergibt sich vorliegend aus dem bereits im Strafverfahren eingeholten Gutachten des Professor Dr. ... vom 23. Juni 2008, dessen Feststellungen weder im Strafverfahren noch im vorliegenden Disziplinarverfahren substantiiert in Frage gestellt wurden. Ausdrücklich hat der Bevollmächtigte des Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung folgerichtig keinen förmlichen Beweisantrag zum Zwecke weiterer Sachverhaltsaufklärung gestellt. Unabhängig davon drängen sich dem erkennenden Gericht keine Gründe auf, die von Amts wegen eine solche erforderlich machen könnten. Der Gutachter hat in seinem Gutachten in sich widerspruchsfrei und substantiiert dargelegt, dass das inkriminierte Verhalten unter Berücksichtigung der Persönlichkeitsstruktur des Beklagten und lebensgeschichtlichen Determinanten psychodynamisch zwar ein Stück weit nachvollziehbar werde, jedoch sowohl die Vorbereitungshandlungen als auch die Tatausführung nicht geeignet seien, eine erhebliche Beeinträchtigung seines Steuerungsvermögens nahezulegen. Dabei hat der Gutachter bewusst auch den Umstand eines möglichen Schuldwahns in seine Einschätzung mit einbezogen, der wiederum von Seiten des Dr. ..., Facharzt für psychotherapeutische Medizin, mit ärztlicher Bescheinigung vom 31. März 2010 als möglicher Grund für eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit in Erwägung gezogen wurde, ohne diese Möglichkeit jedoch bezogen auf die Feststellungen des Professor Dr. ... zu spezifizieren. Insgesamt gesehen stellen die Ausführungen des Dr. ... keinen qualifizierten Angriff der einzelnen fachlichen Schlussfolgerungen des Prof. Dr. med. ... dar, so dass sich die Notwendigkeit der Einholung eines erneuten Gutachtens auch von Amts wegen nicht erschließt.

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Der Beklagte kann sich schließlich auch nicht auf die Überwindung einer abgeschlossenen negativen Lebensphase berufen. Dabei ist der Beklagte zunächst darauf zu verweisen, dass zwar von einer Entfernung aus dem Dient abgesehen werden kann, wenn aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung auf der Grundlage aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Gesichtspunkte der Schluss gezogen werden kann, dass der Beamte künftig nicht mehr in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen wird (vgl. BVerwG a.a.O.). Eine prognostische Gesamtwürdigung, ob der Beamte auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen wird, ist jedoch grundsätzlich dann nicht mehr anzustellen, wenn die durch das Fehlverhalten des Beamten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums auch bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wiedergutzumachen ist (vgl. ebenfalls BVerwG a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30. Juli 2009, Az.: DB 16 S 2045/08 - JURIS). Dies ist vorliegend der Fall.

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Angesichts der oben dargelegten Umstände des konkreten Einzelfalls ist eine nicht wiedergutzumachende Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums eingetreten. Durch das betrügerische Verhalten und die vorangegangenen Urkundenfälschungen unter Ausnutzung seiner beamtenrechtlichen Stellung als Polizeibeamter hat der Beklagte auch bei Würdigung aller be- und entlastenden Gesichtspunkte, insbesondere einer im Anschluss an die Tatbegehung durchgeführten stationären und später ambulant fortgesetzten Behandlung, eine derart beamtenunwürdige Haltung an den Tag gelegt, die zu einer irreparablen Beschädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums geführt hat.

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Darüber hinaus ist vorliegend darauf zu verweisen, dass der vom Beklagten in Bezug genommene Fall, der der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 03. Mai 2007 (a.a.O.) zugrunde lag, mit dem vorliegenden Verfahren nicht zu vergleichen ist. In dem dort zur Entscheidung stehenden Verfahren litt der beklagte Beamte an einer Spielsucht, die bereits aufgrund ihrer pathologischen Natur das Vorliegen einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit nicht von vorneherein ausschließen ließ. Darüber hinaus wurde in dieser Entscheidung ausgeführt, dass nicht auszuschließen sei, dass der beklagte Beamte die angeschuldigten Beschaffungstaten unter dem Druck dieser pathologischen Spielsucht begangen habe und von daher Entgleisungen während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase vorliegen könnten. Für das Vorliegen einer vergleichbaren vollständig überwundenen negativen Lebensphase bestehen vorliegend keinerlei Anhaltspunkte. Ob eine solche vorliegt, obliegt allein der tatrichterlichen Feststellung. Zwar hat der Gutachter Professor Dr. ... in seinem Gutachten hierzu angemerkt, dass diese Voraussetzungen im Fall des Beklagten vorliegen könnten. Die hierzu vom Gutachter angestellten Erwägungen tragen jedoch diesen Schluss nicht. Insbesondere ist nicht ersichtlich, welche negative Lebensphase der Beklagte überwunden haben sollte. Unter Darstellung des Lebenslaufs des Beklagten verweist der Gutachter auf Persönlichkeitsdefizite, die im Jahr 1997 bereits zu einem "ersten Einbruch" beim Beklagten im Rahmen der Vorbereitung auf das Examen geführt hätten. Anschaulich verdeutlicht der Gutachter die enge wechselseitige Beziehung zwischen einer zwanghaften Wesensartung, wie beim Beklagten vorherrschend, und daraus resultierenden depressiven Störungen. Hierzu führt der Gutachter im Einzelnen aus, dass ein negatives Welt- und Menschenbild und die damit verbundene Armut an Lebensfreude dazu beitragen können, dass sich in Belastungssituationen Verstimmungen entwickeln. Auf der einen Seite sei es möglich, dass zwanghafte Persönlichkeitsmerkmale bei depressiver Verstimmung an Intensität zunehmen oder erstmals in störender Weise zutage treten, etwa in Folge der depressiven Selbstunsicherheit, Ängstlichkeit und Entscheidungsschwäche. Andererseits komme es nicht selten im Gefolge von Schwierigkeiten, die durch zwanghaftes Verhalten entstehen, zu reaktiv-depressiven Zuständen, wobei eine innere Verflechtung von zwanghaften Persönlichkeitsmerkmalen und depressiven Symptomen auftreten könne.

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Zu Beginn des Jahres 2007 kam es beim Beklagten - so der Gutachter - erneut zu einem Einbruch. Bestimmt war die Situation damals zum einen durch die unverändert an die Grenzen seiner Möglichkeiten gehende finanzielle Belastung, zum anderen durch die Erkrankung der Ehefrau und der Tochter. Diese Ereignisse leiteten beim Beklagten eine psychische Dekompensation ein, zu der ihn seine zwanghaft-abhängige Wesensstruktur disponierte. Damit belegt der Gutachter jedoch eindeutig, dass die Wesensstruktur des Beklagten zeit seines Lebens als "zwanghaft" zu kennzeichnen ist. Lediglich diese Persönlichkeitsmerkmale des Beklagten waren Anlass zu einer stationären und später ambulant fortgesetzten Behandlung des Beamten. Auch wenn mit dem Gutachter davon auszugehen ist, dass der Beklagte infolge dieser Therapien Einsicht gewonnen hat in die Determinanten der Tatbereitschaft, so kann hierin nicht das Überwinden einer - mit einer heilbaren Sucht vergleichbaren - negativen Lebensphase gesehen werden. Vielmehr steht generell die Wesensstruktur des Beklagten, nicht jedoch eine zu überwindende Lebensphase im Vordergrund der Überlegungen zu den möglichen Ursachen des Fehlverhaltens. Schließlich ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass beim Beklagten aktuell, d.h. nach der Begutachtung durch Professor Dr. ..., wegen einer psychischen Erkrankung, Persönlichkeitsstörung, ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt wurde, so dass offenkundig die durch die zwanghaft-abhängige Wesensstruktur disponierten depressiven Zustände ohnehin entgegen der Einschätzung des Gutachters nach wie vor fortbestehen.

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Zugunsten des Beklagten ist damit nur in Rechnung zu stellen, dass er sich in den Jahren seiner Dienstausübung nichts hat zu Schulden kommen lassen und er zuvor weder strafrechtlich noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten ist. Seine dienstlichen Leistungen und sein dienstliches Engagement waren - wie sich aus den Disziplinar- und Personalakten ergibt - besonders hervorzuheben. Allein diese Umstände vermögen jedoch ebenso wenig wie die Tatsache, dass der Beklagte sich unmittelbar nach Tataufdeckung umfassend geständig und reuig gezeigt hat, zum Absehen von der disziplinaren Höchstmaßnahme zu führen. Diese Gesichtspunkte sind nicht geeignet, die Schwere der Tat aufzuwiegen, die durch die konkreten Umstände der Tatausführung geprägt ist. Hier sei nochmals darauf hingewiesen, dass der Beklagte planmäßig und bewusst vorgegangen ist, um die von ihm hergestellten Gebührenquittungen einzusetzen. Beim Einsatz selbst hat er sich eines wehrlosen Opfers bedient, dies wiederum mit dem Ziel, seine Tathandlung unentdeckt bleiben zu lassen. Die Hilflosigkeit des ausländischen Verkehrsteilnehmers hat der Beamte zunächst bewusst dadurch ausgenutzt, dass er ihm einen nicht vorhandenen Verkehrsverstoß vorgehalten hat. Dann hat er eine Gebührenquittung über 30 Euro ausgestellt und nachfolgend noch eine weitere, nachdem er gesehen hat, dass Herr ... mehr Bargeld bei sich führte. Selbst wenn dem Beklagten unterstellt werden kann, dass er nach dem Einsatz der Gebührenquittungen - wie beim Gutachter angegeben - ein Wechselbad der Gefühle durchlebt hat, so sah er sich dennoch zu keinem Zeitpunkt veranlasst, den Unrechtsgehalt seines Handelns zu reflektieren und sich eines besseren zu besinnen. Stattdessen wiederholte der Beklagte den Einsatz der von ihm gefälschten Gebührenquittungen wenige Tage später ein weiteres Mal, so dass er insgesamt durch seine Verfehlungen einen wirtschaftlichen Vorteil von etwa 150 Euro erlangt hat. Hierdurch hat der Beamte insgesamt ein Verhalten an den Tag gelegt, welches den Schluss nahelegt, dass er sich bereits so weit von seinem Pflichtenkreis als Polizeibeamter entfernt hat, dass er für den öffentlichen Dienst nicht mehr tragbar ist. Auch unter Berücksichtigung des Eindrucks, den der Beamte im Termin zur mündlichen Verhandlung hinterlassen hat, wo die gesundheitlichen Probleme des Beklagten offen zutage getreten sind, bieten sich dem Gericht dennoch keine Anhaltspunkte dafür, dass ihm noch ein Rechtsvertrauen in eine ordnungsgemäße Pflichtenerfüllung entgegengebracht werden könnte. Insgesamt kann daher nur festgestellt werden, dass der Beklagte aus allein eigennützigen Motiven seinen privaten Belangen Vorrang vor den dienstlichen eingeräumt hat. Eine Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis erweist sich von daher als unvermeidlich.

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Zu einem anderen Ergebnis kann auch nicht der Grundsatz der Wahrung der Verhältnismäßigkeit führen. Die in der Entfernung liegende Härte ist für den Beamten - auch unter familiären und wirtschaftlichen Gesichtspunkten - nicht unverhältnismäßig, weil sie auf ihm zurechenbarem Verhalten beruht und zudem der Aufrechterhaltung der Integrität und Funktionsfähigkeit sowie auch der Wahrung des Ansehens des Berufsbeamtentums und damit dem Interesse der Allgemeinheit dienen.

60

Die Kostenentscheidung beruht auf § 99 Abs. 1 LDG; gerichtliche Disziplinarverfahren sind gebührenfrei (§ 109 Abs. 1 LDG).

61

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 20 LDG i.V.m. §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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