Urteil vom Verwaltungsgericht Trier (8. Kammer) - 8 K 2669/19.TR

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer tierschutzrechtlichen Anordnung.

2

Der Kläger hält Schafe auf dem Gebiet des Beklagten. Die Schafshaltung wurde durch das Veterinäramt des Beklagten mehrfach kontrolliert.

3

Im ... 2016 erfolgte eine anonyme Anzeige über eine nicht artgerechte Schafshaltung bei der Polizeiinspektion .... Infolgedessen kam es am 5. April 2016 zu einer Kontrolle durch das Veterinäramt des Beklagten. Bei der Kontrolle wurden ca. 100 Mutterschafe und Lämmer festgestellt. Der Ernährungszustand sei gut gewesen, der Pflegezustand entsprechend der Witterung mäßig. Es habe sich kaum noch Aufwuchs auf der Weide befunden. Aufgrund des fehlenden Unterstandes hätten sich die Tiere auf dem Futterwagen gedrängt. Vor allem junge Schafe hätten den Wagen als „trockenen“ Liegeplatz genutzt. Dadurch sei das Futter teilweise mit Kot verschmutzt gewesen. Der Bereich unter den Bäumen sei stark vermoost gewesen, was darauf hinweise, dass die Tiere seit längerem Schutz vor der Witterung suchten. Ein trockener und sauberer Liegeplatz habe nicht zur Verfügung gestanden. Nach telefonischem Kontakt mit dem Kläger habe die Amtstierärztin angeordnet, dass ein Unterstand bereitgestellt werden müsse, der mit Stroh einzustreuen sei.

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Am 3. Mai 2016 kam es zu einer erneuten Kontrolle durch eine Amtstierärztin des Beklagten. Es seien ca. 100 Schafe und Lämmer angetroffen worden. Der Futterwagen sei auf die neue Weide verbracht worden. Ein Unterstand, wie bei der vorherigen Kontrolle angeordnet, sei nicht vorhanden gewesen. Mehrere Schafe und Lämmer hätten sich unter den wenigen Ästen der Bäume am Rande der Weide aufgehalten, um vor den widrigen Witterungsbedingungen etwas Schutz zu finden. Vor allem die Lämmer hätten wieder den Futterwagen als Unterstand genutzt. Die Tiere hätten im Futter gelegen und gestanden. Daher sei dieses mit Kot und Urin versetzt gewesen. Heu und Silage seien auf der Wiese abgelegt und von schlechter Qualität gewesen, da diverse Schimmelnester erkennbar gewesen seien. Die Altschafe seien überwiegend in einem mäßigen bis schlechten Pflegezustand gewesen. Das Vlies sei teilweise verfilzt gewesen, wie es nach nicht oder nicht sachgemäß durchgeführter Schur im Vorjahr auftrete. Zudem sei das Vlies witterungsbedingt verschmutzt gewesen, zum Teil hätten ganze Lappen vom Vlies heruntergehangen.

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Bei einer Kontrolle am 8. Juni 2016 seien erneut ca. 100 Mutterschafe und Lämmer angetroffen worden. Alle Tiere hätten ein durchnässtes Haarkleid gezeigt. Die Altschafe hätten erneut einen mäßig-schlechten Pflegezustand aufgewiesen. Zudem habe es im Anogenitalbereich Verschmutzungen durch Kot und Urin, unter Umständen auch durch Vaginal-/Uterussekret während der Ablammung, gegeben. Das Vlies sei teilweise verfilzt und verklebt sowie verfärbt gewesen. Teilweise sei auch ein Ablösen des Vlieses festzustellen gewesen. Durch die feuchte oder nasse Wolle hätte keine hinreichende Wärmeisolierung erfolgen können. Zudem sei gerade bei Muttertieren das Freischeren der Genitalregion und des Euters für eine optimale Geburtshygiene und den besseren Zugang zum Euter für die Lämmer erforderlich. Nach Angaben des Klägers seien seine Schafe zuletzt im Januar 2015, vereinzelt auch im Juli 2015, geschoren worden. Man habe darüber hinaus versucht, eine Woche zuvor zu scheren, dies aber wegen der nassen und dichten Wolle nicht durchführen können. Dies solle jedoch schnellstmöglich nachgeholt werden.

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Eine weitere Kontrolle fand am 18. August 2016 statt. Es seien ca. 100 Altschafe und ca. 30 Lämmer in gutem Ernährungszustand vorgefunden worden. Der Pflegezustand der Tiere sei zum Teil mäßig gewesen. Diverse Tiere seien zum Teil stark mit Kletten behaftet gewesen und hätten eine kotverschmierte Anogenitalregion aufgewiesen. Ein Altschaf habe ein unklares Gangbild gehabt, ein Jungtier sei lahm gewesen.

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Aufgrund einer tierschutzrechtlichen Anzeige kam es am 24. Juli 2018 zu einer weiteren Kontrolle der Schafshaltung des Klägers durch eine Amtstierärztin des Beklagten. Es seien Altschafe und Jungtiere angetroffen worden. Der Großteil der Altschafe sei nicht geschoren gewesen. Die Tiere hätten sich fast ausschließlich im Schatten aufgehalten und sich größtenteils auf den Erdboden gedrückt. Sie hätten eine schnelle, pumpende Atmung gezeigt. Die Temperatur habe zum Zeitpunkt der Kontrolle im Schatten 22°C betragen. Die Schur habe daher schnellstmöglich durchgeführt werden müssen. Die letzten sechs Wochen habe es anhaltende Trockenheit und starke Hitze gegeben. Auf telefonische Nachfrage habe der Kläger erklärt, dass er aufgrund von Erntearbeiten noch nicht zur Schur gekommen sei. Er habe jedoch zugesichert, die Schur bis zum 31. Juli 2018 durchzuführen. Daher sei eine Nachkontrolle für den 1. August 2018 angekündigt worden.

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Bei der Kontrolle am 1. August 2018 seien die Tiere an einen anderen Standort verbracht gewesen. Mindestens zwei Altschafe seien jedoch nicht geschoren gewesen.

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Nach Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 13. August 2018 wurde am 12. November 2018 eine tierschutz- und tierseuchenrechtliche Verfügung gegen den Kläger erlassen. Nach Ziffer 1 des Bescheides sind alle gehaltenen Schafe regelmäßig, d. h. jährlich mindestens einmal zu scheren oder scheren zu lassen. Als Richtzeit für die Schur ist der Zeitraum Mitte Mai bis Ende Juni zu nennen. Nach Ziffer 2 sind die angeordneten Maßnahmen in dem unter Ziffer 1 genannten Zeitraum, witterungsbedingt aber spätestens zwei Wochen danach durchzuführen oder durchführen zu lassen. In Ziffer 3 wird für den Fall, dass der Kläger den vorgenannten angeordneten Maßnahmen innerhalb der genannten Frist nicht, nicht ausreichend bzw. nicht vollständig nachkommt, auf Grundlage der §§ 61, 62, 64 und 67 Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz - LVwVG - ein Zwangsgeld i.H.v. 500 € angedroht. In Ziffer 4 wird gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO für die angeordneten Maßnahmen die sofortige Vollziehung angeordnet. Zur Begründung führt die Beklagte aus, dass die Tiere nicht entsprechend ihrer Bedürfnisse gepflegt und verhaltensgerecht untergebracht worden seien. Insbesondere die einmal jährlich durchzuführende Schur, wie sie sich aus verschiedenen sachverständigen Empfehlungen ergebe, sei nicht durchgeführt worden. Daher drohe eine Verfilzung und Verschmutzungen. Dadurch verliere das Vlies die schützende, isolierende Wirkung. Es bestehe das Risiko des tierschutzrelevanten Hitzestaus. Zudem seien die Tiere durch die Schwere der Wolllast unnötig in der Bewegung eingeschränkt und belastet. Auch bestehe die Gefahr eines unbemerkten Hautparasitenbefalls.

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Ebenfalls am 12. November 2018 wurde durch den Beklagten ein Bescheid zu Gebühren und Auslagen gegenüber dem Kläger erlassen. Darin wurden Gebühren i. H.v. 23,40 € und Auslagen i.H.v. 4,11 €, insgesamt ein Betrag von 27,51 €, festgesetzt.

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Gegen die tierschutz- und tierseuchenrechtliche Verfügung vom 12. November 2018 und gegen den Gebührenbescheid vom 12. November 2018 erhob der Kläger Widerspruch. Die Widersprüche wurde mit Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2019, zugestellt am 9. Mai 2019, zurückgewiesen. Im Widerspruchsbescheid wird ausgeführt, dass die Angabe des Zeitraumes von Mitte Mai bis Ende Juni hinreichend bestimmt sei. Der Kläger komme der Anordnung nach, wenn er die Schur bis zum 30. Juni eines Jahres durchführe. Mithin verletze er seine Pflicht erst, wenn er die Schur bis zum 1. Juli eines Jahres nicht durchgeführt habe. Der Kläger hätte am 24. Juli 2018 einen Großteil der Altschafe nicht geschoren. Auch am 1. August 2018 seien zwei Alttiere nicht geschoren gewesen, obwohl der Kläger dies anlässlich eines Telefonates mit dem Amtsleiter des Veterinäramtes zugesichert habe. Dies stelle einen Verstoß gegen die tierschutzrechtliche Bestimmung des § 2 Nr. 1 Alt. 2 Tierschutzgesetz dar, den es auch zukünftig zu verhindern gelte. Bei überwiegender Weidehaltung sei mindestens eine jährliche Schur der Schafe vorzunehmen und zwar im Zeitraum Mitte Mai bis Ende Juni. Ob es tatsächlich zu Schmerzen, Leiden oder Schäden für das Tier gekommen sei, sei bei der Betrachtung zunächst nicht erheblich. Entscheidend sei, dass das Haltungssystem es dem Tier ermögliche, diejenigen Merkmale auszubilden und zu erhalten, die von Tieren der gleichen Art/Rasse unter natürlichen bzw. naturnahen Bedingungen gezeigt würden. Für die Ermittlung der Verhaltensbedürfnisse und der daraus resultierenden Anforderungen an eine verhaltensgerechte Unterbringung sei unter anderem auf einschlägige tiermedizinische und verhaltenswissenschaftliche Gutachten, Merkblätter und Checklisten abzustellen. Nach diesen Empfehlungen müssten erwachsene Schafe, die erblich bedingt keinen Wollwechsel aufwiesen, mindestens einmal pro Jahr vollständig geschoren werden. Dies gelte für alle heimischen Wollschafrassen einschließlich der Heid- und Moorschnucken. Der späteste Termin solle vier Monate vor Beginn der kalten Jahreszeit liegen, um eine Auskühlung der Schafe zu vermeiden. Die Anforderungen, die sich aus diesen Gutachten, Merkblättern und Checklisten ergäben, habe der Kläger nicht erschüttert. Er habe nicht plausibel vorgetragen, dass die von ihm konkret gehaltenen Schafe solcher Rasse seien, die eine jährliche Schur nicht erfordern würden. Selbst wenn die Tiere die Wolle von selbst verlieren würden, besage die Verfügung nichts anderes, als dass zu Beginn der heißen Jahreszeit sicherzustellen sei, dass die Tiere ihr Wollkleid verloren hätten. Dann sei nach Empfehlungen eine Schur durchzuführen. Der Kläger räume selbst ein, dass die Schafe jährlich geschoren werden sollten, wende sich jedoch ausdrücklich gegen den von dem Beklagten vorgegebenen Zeitraum. Es seien auch keine Ermessensfehler erkennbar. Auch die Androhung des Zwangsgeldes sei nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der Höhe des Zwangsgeldes sei die Gefahr für das Wohl der Tiere zu berücksichtigen. Im Gebührenbescheid dürfe der tatsächlich angefallene Zeitaufwand der tätig gewordenen Bediensteten in Ansatz gebracht werden.

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Mit seiner am 11. Juni 2019 - Pfingstdienstag - erhobenen Klage wendet sich der Kläger gegen die behördlichen Anordnungen. Die Bescheide seien rechtswidrig. Die tierschutzrechtliche Anordnung sei bereits widersprüchlich. Wenn man vier Monate vor der kalten Jahreszeit die Tiere von der Wolle befreien solle, müsse man beachten, dass erst im November oder Dezember die kalte Jahreszeit beginne. Daher sei der vom dem Beklagten festgesetzte Zeitraum zu früh angesetzt. Mithin sei eine Schur auch noch Ende Juli bzw. Anfang August möglich. Wenn die Richtzeit jedoch nach vorne und hinten verschoben werden könne, sei dies für eine Vollstreckung nicht heranzuziehen. Die Schur müsse vielmehr im Einzelfall geprüft werden. Die Herde werde ganzjährig im Freien gehalten und sei eine Mischung aus Texelschaf und Heidschnucke. Die Tiere seien an das Klima völlig akklimatisiert. Die Rasse sei sehr robust und wechsele jährlich das Fell bzw. Haarkleid von selbst. Sollte es zu Problemen kommen, werde geschoren. Der Zeitraum Ende Mai bis Ende Juni sei dabei zu starr und würde dem Einzelfall nicht gerecht. Zudem liege die thermoneutrale Temperatur bei Schafen zwischen -15°C und 25°C, sodass bei dieser kein zusätzlicher Energieaufwand erforderlich sei, um die Körpertemperatur aufrechtzuerhalten. Zudem würden die fellbewachsenen Oberflächen nicht oder kaum zur Ableitung von Hitze verwendet. Das Schaf suche sich vielmehr einen Liegeplatz. 22°C stellten darüber hinaus auch keine Extremtemperatur dar. Zudem habe das Amtsgericht ... den Kläger freigesprochen. Der Nachweis, dass den Tieren Leiden oder erhebliche Schmerzen zugefügt worden seien, habe gerade nicht geführt werden können. Auch Temperaturen um 30°C seien keine Extremtemperatur, damit kämen die Schafe gut zurecht. Er - der Kläger - habe auch nie gesagt, dass er aufgrund der Ernte nicht zur Schur gekommen sei. Vielmehr sei ihm durch den Amtsleiter des Veterinäramtes gedroht worden, dass etwas passiere, sollten die Schafe nicht geschoren werden. Auch am 1. August 2018 habe man keine tierschutzwidrigen Zustände feststellen können. Eine Schur schütze darüber hinaus auch nicht vor Ektoparasiten. Diese seien in der Region in erster Linie Zecken. Vor solchen könne die Wolle jedoch gerade schützen. Zudem stünden die Ziffern 1, 2 und 3 der tierschutzrechtlichen Verfügung im Widerspruch zu den Ausführungen auf Seite 3 des Bescheides. Es handele sich vielmehr um eine Richtzeit, da auch auf den Zeitpunkt „spätestens vier Monate vor Beginn der Kälteperiode“ Bezug genommen werde. Eine Richtzeit könne jedoch nicht als verbindlich herangezogen werden. Zudem habe der Kreisrechtsausschuss erstmalig davon gesprochen, dass den Tieren erhebliche Schmerzen und Leiden zugefügt worden seien. Es sei jedoch gerade nicht festgestellt worden, dass das Wohlbefinden der Tiere schlecht gewesen sei. Eine jährliche Schur sei nicht notwendig. Die Verfügung verlange nur, dass zu Beginn der heißen Jahreszeit sicherzustellen sei, dass die Tiere ihre Wolle verloren hätten. Aus der Verfügung folge aber auch, dass die Tiere zu scheren seien, unabhängig davon, ob sie das Wollkleid verloren hätten oder nicht. Die Tiere hätten auch keinen Stress, solange sie sich in ihrem thermoneutralen Temperaturfenster bewegten. Soweit der Beklagte ausführe, dass es nur darauf ankomme, dass das Wollkleid verloren gehe, gehe dies fehl. Die Verfügung spreche davon, dass die Schafe einmal im Jahr zu scheren seien. Für den Fall der unterlassenen Schur sei ein Ordnungsgeld angedroht. Bei den Tieren handle es sich auch nicht um reine Wollschafe.

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Der Kläger beantragt,

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die Verfügung vom 12. November 2018 und den Gebührenbescheid vom 12. November 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 2019 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Der Beklagte nimmt Bezug auf die Ausführungen in dem Bescheid und dem Widerspruchsbescheid. In der Woche der Kontrolle hätten die Temperaturen bei 30°C gelegen. Im Rahmen der Gefahrenabwehr seien die maximal zu erwartenden Temperaturen heranzuziehen. Selbst wenn die Tiere die Wolle selbst verlieren würden, müsse zu Beginn der heißen Jahreszeit sichergestellt sein, dass die Tiere ihr Wollkleid verloren hätten. Sofern die Wolle abgefallen sei, sei der Kläger durch die Schur nicht weiter belastet. Ob es tatsächlich zu einem Leiden oder Schmerzen gekommen sei, sei irrelevant.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten und Unterlagen verwiesen. Ferner wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet und hat daher keinen Erfolg.

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Die tierschutz- und tierseuchenrechtliche Verfügung vom 12. November 2018 (dazu A.) und der Bescheid über Gebühren und Auslagen vom 12. November 2018 (dazu B.), jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 2019 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

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A. Die tierschutz- und tierseuchenrechtliche Verfügung vom 12. November 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 2019 ist rechtmäßig. Sie basiert auf einer tauglichen Ermächtigungsgrundlage (dazu I.) und ist formell (dazu II.) sowie materiell (dazu III.) rechtmäßig. Die Androhung des Zwangsmittels begegnet keinen rechtlichen Bedenken (dazu IV.)

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I. Der erforderliche Ermächtigungsgrundlage findet sich in § 16a Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 1 i.V.m. § 2 Tierschutzgesetz - TierSchG - für die Ziffern 1 und 2 des Bescheides.

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11. Die streitgegenständliche Verfügung erging formell rechtmäßig. Die Zuständigkeit des Beklagten folgt aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 Landesverordnung über Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Tierschutzrechts. Der Kläger wurde vor Erlass der Verfügung mit Schreiben vom 13. August 2018 angehört.

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III. Der Bescheid ist materiell rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage sind erfüllt (dazu 1.), der Bescheid ist hinreichend bestimmt (dazu 3.) und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wurde gewahrt (dazu 2.). Die Einwendungen des Klägers stehen dem nicht entgegen. Den vom Kläger hilfsweise gestellten Beweisanträgen war nicht nachzugehen (dazu 4.).

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1. Nach § 16a Abs. 1 S. 1 TierSchG trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie kann nach § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TierSchG insbesondere im Einzelfall die zur Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erforderlichen Maßnahmen anordnen.

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Nach § 2 Nr. 1 TierSchG muss derjenige, der ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, es angemessen ernähren, pflegen und unterbringen. Eine Anordnung zur Erfüllung der Anforderungen des § 2 Nr. 1 TierSchG ergeht, wenn in einer Tierhaltung eines derjenigen Verhaltensbedürfnisse, die sich den Oberbegriffen „Ernährung“, „Pflege“ oder „verhaltensgerechte Unterbringung“ zuordnen lassen, unangemessen zurückgedrängt wird. Darauf, ob die Unterdrückung des jeweiligen Verhaltensbedürfnisses zu Schmerzen, Leiden oder Schäden für das Tier führt, kommt es bei diesen Grundbedürfnissen nicht an (VG Würzburg, Urteil vom 12. März 2009 - W 5 K 08.799 -, juris, Rn. 20, m.w.N.). Die (Körper-)Pflege gehört zu den Funktionskreisen der Tiere, in denen sich deren Bedürfnisse manifestieren und die dem Schutz des allgemeinen Wohlbefindens des Tieres dienen (Lorz/Metzger, Tierschutzgesetz, 7. Aufl. 2019, § 2 TierSchG Rn. 17). Die Behörde handelt zur „Verhütung künftiger Verstöße“ im Sinne des § 16a Satz 1 TierSchG in Anlehnung an das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht, wenn die konkrete Gefahr eines tierschutzwidrigen Verhaltens oder Sachverhalts besteht. Dies setzt voraus, dass zum Zeitpunkt der behördlichen Prognose - ex ante - bereits hinreichend konkret absehbar ist, dass eine Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit Wahrscheinlichkeit zu einem tierschutzrechtlichen Verstoß führen wird (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. August 2012 - 1 S 1281/12 -, juris, Rn. 3 m.w.N.).

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Diese Grundsätze zugrunde gelegt, sind die Schafe des Klägers zu scheren, da sie keinen natürlichen Wollwechsel dergestalt aufweisen, dass es keiner zusätzlichen Pflegemaßnahmen durch den Kläger bedürfte. Es liegt daher ein Verstoß i.S.d. § 16a Abs. 1 S. 1 TierSchG vor, den es zukünftig zu verhindern gilt. Die Gefahr eines tierschutzwidrigen Verhaltens hat sich damit bereits realisiert und droht auch in Zukunft wieder (dazu b.). Auch der angeordnete Zeitpunkt für die Durchführung der Schur begegnet keinen rechtlichen Bedenken (dazu c.). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Notwendigkeit der Schur ist dabei die letzte Behördenentscheidung (dazu a.).

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a. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. Bei dem vorliegenden Gebot, die Tiere zu scheren, handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt. Ein Dauerverwaltungsakt ist in seinen Wirkungen auf Dauer angelegt und dadurch gekennzeichnet, dass er sich nicht in einem einmaligen Ge- oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft, sondern ein auf Dauer berechnetes oder in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründet oder inhaltlich verändert. Es gibt keine prozessrechtliche Norm, wonach es bei einer Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt für die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung stets auf die Sachlage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung und bei einem Dauerverwaltungsakt dagegen stets auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ankommt. Der maßgebliche Zeitpunkt richtet sich vielmehr nach dem materiellem Recht (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. März 2004 - 8 C 5.03 -, juris, Rn. 35 m.w.N.). Die tierschutzrechtliche Ermächtigungsgrundlage in § 16a Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 1 TierSchG dient dem Schutz der Tiere und mithin der Gefahrenabwehr. Für die Beantwortung der Frage, ob eine Gefahr vorliegt, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass maßgeblich die ex-ante-Betrachtung heranzuziehen ist. Die Prognose ist danach auf der Grundlage der im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten zu treffen (vgl. Oberverwaltungsgericht RP, Beschluss vom 15. Juli 2011 - 7 B 10594/11 -, juris Rn. 6, m.w.N.). Mit der streitgegenständlichen Anordnung wird die gesetzliche Verpflichtung zum Zeitpunkt der Kontrolle und für die Zukunft konkretisiert. Würde nach jeder Schur die Frage der Notwendigkeit der Anordnung erneut gestellt, würde dies praktikablem Verwaltungshandeln ebenso zuwiderlaufen wie Sinn und Zweck des Tierschutzgesetzes, nämlich eine effektive Verhütung künftiger Verstöße zu ermöglichen. Maßgeblich ist daher die letzte Behördenentscheidung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der auch in die Zukunft gerichteten Maßnahme. Änderungen in der Sache kann durch einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens Rechnung getragen werden.

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b. Die Schafe des Klägers sind entsprechend der behördlichen Anordnung mindestens einmal jährlich zu scheren. Die nicht erfolgte Schur der Schafe stellt einen Verstoß gegen § 2 Nr. 1 Var. 2 TierSchG - das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen zu pflegen - dar, den es auch zukünftig zu verhindern gilt. Die Gebote und Verbote des § 2 TierSchG sind unmittelbar aus sich selbst heraus geltendes Recht, das auch ohne aufgrund von § 2a TierSchG erlassenen Rechtsverordnungen zu beachten ist (VG Mainz, Beschluss vom 13. Juni 2016 - 1 L 187/16.MZ -, juris, Rn. 11). Für die Ermittlung, was zu einer angemessenen Pflege gehört und die daraus resultierenden Anforderungen, kann zunächst auf die aufgrund des § 2a TierSchG erlassene Rechtsverordnungen zurückgegriffen werden. Die insofern einschlägige Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung enthält für die Haltung von Schafen nur allgemeine Anforderungen. Daher ist ergänzend auf einschlägiges tiermedizinisches und verhaltenswissenschaftliches Schrifttum zurückzugreifen (vgl. VG Mainz, Beschluss vom 13. Juni 2016 - 1 L 187/16.MZ -, juris, Rn. 16). Diese Stellungnahmen werden von entsprechenden Fachkreisen erstellt und geben allgemeine Haltungsempfehlungen und Leitlinien, die den Umgang mit Tieren, bezogen auf eine Vielzahl von vergleichbaren Fällen zu den spezifischen Verhaltensbedürfnissen von Tiergruppen unter bestimmten Haltungsbedingungen oder bei bestimmten Nutzungen spezifizieren (Lorz/Metzger, Tierschutzgesetz, 7. Aufl. 2019, Einführung Rn. 89). Die Pluralität der beteiligten Personen gewährleistet, dass die Leitlinien einerseits eine Zusammenfassung verlässlicher und gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis über den Bedarf der Tiere darstellen, andererseits den Notwendigkeiten praktischer Tierhaltung Rechnung tragen. Daher können ihnen aussagekräftige Anhaltspunkte für die tierschutzgerechte Ausgestaltung der Haltung von Schafen entnommen werden (vgl. zur Pferdehaltung und den dort bestehenden Leitlinien: ThürOVG, Urteil vom 28. September 2000 - 3 KO 700/99 - juris, Rn. 37, m.w.N.). Bei diesen Leitlinien und Empfehlungen handelt es sich um antizipierte (allgemeine, generelle) Sachverständigengutachten (Lorz/Metzger, Tierschutzgesetz, 7. Aufl. 2019, Einführung Rn. 89). Maßgeblich für die Haltung der Schafe sind dabei folgende antizipierten Sachverständigengutachten: Land Niedersachsen - Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Tierschutz: Empfehlungen für die ganzjährige und saisonale Weidehaltung von Schafen, 3. Aufl. 03/2009; Ständiger Ausschuss des Europäischen Übereinkommens zum Schutz von Tieren in Landwirtschaftlichen Tierhaltungen, Empfehlungen für das Halten von Schafen, angenommen vom Ständigen Ausschuss am 6. November 1992; Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V. (TVT), Hinweise für die Wanderschafhaltung in der kalten Jahreszeit; Merkblatt Nr. 91, Stand: November 2006; Landesuntersuchungsamt Rheinland-Pfalz, Merkblatt für Tierhalter, Ganzjährige Weidehaltung von Schafen und Ziegen, Stand: 17. Februar 2014.

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Das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit führt dazu auf S. 21 und 22 aus:

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„Erwachsene Schafe, die erblich bedingt keinen Wollwechsel aufweisen, müssen mindestens einmal pro Jahr vollständig geschoren werden. Dies gilt für alle heimischen Wollschafrassen einschließlich der Heid- und Moorschnucken. Unterbleibt die regelmäßige Schur, wird das Wärmeregulationsvermögen empfindlich gestört, die Ektoparasitenbelastung kann stark zunehmen und die neugeborenen Lämmer haben Schwierigkeiten, die Zitzen zu finden. Im Frühjahr darf frühestens nach den Eisheiligen (Mitte Mai), besser noch nach der Schafskälte (Anfang Juni) geschoren werden. Bei ganzjähriger Weidehaltung sollte der späteste Schurtermin vier Monate vor Beginn der kalten Jahreszeit liegen, um eine Auskühlung der Schafe zu vermeiden. Als Richtzeit für die Schur sollte der Zeitraum Mitte Mai bis Ende Juni eingehalten werden. Bei Mutterschafen ist ein Freischeren des Genitalbereichs und des Euters vor der Geburt ratsam, um eine optimale Geburtshygiene zu gewährleisten und darüber hinaus den Lämmern einen besseren Zugang zum Euter zu ermöglichen.“

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Auch der Ständige Ausschuss des Europäischen Übereinkommens zum Schutz von Tieren in Landwirtschaftlichen Tierhaltungen empfiehlt in Art. 15 Empfehlungen für das Halten von Schafen, dass erwachsene Schafe von Wollrassen mindestens einmal im Jahr geschoren werden müssen. Auch die Hinweise für die Wanderschafhaltung in der kalten Jahreszeit, Merkblatt Nr. 91 der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e.V. (TVT), empfehlen eine jährliche Schur vor der warmen Jahreszeit und legen als Zeitpunkt der Schur in Deutschland Mai/Juni nahe. Zuletzt kommt auch das Landesuntersuchungsamt Rheinland-Pfalz in seinem Merkblatt für Tierhalter, Ganzjährige Weidehaltung von Schafen und Ziegen, zu dem Schluss, dass

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„bewollte Tiere ohne eigenen Wollwechsel einmal im Jahr zu scheren sind, wobei der Termin der Schur zwischen Mitte Mai und Ende Juni liegen sollte, damit die Tiere zum Winter wieder ausreichend bewollt sind.“

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Aufgrund dieser vorgenannten antizipierten Sachverständigengutachten folgt, dass eine Schur der Wollschafe ohne natürlichen Wechsel der Wolle mindestens einmal im Jahr zu erfolgen hat. Insbesondere aus den Ausführungen des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit folgt, dass dies für alle heimischen Wollschafsrassen einschließlich der Heid- und Moorschnucken folgt. Daher sind auch die Schafe des Klägers, nach dessen eigenen Angaben eine Mischung aus Texelschaf und Heidschnucke, von den Empfehlungen erfasst.

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Das Erfordernis einer jährlichen Schur im konkreten Einzelfall folgt auch aus dem vom Beklagten vorgelegten Gutachten des Herrn Dr. ..., Fachtierarzt für kleine Wiederkäuer, ..., Fachbereich ..., Klinikum ..., Klinik für ... (Bl. ... Prozessakte).

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Dr. ... führt in seinem Gutachten bezüglich der Kontrolle am 24. Juli 2018 aus, dass

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„die Tiere eindeutig lang abwachsendes Vlies tragen. [...]. Grundsätzlich gilt, dass Wolle für Schafe eine Isolationswirkung bei Kälte, aber auch bei Wärme besitzt und so die Tiere vor schlechten Witterungseinflüssen in beiden Richtungen schützen kann. Ein normaler, physiologischer „Wollabwurf“ oder „Wollwechsel“ wie z.B. der Fellwechsel bei anderen Tierarten findet beim Schaf züchterisch bedingt nicht mehr statt. Die Wollschafe müssen daher einmal im Jahr geschoren werden, um das Mikroklima aufrechtzuhalten. [...]. Wird die Wolle zu lang oder werden die Schafe nicht rechtzeitig geschoren, kann es zum Verlust der schützenden isolierenden Wirkung kommen, da das Fließ verfilzt. Bei anhaltend heißen Außentemperaturen kommt es somit zum Hitzestau für die Tiere, den sie nicht mehr kompensieren können und leiden.“

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Weiter führt Dr. ... aus, dass bei einzelnen Schafen eindeutig zu langes Vlies mit der Tendenz zum Verfilzen zu erkennen ist. Dadurch wird diesen Tieren bei heißen Außentemperaturen jegliche Kompensationsmöglichkeit genommen und es droht ein akuter Hitzestau. Der zur Verfügung stehende Schatten auf den Bildern reicht nicht aus, um eine signifikante Linderung zu verschaffen. Darüber hinaus belegt der Kontrollbericht der Amtstierärztin vom 24. Juli 2018, dass die Tiere sich fast ausschließlich im Schatten bewegten und eine schnelle pumpende Atmung zeigten. Die Einschätzung hinsichtlich der schnellen pumpenden Atmung ist angesichts des von dem Beklagten eingereichten Videomaterials, das von der Kammer im Rahmen der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen werden konnte, auch nachvollziehbar. Die erhöhte Atemfrequenz bei einigen Schafen ist auf dem Video deutlich zu erkennen. Es bestehen daher keine durchgreifenden Zweifel, dass es bereits zu hitzebedingten Reaktionen der Tiere gekommen ist.

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Das Erfordernis einer jährlichen Schur im konkreten Einzelfall folgt ebenso aus den amtstierärztlichen Stellungnahmen und Gutachten. Den Amtstierärzten kommt hinsichtlich der Frage, ob eine Zuwiderhandlung gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen im Sinne des § 16a Abs. 1 TierSchG vorliegt, eine vorrangige Beurteilungskompetenz zu. Grund hierfür ist, dass der fachlichen Beurteilung von Amtstierärzten in einem exakten Nachweisen nur begrenzt zugänglichen Bereich einzelfallbezogener Wertungen besonderes Gewicht zukommt. Als gesetzlich vorgesehene Sachverständige sind Amtstierärzte für Aufgaben wie diese auch eigens bestellt, vergleiche § 15 Abs. 2 TierSchG. Das Tierschutzgesetz geht davon aus, dass der Amtstierarzt die fachliche Kompetenz besitzt, tierschutzwidrige Zustände festzustellen und deren Auswirkungen zu beurteilen (vgl. OVG RP, Beschluss vom 9. August 2017 - 7 B 11307/17.OVG - esovg, Rn. 12, m.w.N.).

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In dem amtstierärztlichen Gutachten vom 24. Oktober 2019 wird nochmals aufgeführt, dass die betroffenen Tiere bei anhaltender Hitze in Kombination mit fehlender Schur leiden, da sie die unangenehme, belastende und schädigende Situation trotz diverser Thermoregulationsmechanismen nicht meiden oder abstellen können. Indizien für die Belastung der Schafe sieht die Amtstierärztin insbesondere in der pumpenden Atmung und dem von den Schafen gezeigten Verhalten, da sie auf dem Erdboden und mit eingeschränkter Bewegung im Schatten liegen. Auch dieses Verhalten konnte durch Inaugenscheinnahme des Videomaterials durch die Kammer festgestellt werden. Des Weiteren ergibt sich aus den Ausführungen nachvollziehbar, dass durch das lange Vlies Verfilzung droht, wodurch die isolierende Wirkung und somit die Wärmeregulation sowohl im Sommer als auch im Winter beeinträchtigt wird. Da Schafe nach den sachverständigen Äußerungen bis zu 40 % ihres Wärmehaushalts durch Schwitzen regulieren, kann davon ausgegangen werden, dass die Tiere bei anhaltender Hitze in Kombination mit fehlender Schur leiden. Durch das zu lange Wollvlies ist ferner nachvollziehbar, dass die Wolle verklebt oder verfilzt, weshalb ein erheblicher Anteil an Wasser nicht über die Haut als Verdunstung abgegeben werden kann.

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Weiter ergibt sich aus dem amtsärztlichen Gutachten, dass die Tiere des Klägers keinen natürlichen Wollwechsel aufweisen. Texelschafe wurden nach Ausführungen der Amtstierärztin zum Zwecke der Fleisch- und Wollproduktion gezüchtet und verlieren daher ihr Vlies nicht auf natürliche Art und Weise. Daher stellt die Schur bei Wollrassen und deren Kreuzungen eine unerlässliche Pflegemaßnahme dar. Insofern stimmen auch die Ausführungen im amtsärztlichen Gutachten mit den Ausführungen des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit überein. Zudem wird auch durch die Tierärztin Dr. ..., die den Betrieb des Klägers schon länger betreut, festgestellt, dass die Tiere des Klägers keinen eigenständigen „Wollwechsel“ vornehmen. Daher sei eine Schur einmal jährlich auch aus Sicht der behandelnden Tierärztin dringend angeraten.

42

Im Übrigen ist festzuhalten, dass der Kläger auch nach seinen Angaben im Termin zur mündlichen Verhandlung selbst von der Notwendigkeit einer Schur ausgeht. Lediglich den Zeitpunkt der Schur will er selbst bestimmen.

43

Die Kammer hat daher keine Zweifel daran, dass die Schafe des Klägers keinen notwendigen Wollwechsel aufweisen und es deshalb erforderlich ist, eine Schur der Schafe mindestens einmal im Jahr durchzuführen. Durch die Nichtvornahme der Schur droht ausweislich der vorgenannten Gutachten ein Verfilzen des Vlieses, wodurch das Wärmeregulationsvermögen der Tiere empfindlich gestört wird. Der Umstand, dass bei der Kontrolle am 24. Juli 2018 die Schafe am Boden kauernd und mit pumpender Atmung vorgefunden wurden, macht nachvollziehbar, dass für die Tiere bereits eine Belastung aufgrund der Hitze und der nicht erfolgten Schur eingetreten ist. Dies folgt auch aus dem amtstierärztlichen Gutachten. Die bei der Kontrolle festgestellten Verhaltensmuster - pumpende Atmung, eingeschränkte Bewegung, An-den-Erdboden-Drücken, Im-Schatten-Liegen und die eingestellte oder reduzierte Futteraufnahme - sind zwar ausweislich dieses Gutachtens Mechanismen zur Wärmeregulation, genügen nach den sachverständigen Ausführungen jedoch nicht, um das Wohlbefinden der Tiere sicherzustellen und um das Leiden der Tiere zu mindern. Daher ist eine adäquate Schur maßgeblich für das Wohlbefinden der Tiere.

44

Soweit das Amtsgericht ... den Kläger mit Urteil aufgrund der Hauptverhandlung vom ... vom Vorwurf einer Begehung einer Ordnungswidrigkeit nach dem Tierschutzgesetz freigesprochen hat und dazu vom Kläger geltend gemacht wurde, das Amtsgericht habe im Rahmen der Auswertung des Videomaterials keine erhöhte Herzfrequenz festgestellt, ist das erkennende Gericht an einer eigenen rechtlichen Würdigung, ob ein Leiden der Tiere im Sinne des Tierschutzgesetzes vorgelegen hat, nicht gehindert.

45

Im Übrigen genügt, wie bereits oben ausgeführt, dass die konkrete Gefahr eines tierschutzwidrigen Verhaltens oder Sachverhalts besteht. Eine Gefahr liegt vor, wenn eine Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit Wahrscheinlichkeit ein polizeilich geschütztes Rechtsgut schädigen wird (BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1974 - I C 31.72 -, juris, Rn. 32, m.w.N.). Es kommt daher ungeachtet etwaiger Ausführungen zum Leiden der Tiere nicht entscheidend darauf an, ob die Tiere zum Zeitpunkt der Kontrolle tatsächlich gelitten haben. Jedenfalls ist nach Auswertung der vorliegenden Gutachten davon auszugehen, dass die Tiere durch die nicht durchgeführte Schur in ihrem Wohlbefinden beeinträchtigt waren und zukünftig werden, wodurch den Anforderungen des § 16a Abs. 1, § 2 TierSchG nicht genügt wird.

46

Entgegen der Auffassung des Klägers ist es von daher auch rechtlich unerheblich, dass der Kreisrechtsausschuss in dem Widerspruchsbescheid davon ausgegangen sein soll, dass er die Tiere nicht ordnungsgemäß gepflegt habe. Nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist Gegenstand der Anfechtungsklage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Der Anfechtungsklage ist daher der ursprüngliche Verwaltungsakt zugrunde zu legen, jedoch mit dem Inhalt und der Begründung, die er durch den Widerspruchsbescheid erhalten hat (vgl. zur erkennungsdienstlichen Maßnahme: BVerwG, Urteil vom 25. März 1981 - 8 C 69.80 - juris, Rn. 16).

47

Die vom Beklagten mit Schreiben vom 30. Oktober 2019 eingereichten Unterlagen, u.a. das amtstierärztliche Gutachten vom 24. Oktober 2019, sind entgegen der Auffassung des Klägers nicht nach § 87b Abs. 3 S. 1 VwGO, wonach Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückgewiesen werden können und ohne weitere Ermittlungen entscheiden werden kann, zurückzuweisen. Die Unterlagen wurden zwar nach der Frist des § 87b Abs. 2 VwGO, welche mit Verfügung vom 4. September 2019 auf den 10. Oktober 2019 festgesetzt wurde, eingereicht. Dies schließt eine Berücksichtigung nicht aus. Das Gesetz räumt dem Gericht vielmehr einen Beurteilungsspielraum ein, der es ermöglicht, auch verspätetes Vorbringen noch zu berücksichtigen und hierzu gegebenenfalls weiteren Beweis zu erheben (BVerwG, Beschluss vom 05. Oktober 2006 - 7 B 46/06 -, juris, Rn. 12). Es liegt mithin im Ermessen des Gerichts, verspätetes Vorbringen zurückzuweisen (BVerwG, Beschluss vom 06. April 2000 - 9 B 50/00 -, juris, Rn.6), hindert es aber auch nicht, das Vorbringen noch zu berücksichtigen (W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke VwGO, 25. Aufl. 2019, § 87b Rn. 9). Maßgeblich ist dabei, ob eine Verzögerung vorliegt. Eine Verzögerung liegt dann vor, wenn der Prozess bei Zulassung des Vorbringens länger dauern würde, als bei Zurückweisung, wobei ein strenger Maßstab gilt (W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke VwGO, 25. Aufl. 2019, § 87b Rn. 11). Im vorliegenden Verfahren kann nicht von einer Verzögerung gesprochen werden. Der nachgereichte Schriftsatz wurde noch so rechtzeitig in das Verfahren eingeführt, dass die Klägerseite Möglichkeit hatte darauf zu reagieren und die vorgetragenen Umstände im Rahmen der mündlichen Verhandlung betrachtet werden konnten. Gerade im Hinblick darauf, dass es einer Abwägung zwischen einer tatsächlich und rechtlich richtigen Entscheidung einerseits und der Beschleunigung des Verfahrens andererseits (Peters/Müller, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018, § 87b Rn. 39) bedarf, ist zu beachten, dass nach der obergerichtlichen Rechtsprechung den amtstierärztlichen Gutachten eine besondere Rolle als Erkenntnismittel zukommt, durch deren Berücksichtigung das Verfahren jedenfalls nicht verzögert worden ist.

48

c. Der angeordnete Zeitpunkt der Schur in Ziffer 1 des Bescheides ist rechtmäßig. Nach Auswertung der Sachverständigengutachten begegnet der angeordnete Zeitpunkt der Schur keinen rechtlichen Bedenken. Dieser entspricht nachvollziehbar den wissenschaftlichen Erkenntnissen und stellt sicher, dass die Schafe den jeweiligen klimatischen Bedingungen am besten begegnen können. Der Zeitraum Mitte Mai bis Ende Juni ist so gewählt, dass die Eisheiligen (Mitte Mai) bzw. die Schafskälte (Anfang Juni) vorbei sind (vgl. die Ausführungen des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, S. 21) und gewährleistet zusätzlich, dass die Tiere bis zum Winter wieder ausreichend bewollt sind (Landesuntersuchungsamt Rheinland-Pfalz), sodass sie im Winter nicht frieren. Zugleich wird sichergestellt, dass die Schafe an heißen Sommertagen weniger unter der Hitze leiden (amtstierärztliches Gutachten, S. 3, Bl. ... Prozessakte).

49

2. Der Bescheid ist auch ermessensfehlerfrei, insbesondere verhältnismäßig. Mildere, gleich geeignete Mittel sind nicht gegeben. Der Kläger erklärt selbst, dass eine Schur der Schafe erfolgen muss. Zudem ergibt sich aus dem amtstierärztlichen Gutachten, dass die Tiere ihr Vlies nicht von alleine verlieren. Wie bereits oben dargelegt muss die Schur aber zu einem Zeitpunkt stattfinden, in dem die Schafe nicht mehr Kälte fürchten müssen, zugleich genug Zeit besteht, dass ein neues Vlies wächst und im Sommer die Belastung durch Hitze nicht noch zugleich durch ein übermäßiges Vlies erhöht wird. Durch die Ziffer 2 des Bescheides und die damit verbundene Verlängerung der Frist wird sichergestellt, dass den Witterungsbedingungen und dem daraus resultierenden Zustand der Tiere Rechnung getragen wird. Somit wird es dem Kläger ermöglicht, die in Ziffer 1 des Bescheides genannte Frist voll auszuschöpfen, wodurch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung getragen wird.

50

3. Der Bescheid ist bezüglich des Zeitpunktes, zu dem die Schur durchzuführen ist, hinreichend bestimmt. Ein Verwaltungsakt ist dann hinreichend bestimmt, wenn, ohne dass weitere Ermittlungen oder Rückfragen erforderlich sind, erkennbar ist, dass es sich bei dem betreffenden Akt um einen Verwaltungsakt handelt, auf welche Angelegenheit sich der Verwaltungsakt bezieht, von wem, was und wann verlangt wird (Tiedemann, in: BeckOK VwVfG, 45. Edition, § 37 Rn. 2). Nach diesem Maßstab lässt sich der Zeitpunkt, zu dem die Schur durchzuführen ist, ohne weitere Rückfragen ermitteln. Als Zeitraum der Schur nennt der Bescheid Mitte Mai bis Ende Juni. Daraus folgt, dass die Schafe spätestens bis zum 30. Juni eines jeden Jahres zu scheren sind. Vor diesem Zeitpunkt droht dem Kläger somit keine Vollstreckungsmaßnahme. Dass in Ziffer 2 des Bescheides der Zeitraum noch um zwei weitere Wochen verschoben ist, ist im Hinblick auf die Bestimmtheit auch rechtlich unbedenklich. Ohne weiteres ist es möglich, den Zeitpunkt zwei Wochen nach dem 30. Juni zu berechnen, zu dem die Schafe spätestens zu scheren sind. Von daher ist der Kläger ausreichend in Kenntnis gesetzt, was von ihm verlangt wird.

51

4. Dem Erfordernis der jährlichen Schur im Zeitraum Mitte Mai bis Ende Juni stehen die Einwendungen des Klägers auch nicht entgegen (a.). Es ist auch den hilfsweise gestellten Beweisanträgen nicht nachzugehen (b. ff.).

52

a. Zunächst ist festzuhalten, dass der Kläger die grundsätzliche Notwendigkeit der Schur nicht in Frage stellt. Vielmehr stellt er den Zeitraum Mitte Mai bis Ende Juni in Frage. Auch aus dem vom Kläger als Anlage zum Protokoll gegeben Aufsatz aus der Zeitschrift „Schafzucht - Magazin für Schaf- und Ziegenfreunde, 11.2019/1. Juni 2019, S. 1 ff.“ kann kein Rückschluss auf das hiesige Verfahren gezogen werden. Der Aufsatz behandelt ausdrücklich die Zucht von Nolana-Schafen. Der Kläger hält eine Mischung aus Texelschafen und Heidschnucke, die nach obigen Ausführungen der Schur in der bezeichneten Weise bedürfen.

53

b. Soweit der Klagebevollmächtigte in seinen Schriftsätzen vom 11. Juni 2019 und 12. August 2019 zum Beweis der Tatsache, dass die Tiere des Klägers einer Rasse angehören, die überwiegend von sich aus die Wolle wechselt, die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt, ist dieser Beweisantrag abzulehnen. Es ist insgesamt sachverständig festgestellt, dass die Tiere des Klägers keinen natürlichen Wollwechsel aufweisen. In dieser Konstellation genügt es nicht, lediglich das Gegenteil unter Beweis zu stellen. Raum für ein weiteres Sachverständigengutachten zu derselben Frage ist nur, wenn nachvollziehbar einer der folgenden Kritikpunkte dargelegt wird: Die Sachkunde des früheren Gutachters ist zweifelhaft, das Gutachten geht von unzutreffenden Voraussetzungen aus, es enthält Widersprüche oder der neue Gutachter verfügt über geeignetere Forschungsmittel, vgl. § 244 Abs. 4 S. 2 StPO (OVG RP, Beschluss vom 5. September 2019 - 7 A 11015/19.OVG -). Solche Darlegungen fehlen im Vorbringen des Klägers. Es liegen bereits eindeutige Stellungnahmen der Amtstierärztin und auch der Haustierärztin vor, die belegen, dass es sich bei der vom Kläger gehaltenen Rasse gerade nicht um eine solche handle, die von sich aus die Wolle wechsle. Den Amtstierärzten kommt, wie bereits oben ausgeführt, bei der fachlichen Beurteilung als Sachverständigen eine besondere Kompetenz zu (vergleiche OVG RP, Beschluss vom 9. August 2017 - 7 B 11307/17. OVG, esovg, Rn. 12 m.w.N.). Zudem ergibt sich auch aus dem antizipierten Sachverständigengutachten des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, dass bei allen heimischen Wollschafrassen einschließlich der Heid- und Moorschnucken kein natürlicher Wollwechsel dergestalt vorliegt, dass eine Schur unterbleiben kann.

54

c. Soweit der Klagebevollmächtigte in seinem Schriftsatz vom 11. Juni 2019 zum Beweis, dass sich das Veterinäramt nicht mit der Rasse der Tiere des Klägers - wohl nicht wie wörtlich gestellt, mit der Rasse des Klägers - auseinandergesetzt hat, da diese rassebedingt die Wolle selbst verliert, die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt, ist auch diesem Beweisantrag nicht nachzugehen. Zunächst liegen entsprechende sachverständige Gutachten vor (vgl. zuvor), denen nicht substantiiert entgegengetreten wurde. Die Behauptung des Klägers, das Veterinäramt habe sich nicht mit seiner Rasse auseinandergesetzt, ist keine Beweistatsache. Tatsachen sind alle äußeren und inneren Vorgänge oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart, die dem Beweis zugänglich sind, die also einem Dritten gegenüber erwiesen werden können (Bachler, in: BeckOK StPO mit RiStBV und MiStra, 35. Edition 2019, § 244 StPO Rn. 2). Der Umstand, ob sich das Veterinäramt mit der Rasse der Tiere auseinandergesetzt hat, ist keine Tatsache im Sinne der Definition, sondern eine Wertung. Selbst wenn man jedoch eine Beweistatsache bejaht, ist der Beweisantrag zurückzuweisen, da die Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist (vgl. dazu Krehl, in Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 244 Rn. 130 ff. m.w.N.). In dem amtstierärztlichen Gutachten wird ausdrücklich Bezug genommen auf die Rasse der Tiere des Klägers. Auch in der mündlichen Verhandlung nimmt die Amtstierärztin dazu nochmals Stellung und erklärt, dass die Mehrheit der Schafe des Klägers vom Phänotyp typische Merkmale der Texelschafe aufweist.

55

d. Soweit der Klagebevollmächtigte in den Schriftsätzen vom 11. Juni 2019 und 12. August 2019 beantragt, durch Sachverständigengutachten festzustellen, dass durch eine nicht erfolgte Schur ein artgerechtes Bedürfnis nicht zurückgedrängt wird, ist auch dieser Antrag abzulehnen. Es ist nicht ersichtlich, welcher Vorgang oder Zustand der Vergangenheit oder Gegenwart untersucht werden soll. Der Kläger möchte nicht die Feststellung einer Tatsache, sondern eine (Be-)Wertung, die nicht Gegenstand eines Beweisantrages sein kann. Ob ein artgerechtes Bedürfnis zurückgedrängt wird, ist letztendlich eine Frage der Bewertung von Tatsachen. Jedenfalls wurde durch Gutachten der Amtstierärztin und das Gutachten von Dr. ... hinreichend dargelegt, dass durch die unterlassene Schur nicht hinreichend den Bedürfnissen der Tiere Rechnung getragen wurde. Auch diesen Feststellungen ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten.

56

e. Soweit der Klagebevollmächtigte im Schriftsatz vom 11. Juni 2019 beantragt, ein Sachverständigengutachten einzuholen dazu, „dass die angegebene flächendeckende Temperatur um die 30° keine Extremtemperatur darstellt. Sie ist für diese Jahreszeit normal. Sie stellt für ein Schaf, auch welches mit Wolle versehen ist, keine lebensbedrohliche bzw. ernsthafte Beeinträchtigung dar“, so ist auch dieser Antrag abzulehnen. Es ist nicht ersichtlich, welcher Vorgang oder Zustand der Vergangenheit oder Gegenwart untersucht werden soll. Der Kläger möchte nicht die Feststellung einer Tatsache, sondern eine (Be-)Wertung, die nicht Gegenstand eines Beweisantrages sein kann. Selbst wenn man eine Tatsache annehmen würde, wären die Beweistatsachen bedeutungslos i.S.v. § 244 Abs. 3 S. 2 Var. 2 StPO aus rechtlichen Gründen. Aus rechtlichen Gründen bedeutungslos sind Tatsachen, wenn sie nicht zu den Umständen und anderen Fakten gehören, die für die rechtliche Würdigung oder für die Bestimmung der Rechtsfolgen direkt relevant und deshalb Haupttatsachen sind. Direkt relevant sind Sachverhaltselemente, die zu dem Rechtssatz, um dessen Anwendung es (möglicherweise) geht, im Subsumtionsverhältnis stehen, also Konkretisierungen des begrifflichen Inhalts von Tatbestandsmerkmalen sind (vgl. dazu Krehl, in Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 244 Rn. 142). Wie bereits oben dargelegt, ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Anordnung nach § 16a Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 1 TierSchG unerheblich, ob es tatsächlich zu einer lebensbedrohlichen oder ernsthaften Beeinträchtigung der Tiere gekommen ist. Entscheidend ist, dass die Gefahr eines Schadenseintrittes besteht. Insofern ergibt sich aus den zuvor zitierten antizipierten Sachverständigengutachten und aus dem amtstierärztlichen Gutachten, dass die Schafe zu scheren sind, um den klimatischen Gegebenheiten des Sommers zu begegnen und dem Wohlbefinden der Schafe Vorschub zu leisten.

57

f. Soweit der Klagebevollmächtigte im Schriftsatz vom 12. August 2019 zum Beweis, dass die Tiere zum Verstoßzeitpunkt am 24. Juli 2018 gemäß § 2 Nr. 1 Var. 2 TierSchG hinsichtlich des Wollkleides/Zustandes angemessen gepflegt waren, die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt, ist auch dieser Antrag abzulehnen. Es fehlt bereits wieder an einem Beweisthema. Die Frage, ob der Zustand angemessen ist, ist eine Wertung aufgrund äußerer Tatsachen. Daher ist die Frage nicht dem Beweis zugänglich. Darüber hinaus folgt aus dem Kontrollbericht vom 24. Juli 2018 und dem amtsärztlichen Gutachten, dass die notwendigen Pflegemaßnahmen nicht erfüllt wurden. Aufgrund der hohen Temperaturen ist es nach den Darlegungen zu einem Hitzestau gekommen. Auch Dr. ... gelangt in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass die Schafe eindeutig zu lang wachsendes Vlies mit einer Tendenz zum Verfilzen haben. Daher habe akuter Hitzestau gedroht. Diesem Gutachten wurde wiederum nicht substantiell entgegengetreten.

58

g. Soweit der Klagebevollmächtigte im Schriftsatz vom 12. August 2019 zum Beweis der Tatsache, dass der Zeitraum Mitte Mai bis Ende Juni nicht den maßgeblichen Zeitraum darstellt, innerhalb dessen die Schafe zu scheren sind, die Einholung eines Sachverständigengutachtens fordert, ist auch diesem Antrag nicht nachzugehen. Auch hier wird wieder keine Tatsache zum Beweis gestellt, sondern eine abweichende Wertung eingefordert. Darüber hinaus ergibt sich bereits aus den antizipierten Sachverständigengutachten, dass die Schur gerade in diesem Zeitraum vorzunehmen ist, um die Wärmeregulation der Schafe zu ermöglichen und zugleich wieder einen hinreichenden Aufwuchs der Wolle bis zum Winter zu gewährleisten. Dem schließt sich auch das amtsärztliche Gutachten an. Diesen Gutachten ist der Kläger nicht substantiell entgegengetreten.

59

h. Soweit der Klagebevollmächtigte im Schriftsatz vom 12. August 2019 weiterhin die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dem Umstand, dass die Festlegung auf einen bestimmten Zeitpunkt tierschutzrechtlich nicht geboten und erforderlich ist, vielmehr vom konkreten Einzelfall abhängig ist, beantragt, ist auch diesem Antrag nicht nachzugehen. Es fehlt bereits an einer tauglichen Beweistatsache. Es handelt sich vielmehr um den Maßstab, an Hand dessen Tatsachen zu messen wären. Selbst wenn man Tatsachen annehmen würde, ergibt sich aus den antizipierten Sachverständigengutachten und auch aus dem amtsärztlichen Gutachten, das ausdrücklich auf den Einzelfall Bezug nimmt, dass eine Schur vorzunehmen ist. Substantielle Einwände, die über das bloße Bestreiten der festgestellten Umstände hinausgehen, trägt der Kläger gerade nicht vor.

60

i. Soweit der Klagebevollmächtigte im Schriftsatz vom 12. August 2019 weiter zu dem Umstand, dass eine Schur nur notwendig ist, wenn die Wolle nicht von selbst abgefallen ist und Extremtemperaturen über 40° herrschen, die Einholung eines tierärztlichen Sachverständigengutachtens beantragt, ist dieser Antrag abzulehnen. Es liegt wieder keine Tatsachenfrage vor. Die Notwendigkeit einer Schur ist eine Frage der Wertung. Darüber hinaus ergibt sich das Erfordernis der Schur bereits aus den vorgelegten Gutachten der Amtstierärztin und von Dr. ... sowie aus den antizipierten Sachverständigengutachten. Der Kläger ist diesen nicht substantiiert entgegengetreten.

61

j. Soweit der Klagebevollmächtigte im Schriftsatz vom 12. August 2019 weiter die Einholung eines Sachverständigengutachtens dazu anregt, dass die Temperatur von 22° im Schatten sowie Außentemperaturen um die 30° keine Extremtemperaturen sowie lebensbedrohliche ernsthafte Beeinträchtigungen darstellen, ist auch dieser Beweisantrag aus den oben genannten Gründen (4.e.) abzulehnen.

62

k. Soweit der Klagebevollmächtigte im Schriftsatz vom 12. August 2019 die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dem Thema beantragt, dass die Wolle auch bei Außentemperaturen über 40° die Sonne und Hitze über Stunden abpuffert, ist diesem Antrag nicht nachzugehen. Die isolierende Wirkung der Wolle wird in den bereits vorliegenden Gutachten nicht in Zweifel gezogen. Daher liegen bereits sachverständige Gutachten, insbesondere das amtstierärztliche Gutachten, vor. Aus den Gutachten folgt jedoch darüber hinaus, dass trotzdem eine Schur erforderlich ist. Dem ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten.

63

l. Soweit der Klagebevollmächtigte im Schriftsatz vom 12. August 2019 die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dem Thema anregt, dass die kalte Jahreszeit in ... erst Ende November/Anfang Dezember beginnt, ist dem Beweisantrag nicht nachzugehen. Die Beweistatsachen sind bedeutungslos i.S.v. § 244 Abs. 3 S. 2 Var. 2 StPO aus rechtlichen Gründen (vgl. dazu die Ausführungen unter 4.e.). Der Zeitpunkt der Schur ist nicht so zu verstehen, dass dieser exakt vier Monate vor Beginn der kalten Jahreszeit erfolgen muss. Es handelt sich nicht um einen starren, vielmehr um einen Zeitraum, der sich im Allgemeinen als praktikabel dargestellt hat, um sowohl zu gewährleisten, dass im Sommer kein übermäßiger Wollaufwuchs besteht und zugleich zu Beginn der Jahreszeit, in der es wieder kälter wird, ausreichend Wollvlies zur Verfügung steht. Daher ist es nicht von Bedeutung, wann genau die kalte Jahreszeit in ... beginnt.

64

m. Soweit der Klagebevollmächtigte im Schriftsatz vom 12. August 2019 die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dem Thema beantragt, dass eine Beschränkung und eine Festlegung auf einen bestimmten Zeitpunkt tierschutzrechtlich nicht geboten und erforderlich, sondern vielmehr vom konkreten Einzelfall abhängig ist, ist dem Antrag nicht nachzugehen. Es fehlt wieder an der Beweistatsache. Selbst wenn man eine solche annimmt, ist jedoch durch die antizipierten Sachverständigengutachten der Zeitpunkt der Schur genannt. Durch das Gutachten der Amtstierärztin wird zudem auf den Einzelfall eingegangen. Darin heißt es, dass für eine Abweichung im vorliegenden Fall nichts ersichtlich ist. Diesem Gutachten wurde nicht substantiell entgegengetreten.

65

n. Soweit der Klagebevollmächtigte im Schriftsatz vom 21. Oktober 2019 die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dem Thema beantragt, dass es nicht grundsätzlich zu Verfilzungen und Verklebungen des Vlieses kommt, sodass die isolierende Eigenschaft der Wolle verloren geht, sowohl bei Kälte als auch bei Hitze, wenn die jährliche Schur unterbleibt, vielmehr hier auch weitergehende Faktoren hinzukommen müssen, wie Fellwachstum des konkreten Tieres, Alter des konkreten Tieres, letzter Schurzeitpunkt des Tieres, Vegetation des Jahres, Ablammzeitpunkt, ist dem Antrag nicht nachzugehen. Eine bestimmte Tatsache wird in dem Antrag nicht formuliert. Vielmehr soll selbst erst durch die Beweiserhebung die entscheidungserhebliche Tatsachenbehauptung aufgedeckt werden. Es handelt sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis (vgl. dazu: Breunig, in: BeckOK VwGO, 51. Edition 2019, § 86 Rn. 65, m.w.N.). Beweisermittlungs- oder -ausforschungsanträge, die so unbestimmt sind, dass im Grunde erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken kann, brauchen dem Gericht eine Beweisaufnahme nicht nahezulegen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Oktober 1990 - 4 B 249.89 -, juris, Rn. 114).

66

o. Soweit der Klagebevollmächtigte im Schriftsatz vom 21. Oktober 2019 zum Beweis, dass bei den Tieren des Klägers keine Überhitzung und keine Leiden vorlagen, auf das Video des Beklagten in der Verwaltungsakte verweist, ist wohl eine Inaugenscheinnahme gemeint. Die Videos wurden in der mündlichen Verhandlung angesehen und zum Gegenstand gemacht. Soweit der Kläger weiter im Schriftsatz vom 11. November 2019 in Bezug auf dieses Video bestreitet, dass die Tiere nicht gelitten hätten und sich dies nicht aus der Herzfrequenz und der Atmungssequenz der Tiere ergebe, ist dies keine Tatsache, sondern eine Frage der Beweiswürdigung. Zudem stehen dem der Kontrollbericht und das amtstierärztliche Gutachten entgegen. Darin wird festgestellt, dass die Tiere ihr Verhalten bereits hitzebedingt angepasst haben und durch die Nichtvornahme der Schur ihr Wohlbefinden beeinträchtigt gewesen ist. Weiter wird auch ein Leiden der Tiere festgestellt. Auch diesen Ausführungen ist der Kläger nicht substantiell entgegengetreten.

67

p. Soweit der Klagebevollmächtigte im Schriftsatz vom 21. Oktober 2019 zum Beweis, dass auf dem Video kein Hitzestau erkennbar ist, die Einholung eines Sachverständigengutachtens fordert, ist dem nicht nachzugehen. Auch hier handelt es sich um eine Frage der Beweiswürdigung. Zudem folgt aus dem Kontrollbericht und dem amtstierärztlichen Gutachten, dass die Tiere eine pumpende Atmung hatten. Dem ist der Kläger auch nicht substantiell entgegengetreten. Zudem ist die Beweistatsache bedeutungslos i.S.v. § 244 Abs. 3 S. 2 Var. 2 StPO aus rechtlichen Gründen (vgl. 4.e.). Ob es tatsächlich zu einem Hitzestau gekommen ist, ist irrelevant, da die Gefahr eines solchen - wie oben festgestellt - genügt.

68

q. Soweit der Klagebevollmächtigte im Schriftsatz vom 21. Oktober 2019 zum Beweis, dass ausreichend Schatten zur Verfügung stand, die Einholung eines Sachverständigengutachtens anregt, ist dem Antrag nicht nachzugehen. Sowohl in dem Kontrollbericht als auch in dem Gutachten von Dr. ... wird festgestellt, dass der zur Verfügung stehende Schatten nicht ausreichend war. Diesen gutachterlichen Äußerungen wurde nicht substantiell entgegengetreten, sodass kein weiterer Beweis zu erheben ist.

69

r. Soweit der Klagebevollmächtigte im Schriftsatz vom 11. November 2019 zum Beweis, dass die Tiere zum Kontrollzeitpunkt aufgrund ihres Wollzustandes keinen Leiden ausgesetzt waren, die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt, ist dem nicht nachzugehen. Zunächst ist anzumerken, dass auch dieser Beweisantrag unerheblich ist, da es auch insoweit nur auf die Gefahr ankommt, dass die Tiere leiden. Ob tatsächlich Leiden der Tiere festgestellt werden können, ist insofern irrelevant. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Kontrollbericht und dem amtsärztlichen Gutachten, dass ein Leiden der Tiere vorgelegen hat. Dem ist der Kläger nicht substantiell entgegengetreten.

70

s. Soweit der Klagebevollmächtigte im Schriftsatz vom 11. November 2019 zum Beweis der Tatsache, „dass zum Kontrollzeitpunkt am 24. Juli 2018 ausweislich 22° im Schatten gemessen wurden. Auch die flächendeckende Temperatur um die 30° ist keine Extremtemperatur. Bestritten wird, dass zum Kontrollzeitpunkt 30° im Schatten vorgeherrscht haben. Unzutreffend ist, dass die ungeschorenen Schafe des Klägers seit mehreren Wochen unter der Hitze gelitten haben, es lag auch keine Belastung der Schafe über der Norm hinaus (Leiden) vor. Vielmehr war dies im Rahmen des üblichen“, die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantrag, ist auch dieser Antrag abzulehnen. Es fehlt auch hier an einer klaren Beweistatsache. Vielmehr werden pauschale und allgemeine Behauptungen formuliert, denen keine konkreten Anhaltspunkte zugrunde liegen. Es liegt ein unzulässiger Ausforschungsbeweisantrag vor (vgl. 4.n.).

71

IV. Die Androhung des Zwangsmittels begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Ermächtigungsgrundlage für die Androhung eines Zwangsgeldes findet sich in §§ 61 Abs.1, 64 Abs. 1 Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz - LVwVG -. Die schriftliche Androhung des Zwangsgeldes, § 66 Abs. 1 S. 1 LVwVG, ist erfolgt. Das Zwangsgeld wurde in bestimmter Höhe festgesetzt, § 66 Abs. 5 LVwVG und der Bescheid wurde ausweislich der vom Beklagten vorgelegten Postzustellungsurkunde (Bl. ... f. Prozessakte) gemäß § 66 Abs. 6 S. 1 LVwVG zugestellt. Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes stellt den unteren Bereich dessen dar, was nach § 64 Abs. 2 S. 2 LVwVG vorgegeben ist.

72

B. Der Kostenbescheid ist rechtmäßig. Die Ermächtigungsgrundlage findet sich in § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, § 10 Landesgebührengesetz - LGebG - und i.V.m. § 1 Abs. 1, § 2 Landesverordnung über Gebühren der Behörden des öffentlichen Veterinärdienstes, der amtlichen Lebensmittelüberwachung sowie der Gesundheitsverwaltung im Rahmen des Trinkwasserrechts und der Umwelthygiene vom 29. September 2008, zuletzt geändert am 22. Juli 2010 i.V.m. dem Besonderen Gebührenverzeichnis für die Behörden des öffentlichen Veterinärdienstes, der amtlichen Lebensmittelüberwachung sowie der Gesundheitsverwaltung im Rahmen des Trinkwasserrechts und der Umwelthygiene. Zur Vermeidung von Wiederholungen und mangels gegenteiliger rechtlicher Ausführungen des Klägers wird auf den Bescheid Bezug genommen, § 117 Abs. 5 VwGO. Die Kammer folgt der Begründung und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung ab.

73

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten findet ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.

74

Gründe, die Berufung zuzulassen, §§ 124, 124a VwGO, sind nicht gegeben.

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