Urteil vom Verwaltungsgericht Trier (9. Kammer) - 9 K 2133/19.TR
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1). Die Beigeladene zu 2) trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von sechs Windenergieanlagen. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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Die Klägerin plant in der Ortsgemeinde Irsch die Errichtung von sechs Windenergieanlagen (WEA). Sie beantragte daher beim Beklagten am 28. April 2016 die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von sechs WEA des Typs Nordex N 131 auf den Flurstücken 11/3, Flur 35 sowie den Flurstücken 3/1, 5/2 und 12 der Flur 36 der Gemarkung Irsch. Die geplanten Standorte befinden sich außerhalb der festgesetzten Vorranggebiete des Regionalen Raumordnungsplans Region Trier - Teilfortschreibung Kapitel Energieversorgung / Teilbereich Windenergie - vom 7. Juni 2004 („RROP 2004“) sowie außerhalb der Konzentrationsflächen des aktuell gültigen Flächennutzungsplanes der Verbandsgemeinde Saarburg sowie innerhalb der zweiten Kernzone „Saartal-Leukbachtal“ des Naturparks „Saar-Hunsrück“.
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Auf den Antrag der Klägerin wies der Beklagte zunächst mit Schreiben vom 4. Juli 2016 darauf hin, dass eine Genehmigung aus planungsrechtlicher Sicht nicht möglich sei, da der RROP 2004 und der Flächennutzungsplan der Verbandsgemeinde Saarburg nicht rechtskräftig geändert seien. Gleichwohl leitete er die Behördenbeteiligung ein. Im Rahmen dieser erteilte die Ortsgemeinde Irsch ihr Einvernehmen zum beantragten Vorhaben gemäß § 36 Baugesetzbuch (BauGB).
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Am 9. Januar 2017 stellte die Klägerin einen Antrag auf die Befreiung von den Verboten der Verordnung über den Naturpark Saar-Hunsrück vom 14. Februar 1980.
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Mit Bescheid vom 3. September 2018 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Genehmigung der streitgegenständlichen WEA ab. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die geplanten WEA im Widerspruch zu Zielen der Raumordnung im Sinne des § 35 Abs. 3 S. 2 BauGB stünden. Denn sie befänden sich außerhalb eines Vorranggebiets für Windenergienutzung. Außerdem seien durch die Dritte Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms („LEP IV“) zwischenzeitlich die Ziele der Raumordnung neu gefasst worden; unter anderem sei die Errichtung von Windkraftanlagen im Kernzonen von Naturparks ausgeschlossen (Z 163 d). Da sich die geplanten Windkraftanlagen in der Kernzone des Naturparks SaarHunsrück befänden, widersprächen sie der Zielfestlegung Z 163 d. Im Übrigen sei eine Befreiung gemäß § 67 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) seitens der Oberen Naturschutzbehörde nicht erteilt worden. Auch sei einem Antrag der Verbandsgemeinde Saarburg auf Zulassung einer Abweichung von den Zielen des RROP 2004 nicht entsprochen worden.
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Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 21. September 2018 Widerspruch ein. Zur Begründung wies sie im Wesentlichen darauf hin, dass der LEP IV unrechtmäßig sei.
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Mit Schreiben vom 10. Januar 2019 schlug der Beklagte der Klägerin vor, einen Antrag auf Vorbescheid nach § 9 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) zu stellen und das Genehmigungsverfahren ruhend zu stellen. Darauf replizierte die Klägerin, dass ein solcher Antrag nicht gestellt werden soll, sondern die zeitnahe Erteilung der Genehmigung angestrebt werde. Deshalb verzichtete die Klägerin im gleichen Schreiben auf die mündliche Verhandlung vor dem Kreisrechtsausschuss und bat um die zügige Bescheidung des Widerspruchs.
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Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte darauf durch Bescheid vom 3. Dezember 2019 zurück. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Erteilung einer Genehmigung nach § 4 BImSchG. Denn sie sei mit Schreiben vom 11. März 2019 dazu aufgefordert worden, weitere Unterlagen einzureichen. Diese seien für die naturschutzrechtliche Beurteilung des Vorhabens erforderlich gewesen. Die Klägerin habe indes keinerlei weitere Unterlagen eingereicht. Daher sei der Widerspruch nach § 20 Abs. 2 Satz 2 der 9. Bundesimmissionsschutzverordnung ohne weitere Überprüfung in der Sache zurückzuweisen.
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Bereits am 9. Mai 2019 hat die Klägerin bei der SGD Nord die Zulassung der Abweichung vom Ziel der Raumordnung der Teilfortschreibung des RROP 2004 beantragt, wonach außerhalb der Vorranggebiete für Windenergie die Errichtung von raumbedeutsamen WEA ausgeschlossen ist. Dieses Verfahren ist auf Antrag der Klägerin vom 27. Juni 2019 ruhend gestellt worden.
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Ebenfalls am 9. Mai 2019 hat die Klägerin Klage erhoben.
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Sie ist der Auffassung, dass sie einen Anspruch auf Neubescheidung ihres Genehmigungsantrags habe. Die streitgegenständlichen Windenergieanlagen seien insbesondere planungsrechtlich zulässig. Ihnen stünden zunächst nicht die Ziele des LEP IV entgegen.
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Denn der LEP IV sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Es fehle insoweit an einer ordnungsgemäßen landesweiten Öffentlichkeitsbeteiligung. Insbesondere sei die vorherige einwöchige Bekanntmachungsfrist der Auslegung nicht bei allen Gebietskörperschaften eingehalten worden. Diese mangelhafte Öffentlichkeitsbeteiligung sei auch nicht durch Durchführung eines ergänzenden Verfahrens nachträglich rückwirkend geheilt worden. Denn auch das ergänzende Verfahren leide an evidenten Verfahrensfehlern. So sei es nur teilweise, nämlich nur in den vom Bekanntmachungsfehler betroffenen sechs Kommunen, durchgeführt worden. Vielmehr hätte aber die Öffentlichkeitsbeteiligung im gesamten Geltungsbereich des LEP IV fehlerfrei wiederholt werden müssen. Außerdem habe die in den sechs betroffenen Kommunen veröffentlichte Auslegungsbekanntmachung nicht die erforderliche Anstoßwirkung entfaltet.
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Auch sei der LEP IV materiell rechtswidrig. Es fehle zunächst an der Kompetenz des Planungsträgers. So habe dieser hinsichtlich bodenrechtlicher Regelungen keine Kompetenz; der Raumordnung fehle es an der sogenannten bodenrechtlichen Durchgriffskompetenz. Der Träger der Landesplanung könne über die Festlegung von Zielen der Raumordnung nur flächenbezogene, nicht aber unmittelbar vorhabenbezogene Genehmigungshindernisse schaffen. Spätestens wenn die Stufe der städtebaulichen Planung erreicht sei, sei jene unmittelbare rechtliche Beziehung der Planung zum Grund und Boden erreicht, welche die Planung zu einem Teil des Bodenrechts mache. Daraus folge, dass der Träger der Landesplanung, sofern er überhaupt isolierte Ausschlussgebiete für die Windenergie zielförmig vorgeben könne, diese Vorgaben zwingend nur an die nachfolgenden Planungsebenen richten dürfe, da unmittelbar für die Genehmigungsebene geltende Zielvorgaben bereits in die Materie des Bodenrechts hinüberreichen würden. Letzteres sei vorliegend jedoch der Fall, da die geplanten zielförmigen Festlegungen vorhabensbezogen gelten sollten und sie damit eine unmittelbar bodenordnende Regelung darstellten. Auch werde durch den LEP IV die Windenergie faktisch entprivilegiert, wofür es jedoch ebenfalls an der Gesetzes- und Kompetenzgrundlage durch den Träger der Landesplanung fehle.
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Darüber hinaus liefen die Zielvorgaben letztlich auf eine unzulässige isolierte Negativplanung hinaus. Diese sei jedoch mit dem Regelungszweck des § 35 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 Satz 3 BauGB nicht vereinbar. Wollte man die Raumplanung von der durch den Regelungszweck der genannten Vorschrift vorgegebenen Bindung freizeichnen, könnten große Teile der Gemeindegebiete der bundesrechtlich privilegierten Windenergienutzung entzogen werden. Ein Ausschluss der privilegierten Außenbereichsvorhaben in bestimmten Bereichen müsse deshalb stets mit einer entsprechenden positiven Standortzuweisung verbunden sein. Eine solche liege jedoch nicht vor.
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Außerdem erwiesen sich die Ziele als sachlich nicht gerechtfertigt und abwägungsfehlerhaft. Insbesondere sei der komplette Ausschluss der Windenergie in sämtlichen Naturschutzgebieten, Naturparken, UNESCO- Welterbegebieten, landesweit bedeutsamen Kulturlandschaften u.a. (Ziel 163d) rechtswidrig. Es gäbe keinen tatsächlichen oder rechtlichen Grund, der den Komplett-Ausschluss von Windenergie in Naturschutzgebieten rechtfertigen könne. Vielmehr hätte für jedes Naturschutzgebiet im Einzelfall geprüft werden müssen, ob durch die Windenergienutzung überhaupt der Schutzzweck des jeweiligen Naturschutzgebietes tangiert und beeinträchtigt wird. Diese Prüfungen seien hier nicht erfolgt.
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Auch sei der komplette Ausschluss der Windenergie in der Kernzone des Naturparks „Saar-Hunsrück“ im Hinblick auf die Ermöglichung einer „Erholung in der Stille“ nicht zu rechtfertigen. Denn es mangele insoweit jedenfalls an einer Prüfung der Schutzzweckbetroffenheit und einer entsprechenden Abwägung. Der Planungsträger hätte - so die Klägerin - prüfen müssen, ob durch die Windenergienutzung überhaupt der Schutzzweck der Naturparkkernzone tangiert und beeinträchtigt werde und gegebenenfalls diesbezüglich abwägen müssen. Dies sei jedoch nicht geschehen. Der bloße Hinweis auf eine „besondere Schutzwürdigkeit dieser Räume“ genüge nicht. Eine einzelfallbezogene Begründung und Abwägung sei nicht ersichtlich, weshalb ein Abwägungsausfall vorläge.
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Der Ausschluss der Windenergie in allen Kernzonen der übrigen Naturparke sei ebenso wenig rechtlich haltbar. Auch hier mangele es an den entsprechenden Schutzzweck- und Ausnahmeprüfungen. Ferner seien in den Kernzonen der Naturparke in Rheinland-Pfalz teilweise erhebliche Vorbelastungen vorhanden, etwa durch Straßen und sonstige Infrastruktur, Steinbrüche u.ä.
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Daneben sei der Ausschluss der Windenergie aus den Kernzonen und Rahmenbereichen des UNESCO-Weltkulturerbes „Oberes Mittelrheintal“ und „Limes“ unrechtmäßig, da nicht geprüft worden sei, ob durch die Windenergienutzung überhaupt der Schutzzweck des jeweiligen Naturschutzgebietes tangiert und beeinträchtigt werde.
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Ferner sei der LEP IV insoweit abwägungsfehlerhaft, als in „landesweit bedeutsamen historischen Kulturlandschaften“ Windenergieanlagen ausgeschlossen würden. So hätte bei der Festlegung von Zielen der Raumordnung die anschließende Abwägung durch den Träger der Raumordnungsplanung erfolgen müssen. Vorliegend habe sich der Planungsträger ausweislich der Begründung des LEP IV jedoch allein auf ein Fachgutachten des Büros „agl angewandte geographie“ berufen, welches noch nicht einmal vom Planungsträger, sondern vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gegeben worden sei. Eine eigene inhaltliche Auseinandersetzung habe der Planungsträger nicht vorgenommen. Somit liege bereits ein Abwägungsausfall vor. Im Übrigen könne der Ausschluss der Windenergie auch nicht mit einer “besonderen Landschaftsästhetik“ oder dem „unverwechselbaren Profil und Alleinstellungsmerkmal für den Tourismus“ der Kulturräume begründet werden. Zahlreiche Studien hätten bestätigt, dass sich die Belange des Tourismus und die der Nutzung der Windenergie nicht gegenseitig ausschlössen. Außerdem sei nicht erkennbar, weshalb die betreffenden Kulturlandschaften eines zusätzlichen Schutzes in Form eines Ausschlusses der Windenergienutzung schon auf Ebene des Landesentwicklungsplanes bedürften. Der Planungsträger verstieße somit gegen das Gebot planerischer Zurückhaltung.
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Nicht anders zu beurteilen sei insofern auch der geplante Ausschluss der Windenergienutzung in 77 Natura-2000-Gebieten. Auch hinsichtlich dieser sei nicht ersichtlich, dass der Planungsträger eine eigene Auseinandersetzung vorgenommen habe, vielmehr sei eine rechtliche Verbindlichkeit der Empfehlungen des „Naturschutzfachlichen Rahmens“ aus dem Jahr 2012 angenommen worden. Ferner sei in speziellen FFH-Gebieten nicht nachzuvollziehen, weshalb die dort genannten Vegetationsarten oder Singvogelarten generell und unüberwindbar in Konflikt mit der Windenergienutzung stehen sollten. Jedenfalls mangele es an einer zutreffenden und aktuellen Datengrundlage.
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Darüber hinaus enthalte der Ausschluss von Windenergieanlagen in Gebieten mit einem zusammenhängenden Laubholzbestand mit einem Alter über 120 Jahren Vorgaben, die nicht bestimmt oder bestimmbar seien und damit nicht den Anforderungen an ein Ziel der Raumordnung genügten.
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Auch die zielförmige (Ziel 163g) Festlegung einer Mindestanlagenzahl („mindestens drei WEA im räumlichen Verbund“) sei rechtsfehlerhaft. Es bleibe unklar, was unter einem räumlichen Verbund bzw. in diesem Zusammenhang unter einem Standortbereich zu verstehen sein soll. Daneben erschließe sich nicht, wie die vom Planungsträger gewünschte Bündelungs- bzw. Konzentrationswirkung sichergestellt werden soll, indem eine Mindestgröße von 20 ha verlangt werde. Wenn bereits eine Mindestanlagenzahl festgesetzt werde, bedürfe es keiner Mindestflächengröße, um die gewünschte Konzentrationswirkung zu erreichen.
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Rechtswidrig sei auch die Festlegung eines pauschalen 1.000 m bzw. 1.100 m - Mindestabstands zu reinen, allgemeinen und besonderen Wohngebieten sowie Dorf-, Misch- und Kerngebieten (Ziel 163h). Bereits fraglich sei, ob dem Planungsträger überhaupt die gesetzliche Kompetenz und Ermächtigung zukomme, zielförmig Mindestabstände für Windenergieanlagen festzulegen. Auch sei der Mindestabstand zu pauschal und differenziere nicht nach der Schutzwürdigkeit. Es hätte aber jedenfalls eine Unterscheidung der Abstandsflächen in Abhängigkeit zu den Baugebietstypen vorgenommen werden müssen. Die als Rechtfertigung angeführte bessere Vorsorge und Akzeptanz der Bevölkerung könne einen einheitlichen und undifferenzierten Mindestabstand sachlich nicht rechtfertigen. Auch sei nicht begründet, wie der Abstand von 1.000 m bzw. 1.100 m konkret festgelegt worden sei. Der Abstand sei auch weder zum Schutz vor Schallimmissionen noch zur Vermeidung der optisch bedrängenden Wirkung erforderlich. Selbst die maximal strengsten Schallimmissionsrichtwerte würden bereits in deutlich geringeren Entfernungen eingehalten. Auch reiche ein maximaler Abstand von 600 m zu Siedlungsflächen unproblematisch aus, um vor einer optisch bedrängenden Wirkung von Windenergieanlagen mit 200 m Gesamthöhe zu schützen. Ebenso wenig sei es richtig, für modernste Windenergieanlagen über 200 m einen noch größeren Abstand von 1.100 m zielförmig festzulegen. Dieser Abstand könne auch nicht durch angeblich größere Emissionen bzw. Immissionen gerechtfertigt werden. Die Differenzierung nach einer 200 m- Anlagenhöhe sei zudem insoweit abwägungsfehlerhaft, als lediglich eine einzige Anlagenhöhe herausgegriffen werde und ab diese Höhe ein erhöhter Abstand einzuhalten sei, niedrigere Anlagenhöhen dagegen unabhängig von ihrer Höhe ebenfalls den 1.000 m-Abstand einhalten sollten.
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Ferner sei die Differenzierung hinsichtlich unterschiedlicher Siedlungsabstände in Abhängigkeit von dem Umstand, ob bereits Bestandsanlagen existieren (Ziel 163 i), sachlich nicht gerechtfertigt. Die bestehende Vorbelastung rechtfertige ebenso wenig wie das Repowering-Interesse des Planungsträgers die Zugrundelegung unterschiedlicher bzw. nur im Fall eines Repowering reduzierter Mindestabstände. Für die Frage, welcher Schutzabstand zum Zwecke des Immissionsschutzes erforderlich sei, komme es nicht auf vorhandene Bestandsanlagen an. Nach den eigenen Schutzvorstellungen des Planungsträgers sei ein Abstand von max. 900 m zu reinen Wohngebieten ausreichend. Es sei insoweit nicht nachzuvollziehen, warum im Übrigen eine Entfernung von mindestens 1.000 m gefordert werde. Daneben seien die Voraussetzungen für eine Reduzierung des Abstandes um 10% unklar und weder bestimmt noch bestimmbar.
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Auch die Ziele des RROP 2004 stünden dem streitgegenständlichen Vorhaben nicht entgegen. Insoweit habe die Klägerin bereits einen Antrag auf Abweichung von regionalplanerischen Zielen gestellt, wonach außerhalb der Vorranggebiete die Errichtung von raumbedeutsamen Windenergieanlagen ausgeschlossen ist. Sämtliche Voraussetzungen für diese Abweichung lägen vor. So sei es raumordnerisch vertretbar, eine Abweichung zuzulassen. Denn die geplanten Anlagen befänden sich im Randbereich der Kernzone des Naturparks. Auch werde nur eine kleine Fläche in Anspruch genommen. Die zusätzliche Lärmbelastung beträfe ebenfalls nur einen kleinen Teil der im Naturpark verlaufenden Rad- und Wanderwege. Auch werde der Regionalplan nicht in seinen Grundzügen berührt.
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Schließlich könnten auch die Darstellungen des Flächennutzungsplanes der Verbandsgemeinde Saarburg das streitgegenständliche Vorhaben nicht verhindern.
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Zwar lägen die klägerischen Standorte außerhalb der dort dargestellten Konzentrationsflächen. Der Flächennutzungsplan sei jedoch jedenfalls hinsichtlich der außergebietlichen Ausschlusswirkung unwirksam und im hiesigen Verfahren nicht anzuwenden.
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Insbesondere erweise sich das dem Flächennutzungsplan zugrundeliegende Planungskonzept als unschlüssig und abwägungsfehlerhaft. So seien die zielförmigen Ausschlusskriterien Z 163d und Z 163i des LEP IV als harte Tabukriterien vollständig übernommen und der Flächenermittlung zugrunde gelegt worden. Daher sei das Planungskonzept mit dem LEP IV identisch und dementsprechend ebenso abwägungsfehlerhaft. Die Annahme einer Bindung an die Ziele des Regionalplans bei der Beschlussfassung des Flächennutzungsplans in Unkenntnis der objektiv bestehenden Unwirksamkeit begründe einen beachtlichen Abwägungsmangel im Sinne des § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB.
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Dabei sei zunächst darauf hinzuweisen, dass auch etwaige „in Aufstellung befindliche Ziele der Raumordnung“ keineswegs zwingend zu beachten und als harte Tabukriterien zugrunde zu legen seien. Vielmehr seien diese allenfalls als Abwägungsmaterial in die Abwägung mit einzustellen und hätten dann gegebenenfalls auf der Ebene der weichen Tabukriterien einen Ausschluss der Windenergie sachlich rechtfertigen können.
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Darüber hinaus erwiesen sich weitere harte Tabukriterien als abwägungsfehlerhaft, etwa ein einheitlicher 500m- Abstand zu baulichen Anlagen im Außenbereich, gewerblichen Bauflächen und Campingflächen. Selbst wenn man der Auffassung folgen wollte, Mindestabstände seien zumindest insoweit harte Tabuzonen, als sie immissionsschutzrechtlich zur Einhaltung der Immissionsrichtwerte nach der TA Lärm erforderlich sind, setze dies eine Berechnung voraus, die auf Ebene eines Flächennutzungsplanes nicht machbar sei. Denn zum Zeitpunkt des Planaufstellungsverfahrens seien weder Anlagentypen, Anlagenzahlen noch genaue Schallleistungspegel bekannt. Etwaige Schalldämpfung oder Betriebsbeschränkungen könnten zwangsläufig ebenfalls nicht berücksichtigt werden. Eine Windenergienutzung innerhalb der Mindestabstände könne daher nicht von vornherein schlechthin ausgeschlossen werden. Außerdem sei der einheitliche 500 m-Abstand abwägungsfehlerhaft. Es hätten unterschiedliche Abstandsflächen in Abhängigkeit von unterschiedlichen Schutzmaßstäben entsprechend der TA Lärm vorgesehen werden müssen.
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Fehlerhaft sei auch, dass die Verbandsgemeinde zusätzlich zu Straßen einen harten Abstand anlege, der über die gesetzlichen Anbauverbote zu Fernstraßen und zu Landesstraßen hinausgehe. Eine sachliche Rechtfertigung für die gewählten Abstandsflächen sei auch nicht darin zu sehen, dass der Landesbetrieb Mobilität diesen Abstand vorgegeben habe. Denn die ermittelten Baubeschränkungszonen würden über die gesetzlichen Beschränkungszonen von 100 m zu Bundesautobahnen und 40 m zur Bundesstraße deutlich hinausgehen. Für ein Zustimmungserfordernis des Landesbetrieb Mobilität zu einem Windenergievorhaben gäbe es indessen keine gesetzliche Grundlage. Den harten Ausschluss im Rahmen der Flächennutzungsplanung könne dies jedenfalls nicht rechtfertigen. Soweit die Beigeladene zu 2) die Baubeschränkungszonen im Rahmen der Auflistung auf S. 9 der Planbegründung den weichen Tabukriterien zugeordnet habe, führe diese mangelnde Zuordnung ebenfalls zur Unwirksamkeit des Flächennutzungsplanes. Denn ein Planungsträger müsse den Unterschied zwischen harten und weichen Tabuzonen bewusst machen und ihn dokumentieren.
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Daneben seien einige weiche Tabukriterien abwägungsfehlerhaft. Dies betreffe zum einen den weichen 1000 m- Abstand zu künftigen Siedlungsgebieten. Denn für einen solchen weiteren Vorsorgeabstand müsse die künftige Siedlungsentwicklung zumindest hinreichend konkretisiert sein. Vage Möglichkeiten, dass auf diesen Flächen irgendwann irgendwelche Baugebiete entstehen könnten, könnten schon mit Blick auf die Eigentumsgrundrechte der betroffenen Grundstückseigentümer den Ausschluss nicht rechtfertigen. Im Übrigen sei unklar, weshalb ein einheitlicher Abstand sowohl zu gemischten Bauflächen als auch zu Wohnflächen erforderlich sei. Außerdem sei ein vorsorgender Siedlungsabstand als weiches Tabukriterium insbesondere dann unzulässig, wenn entsprechende Bauflächen lediglich in einem Flächennutzungsplan dargestellt würden. Denn anderenfalls würde die Privilegierung der Windenergie im Außenbereich über die Maßen eingeschränkt, denn die in einem Flächennutzungsplan dargestellte Fläche stelle - anders als die in einem Bebauungsplan dargestellte Fläche - noch kein rechtsverbindliches Bodenrecht dar.
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Auch der weiche 600 m-Abstand zu Start- und Landeplätzen für Hängegleiter sei nicht hinreichend begründet. Daneben sei der weiche Ausschluss der Windenergienutzung innerhalb eines Abstands von 200 m zu Richtfunktrassen sachlich nicht gerechtfertigt. Soweit die Konzentrationszone des Flächennutzungsplans außerhalb der ersten Fresnelzone liege, könne bereits im Planaufstellungsverfahren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass ein Konflikt zwischen der Windenergienutzung und der Richtfunkstrecke nicht bestehe. Dies gelte aber auch für den Fall, wenn der 200 m- Abstand innerhalb der ersten Fresnelzone liegen sollte. Denn es sei jedenfalls dann nicht von einer relevanten Beeinträchtigung der Richtfunkstrecke auszugehen, solange nicht ein bestimmter Prozentsatz an Signaldämpfung überschritten werde. Ob ein solcher Ausfall tatsächlich droht, könne im Rahmen der Flächennutzungsplanung jedoch nicht festgestellt werden.
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Sachlich nicht gerechtfertigt sei ebenfalls der Ausschluss festgesetzter Wasserschutzgebiete der Zone II. Auch der weiche Ausschluss der Bereiche außerhalb geringster Risiken und der weiche 1.000m- Abstand zu Schwarzstorchhorsten sei nicht nachzuvollziehen. Die diesem Abstand zugrunde liegenden Daten stammten aus dem Jahr 2012, so dass stark zu bezweifeln sei, ob sie noch aktuell seien. Doch selbst bei Zugrundelegung dieser Daten sei nicht ersichtlich, weshalb die Beigeladene zu 2) einen zusätzlichen 1000 m- Schutzabstand zu Schwarzstorchhorsten angelegt habe.
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Daneben sei der Flächennutzungsplan wegen formellen Mängeln unwirksam. So sei die Auslegungsbekanntmachung im Amtsblatt der Verbandsgemeinde Saarburg fehlerhaft, da sie nicht die erforderliche Anstoßwirkung entfalte. Auch sei keine parallele Bekanntmachung der Öffentlichkeitsbeteiligung im Internet erfolgt.
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Auch der Umstand, dass die Obere Naturschutzbehörde bislang keine Befreiung von den Verboten der Naturparkverordnung erteilt habe, könne eine Ablehnung des streitgegenständlichen Antrags nicht rechtfertigen. Denn über einen diesbezüglichen Befreiungsantrag der Klägerin sei zwar bislang nicht entschieden worden, er sei aber auch nicht abgelehnt worden.
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Schließlich sei die Ablehnung auch unter Berücksichtigung der Begründung des Widerspruchsbescheides rechtswidrig.
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Die Klägerin beantragt:
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Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 3. September 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Dezember 2019 verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von sechs Windenergieanlagen vom 28. April 2016 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der geplante Windpark sei nicht genehmigungsfähig. Zwar sei die Dritte Teilfortschreibung des LEP IV aufgrund von Verfahrensfehlern bei der Öffentlichkeitsbeteiligung nicht wirksam. Dies sei aber unerheblich. Einerseits sei davon auszugehen, dass bis zur mündlichen Verhandlung die Mängel behoben seien. Im Übrigen stehe Ziel Z 163 d als unbenannter öffentlicher Belang im Sinne von § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB dem geplanten Vorhaben entgegen.
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Der LEP IV treffe keine vorhabenbezogenen Festlegungen und habe damit einen zulässigen Inhalt. Ansatz der Teilfortschreibung sei es, Räume und bestimmte Schutzgebiete von der Nutzung durch Windenergieanlagen auszunehmen. Dabei handele es sich um eine klassische Steuerung der Raumentwicklung, die dazu diene, die unterschiedlichen Anforderungen an den Raum aufeinander abzustimmen. Dabei gehe es nicht um eine Entprivilegierung der Windenergie, da nur wenige Flächen der potentiellen Nutzung durch Windenergieanlagen entzogen würden. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die in Ziel Z 163 d definierten Ausschlussbereiche grundsätzlich ein hohes Konfliktpotenzial mit der Windkraft aufwiesen und nicht davon ausgegangen werden könne, dass diese Flächen uneingeschränkt für Windkraft nutzbar wären. Die Klägerin verkenne auch, dass Privilegierung nicht bedeute, dass privilegierte Vorhaben im Außenbereich uneingeschränkt zulässig seien.
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Die Ziele des LEP IV stellten auch keine Planung im Sinne des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB dar, so dass Überlegungen, wonach diese Ziele eine mit den Regelungszwecken des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB nicht vereinbare Negativplanung darstellten, nicht zielführend seien. Vielmehr könne angesichts der nicht nur überörtlichen, sondern vielmehr überregionalen Bedeutung des Ausbaus der Windenergie dem Plangeber des Landesentwicklungsprogramms nicht die Berechtigung abgesprochen werden, den Abstand von Windenergieanlagen und Siedlungsgebieten landeseinheitlich in Form von Zielfestlegungen zu regeln. Nichts anderes gelte für das Freihalten von Bereichen, die aus Gründen des Natur-, Landschafts- und Kulturlandschaftsschutzes ein besonders hohes Konfliktpotenzial im Hinblick auf die Nutzung durch Windkraft aufweisen.
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Das Ziel Z 163 d der Dritten Teilfortschreibung des LEP IV bewege sich einschließlich seiner Begründung im Rahmen der Planungsbefugnis des Trägers der Landesplanung. Diese Planungsbefugnis schließe planerische Gestaltungsfreiheit ein. Dies bedeute, dass sich der Planungsträger in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurücksetzung eines anderen Belanges entscheide. Dabei sei das Forcieren oder Zurücksetzung bestimmter Belange kein nachvollziehbarer Vorgang der Abwägung, sondern eine geradezu elementare planerische Entscheidung, die zum Ausdruck bringe, in welcher Weise sich die Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Landesgebiets nach Auffassung des Trägers der Landesplanung vollziehen solle.
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Zu berücksichtigen sei dabei, dass gemäß § 4 Abs. 2 der Landesverordnung über den Naturpark Saar-Hunsrück die Erholung in der Stille ein Schutzzweck sei. Dieses Ziel könne aufgrund der von Windenergieanlagen ausgehenden Lärmimmissionen nicht erreicht werden, wenn Windenergieanlagen innerhalb einer Kernzone errichtet würden. Eine existierende Vorbelastung sei dabei irrelevant, da mit der Errichtung von Windkraftanlagen eine weitere „Verlärmung“ des Gebietes einhergehen würde.
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Im Übrigen weise die Kernzone Saartal-Leukbachtal“ des Naturpark SaarHunsrück, in der die hier streitigen Vorhaben verwirklicht werden sollen, bislang keine signifikante Lärmbelästigung auf.
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Die Frage, ob andere Schutzgebietstypen zurecht einer Nutzung durch Windkraftanlagen entzogen werden, sei im vorliegenden Rechtsstreit irrelevant. Auch sei unerheblich, ob die Abstandsregeln, die Regelung „3 WEA im räumlichen Verbund“ oder die alten Laubholzbestände wirksame Ziele der Landesplanung sein können. Denn Ziele der Landesplanung seien isoliert zu betrachten. Eine gesamträumliche Konzeption sei nicht erforderlich. Die einzelnen Ziele stünden unabhängig nebeneinander. Etwas Anderes würde allenfalls dann gelten, wenn durch die verschiedenen Ausschlusskriterien in der Summe eine Situation entstehen würde, dass der Nutzung der Windenergie nicht mehr nachhaltig Raum zur Verfügung stünde. Dies sei aber offensichtlich nicht der Fall.
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Der RROP 2004 sei weiterhin gültig.
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In Bezug auf den Flächennutzungsplan sei es auch zulässig, die Ziele des LEP IV als hartes Tabukriterium anzulegen. Gleiches gelte für einen einheitlichen 500 m Abstand zu baulichen Anlagen im Außenbereich. Dieser Wert orientiere sich am „Rundschreiben Windenergie“. Die vorgesehenen Abstände zu Straßen seien zwar systematisch den harten Kriterien zugeordnet, inhaltlich gehe die Beigeladene aber von einem weichen Tabukriterium aus. Dies werde etwa an der Formulierung „Über die o.g. genannten gesetzlichen Vorgaben hinaus“ deutlich. Diese lasse darauf schließen, dass ein Mehr über den notwendigen Abstand hinaus planerisch gewünscht und dem Plangeber bewusst war, dass es hierzu keine Verpflichtung gäbe. Inhaltlich handele es sich damit um eine weiche Tabuzone. Der 1000 m- Abstand zu künftigen Siedlungsgebieten, der 600 m-Abstand zu Fluggeländen und der 200 m-Abstand zu Richtfunkstrecken und Wasserschutzgebieten der Zone II seien ebenso wie weitere Abstände im Zusammenhang mit Schutzgebieten des Natur- und Fachrechts entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts festgelegt worden. Es sei den Gemeinden gestattet, weiche Tabuzonen nach eigenen städtebaulichen Kriterien zu ermitteln. Eine willkürliche Festlegung von weichen Tabuflächen sei nicht erkennbar. Dies gelte auch im Hinblick auf geplante Siedlungsflächen ohne verwirklichte Nutzung, da der Ausschluss dieser Flächen auf dem anzuerkennenden Willen der Gemeinde beruhe, diese Gebiete weiterhin für Wohnnutzung verfügbar zu halten.
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Eine Befreiung nach § 67 BNatSchG liege nicht vor. Die insoweit zuständige SGD Nord habe die Befreiung abgelehnt.
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Die Beigeladene zu 1) beantragt ebenfalls,
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die Klage abzuweisen.
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Der beantragten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung stünden öffentliche Belange entgegen. Die Verwirklichung der geplanten WEA würde den Zielen der Raumordnung widersprechen. Der RROP 2004 enthalte unter anderem die Zielfestsetzung, dass außerhalb der Vorranggebiete die Errichtung von raumbedeutsamen WEA ausgeschlossen sei. Diese Regelung werde durch eine textliche Festsetzung dahingehend ergänzt, dass in den Vorranggebieten für die Windenergienutzung der Bau und Betrieb von raumbedeutsamen WEA Ziel der Regionalplanung sei. Diese Ziele erfüllten die Anforderungen an die gesetzliche Voraussetzung „Ziele der Raumordnung“ im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 2 HS 1 BauGB. Diesen Zielen komme eine strikte Verbindlichkeit zu. Nachdem die vorgesehenen sechs WEA außerhalb der genannten Vorranggebiete innerhalb der Ausschlusszone lägen, widersprächen sie den Zielen der Raumordnung. Bei den geplanten Anlagen handele es sich auch um raumbedeutsame Vorhaben.
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Die festgesetzten Konzentrations- und Ausschlussflächen seien auch nicht als Negativplanung im Sinne einer bloßen Verhinderungsplanung unwirksam.
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Ein Anspruch der Klägerin auf Neubescheidung lasse sich auch nicht daraus herleiten, dass sie einen Anspruch auf Zulassung einer Abweichung von den genannten Zielen habe.
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Die Voraussetzungen für eine Abweichung lägen bereits nicht vor. Die Zulassung einer Abweichung sei raumordnerisch nicht vertretbar. Die Planungsgemeinschaft Region Trier habe ausweislich der Begründungen und Erläuterungen zum RROP 2004 unter anderem den Zweck verfolgt, landespflegerischen Zielvorstellungen, die mit der Ausweisung von Kernzonen der Naturparke verfolgt werden, den Vorrang gegenüber der Windenergienutzung einzuräumen. Schutzzweck der von der Landesverordnung über den Naturpark Saar-Hunsrück bestimmten Kernzonen sei neben der Erhaltung der landwirtschaftlichen Eigenart und Schönheit und des Erholungswertes die Ermöglichung einer Erholung in der Stille. Dieser Schutzzweck der Kernzonen des Naturparks stehe im Widerspruch zur Wirkung von Windenergieanlagen, die das Landschaftsbild und den Naturgenuss in der Stille schon durch ihre optische Präsenz und die mit ihrem Betrieb typischerweise verbundenen Lärmimmissionen nachteilig beeinflussen.
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Aus den gleichen Gründen sei die Zulassung einer Abweichung mit den Grundzügen der Planung nicht zu vereinbaren. Hier hätte der Plangeber des RROP 2004 auf den Flächen, welche die Klägerin zur Bebauung mit den Windenergieanlagen vorgesehen hat, auch dann keine Vorrangfläche für Windenergie ausgewiesen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung die Absichten der Klägerin bekannt gewesen wären.
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Doch selbst wenn die Voraussetzungen für eine Abweichung erfüllt wären, folgte daraus allenfalls ein Anspruch auf abwägungsfehlerfreie Entscheidung über den Antrag auf Zulassung der Abweichung. Die obere Landesplanungsbehörde habe nämlich im Rahmen ihrer Entscheidung über die Zulassung der Abweichung eine Abwägungsentscheidung zu treffen, so dass die raumordnerische Vertretbarkeit und das Nichtberührtsein der Grundzüge der Planung weniger als tatbestandliche Voraussetzungen, denn als die äußeren Grenzen einer einheitlichen Abwägungsentscheidung einzuordnen seien. Wenn somit eine Verpflichtung der Landesplanungsbehörde zur Entscheidung über den Antrag auf Zulassung einer bestimmten Abweichung in einem raumordnungsrechtlichen Verfahren nicht möglich sei, könnten auch im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren die entgegenstehenden Ziele der Raumordnung nicht inzident überwunden werden.
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Daneben widersprächen die vorgesehenen WEA den Zielen des LEP IV. Insbesondere lägen sie in einer Ausschlusszone nach Z 163 d S. 1 LEP IV.
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Etwas anderes ergäbe sich nicht daraus, dass infolge einer fehlerhaften Veröffentlichung Zweifel hinsichtlich der Wirksamkeit an dem LEP IV aufgetreten seien. Etwaige Mängel bei der Veröffentlichung seien zwischenzeitlich geheilt worden. Insbesondere seien fehlerfreie Verfahrensschritte im Heilungsverfahren nicht zu wiederholen. Auch sei es nicht erforderlich gewesen, den genauen Inhalt der Dritten Teilfortschreibung im ergänzenden Verfahrens darzustellen, weil dies im Ergebnis die Bekanntmachung vollkommen überfrachtet hätte. Im Übrigen handele es sich bei Z 163 d jedenfalls um ein in Aufstellung befindliches Ziel der Raumordnung, das als nicht benannter öffentlicher Belang im Sinne des § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB zu beachten sei.
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Z 163 d LEP IV entspreche auch in materieller Hinsicht den an die raumplanerische Abwägung zu stellenden Anforderungen. Insbesondere liege keine Verhinderungsplanung vor. Zunächst müsse darauf hingewiesen werden, dass es der Raumplanung verwehrt sei, verbindliche naturschutzfachliche Regelungen, wie etwa die Festlegung von Kernzonen der Naturparke, durch eigene, abweichende Zielvorstellungen zu ersetzen. Daher sei es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn mit dem Ziel Z 163 d und der Begründung zu diesem Ziel festgestellt werde, dass in den Kernzonen der Naturparke die Windenergie ausgeschlossen sei. Im Übrigen werde mit dem LEP IV für die Windenergienutzung auch in substantieller Weise Raum geschaffen. So werde gemäß Z 163 b den regionalen Planungsgesellschaften aufgegeben, Vorranggebiete auszuweisen, wobei die nachgeordnete Planung unter anderem die Grundsätze G 163 a und G 163 c zu beachten habe, wonach 2 % der Fläche des Landes und dabei auch 2 % der Fläche des Waldes für die Windenergie zur Verfügung zu stellen seien. Diese Verlagerung der planerischen Konfliktbewältigung sei zulässig und geboten, weil sich die hier ergebenden Interessenskonflikte im Verfahren über die Erstellung von regionalen Raumordnungsplänen sachgerecht lösen ließen. Im vorliegenden Fall verkenne die Klägerin im Übrigen, dass für den Raum, in dem die im LEP IV vorgesehenen Restriktionen nicht griffen, die Errichtung von Windkraftanlagen nach den dort vorgesehenen Vorgaben bauordnungsrechtlich gerade zulässig sei. Dies gelte für den hier maßgeblichen Planungsraum in der Regionalgemeinschaft Trier erst recht, da dort explizit im Rahmen des noch geltenden Regionalplans Vorranggebiete für die Windenergie vorgegeben worden seien.
- 63
Auch die Angriffe der Klägerin, die sich gegen den im LEP IV vorgesehenen Mindestabstand von 1000 m zwischen Windenergieanlagen und den in Z 163 h genannten Gebietstypen richteten, seien nicht berechtigt. Die Überlegungen der Klägerin dazu gingen von einer Windenergienutzung aus, die nach den Maßstäben des Immissionsschutzrechts zulässig wäre. Sie schließe daraus, dass die Landesplanung von ihrer planerischen Befugnis nur derart Gebrauch machen dürfe, dass sie alle immissionsschutzrechtlich möglichen Nutzungen im LEP IV auch planerisch ermöglichen müsse. Diese Argumentation verdränge aber die Planungsbefugnisse der Landesplanung in unzulässiger Weise. Insbesondere sei es der Landesplanung unter Vorsorgegesichtspunkten nicht verwehrt, einen größeren Abstand festzulegen als den nach TA Lärm zulässigen Abstand, der im Verfahren der Landesplanung für alle denkbaren Anlagenstandorte ohnehin nicht feststellbar sei.
- 64
Im Übrigen sei der Beklagte berechtigt gewesen, den Genehmigungsantrag der Klägerin wegen dessen Unvollständigkeit abzulehnen. Denn die Klägerin habe es trotz Aufforderung unter einer ausreichenden Fristsetzung unterlassen, eine Vielzahl von fehlenden Unterlagen, insbesondere hinsichtlich der naturschutzrechtlichen Prüfung, vorzulegen. So sei der artenschutzrechtliche Fachbeitrag ebenso unvollständig wie die FFH-Vorprüfung.
- 65
Die Beigeladene zu 2)
- 66
hat keinen Antrag gestellt.
- 67
Sie hat zum Verfahren jedoch inhaltlich Stellung genommen.
- 68
Die Übernahme der Ausschlusskriterien des LEP IV als harte Tabukriterien sei nicht rechtsfehlerhaft. Es sei zu keinem Zeitpunkt eine öffentliche Bekanntmachung der Unwirksamkeit des LEP IV erfolgt. Daher sei das Landesentwicklungsprogramm für die Beigeladene zu 2) nach wie vor bindend. Jedenfalls hätten zumindest „in Aufstellung befindliche Ziele der Raumordnung“ vorgelegen, welche zu beachten gewesen seien.
- 69
Hinsichtlich des einheitlichen harten 500-Meter Abstandes zu baulichen Anlagen im Außenbereich, gewerblichen Bauflächen und Campingflächen sei darauf hinzuweisen, dass diese Abstände sowohl unter Aspekten des Immissionsschutzes als auch unter dem Gesichtspunkt der optisch bedrängenden Wirkung der Windkraftanlagen festgelegt worden seien. Da sich die zugrunde gelegten Werte auf die „Hinweise zur Beurteilung der Zulässigkeit der Errichtung von Windenergieanlagen in Rheinland-Pfalz“ (Rundschreiben Windenergie) bezögen, hätten Sie als hartes Tabukriterium in die Plankonzeption übernommen werden können.
- 70
Auch die harten Baubeschränkungszonen zu Straßen seien nicht rechtsfehlerhaft. Die diesbezüglichen Mindestabstände zu klassifizierten Straßen seien nach den gesetzlichen Vorgaben als harte Tabukriterien festgelegt worden. Alle darüber hinausgehenden Abstandsflächen, welche im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens durch die zuständigen Fachbehörden zugrunde gelegt würden, seien ergänzend als weiche Tabukriterien in die Planung übernommen worden. Dies ergebe sich zum einen daraus, dass in der Begründung zum sachlichen Teil-Flächennutzungsplan „Windenergie“ formuliert werde: „Über die gesetzlichen Vorgaben hinaus...“. Daneben werde dies aber auch aus der Auflistung auf Seite 9 der Begründung zum sachlichen TeilFlächennutzungsplan „Windenergie“ deutlich, in der die zusätzlichen Infrastrukturabstände ausdrücklich den weichen Tabukriterien zugeordnet seien.
- 71
Der weiche 1000-Meter-Abstand zu künftigen Siedlungsgebieten sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Sofern in der Begründung zum Flächennutzungsplan ausgeführt werde, dass Flächen, die noch nicht überplant seien, geschützt werden sollen, sei damit nicht gemeint, dass es sich um Flächen handele, die im Flächennutzungsplan noch gar nicht enthalten seien. Vielmehr handele es sich um Flächen, die zwar im seit 2004 genehmigten Flächennutzungsplan enthalten seien, jedoch noch nicht durch kommunale Bauleitplanung weiterentwickelt worden seien. Dies ergebe sich auch aus der Überschrift des Kapitels.
- 72
Bezüglich des weichen 600-Meter-Abstandes zu Start- und Landeplätzen für Hängegleiter sei die Beigeladene der Empfehlung des Deutschen Hängegleiterverbandes als zuständigen Beauftragten des Bundesministeriums für Verkehr gefolgt.
- 73
Die in die Planung eingeflossenen Abstände zu Richtfunkstrecken seien im Zuge des Planaufstellungsverfahrens mit den betroffenen Betreibern der Richtfunkanlagen abgestimmt worden.
- 74
Hinsichtlich des weichen Ausschlusses festgesetzter Wasserschutzgebiete der Zone II könne aufgrund der strengen Maßstäbe der Restriktionen hinsichtlich baulicher Anlagen in den diesbezüglichen Schutzzonen eine pauschale Befreiung in der Flächennutzungsplanung nicht in Aussicht genommen werden. Entsprechende hydrogeologische Untersuchungen im Bereich der engeren Schutzzone lägen zudem nicht vor.
- 75
Schließlich habe sie die in der Verbandsgemeinde tätigen Projektierer bezüglich der Ausschlussbereiche zu Schwarzstorchhorsten und der „Bereiche außerhalb geringster Risiken“ mehrfach angeschrieben und die darauf vorgelegten Ergebnisse in die Plankonzeption einbezogen. Somit stammten zwar die Daten der „Rahmenstudie Artenschutz“ aus dem Jahr 2012. Jedoch seien neuere artenschutzrechtliche Erkenntnisse in die Planung integriert worden.
- 76
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten, die Sitzungsniederschrift sowie die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verwaltungsvorgänge verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 77
Die Klage ist zulässig (dazu I.), aber unbegründet (dazu II.).
I.
- 78
Die Klägerin verfolgt ihr Begehren im Wege einer statthaften Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), mit der auch eine Verurteilung der Behörde zur Verbescheidung eines Antrags auf Erteilung einer Genehmigung in einem für die Klägerin günstigen Sinn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts begehrt werden kann (vgl. nur OVG RheinlandPfalz, Urt. vom 6. Juni 2019, 1 A 11532/18, Rn. 27 ff., juris). Denn es besteht zwar grundsätzlich die Pflicht des Gerichts, die Sache umfassend spruchreif zu machen, nachdem der Behörde bei ihrer Entscheidung über die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung von Windkraftanlagen, deren Voraussetzungen sich aus § 6 Abs.1 i.V.m. § 5 BImSchG ergeben, kein Ermessen eingeräumt ist. Dies ist aber nach den Grundsätzen des steckengebliebenen Genehmigungsverfahrens anders zu beurteilen, wenn die Immissionsschutzbehörde - wie vorliegend - die Genehmigung des Vorhabens, ohne seine Vereinbarkeit mit baurechtlichen oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu prüfen, lediglich wegen eines bestimmten Rechtsverstoßes - etwa mangelnder Konformität mit einzelnen bauplanungsrechtlichen Anforderungen - ablehnt (vgl. nur OVG Rheinland-Pfalz, Urt. vom 7. April 2017, 1 A 10683/16, Rn. 89 f., juris).
II.
- 79
Die Klage hat in der Sache indes keinen Erfolg.
- 80
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Dieser Anspruch setzte nämlich voraus, dass der von der Behörde herangezogene Versagungsgrund die Ablehnung des Antrags nicht trägt und die Genehmigung nicht schon aus anderen Gründen offensichtlich zu versagen ist.
- 81
Den streitgegenständlichen Vorhaben stehen im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung indes (jedenfalls) öffentliche Belange gem. § 35 Abs. 1, 3 S. 2 BauGB entgegen. Der avisierte Bau der sechs WEA widerspräche Zielen der Raumordnung.
- 82
Nach § 35 Abs. 3 S. 2 HS 1 BauGB dürfen raumbedeutsame Vorhaben den „Zielen der Raumordnung“ nicht widersprechen. Gem. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Raumordnungsgesetz (ROG) handelt es sich dabei um „verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Raumordnung abschließend abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums“. In Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung, die den Zielen der Raumordnung gegenüber raumbedeutsamen Vorhaben im Außenbereich eine eher restriktive Wirkung auch im Sinne einer nachvollziehenden Abwägung zugestand, geht nunmehr das Bundesverwaltungsgericht von einer weitergehenden Wirkung des § 35 Abs. 3 S. 2 HS 1 BauGB aus. Mit der Festsetzung eines Ziels der Raumordnung wird danach bewirkt, dass der Bau eines raumbedeutsamen Vorhabens, das im Widerspruch zu diesem Ziel steht, unzulässig ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 16. April 2015 - 4 CN 6/14 - NVwZ 2015, 1540, 1541). Eine „nachvollziehende Abwägung“ scheidet aus.
- 83
Maßgeblich für diese Rechtswirkungen von Zielen der Raumordnung gegenüber Vorhaben nach § 35 BauGB ist der jeweilige Inhalt der Ziele, die unter Anwendung des § 7 Abs. 2 S. 1 ROG (Abwägung auch privater Belange) festgelegt worden sind (Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 126. EL, August 2017, § 35, Rn. 118).
- 84
Vorliegend handelt es sich bei den streitgegenständlichen Vorhaben um raumbedeutsame Anlagen (dazu 1.). Diese stehen in Widerspruch zu Zielen des RROP 2004 (dazu 2). Eine Abweichung von diesen Zielen wurde nicht zugelassen (dazu 3.).
1.
- 85
Bei den geplanten sechs WEA der Klägerin handelt es sich im Hinblick auf ihre Gesamthöhe von jeweils 199,5 m und die durch die Anlagen verursachten Lärmimmissionen um raumbedeutsame Vorhaben (vgl. diesbezüglich z.B. BVerwG, Beschluss vom 2. August 2002, 4 B 36/02, BauR 2003, 837).
2.
- 86
Der RROP 2004 enthält folgende Zielfestlegungen (vgl. RROP 2004 vom 7. Juni 2004, Seite I/II.1):
- 87
„Windenergie
Z Der Regionale Raumordnungsplan Region Trier verwirklicht mit dieser Fortschreibung das Ziel der räumlichen Konzentration von Windenergieanlagen in raumordnerisch und für die Gewinnung von Windenergie gut geeigneten Gebieten. Diese Gebiete werden als Vorranggebiete für die Windenergienutzung festgelegt.
Z In den Vorranggebieten für die Windenergienutzung ist der Bau und Betrieb von raumbedeutsamen Windenergieanlagen Ziel der Regionalplanung. Alle raumbedeutsamen Funktionen oder Nutzungen, die mit der Windenergienutzung nicht zu vereinbaren sind, sind in diesen Gebieten ausgeschlossen.
Z Außerhalb der Vorranggebiete ist die Errichtung von raumbedeutsamen Windenergieanlagen ausgeschlossen.“
- 88
Bei diesen sich ergänzenden Zielen handelt es sich um hinreichend bestimmte bzw. bestimmbare Festlegungen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raumes und damit um Ziele der Raumordnung im Sinne des § 35 Abs. 3 S. 2 HS 1 BauGB (vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. Juli 2005, 8 A 11046/04.OVG, S. 7). Die erwähnten Vorrang- und Ausschlussgebiete sind dabei auch nicht als Negativplanung im Sinne einer bloßen Verhinderungsplanung unwirksam (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 08. März 2004 - 8 A 11520/03.OVG Rn. 42, juris bestätigt durch BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2005 - 4 C 5/04 -, Rn. 33 ff., juris;
- 89
OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. Juli 2005, 8 A 11046/04.OVG, S. 8 f.).
- 90
Der RROP 2004 ist ferner nicht - etwa durch das spätere Inkrafttreten des LEP IV in seiner seit 2013 geltenden Fassung - obsolet geworden. Zwar lässt der LEP IV die Entwicklung neuer Sonderbauflächen außerhalb von Vorranggebieten für die Windenergienutzung zu; allerdings folgt daraus nicht automatisch, dass die Ausschlusswirkung des RROP 2004 unwirksam oder funktionslos wäre mit der Folge, dass kein Abweichungszulassungsverfahren mehr erforderlich wäre. Vielmehr bleibt der RROP 2004 verbindlich, bis er durch einen rechtsverbindlichen Nachfolgeplan abgelöst wird (Bäumler in: Praxis der Kommunalverwaltung, F 2 RhPf, Erg.-Lfg. Oktober 2013, § 6 LPlG, Erl. 4.; VG Trier, Urt. vom 29. Mai 2019, 7 K 5887/18.TR, S. 18; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Urt. vom 7. April 2017, 1 A 10683/16, Rn. 42, juris, zum Regionalen Raumordnungsplan MittelrheinWesterwald 2006).
- 91
Die geplanten Anlagen liegen - unstreitig - außerhalb der im RROP 2004 festgelegten Vorranggebiete und damit innerhalb der vorgesehenen Ausschlusszone. Damit widersprechen sie Zielen der Raumordnung.
3.
- 92
Eine Abweichung von den Zielen des RROP 2004 ist (bislang) durch die obere Landesplanungsbehörde nicht zugelassen worden. Die Klägerin vermag an dieser Stelle auch nicht mit ihrer Ansicht durchzudringen, dass die Ziele des RROP 2004 dem streitgegenständlichen Vorhaben deshalb nicht entgegenstünden, weil sämtliche Voraussetzungen für die Bewilligung ihres Antrags gem. § 6 Abs. 2 ROG, § 10 Abs. 6 Satz 1 Landesplanungsgesetz (LPlG) auf Abweichung von den Zielen des RROP 2004, den sie am 9. Mai 2019 gestellt hat, vorlägen.
- 93
Nach § 10 Abs. 6 S. 1 LPlG kann zwar „die obere Landesplanungsbehörde [...] im Benehmen mit den fachlich berührten Stellen der oberen Verwaltungsebene und der jeweiligen Planungsgemeinschaft die Abweichung von einem Ziel des regionalen Raumordnungsplans zulassen, wenn diese aufgrund veränderter Tatsachen oder Erkenntnisse unter raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar ist und der regionale Raumordnungsplan in seinen Grundzügen nicht berührt wird“.
- 94
Vorliegend kann indes offenbleiben, ob die Voraussetzungen „raumordnerische Vertretbarkeit" und das "Nichtberührtsein der Grundzüge der Planung" erfüllt sind.
- 95
Denn selbst wenn dies der Fall wäre, führte dies nicht zu einer planungsrechtlichen Zulässigkeit der streitgegenständlichen Vorhaben, sondern allenfalls zu einem Anspruch gegenüber der oberen Landesplanungsbehörde auf abwägungsfehlerfreie Entscheidung über den Abweichungsantrag der Klägerin vom 9. Mai 2019. Denn für die obere Landesplanungsbehörde besteht zunächst ein Ermessensspielraum, auch beim Vorliegen der Voraussetzungen einem Zielabweichungsantrag nicht stattzugeben. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 2 S. 2 ROG: „Von den Zielen der Raumordnung kann abgewichen werden“ (Spannowsky/Runkel/Goppel/Goppel, ROG, 2. Aufl. 2018, § 6 Rn. 42). Das OVG Rheinland-Pfalz indes hat den Inhalt einer derartigen Abweichungsentscheidung in seinem Urteil vom 14. November 2018 (Az.: 1 A 10105/18 -, Rn. 62 - 65, juris) darüber hinaus wie folgt konkretisiert:
- 96
„§ 6 Abs. 2 ROG in Verbindung mit §§ 8 Abs. 3 Satz 1 und 10 Abs. 6 Satz 1 LPlG bilden auf den ersten Blick eine konditionale Entscheidungsstruktur mit einem Ermessensspielraum der Behörde auf der Rechtsfolgenseite ab.
- 97
Das Bundesverwaltungsgericht geht jedoch davon aus, dass die Behörde im Rahmen des § 6 Abs. 2 ROG in Verbindung mit §§ 8 Abs. 3 Satz 1 und 10 Abs. 6 Satz 1 LPlG eine Abwägungsentscheidung zu treffen hat, welche durch die Gerichte nur auf sogenannte Abwägungsfehler hin zu überprüfen ist und auf die sogar die Planerhaltungsvorschriften - hier also namentlich § 6 Abs. 7 Satz 3 Nr. 2 LPlG - Anwendung finden sollen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Juli 2005 - 9 VR 43/04 - juris, Rdn. 13). Nach diesem Konzept stellen sich die "raumordnerische Vertretbarkeit" und das "Nichtberührtsein der Grundzüge der Planung" weniger als tatbestandliche Voraussetzungen einer Ermessensentscheidung denn als die äußeren Grenzen einer einheitlichen Abwägungsentscheidung dar.
- 98
Für diesen Ansatz spricht, dass eine Zielabweichungsentscheidung auf der Grundlage des § 6 Abs. 2 ROG in Verbindung mit §§ 8 Abs. 3 Satz 1 und 10 Abs. 6 Satz 1 LPlG die typischen Merkmale einer Abwägungsentscheidung trägt. Typischerweise sind eine große Vielzahl von Belangen zu ermitteln, zu berücksichtigen und zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. In ein klassisches Wenn-dann-Schema lässt sich eine Zielabweichungsentscheidung nicht fassen. Hinzu kommt, dass sich die "Ermessensentscheidung" der Planungsbehörde auf der Rechtsfolgenseite verständigerweise nicht von der Prüfung der "raumordnerischen Vertretbarkeit" und des "Nichtberührtseins der Grundzüge der Planung" trennen lässt. Auch hier sind - nachvollziehende - Abwägungsentscheidungen zu treffen, und zwar im Wesentlichen mit demselben Programm wie im Rahmen des Ermessens auf Rechtsfolgenseite.“
- 99
Von daher kann das von der Klägerin angestrengte und bislang nicht erfolgreich abgeschlossene Zielabweichungsverfahren nicht im vorliegenden Klageverfahren inzident ersetzt werden, zumal - soweit ersichtlich - bislang weder das von der oberen Landesplanungsbehörde einzuleitende Benehmen mit den fachlichen berührten Stellen der oberen Verwaltungsebene und der jeweiligen Plangemeinschaft (vgl. § 10 Abs. 6 LPlG) hergestellt noch die vorzunehmende - nachvollziehende - Abwägung durchgeführt wurde. In diese hat die obere Landesplanungsbehörde unter anderem Aspekte des Naturschutzes und der Landschaftspflege (Landschaftsrahmenplanung), aktuelle fachplanerische Beiträge wie etwa zur forstlichen Rahmenplanung und zu Rohstofflagerstätten, verbindliche Bauleitpläne, sonstige städtebauliche Planungen und auch private Belange mit einzubeziehen.
- 100
Die den streitgegenständlichen Vorhaben entgegenstehenden Ziele des RROP 2004 können von der Klägerin mithin zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht überwunden werden. Auch sind keine Auflagen, Bedingungen oder Vorbehalte ersichtlich, mit deren Einhaltung die Klägerin die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens insoweit herstellen könnte.
- 101
Offenbleiben kann daher sowohl die Frage, ob den Vorhaben der Klägerin auch das (bzw. das in Aufstellung befindliche) LEP IV und/oder der aktuelle Flächennutzungsplan der Verbandsgemeinde Saarburg-Kell entgegenstehen als auch, ob die Zurückweisung des Widerspruchs der Klägerin rechtskonform auf die Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 2 der 9. Bundesimmissionsschutzverordnung gestützt werden konnte.
- 102
Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Nachdem sich die Beigeladene zu 1) mit ihrer Antragstellung einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) der Klägerin aufzuerlegen, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene zu 2) hat indes keinen Antrag gestellt.
- 103
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
- 104
Die Berufung war durch die Kammer nicht gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, da der Rechtsstreit weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat noch ein Fall der Divergenz im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO vorliegt.
- 105
Beschluss
- 106
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.960.000,- € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG, in Verbindung mit Nr. 19.1.2, des von Richtern der Verwaltungsgerichtsbarkeit erarbeiteten Streitwertkatalogs 2013, LKRZ 2014, 169).
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