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| Die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Die dem Kläger entstandenen Aufwendungen für die im Rahmen der stationären Behandlung seiner schwerbehinderten Tochter erbrachten Heilbehandlungen sind in voller Höhe beihilfefähig. Das Verwaltungsgericht hat der Klage danach im Ergebnis zu Recht stattgegeben und das beklagte Land zur Gewährung einer weiteren Beihilfe verpflichtet (Vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). |
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| 1. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 m.w.N.). Ob und inwieweit der Kläger für die seiner Tochter in Rechnung gestellten Heilbehandlungen die Gewährung einer Beihilfe beanspruchen kann, beurteilt sich daher nach der Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen vom 28.7.1995 (Beihilfeverordnung) in der ab dem 1.1.2009 geltenden Fassung. |
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| 2. Die in Rede stehenden Aufwendungen beziehen sich auf Heilbehandlungen i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 3 BVO, die die Tochter des Klägers während eines stationären Aufenthalts in dem „Klinikum ... ... ...“ erhalten hat. Dieses Klinikum ist unstreitig eine Rehabilitationseinrichtung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5 BVO. Die Aufwendungen für die stationäre Behandlung in einer solchen Einrichtung sind gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2 BVO nach Maßgabe der folgenden Absätze beihilfefähig. Zu diesen Maßgaben gehören die sich aus § 7 Abs. 7 Satz 4 BVO ergebenden Einschränkungen. Nach der ab dem 1.1.2009 geltenden Fassung dieser Vorschrift sind Einzelentgelte, Pauschalpreise und Tagessätze der Einrichtungen, die Leistungen nach § 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 oder 3 BVO betreffen, nur insoweit beihilfefähig, als sie einer Preisvereinbarung dieser Einrichtung mit einem Sozialversicherungsträger entsprechen; die Beihilfefähigkeit darüber hinausgehender Aufwendungen nach § 7 Satz 2 Nr. 2 und 3 BVO ist ausgeschlossen. |
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| Bei den therapeutischen Anwendungen, die die Tochter des Klägers während ihres Klinikaufenthalts erhalten hat, handelt es sich unstreitig um von Ärzten schriftlich begründet verordnete Heilbehandlungen im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 3 BVO und damit um Leistungen nach § 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 BVO. Die sie betreffenden Pauschalpreise und Tagessätze unterliegen damit grundsätzlich den sich aus § 7 Abs. 7 Satz 4 BVO ergebenden Einschränkungen. |
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| 3. Der Träger des Klinikums hat mit den gesetzlichen Krankenkassen gemäß § 111 Abs. 2 SGB V einen Versorgungsvertrag über die (stationäre) Durchführung der in Abs. 1 genannten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation geschlossen, zu denen nach § 40 Abs. 2 SGB V außer diesen Leistungen selbst auch Unterkunft und Verpflegung gehören. Der in dem Versorgungsvertrag vereinbarte Tagessatz von 124,27 EUR EUR beinhaltet dementsprechend sämtliche Aufwendungen für den Aufenthalt in der Klinik einschließlich der hier streitigen Anwendungen. Nach dem von dem Träger der Klinik mit der Tochter des Klägers als sogenannter Selbstzahlerin geschlossenen Vertrag sind dagegen mit dem - niedrigeren - vereinbarten Tagessatz von 105,-- EUR nur Unterkunft, Vollverpflegung, pflegerische und organisatorische Leistungen abgedeckt. Therapeutische Leistungen (Heilbehandlungen) sind dagegen gesondert zu bezahlen und wurden dementsprechend gesondert in Rechnung gestellt. |
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| Nach Ansicht des Beklagten folgt aus der Regelung des § 7 Abs. 7 Satz 4 BVO, dass - mit Ausnahme der ärztlichen Leistungen, die unter § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i.Verb.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BVO fallen - die gesamten Aufwendungen, die im Rahmen einer stationären Behandlung in einer Rehabilitationseinrichtung anfallen, nur bis zur Höhe des für Sozialversicherte vereinbarten Pauschaltagessatzes der Einrichtung beihilfefähig sind. Dementsprechend hat es in dem angefochtenen Bescheid eine entsprechende „Deckelung“ des als beihilfefähig anerkannten Betrags vorgenommen, sodass der Kläger bei einem Beihilfebemessungssatz von 80% Kosten in Höhe von 1.051,22 EUR selbst tragen muss, die auch nicht von seiner privaten Krankenversicherung übernommen werden. Gegen das dieser Entscheidung zugrunde liegende Verständnis des § 7 Abs. 7 Satz 4 BVO bestehen keine Bedenken (unten a). |
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| Die in § 7 Abs. 7 Satz 4 BVO vorgesehene „Deckelung“ der beihilfefähigen Aufwendungen verstößt jedoch insoweit gegen Art. 33 Abs. 5 GG i.Verb.m. Art. 3 Abs. 1 GG, als Leistungen für notwendige und angemessene Heilbehandlungen nach §§ 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2, 6 Abs. 1 Nr. 3 BVO in erheblichem Umfang nicht von der Beihilfe übernommen werden (unten b). |
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| a) Aus der hier anwendbaren Neufassung des § 7 Abs. 7 Satz 4 BVO geht hinreichend deutlich hervor, dass - mit Ausnahme der ärztlichen Leistungen - Aufwendungen, die im Rahmen einer stationären Behandlung in einer Rehabilitationseinrichtung anfallen, insgesamt nur bis zur Höhe des für Sozialversicherte vereinbarten Pauschaltagessatzes der Einrichtung beihilfefähig sind. Anders als noch im Rahmen des § 7 Abs. 7 Satz 4 BVO a. F. (vgl. hierzu: Senatsurteil vom 17.2.2011 - 2 S 2398/10 - juris), in dem ausschließlich von Pauschalpreisen und Tagessätzen die Rede war, lässt sich aus der Neufassung der Vorschrift - die von nicht nur von Pauschalpreisen und Tagessätzen, sondern ausdrücklich auch von Einzelentgelten spricht - ersehen, dass eine entsprechende Begrenzung der beihilfefähigen Aufwendungen gewollt ist. |
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| b) Regelungen, die krankheitsbedingte Aufwendungen trotz ihrer Notwendigkeit und Angemessenheit - beides ist hier unstreitig gegeben - von der Beihilfefähigkeit ausnehmen, sind nicht nur an der von Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten Fürsorgepflicht des Dienstherrn, sondern auch am allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG zu messen. Nach dem gegenwärtigen Beihilfensystem wird die Beihilfe als Hilfeleistung, die die Eigenvorsorge der Beamten ergänzt, unabhängig von einer finanziellen Notlage gewährt, um einen bestimmten Vomhundertsatz der Kosten in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen zu erstatten. Nach dem beihilferechtlichen Leistungsprogramm sind grundsätzlich diejenigen Aufwendungen beihilfefähig, die durch einen konkreten Anlass verursacht werden. So knüpft die Beihilfefähigkeit in Krankheitsfällen nicht an bestimmte Behandlungen oder Arzneimittel an. Diese Anlassbezogenheit kommt in dem Grundsatz zum Ausdruck, dass in Krankheitsfällen die Behandlungskosten im Rahmen der Notwendigkeit und der Angemessenheit beihilfefähig sind. Von dieser im gegenwärtigen Beihilfensystem angelegten Sachgesetzlichkeit wird zu Lasten der hiervon betroffenen Beamten abgewichen, wenn krankheitsbedingte Aufwendungen trotz ihrer Notwendigkeit und Angemessenheit von der Beihilfegewährung ausgenommen werden. Die Vereinbarkeit eines derartigen Leistungsausschlusses mit dem allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG hängt davon ab, ob er durch einen zureichenden Grund gerechtfertigt ist (BVerwG, Urteil vom 18.2.2009 - 2 C 23.09 - NVwZ 2009, 847). |
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| Die Regelung des § 7 Abs. 7 Satz 4 BVO verstößt hiervon ausgehend gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, da erhebliche krankheitsbedingte Aufwendungen trotz ihrer Notwendigkeit und Angemessenheit ohne einen zureichenden Grund von der Beihilfegewährung ausgeschlossen werden. |
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| aa) Die Regelung des § 7 Abs. 7 Satz 4 BVO führt typischerweise dazu, dass der Beihilfeberechtigte einen keinesfalls nur unwesentlichen Teil der Kosten einer notwendigen und angemessenen Rehabilitationsbehandlung selbst tragen muss, der sich nicht selten im vierstelligen Bereich bewegt (vgl. auch den Fall, der der Petition 14/2793 zugrunde lag, LT-Drucks. 14/3645 S. 6, oder den vom VG Freiburg, Urteil vom 2.4.2009 - 6 K 1959/08 - BeckRS 2009, 39506, entschiedenen Fall), wie dies auch hier der Fall ist. Dabei fällt besonders ins Gewicht, dass hierzu gerade die Aufwendungen für Leistungen gehören, die den eigentlichen Kern der Rehabilitationsbehandlung bilden (VG Freiburg, ebd.). |
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| Zwar orientiert sich der pauschalierte Tagessatz der Rehabilitationseinrichtungen üblicherweise an den gemäß § 111 Abs. 2 Satz 1 SGB V mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen vereinbarten Tagessätzen. Daher dürfte eine dieser allgemein üblichen Praxis entsprechende „Deckelung“ der entsprechenden Aufwendungen in rechtlicher Hinsicht auch nicht zu beanstanden sein. Abweichend stellt sich dies jedoch im Hinblick auf die Begrenzung der beihilfefähigen Aufwendungen für Heilbehandlungen i.S. der §§ 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2, 6 Abs. 1 Nr. 3 BVO dar. In der Praxis werden - anders als den gesetzlich Versicherten - den sogenannten Selbstzahlern, zu denen insbesondere die Beihilfeberechtigten zählen, bestimmte Leistungen wie Heilbehandlungen und Arzneimittel zusätzlich gesondert berechnet. Dies führt dazu, dass diese einen erheblichen Teil ihrer medizinisch notwendigen und angemessenen Aufwendungen selbst tragen müssen (vgl. bereits Senatsurteil vom 17.2.2011, a.a.O. zur früheren Rechtslage). |
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| Die Vorstellung des Verordnungsgebers, der Beihilfeberechtigte müsse sich auf eine solche Vertragsgestaltung nicht einlassen, sondern habe die Möglichkeit, im Verhandlungswege eine andere Regelung durchzusetzen, hält der Senat für lebensfremd. Dies zeigt sich insbesondere auch darin, dass es dem Land selbst nicht gelungen ist, entsprechende Vereinbarungen mit den Verbänden der betroffenen Einrichtungen abzuschließen (vgl. LT-Drucks. 14/3645 S. 6, Petition 14/2793 und LT-Drucks. 14/5132). Weshalb dies dem einzelnen Beihilfeberechtigten gelingen sollte, ist nicht ersichtlich. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es für einzelne Rehabilitationsmaßnahmen oft nur wenige in Betracht kommende spezialisierte Einrichtungen gibt und sich die Betroffenen in einer gesundheitlich angespannten Situation und damit in einer Art Notlage befinden, die ihre Verhandlungsposition weiter schwächt. Hinzu kommt, dass dem Beihilfeberechtigten bei Antritt der Behandlung oftmals noch nicht einmal bewusst sein muss, dass er erhebliche Aufwendungen selbst tragen muss. Dies verdeutlicht der vorliegende Fall in exemplarischer Weise. Der der Tochter des Klägers in Rechnung gestellte pauschale Tagessatz liegt sogar noch ca. 20 EUR pro Tag unter dem mit den Sozialversicherungsträgern vereinbarten Tagessatz. Erst durch die gesondert in Rechnung gestellten Heilbehandlungen - deren konkreter Umfang bei Vertragschluss oft nicht konkret absehbar ist - ist es hier zu einem Mehrbetrag gekommen, der deutlich über dem nach Ansicht des Beklagten beihilfefähigen Satz liegt. |
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| Weiter ist zu beachten, dass es in Bezug auf Rehabilitationseinrichtungen keine ausreichenden Schutzvorschriften zugunsten der Selbstzahler gibt. Während „gewöhnliche“ Krankenhäuser den Regelungen der Bundesspflegesatzverordnung unterworfen sind und die Abrechnung ärztlicher Leistungen durch die Vorschriften der GOÄ und der GOZ reglementiert ist, finden sich keine Regelungen, welche die Höhe des Gesamtentgelts für den Aufenthalt in einer Rehabilitationseinrichtung wirksam begrenzen. Dies führt einerseits dazu, dass der Träger der Einrichtung Entgelte verlangen kann, die in ihrer Gesamtheit über dem mit den Sozialversicherungsträgern vereinbarten Pauschalsatz liegen, und andererseits ein erheblicher Teil dieser für den Beamten bei realitätsnaher Betrachtung nicht vermeidbaren Aufwendungen nicht als beihilfefähig anerkannt wird. |
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| bb) Dieser Leistungsausschlusses ist nicht durch einen zureichenden Grund gedeckt, der die Abweichung von dem anlassbezogenen Leistungsprogramm des gegenwärtigen Beihilfesystems rechtfertigen könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.2.2009 - 2 C 23.09 - NVwZ 2009, 847). Die Beschränkung der Beihilfefähigkeit dient hier weder der Bekämpfung einer Missbrauchsgefahr noch geht es darum, typischerweise nicht notwendige oder unangemessen hohe Aufwendungen von der Beihilfefähigkeit auszunehmen. Motiviert ist die Regelung offenbar allein dadurch, dass einige Rehabilitationseinrichtungen „ihre frei ermittelten Preise gegenüber Selbstzahlern so hoch angesetzt haben, dass der Unterschied zu den vereinbarten pauschalen Sozialversicherungssätzen nicht erklärbar ist“ (LT-Drucks. 14/3645, Petition 14/2793, S. 7 unter 2.). Wenn dies tatsächlich zutreffen sollte, läge in der Tat ein Missstand vor, dessen Bekämpfung ohne weiteres sachlich gerechtfertigt wäre. Der Senat ist jedoch davon überzeugt, dass die Beschränkung der Beihilfefähigkeit entsprechender Aufwendungen hierzu nicht geeignet ist. Anstatt bei der Preisgestaltung der entsprechenden Einrichtungen anzusetzen, werden die beihilfefähigen Aufwendungen des Beamten „gedeckelt“. Angesichts der schwachen Marktposition des selbstzahlenden Beamten (s. ausführl. oben unter 3.b)aa) führt diese Beschränkung der Beihilfefähigkeit allein dazu, dass erhebliche Aufwendungen von dem Beamten selbst getragen werden müssen, ohne dass der vom Verordnungsgeber gesehene Missstand überhöhter Preise behoben werden würde. |
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| Hinzu kommt, dass es - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - in der baden-württembergischen Beihilfeverordnung auch an einer Vorschrift fehlt, die in Fällen wie dem vorliegenden wenigstens geeignet wäre, erhebliche Härten zu vermeiden. Zwar existiert in § 5 Abs. 6 BVO eine Härtefallvorschrift. Diese ist aber derart restriktiv gefasst, dass sie jedenfalls hier nicht zum Tragen kommen kann. Nach der Auffassung des Beklagten kommt die Anwendung der Härtefallregelung im Anwendungsbereich des § 7 Abs. 7 Satz 4 BVO gemäß § 5 Abs. 6 Satz 3 BVO von vornherein generell nicht in Betracht, da eine Begrenzung nach der Betragshöhe vorliege (so der Vortrag im vorliegenden Verfahren) bzw. die Beihilfefähigkeit ausdrücklich ausgeschlossen sei (in dem diesem Sinne: LT-Drucks. 14/3645, S. 8 unter 4.). Ob diese Auffassung zutrifft, kann offenbleiben, denn unabhängig hiervon fehlt es in der vorliegenden Fallgruppe jedenfalls an einem besonderen Härtefall, in dem ausnahmsweise Beihilfe bewilligt werden kann, da die hier gegebene Härte bereits in der Vorschrift des § 7 Abs. 7 Satz 4 BVO angelegt und daher nicht untypisch ist. Eine Härte, die üblicherweise bei Anwendung einer Rechtsnorm auftritt, kann nicht als besonderer Ausnahmefall angesehen werden. Der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auslegung, wonach bereits bei einem Überschreiten des Durchschnittsaufwands ein besonderer Härtefall vorliege, kann demzufolge nicht gefolgt werden. Denn dann müsste entgegen dem Wortlaut des § 5 Abs. 6 BVO in einer unabsehbaren Vielzahl von Fällen eine besondere Härte angenommen werden. Eine solche Auslegung wäre mit dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift nicht vereinbar. |
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| Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. |
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| Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.051,22 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG). |
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| Der Beschluss ist unanfechtbar. |
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