Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. September 2013 - 3 K 2686/13 - wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 54.375,-- EUR festgesetzt.
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| Der Antragsteller möchte mit seiner Beschwerde erreichen, dass der Antragsgegnerin die Übertragung eines gemeindlichen Baugrundstücks an einen anderen Bewerber als den Antragsteller untersagt wird, bis rechtskräftig über die Rechtmäßigkeit der Versagung des Reservierungszuschlags an den Antragsteller entschieden ist. Das Verwaltungsgericht hat seinen entsprechenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, weil er keinen Anspruch auf den Reservierungszuschlag habe. Die Antragsgegnerin habe das Vergabeverfahren entsprechend dem Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG durchgeführt und eine sachgerechte, willkürfreie und transparente Entscheidung zu Gunsten der Beigeladenen getroffen. Der Gemeinderat hatte zur Vergabe dieses und anderer Grundstücke Folgendes beschlossen: |
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| Bei Mehrfachbewerbungen auf ein Grundstück ist dem Bewerber der Vorrang zu geben, der als erstes eine verbindliche Bewerbung abgibt (Tag des Posteingangsstempels). |
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| Im Falle von Bewerbungen, die am gleichen Tag bei der Stadt K. eingegangen sind, ist über den Zuschlag für das Grundstück durch Los zu entscheiden. |
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| Vorgesehen war dabei, dass Interessenten, die sich bereits bei der Antragsgegnerin gemeldet hatten, Bewerbungsunterlagen zugesandt bekommen sollten, um durch deren Ausfüllung und Abgabe die im Beschluss genannte verbindliche Bewerbung abgeben zu können. |
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| Am 9.7.2013 gab die Antragsgegnerin die Bewerbungsunterlagen für das verfahrensgegenständliche Baugrundstück zur Post und führte, nachdem am 10.7.2013 mehrere Bewerbungen vorlagen, eine Verlosung durch, bei der das Los der Beigeladenen gezogen wurde. |
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| Der Antragsteller ist der Auffassung, nach der vom Gemeinderat der Antragsgegnerin beschlossenen Verfahrensweise müsse er den Reservierungszuschlag erhalten. Der Gemeinderat habe sich für die Vergabe nach dem Prioritätsprinzip entschieden, und seine Bewerbung habe der Antragsgegnerin am schon am 9.7.2013 und damit einen Tag früher als die übrigen Bewerbungen vorgelegen. Die Annahme der Antragsgegnerin und des Verwaltungsgerichts, seine Bewerbung sei so zu behandeln, als sei sie erst zusammen mit den anderen am 10.7.2013 eingetroffen, weil es ihm entgegen dem üblichen Gang der Dinge gelungen sei, die Bewerbungsunterlagen einen Tag vor seinen Mitbewerbern zu erhalten, sei mit dem Inhalt des Beschlusses des Gemeinderats nicht zu vereinbaren. |
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| Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe geben dem Senat keinen Anlass, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). |
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| Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf den begehrten Reservierungszuschlag. Er übergeht bei seiner nur am Wortlaut orientierten Auslegung des Gemeinderatsbeschlusses, dass es sich bei diesem Beschluss nicht um eine Rechtsnorm handelt, sondern dass damit Vergabekriterien für die Verwaltung bestimmt werden. Für Vergaberichtlinien und andere Verwaltungsvorschriften, die erst über den Gleichheitssatz und das Rechtsstaatsprinzip Außenwirkung entfalten, gilt aber, dass sie als Willenserklärung nach dem wirklichen Willen des Erklärenden (§ 133 BGB entspr.) unter Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Handhabung auszulegen sind (vgl. etwa OVG NRW, Beschl. v. 9.9.2013 - 11 A 2540/12 - juris; OVG Saarl., Urt. v. 4.6.2012 - 3 A 33/12 - juris; BVerwG, Urt. v. 2.3.1995 - 2 C 17.94 - Buchholz 240 § 17 BBesG Nr 7). Danach steht das Vorgehen der Antragsgegnerin entgegen der Auffassung des Antragstellers mit ihren Vergabekriterien in Einklang. |
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| Der Gemeinderat hatte beschlossen, dass die Vergabe in erster Linie nach dem Prioritätsprinzip und hilfsweise durch Losentscheid erfolgen sollte. Dabei lag seinem Beschluss erkennbar das Ziel zu Grunde, dass das Verfahren die verfassungsrechtlich gebotene Chancengleichheit der Bewerber (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 23.4.1980 - 8 C 23.79 -, Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 65; s. auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 28.9.2011 - 9 S 1273/10 - VBlBW 2012, 221) wahren sollte. Die Einzelheiten des Verfahrens regelt der Beschluss selbst nicht. Unstreitig war es aber Verwaltungspraxis der Antragsgegnerin, den Interessenten für ein Grundstück zum gleichen Zeitpunkt per Post Bewerbungsunterlagen zu übersenden, um ihnen die im Gemeinderatsbeschluss vorgesehene verbindliche Bewerbung zu ermöglichen. Auf diese Weise sollten den Interessenten gleiche Chancen bei einer Bewerbung eröffnet werden. Der Gemeinderat setzte deshalb stillschweigend voraus, dass die Übersendung der Unterlagen nach dem üblichen Gang der Dinge mit der üblichen Postlaufzeit erfolgt und keiner der Interessenten die Bewerbungsunterlagen schon am Tag der Versendung erhält. Dies war auch dem Antragsteller bekannt. Sein Ansinnen, den Bewerbungsbogen persönlich abholen zu dürfen, war noch einen Tag vor der Versendung der Unterlagen von einem Mitarbeiter der Antragsgegnerin ausdrücklich unter Hinweis auf die Chancengleichheit abgelehnt worden. Dem Antragsteller war mitgeteilt worden, dass alle Anschreiben zur gleichen Zeit zur Post gegeben würden. |
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| Vor diesem Hintergrund teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der Beschluss des Gemeinderats so zu verstehen ist, dass alle Bewerbungen, die nach dem üblichen Gang der Dinge am erstmöglichen Tag bei der Antragsgegnerin vorlagen, gleich behandelt werden sollten. Diese Voraussetzung des üblichen Gangs der Dinge muss der Antragsteller gegen sich gelten lassen, auch wenn sie im Wortlaut des Beschlusses des Gemeinderats nicht explizit zum Ausdruck gekommen ist (vgl. dazu auch OVG NRW, Beschluss vom 6.3.2012, a.a.O.). Denn sie entsprach erkennbar dem Willen des Gemeinderats und der tatsächlichen Handhabung bei der Vergabe von Baugrundstücken durch die Antragsgegnerin, wie auch die Ausführungen in ihrem Schreiben vom 23.7.2013 an den Antragsteller und vor allem die Äußerungen ihres Mitarbeiters gegenüber dem Antragsteller noch vor Eröffnung des Bewerbungsverfahrens belegen. |
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| Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts wird auch nicht durch den Hinweis des Antragstellers in Frage gestellt, dass in der Rechtsprechung das Prioritätsprinzip regelmäßig als mit dem Grundsatz der Chancengleichheit vereinbar angesehen worden ist. Denn dieses Prinzip bedarf, wie das Bundesverfassungsgericht gerade auch in der vom Antragsteller zitierten Entscheidung festgestellt hat, einer Ausgestaltung, die die Chancengleichheit realitätsnah gewährleistet; bei der verfahrensrechtlichen Umsetzung ist die tatsächliche Situation der vorhersehbar Interessierten hinreichend zu berücksichtigen (BVerfG, Beschluss vom 12.4.2013 - 1 BvR 990/13 - NVwZ 2013, 1293). Diesem Erfordernis der realitätsnahen Ausgestaltung entspricht die Voraussetzung, dass alle „nach dem üblichen Gang der Dinge“ am erstmöglichen Tag bei der Antragsgegnerin vorliegenden Bewerbungen gleich behandelt werden sollten. Das Verwaltungsgericht hat überzeugend dargelegt, dass sich die Mitbewerber des Antragstellers darauf verlassen können mussten, dass sie bei einer Bewerbung noch am Tag des Erhalts der Bewerbungsunterlagen mindestens am Losverfahren würden teilnehmen können. |
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| Soweit der Antragsteller schließlich meint, sein Verhalten, die Postsendung mit den Bewerbungsunterlagen bei dem Postbeförderungsunternehmen abzufangen, bevor sie wie die anderen Sendungen mit dem entsprechenden Zeitbedarf unter der Empfängeradresse zugestellt wird, bewege sich noch im Rahmen des üblichen Gangs der Dinge, ist ihm entgegenzuhalten, dass ihm schon im Gespräch mit dem Mitarbeiter der Antragsgegnerin am 8.7.2013 deutlich gemacht worden ist, dass gerade nicht gewollt war, dass ein Bewerber die Unterlagen einen Tag vor den anderen Bewerbern erhielt. Aus der ohne weiteres für den Antragsteller erkennbaren maßgeblichen Sicht der Antragsgegnerin entsprach sein Verhalten also keineswegs dem üblichen Gang der Dinge. |
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| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladenen einen eigenen Prozessantrag gestellt und damit für den Fall des Unterliegens auch ein Kostenrisiko übernommen haben (§ 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es billigem Ermessen, dem Antragsteller auch ihre außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2 S. 1, 47 Abs. 1 S. 1, 52 Abs. 1 GKG. Sie entspricht der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die die Beteiligten nichts erinnert haben. |
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| Dieser Beschluss ist unanfechtbar. |
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