Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 2 S 2882/19

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Streitwertfestsetzungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.05.2018 - 10 K 2984/16 - geändert.

Der Streitwert wird auf bis zu 500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Über die Streitwertbeschwerde entscheidet der Senat in der Besetzung gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 VwGO als Kollegium mit einem Vorsitzenden und zwei weiteren Richtern und nicht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, weil die hierfür notwendigen Voraussetzungen des § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 GKG nicht vorliegen, nachdem die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht durch den Einzelrichter, sondern durch die Kammer erfolgt ist.
I.
Mit Urteil vom 17.05.2018 - 10 K 2984/16 - hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe die auf die Feststellung gerichtete Klage, die Beklagte sei verpflichtet, den Kläger die bei ihr vorhandene Kommentarliteratur zum Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz einsehen zu lassen, abgewiesen. Eine solche Verpflichtung ergebe sich weder aus dem Landesverwaltungsverfahrensgesetz noch aus dem Landesinformationsfreiheitsgesetz. Mit dem dem Urteil beigefügten Beschluss vom 17.05.2018 hat das Verwaltungsgericht den Streitwert für dieses Verfahren auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
Das Urteil sowie der Beschluss über die Festsetzung des Streitwerts sind dem Kläger per Postzustellungsurkunde am 30.05.2018 zugestellt worden. Den diesbezüglichen Antrag auf Prozesskostenhilfe für einen noch zu stellenden Antrag auf Zulassung der Berufung hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 21.08.2018 - 1 S 1444/18 -, dem Kläger am 28.08.2018 per Postzustellungsurkunde zugestellt, abgelehnt.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (1.) und begründet (2.).
1. a) Die Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts ist gemäß § 68 Abs. 1 Satz 3 des Gerichtskostengesetzes - GKG - nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG bestimmten Frist eingelegt wird. Aus dieser Vorschrift ergibt sich eine Frist von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt hat.
Das in der Hauptsache ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts vom 17.05.2018 wurde dem Kläger zusammen mit dem Streitwertbeschluss am 30.05.2018 per Postzustellungsurkunde zugestellt, so dass die Rechtskraft der Entscheidung mit Ablauf des 02.07.2018 (einem Montag) eingetreten ist (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO). Das Urteil ist daher seit dem 03.07.2018 rechtskräftig.
Der Lauf der Sechs-Monats-Frist für die Streitwertbeschwerde ist gemäß §§ 57 Abs. 2 VwGO, 222 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB zu berechnen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.05.1996 - 10 S 18/96 - juris Rn. 2 noch zur alten Fassung des Gerichtskostengesetzes). Demnach begann die sechsmonatige Beschwerdefrist mit dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts in der Hauptsache am 03.07.2018 zu laufen, wobei dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet wird, § 187 Abs. 2 Satz 1 BGB (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.05.1996 - 10 S 18/96 - aaO).
Nach § 188 Abs. 2 i.V.m. § 187 Abs. 2 BGB endete die Sechs-Monats-Frist mit dem Ablauf des 03.01.2019. Die Beschwerde wurde aber erst am 22.09.2019 und damit verspätet beim Verwaltungsgericht Karlsruhe eingelegt.
b) Dem Kläger ist jedoch auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 68 Abs. 2 Satz 1 GKG zu gewähren, weil er die Beschwerdefrist unverschuldet versäumt hat.
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Der Streitwertbeschluss war nämlich nicht mit einer den Anforderungen von § 5b GKG entsprechenden Rechtsbehelfsbelehrung versehen, so dass nach § 68 Abs. 2 Satz 2 GKG ein Fehlen des Verschuldens vermutet wird.
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Gemäß § 5b GKG hat jede anfechtbare Entscheidung eine Belehrung über den statthaften Rechtsbehelf sowie über die Stelle, bei der dieser Rechtsbehelf einzulegen ist, über deren Sitz und über die einzuhaltende Form und Frist zu enthalten.
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Der Beschluss über die Festsetzung des Streitwerts vom 17.05.2018 enthielt als Belehrung über einen möglichen Rechtsbehelf nur den Satz:
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„Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.“
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Die Rechtsbehelfsbelehrung muss jedoch für den Empfänger laienhaft verständlich sein; ein bloßer Verweis auf die einschlägige Vorschrift, hier auf § 68 Abs. 1 Sätze 1, 3 und 5 GKG, genügt nicht (Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, 4. Aufl., § 5b, Rn. 6). Zudem ist das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf eingelegt werden muss, mit Postanschrift zu benennen (Toussaint in Hartmann/Toussaint, Kostenrecht, 50. Aufl., § 5b GKG Rn. 22). Schließlich sind auch Angaben zu der einzuhaltenden Form und der Länge der Frist erforderlich (vgl zum Ganzen Hellstab in Oestreich/Hellstab/Trenkle, GKG/FamGKG, Stand Dez. 2019, § 5b Rn. 4, 5). Ein nicht anwaltlich vertretener Beteiligter muss also in den Stand gesetzt werden, allein anhand der Rechtsbehelfsbelehrung ohne Mandatierung eines Rechtsanwalts eine formrichtige Beschwerde einzulegen (vgl. BGH, Beschluss vom 23.06.2010 - XII ZB 82/10 - juris Rn. 14 zu § 39 FamFG; Hellstab aaO, § 5b Rn. 4)
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Diesen Anforderungen genügt der dem Beschluss vom 17.05.2018 beigefügte Satz nicht, da er die erforderlichen Angaben nicht enthält.
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Ein Ausschlussgrund nach § 68 Abs. 2 Satz 3 GKG liegt nicht vor, da nach dem Ende der versäumten Frist am 03.01.2019 noch kein Jahr verstrichen war, bis der Kläger am 22.09.2019 Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts erhoben und zugleich die Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist beantragt hat.
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2. Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht den Streitwert gemäß § 52 Abs. 2 GKG für das Verfahren 10 K 2984/16 auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
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Gemäß § 52 Abs. 1 GKG bemisst sich der Streitwert in Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit, soweit - wie hier - nichts anderes bestimmt ist, nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Rechtssache. Nur wenn der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet, ist gemäß § 52 Abs. 2 GKG ein Streitwert von 5.000,-- EUR anzunehmen.
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Für die Wertberechnung kommt es gemäß § 40 GKG auf den Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung an, die den Rechtszug einleitet. Mit seiner Klageschrift vom 20.06.2018 hat der Kläger auf seine Begründung vom 28.02.2016 in dem Verfahren 10 K 3178/14 vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe verwiesen. Daraus ergab sich, dass der Kläger Einsicht in die Rechtsprechungskommentierungen zu dem Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz beantrage, um die Klagen bezüglich einer ihm gegenüber verfügten Zwangsräumung (Az. 10 K 3178/14 sowie Az. 10 K 724/14 vor dem VG Karlsruhe) näher begründen zu können. Es genüge ihm, dass die von der Beklagten zitierten Kommentarstellen kopiert und ihm übermittelt würden. Die Beklagte müsse es hinnehmen, dass Bürger, die nachteilig von Anordnungen betroffen seien, die Kommentierungen zu Gesetzen, auf die sich die Beklagte in ihrer Anordnung berufe, einsehen wollten (Beschwerdebegründung vom 28.02.2016 zu Az. 10 K 3178/14). Wenn die Gegnerin nicht wolle, dass er vorbeikomme, könne sie auch die Seiten kopieren oder einscannen und auf Datenträger kopieren und in seinen Briefkasten legen.
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Entgegen dem Vortrag der Beklagten im Beschwerdeverfahren mit Schreiben vom 12.12.2019 kann der Klagebegründung nicht entnommen werden, dass der Kläger mit seiner Klage die Feststellung begehrt hat, sich „auch in Zukunft an der Literatur der Beklagten kostenlos bedienen“ zu können.
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Ausgehend von dem Begehren des Klägers, ihm Kopien der bei der Beklagten vorhandenen Kommentarliteratur zu dem Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz zu überlassen, ist der Streitwert in entsprechender Anwendung von Nr. 9000 der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz auf 0,50 EUR pro Seite festzusetzen. Dabei kann dahinstehen, welche Anzahl von Seiten bei Zugrundelegung des klägerischen Begehrens konkret zu vervielfältigen gewesen wären, denn nach Anlage 2 zu § 34 Abs. 1 Satz 3 GKG liegt die Mindestgebühr bei einem Streitwert bis 500,-- EUR bei 35,-- EUR.
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Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da das Verfahren über die Beschwerde gebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden (§ 68 Abs. 3 GKG).
23 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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