Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 5 S 1819/20

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 28. Mai 2020 - 4 K 8139/19 - geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des Antragsgegners vom 26. Oktober 2018 wird angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Antragsteller wenden sich im Wege vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Logistikzentrums.
Sie sind Miteigentümer der Grundstücke Flst. Nr. ..., ... und ..., Gemarkung ..., ..., .... Auf den Grundstücken befindet sich unter anderem das Wohnhaus der Antragsteller, ein Reihenmittelhaus. Die im Miteigentum der Antragsteller stehenden Grundstücke befinden sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans „O...-...-... (I)", zuletzt geändert mit Satzungsbeschluss vom 7. Juli 2015 (2. Änderung). Der Bebauungsplan weist den Bereich, in dem die Grundstücke der Antragsteller liegen, als allgemeines Wohngebiet aus. Darüber hinaus sieht der Bebauungsplan folgende Vorkehrungen gegen schädliche Umwelteinwirkungen vor:
„1.7.1 Schallschutz durch Lärmschutzwand
[...]
In der Planzeichnung ist im südlichen Bereich (nördlich der K...-Straße) eine Lärmschutzwand mit 65 m Länge und 2,50 m Höhe zum Schutz vor Lärmeinwirkungen (Gewerbe- und Verkehrslärm) eingetragen. Gebäudeteile(,) die über die 2,50 m hohe Lärmschutzwand hinausragen(,) sind dem Lärmpegelbereich III zugeordnet.[...]
1.7.2 Schallschutz durch Schalldämmung von Außenbauteilen.
Aufenthaltsräume in Wohnungen sind mit passiven Schallschutzmaßnahmen entsprechend dem Lärmpegelbereich III nach DIN 4109, Tab. 8 zuzuordnen. [...]
In den gekennzeichneten Baufeldern sind Bauvorhaben nur zulässig, wenn Schlafräume oder zum dauerhaften Aufenthalt bestimmte Räume zur von der K... Straße abgewandten Seite ausgerichtet sind. Von der K... Straße abgewandt sind solche Außenwände/Fassaden, bei denen der Winkel zwischen Straßenachse und Außenwand mindestens 90 Grad beträgt. Die nachfolgend beschriebenen Erfordernisse müssen erfüllt werden:
- Bauvorhaben mit Schlafräumen oder zum dauerhaften Aufenthalt bestimmte Räume zur K... Straße hin sind nur zulässig, wenn die Außenbauteile die Anforderungen an die Luftschalldämmung gemäß DIN 4109 Tab. 8 erfüllen.
- Der Nachweis der Einhaltung der schalltechnischen Anforderungen ist im baurechtlichen Verfahren zu erbringen.
10 
- Zum Schlafen genutzte Räume, die nur über die zur K... Straße orientierten Fassaden belüftet werden können, müssen mit mechanischen, schallgedämmten Lüftungseinrichtungen ausgestattet werden. [...]“
11 
Das Baugrundstück (FIst.Nrn. ... und ...) liegt im Geltungsbereich des mit Satzungsbeschluss vom 22. Oktober 2013 beschlossenen Bebauungsplans „E..." und befindet sich - räumlich getrennt durch die in west-/östlicher Richtung verlaufende K... Straße - südlich der Grundstücke der Antragsteller. Der Bebauungsplan setzt für den Bereich des Baugrundstücks ein Industriegebiet fest. Erstmals öffentlich bekannt gemacht wurde der Bebauungsplan am 3. April 2014. Infolge eines angenommenen Ausfertigungsmangels wegen eines fehlenden Hinweises auf Einsehbarkeit einer DIN-Norm erfolgte eine erneute öffentliche Bekanntmachung am 19. Oktober 2018. Gegen den Bebauungsplan „E..." ist vor dem beschließenden Senat ein Normenkontrollverfahren anhängig (5 S 2743/19), über das noch nicht entschieden ist.
12 
Im August 2018 beantragte die Beigeladene beim Landratsamt Karlsruhe eine Genehmigung zum Bau eines Distributionsparks (bestehend aus drei Hallen) mit Büro- und Sozialbereichen wie auch Sprinkler- und Pförtnergebäude. Mit dem Bauantrag legte die Beigeladene unter anderem eine schalltechnische Untersuchung des Planungsbüros für Lärmschutz ... vom Juli 2018 wie auch ein Verkehrsgutachten der ..., ebenfalls vom Juli 2018, vor. Auf die Angrenzerbenachrichtigung erklärten die Antragsteller, durch das Bauvorhaben würden ihr Grundstück und ihr Wohnhaus unzumutbar mit Schallimmissionen belastet. Die Immissionen ergäben sich insbesondere auch aus der vorhabenbedingten Zunahme des LKW-Verkehrs auf der K... Straße.
13 
Mit Bescheid vom 26.10.2018 erteilte das Landratsamt der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung. Zu Bestandteilen dieser Baugenehmigung erklärte es unter anderem die als Anlage beigefügten Nebenbestimmungen wie auch die schalltechnische Untersuchung des Planungsbüros für Lärmschutz ...-... vom Juli 2018. In den Nebenbestimmungen heißt es unter anderem:
14 
„17. Das Schalldämm-Maß der Hallenaußenbauteile muss mind. R'w = 25 dB entsprechen. Siehe Schallgutachten S. 23. [...]
15 
18. Eventuelle haustechnische Anlagen (z. B. Hallenlüftung), Raumlufttechnische Anlagen, Abluftkamin der Feuerungsanlage, Klimaanlagen oder Produktionstätigkeiten u.ä. dürfen keine Lärmemissionen verursachen, die in der Nachbarschaft zu wahrnehmbaren Lärmimmissionen führen. Vgl. Schallgutachten S. 23.
16 
19. Folgende Immissionswerte für den Beurteilungspegel dürfen an den jeweiligen Immissionsorten durch den Betrieb der Anlage nicht überschritten werden (vgl. Schallgutachten S. 23):
17 
Industriegebiet tags 70 dB(A) nachts 70 dB(A)
Gewerbegebiet tags 65 dB(A) nachts 50 dB(A)
urbane Gebiete tags 63 dB(A) nachts 45 dB(A)
Misch-/Kern-/Dorfgebiet tags 60 dB(A) nachts 45 dB(A)
allgemeines Wohngebiet tags 55 dB(A) nachts 40 dB(A)
reines Wohngebiet tags 50 dB(A) nachts 34 dB(A)
18 
Am 22. November 2018 legten die Antragsteller Widerspruch gegen die ihnen am 30. Oktober 2018 zugestellte Baugenehmigung ein. Dieser wurde mit Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 1. August 2019, den Antragstellern zugestellt am 6. August 2019, zurückgewiesen. Am 5. September 2019 haben die Antragsteller eine Klage vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe (4 K 5866/19) erhoben und am 17. Dezember 2019 einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt.
19 
Mit Beschluss vom 28. Mai 2020 hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt. Dieser sei zwar zulässig, aber unbegründet.
20 
Die Antragsteller seien analog § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, denn sie könnten sich auf eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme berufen. Fehler der Umweltverträglichkeitsprüfung nach § 6 und § 50 UVPG könnten sie hingegen nicht geltend machen, da diese Vorschriften nicht zumindest auch dem Schutz der Antragsteller dienten. An diesem Ergebnis könne auch § 4 Abs. 3 UmwRG nichts ändern, da dieser nur den Umfang der sachlichen Prüfung eines zulässigen Rechtsbehelfs regele.
21 
Bei der im Rahmen der Begründetheitsprüfung gebotenen Abwägung überwiege das öffentlichen Interesse und das Interesse der Beigeladenen am Vollzug der Baugenehmigung das Aussetzungsinteresse der Antragsteller. Denn das Rücksichtnahmegebot werde durch die Baugenehmigung mit Blick auf die Antragsteller nicht verletzt. Dabei könne dahinstehen, ob der Bebauungsplan „E...“ nichtig sei, da auch für diesen Fall nur eine Verletzung des in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB enthaltenen Rücksichtnahmegebotes in Betracht komme. Ein allgemeiner Anspruch auf Erhaltung des Außenbereichs bestehe nicht. Es sei nicht zu erwarten, dass von dem Bauvorhaben unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen ausgingen, die zu einer Rücksichtslosigkeit führten. Dabei könnten technische Regelwerke wie die TA Lärm lediglich als Orientierungshilfe herangezogen werden. Dass mit dem Bauvorhaben keine unzumutbaren Lärmimmissionen verbunden seien, folge insbesondere aus der von der Beigeladenen vorgelegten schalltechnischen Untersuchung des Planungsbüros für Lärmschutz ... vom Juli 2018, die schlüssig sei. Insbesondere lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Lärmgutachter in Bezug auf die Berücksichtigung von Verkehrsgeräuschen die Vorgaben von Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm verkannt habe. Der Gutachter habe im Hinblick auf den in unmittelbarer Nähe zum Flurstück der Antragsteller liegenden Immissionsort festgestellt, dass dort zwar kumulativ alle Voraussetzungen von Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm erfüllt seien. Für diesen Ort sehe aber - worauf auch der Gutachter hingewiesen habe - bereits der Bebauungsplan „O...- ...“ in der Fassung seiner zweiten Änderung in Nr. 1.7.1 und 1.7.2 ausreichende Lärmschutzvorkehrungen vor. Dass es sich bei diesen Vorgaben nicht um organisatorische Maßnahmen handele, sei entgegen der Ansicht der Antragsteller unschädlich. Nr. 7.4. Abs. 2 TA Lärm schließe andere Maßnahmen nicht ausdrücklich aus, ein entsprechender Ausschluss wäre auch sinnwidrig. Die planungsrechtlichen Festsetzungen in Nr. 1.7.1 seien auch hinreichend bestimmt. Dass die nach der TA Lärm maßgeblichen Immissionsorte gegebenenfalls vor den Fenstern schutzwürdiger Räume liegen, rechtfertige mit Blick auf die erforderliche Unzumutbarkeit nichts anderes. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass die im Zuge des Baugenehmigungsverfahrens vorgelegte schalltechnische Untersuchung auf die entsprechende Begründung des Bebauungsplans Bezug nehme. Soweit die Antragsteller geltend machten, die Anwendung der Anforderungen der DIN 4109 zur Luftschalldämmung der Außenbauteile für den maßgeblichen Lärmpegelbereich III (61 bis 65 dB(A)) sei deshalb unzureichend, weil eine Berechnung lediglich nach Maßgabe der 16. BImSchV vorgenommen worden sei, obwohl eine Berechnung nach der Industrienorm, die eine Addition von 3 dB(A) zum berechneten Lärmpegel vorsehe, hätte vorgenommen werden müssen, rechtfertige dies nichts anderes. Denn die Antragsteller ließen die hohe Komplexität der Berechnung des maßgeblichen Außenlärmpegels nach der DIN 4109 außer Acht. Insgesamt erscheine die Wertung des Sachverständigen, dass die bereits im Bebauungsplan „O...-...“ in der Fassung seiner zweiten Änderung festgesetzten Vorgaben ausreichten, um die Anwohner vor unzumutbaren Geräuscheinwirkungen zu schützen, plausibel und sei nicht zu beanstanden. Schließlich gehe die schalltechnische Untersuchung vom Juli 2018 auch nicht von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen aus, weil bezüglich der zu erwartenden Fahrzeugbewegungen die Angaben der Beigeladenen zugrundegelegt worden seien. Diese wichen zwar von den nach allgemeinen Maßstäben zu erwartenden Fahrzeugzahlen ab. Der Antragsgegner habe jedoch die schalltechnische Untersuchung vom Juli 2018, der die von der Beigeladenen prognostizierte verkehrstechnische Untersuchung zugrunde liege, zum Bestandteil der Baugenehmigung gemacht und damit den Umfang der Gestattung hinreichend bestimmt festgelegt.
22 
Gegen den am 4. Juni 2020 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 16. Juni 2020 Beschwerde eingelegt und diese am 6. Juli 2020, einem Montag, begründet.
23 
Der Antragsgegner hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt, jedoch zur Sache ausgeführt.
24 
Dem Senat liegen die Akten des Ausgangsverfahrens und des Klageverfahrens vor dem Verwaltungsgericht, die vom Verwaltungsgericht beigezogenen Behördenakten des Antragsgegners (ein Band, ein Ordner) und des Regierungspräsidiums Karlsruhe (ein Band) vor. Auf diese Akten sowie die zwischen den Beteiligten im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.
II.
25 
1. Die Beschwerde ist zulässig (dazu a)) und begründet (dazu b)).
26 
a) Die fristgerecht (§ 147 VwGO) eingelegte Beschwerde ist auch sonst zulässig, insbesondere sind die formellen Anforderungen nach § 146 Abs. 4 Satz 1 bis 3 VwGO gewahrt. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung des Verwaltungsgerichts mit Schriftsatz an den beschließenden Gerichtshof begründet worden (§ 146 Abs. 4 Satz 1 und 2 VwGO). Diese Begründung legt auch dar, warum der angefochtene Beschluss abzuändern ist, und setzt sich im Wesentlichen mit dem angefochtenen Beschluss auseinander (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO).
27 
b) Die Beschwerde ist auch begründet. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe erschüttern die tragenden Erwägungen des angegriffenen Beschlusses (dazu aa). Aufgrund der folglich gebotenen uneingeschränkten Überprüfung durch den Senat, ob vorläufiger Rechtsschutz nach allgemeinen Maßstäben zu gewähren ist (vgl. Senatsbeschluss vom 30.1.2019 - 5 S 1913/18 - juris Rn. 32; VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 14.3.2013 - 8 S 2504/12 - juris Rn. 11, vom 27.2.2014 - 8 S 2146/13 - juris Rn. 14 und vom 11.4.2016 - 11 S 393/16 - juris Rn. 8, jeweils m. w. N.), ist der angefochtene Beschluss zu ändern (dazu bb).
28 
aa) Die Antragsteller erschüttern tragende Erwägungen des angegriffenen Beschlusses. Denn das Vorhaben dürfte entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts jedenfalls das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme verletzen (dazu (1)). Auf die Frage, ob sich die Antragsteller auch auf einen Verfahrensfehler im Sinne des § 4 Abs. 1 UmwRG berufen können, kommt es mithin nicht an (dazu (2)).
29 
(1) Wie die Beschwerde zutreffend darlegt, dürfte die angegriffene Baugenehmigung entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts wegen der Verletzung nachbarschützender Vorschriften rechtswidrig und die rechtshängige Klage der Antragsteller damit erfolgreich sein. Denn angesichts der mit dem An- und Abfahrtsverkehr auf öffentlichen Verkehrsflächen verbundenen und dem Bauvorhaben zurechenbaren Geräusche und des Fehlens möglicher Maßnahmen zu deren Verminderung dürfte die Baugenehmigung gegen das zugunsten der Antragsteller zu berücksichtigende Rücksichtnahmegebot verstoßen. Dabei kann dahinstehen, ob dieses - bei unterstellter Wirksamkeit des Bebauungsplans - aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO oder anderenfalls aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB herzuleiten ist. Unterschiedliche Anforderungen an das Gebot der Rücksichtnahme dürften sich hieraus nicht ergeben. Auf die Wirksamkeit des Bebauungsplans kommt es damit jedenfalls im gegen die Baugenehmigung gerichteten Eilverfahren nicht an.
30 
(a) Für die Beantwortung der Frage, ob von dem Bauvorhaben unzumutbare Belästigungen oder Störungen im Sinne des Gebots der Rücksichtnahme ausgehen, ist - worauf die Antragsteller zutreffend hinweisen - auf die grundsätzlich verbindlichen Festlegungen der Sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung [TA] Lärm) zurückzugreifen, soweit diese anwendbar ist (vgl. Nr. 1 TA Lärm) und für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkung konkretisiert. Denn für Belästigungen und Störungen durch Umwelteinwirkungen, hier die von dem genehmigten Vorhaben hervorgerufenen und diesem zurechenbaren Lärmimmissionen, legt das Bundesimmissionsschutzgesetz das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht grundsätzlich allgemein fest (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.9.1983 - 4 C 74.78 - juris Rn. 13, Urteil vom 23.9.1999 - 4 C 6.98). Zur Bestimmung kann damit auf technische Regelwerke - wie die TA Lärm - zurückgegriffen werden, die in typischen nachbarlichen Konfliktsituationen objektivierbare Maßstäbe zur Konkretisierung des Schutzanspruchs bieten (vgl. Senatsbeschluss vom 30.1.2019 - 5 S 1913/18 - juris Rn. 55; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 4.8.2016 - 8 S 136/14 - juris Rn. 69; BVerwG, Urteil vom 29.11.2012 - 4 C 8.11 - juris Rn. 18; jeweils m. w. N.). Der TA Lärm kommt somit - anders als vom Verwaltungsgericht seiner Bewertung zugrunde gelegt - eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Ihre normative Konkretisierung ist abschließend, soweit sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt. Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept der TA Lärm nur Raum, soweit es Spielräume insbesondere durch Kann-Vorschriften (z. B. Nr. 6.5 Satz 3 und 7.2 TA Lärm) und Bewertungsspannen (z. B. Nr. A 2.5.3 des Anhangs zur TA Lärm) eröffnet (BVerwG, Urteil vom 29.8.2007 - 4 C 2.07 - juris Rn. 12 m. w. N.).
31 
(b) Gemessen daran liegen mit den vorhandenen Schallgutachten gewichtige Indizien dafür vor, dass die Nutzung des genehmigten Bauvorhabens mit unzumutbaren Geräuschimmissionen auf das Grundstück der Antragsteller einwirkt.
32 
Nach Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm sollen Geräusche des An- und Abfahrtsverkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen in einem Abstand von bis zu 500 Metern von dem Betriebsgrundstück in Gebieten nach Nummer 6.1 Buchstaben c bis f durch Maßnahmen organisatorischer Art soweit wie möglich vermindert werden, soweit sie den Beurteilungspegel der Verkehrsgeräusche für den Tag oder die Nacht rechnerisch um mindestens 3 dB(A) erhöhen, keine Vermischung mit dem übrigen Verkehr erfolgt ist und die Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) erstmals oder weitergehend überschritten werden. Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm in der Fassung vom 26.9.1998 (GMBl. 1998, 503) konkretisiert und bestätigt die in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung bereits zuvor gewonnene Erkenntnis, dass auch der unter Inanspruchnahme einer öffentlichen Straße abgewickelte Zu- und Abgangsverkehr der Anlage, durch deren Nutzung er ausgelöst wird, zuzurechnen ist, sofern er sich innerhalb eines räumlich überschaubaren Bereichs bewegt und vom übrigen Straßenverkehr unterscheidbar ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.9.1998 - 4 C 5/98 - juris Rn. 37; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 5.3.1996 - 10 S 2830/95 - juris Rn. 18, jeweils m. w. N.).
33 
Danach dürfte es der angefochtenen Baugenehmigung an der Festlegung von möglichen und notwendigen Maßnahmen organisatorischer - und ggf. betrieblicher - Art zur Minderung der Geräusche des An- und Abfahrtsverkehrs auf der K... Straße mangeln.
34 
(aa) Der Anwendungsbereich von Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm ist bezogen auf die Nutzung der K... Straße für den An- und Abfahrtsverkehr zum genehmigten Distributionszentrum eröffnet, denn bei der K... Straße handelt es sich um einen für den allgemeinen Straßenverkehr gewidmeten und damit öffentlichen Verkehrsweg und nicht um einen Privatweg, bei dem der Lärm durch Vorgänge, die einen erkennbaren Bezug zum Betrieb der Anlage haben, dieser stets zuzurechnen wäre. Keine Zweifel bestehen unter Berücksichtigung des im Baugenehmigungsverfahrens von der Beigeladenen vorgelegten Verkehrsgutachtens (..., Verkehrsgutachten, Juli 2018, S. 14) auch dahingehend, dass (mindestens) in dem dort bezeichneten Umfang über die K...-... Straße An- und Abfahrtsverkehr zum genehmigten Distributionspark abgewickelt werden wird, mithin solche Verkehrsvorgänge, mit denen Personen oder Sachen zu der Anlage transportiert oder von ihr abgeholt werden und in einem funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb der Anlage stehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.8.1998 - 4 C 5/98 - juris Rn. 37). Auch befindet sich das Grundstück der Antragsteller in einem als allgemeines Wohngebiet festgesetzten Bereich, mithin einem solchen im Sinne von Nr. 6.1 Buchst. e TA Lärm.
35 
(bb) Die zu erwartenden Geräusche dürften dem Betrieb des Distributionsparks als Anlage auch zuzurechnen sein.
36 
(aaa) Zum einen weist die K... Straße in Höhe des Wohnhauses der Antragsteller zu allen Bereichen des genehmigten Distributionsparks eine Entfernung von weniger als 500 Metern auf. Zu dem für die Ein- und Ausfahrt zum Distributionspark vorgesehenen Bereich besteht eine Luftlinienentfernung von etwa 260 Metern.
37 
(bbb) Zum zweiten dürfte auch die von Nr. 7.4 Abs. 2 Spiegelstrich 1 TA Lärm geforderte Erhöhung des Beurteilungspegels von mindestens 3 dB(A) nachgewiesen sein. Die Berechnung wird dabei nach den in Absätzen 3 und 4 aufgeführten Richtlinien unter Beachtung der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) vorgenommen. Damit sind die Beurteilungspegel sowohl der vorhandenen Verkehrsgeräusche als auch die des An- und Abfahrtsverkehrs nicht nach der TA Lärm zu ermitteln. Entsprechende Zu- und Abschläge entfallen. Das Berechnungsverfahren nach der 16. BImSchV schreibt zudem in Anlage 1 zu § 3 vor, dass die Ergebnisse auf ganze dB(A) aufzurunden sind (vgl. Feldhaus/Tegeder, TA Lärm, 1. Auflage 2015, Nr. 7.4 TA Lärm Rn 47; Hansmann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 92. EL Februar 2020, Nr. 7.7 TA Lärm Rn. 52).
38 
Danach ergeben sich hier unter Berücksichtigung der im Baugenehmigungsverfahren vorgelegten schalltechnischen Untersuchung (Planungsbüro Lärmschutz ..., Juli 2018, Unterlage 4.2, S. 1) für den dieser Untersuchung zugrunde gelegten Immissionsort (IO) 1, der sich hinter der Schallschutzwand an der Baugrenze des allgemeinen Wohngebiets befindet, unter Berücksichtigung des Neuverkehrs Pegelerhöhungen von bis zu 2,9 dB(A) und damit aufgerundet von mindestens 3 dB(A). Lediglich für den Messpunkt in einer Höhe von 3,1 Metern wurde für die Nachtstunden ein Wert von weniger als 2 dB(A) prognostiziert. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass sich unmittelbar an den in östlicher und westlicher Richtung gelegenen Fassaden des Hauses der Antragsteller in einer Entfernung von deutlich weniger als 10 Metern zur Baugrenze und damit zur K... Straße in südlicher Richtung im Ergebnis maßgeblich abweichende Messwerte ergeben könnten, die eine Pegelerhöhung von aufgerundet weniger als 3 dB(A) belegen würden, liegen nicht vor. Im Übrigen läge es insoweit im Verantwortungsbereich der Beigeladenen, eine lärmtechnische Untersuchung vorzulegen, die die tatsächlich maßgeblichen Immissionsorte vor dem Wohnhaus der Antragsteller in den Blick nimmt und für diese belastbare Werte liefert.
39 
Entgegen der Ansicht der Beigeladenen dürfte es zudem für die nach Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm maßgebliche Berechnung der Erhöhung des Beurteilungspegels nach der 16. BImSchV nicht darauf ankommen, ob den nach diesem Regelwerk festgestellten unzulässigen Immissionen mit Mitteln des (passiven) baulichen Schallschutzes nach Maßgabe der 24. BImSchV und § 42 BImSchG begegnet werden kann. Entsprechende Fragen der Konfliktbewältigung stellen sich vielmehr erst in der Rechtsfolge, nicht schon bei der für Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm allein maßgeblichen Berechnung der Beurteilungspegel. Insoweit ist es auch nicht sinnwidrig, trotz im Bebauungsplan wegen der Verkehrszunahme festgesetzter passiver Schallschutzmaßnahmen in Form der Errichtung einer Lärmschutzwand und möglicher Auflagen zur Nutzung schalldämmender Außenbauteile bei der Zulassung konkreter Vorhaben nach Maßgabe der TA Lärm organisatorische Maßnahmen zur aktiven (weiteren) Lärmminimierung vorzusehen und Betroffenen einen entsprechenden Anspruch zuzubilligen. Insoweit ergänzen sich der straßenbezogene und der anlagenbezogene Lärmschutz.
40 
Unabhängig davon ist - ohne dass es hierauf entscheidend ankommen dürfte - die im Bebauungsplan „O...“ im Zusammenhang mit dem Bebauungsplan „E...“ nach Maßgabe der damaligen schalltechnischen Untersuchung festgesetzte Lärmschutzwand voraussichtlich nur geeignet, die Freibereiche auf dem Grundstück der Antragsteller und den Bereich des Erdgeschosses vor nach der 16. BImSchV unzulässigen Lärmeinwirkungen zu schützen, während im 1. und 2. Obergeschoss weiterhin eine Überschreitung der Grenzwerte zu erwarten ist (vgl. ..., Schalltechnische Untersuchung vom 15.7.2011, Anhang 3.4). Auch dürfte nach Maßgabe der Festsetzung Nr. 1.7.2 des Bebauungsplans „O...- ...“ keine Verpflichtung der Antragsteller bestehen, die nach Osten und Westen gerichteten und mit Fenstern versehenen Fassaden ihres Reihenmittelhauses mit schalldämmenden Außenbauteilen auszustatten, da diese nicht im Sinne der Festsetzung zur K... Straße hin gerichtet sind. Vielmehr dürften die Fassaden von der Straße abgewandt sein, da der Winkel zwischen Straßenachse und Außenwand mindestens 90 Grad beträgt. Nach diesem Maßstab dürften im Sinne der Festsetzungen des Bebauungsplans auch alle zum dauerhaften Aufenthalt bestimmten Räume zur von der K...-... Straße abgewandten Seite ausgerichtet sein, ohne dass hierdurch eine wesentliche Verbesserung in Bezug auf die Lärmeinwirkung vor den Fenstern erzielt worden sein dürfte. Der Gutachter der schalltechnischen Untersuchung zum Bebauungsplan „E...“ ging auch davon aus, dass - anders als tatsächlich verwirklicht - im südlichen Bereich des Bebauungsplans „O...“ eine verkettete Bebauung als Schallschutzbebauung vorgesehen ist (vgl. ..., Schalltechnische Untersuchung vom 15.7.2011, S. 25) und legte seiner Begutachtung damit letztlich fehlerhafte Erwartungen zugrunde.
41 
Die von den Antragstellern aufgeworfene Frage, ob der IO 1 zur Bestimmung der nach der DIN 4109 erforderlichen Anforderungen an die Luftschalldämmung der Außenbauteile tatsächlich dem Lärmpegelbereich III (vgl. S. 11 der Begründung zur 2. Änderung des Bebauungsplans „O...“) zugeordnet werden konnte oder angesichts eines zu addierenden Zuschlags von 3 dB(A) (vgl. Nr. 5.5.6 DIN 4109) dem Lärmpegelbereich IV hätte zugeordnet werden müssen, bedarf vor diesem Hintergrund keiner Beantwortung.
42 
Weil damit bereits durch das von der Beigeladenen konkret im Bebauungsplanverfahren prognostizierte Verkehrsaufkommen ein mit Blick auf Nr. 7.4 TA Lärm hinreichender Lärmzuwachs zu erwarten ist, kommt es auf die Frage, ob diese Prognose belastbar ist oder ob vielmehr das regelmäßig abzuschätzende Verkehrsaufkommen, das bei einem üblichen Distributionszentrum deutlich höher läge (..., Verkehrsgutachten, Juli 2018, S. 9 Nr. 4.2), dem Gutachten zugrunde zu legen wäre, nicht an. Auch bedarf es keiner Klärung, ob die Baugenehmigung das von der Beigeladenen konkret prognostizierte und dem Lärmgutachten zugrunde gelegte Verkehrsaufkommen hinreichend bestimmt dadurch festschreibt, dass die diesem zugrunde gelegte schalltechnische Untersuchung (Planungsbüro für Lärmschutz ..., Schalltechnische Untersuchung, Juli 2018) zum Bestandteil der Baugenehmigung (Nebenbestimmung Nr. 5, S. 190 der Verwaltungsakte des Antragsgegners) gemacht wurde.
43 
(ccc) Zum dritten dürfte im westlichen Bereich der K... Straße in Höhe des Wohnhauses der Antragsteller noch keine Vermischung des An- und Abfahrtsverkehrs des Distributionsparks mit dem sonstigen Verkehr erfolgt sein. Voraussetzung für die Zurechenbarkeit des An- und Abfahrtsverkehrs ist, dass dieser als Quell- und Zielverkehr erkennbar in Erscheinung treten muss, die Betroffenen mithin nicht (nur) den Verkehrslärm allgemein als belästigend empfinden (vgl. auch LAI-Hinweise zur Auslegung der TA Lärm in der Fassung des Beschlusses vom 22. und 23. März 2017, Nr. 7.4 Abs. 2, S. 14). Daran kann es - wohl auch bei Erhöhung der maßgeblichen Beurteilungspegel um 3 dB(A) (a.A.: Feldhaus/Tegeder, TA Lärm, 1. Auflage 2014, Nr, 7.4 Rn. 49) - fehlen, wenn sich das Verkehrswegenetz in kurzer Entfernung von der Anlage verzweigt und nicht zu prognostizieren ist, welchen Weg die Fahrzeuge nehmen. Die Vermischung kann dabei frühestens an der nächsten Kreuzung ab dem Zufahrts- und Abfahrtsbereich des Betriebsgrundstücks eintreten und ist abgeschlossen, wenn das anlagenbedingte Verkehrsaufkommen nicht mehr erkennbar in Erscheinung tritt (vgl. zum Ganzen Hansmann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 92. EL Februar 2020, TA Lärm Nr. 7.4 Rn. 54).
44 
Nach dieser Maßgabe dürfte das mit dem genehmigten Distributionspark verbundene Verkehrsaufkommen im westlichen Teil der K... Straße noch erkennbar in Erscheinung treten und noch nicht mit dem allgemeinen Verkehr vermischt sein. Dies ergibt sich zum einen aus dem von der Beigeladenen vorgelegten Verkehrsgutachten, ausweislich dessen es dort (QS 2 – K...-... Straße West) im Prognosefall im Zeitraum von 6 Uhr bis 22 Uhr zu einer Gesamtbelastung von 851 PKW und 542 LKW kommen soll, was einer Erhöhung um 198 PKW und 293 LKW entspricht. Hinsichtlich der Belastung durch LKW ist mithin mehr als eine Verdoppelung der Fahrzeugzahlen zu erwarten. Für die Nachtzeit von 22 Uhr bis 6 Uhr wird immerhin eine Erhöhung um 50 Fahrzeuge, davon 7 LKW erwartet (..., Verkehrsgutachten, Juli 2018, S. 14 Nr. 4.5.2). Diese Steigerung wird von den betroffenen Anliegern als eigenständige neue Belastung - insbesondere gegenüber dem bisher aus südlicher Richtung stammenden gewerblichen Verkehr - wahrgenommen werden, was sich auch bereits aus der deutlichen Erhöhung der Beurteilungspegel ergibt. Für die Zurechenbarkeit des Neuverkehrs spricht dabei auch, dass der An- und Abfahrtsverkehr des Distributionsparks nach dem Verlassen des Betriebsgeländes zwar zwei Kreuzungsbereiche, insbesondere auch den Kreuzungsbereich O... Weg/K... Straße, passieren muss, jedoch keine variablen An- und Abfahrtsrouten bestehen. Vielmehr stellt die K...-Straße für die Nutzer des genehmigten Distributionsparks und die untergeordneten südlich gelegenen Gewerbebetriebe im Grunde die einzige Verbindung zur östlich verlaufenen P... Straße (L ...) dar, die wiederum die Anbindung an Bundesfernstraßen gewährleistet. Eine Befahrung des O... Wegs in nördlicher oder südlicher Richtung ist hingegen nicht zielführend.
45 
(ddd) Schließlich sind entsprechend Nr. 7.4 Abs. 2 Spiegelstrich 3 TA Lärm auch die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV erstmals oder weitergehend überschritten, wie sich aus der schalltechnischen Untersuchung ohne Weiteres ergibt (Planungsbüro für Lärmschutz ..., Schalltechnische Untersuchung, Juli 2018, Unterlage 4.2).
46 
(cc) In der Rechtsfolge der Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm sind Maßnahmen zur Verminderung der Geräusche des An- und Abfahrtsverkehrs im Baugenehmigungsverfahren in Betracht zu ziehen. In Betracht kommen dabei vornehmlich organisatorische Maßnahmen wie die Konzentration des Lieferverkehrs auf bestimmte Zeiten oder Anweisungen zur Geschwindigkeitsverminderung, wobei unter Umständen auch betriebliche Maßnahmen wie die Verlegung einer Werkseinfahrt in die Überlegungen einzubeziehen sind (vgl. Hansmann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 92. EL Februar 2020, Nr. 7.4 TA Lärm Rn. 57). Entsprechende Lärmminderungsmaßnahmen als Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung, die der Sicherstellung dienen, dass von dem Vorhaben keine unzumutbaren Einwirkungen ausgehen und damit die gesetzlichen Voraussetzungen eingehalten werden, stehen grundsätzlich im Ermessen der Baurechtsbehörde (vgl. § 58 Abs. 1 LBO i. V. m. § 36 Abs. 2 Alt. 2 LVwVfG). Allerdings ist Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm die Wertung zu entnehmen, dass ein Vorhaben jedenfalls dann die gebotene Rücksichtnahme gegenüber den betroffenen Nachbarn vermissen lässt, wenn sachlich und rechtlich mögliche sowie gegenüber dem Anlagenbetreiber verhältnismäßige Maßnahmen unterbleiben (vgl. OVG NRW, Urteil vom 13.9.2010 - 7 A 1186/08 - juris Rn. 79; vgl. auch Hansmann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 92. EL Februar 2020, Nr. 7.4 TA Lärm Rn. 58). Die der Beigeladenen erteilte angefochtene Baugenehmigung des Antragsgegners sieht hingegen derartige Maßnahmen nicht vor, obwohl keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese von vornherein ausgeschlossen wären. Vielmehr ist ersichtlich, dass der Antragsgegner entsprechende potentielle Maßnahmen im Sinne eines Ermessensausfalls und damit unter Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot überhaupt nicht in Betracht gezogen hat. Das ergibt sich schon daraus, dass er entsprechend der - nach dem Vorgenannten rechtlich unzutreffenden - Zusammenfassung zum vorhabenbezogenen Verkehrslärm in der schalltechnischen Untersuchung (Planungsbüro für Lärmschutz ..., Schalltechnische Untersuchung Juli 2018, S. 25) davon ausgegangen sein dürfte, dass Verkehrsgeräusche auf öffentlichen Verkehrsflächen nicht zu berücksichtigen seien.
47 
(2) Auf die Frage, ob sich die Antragsteller nach Maßgabe des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmwRG im Rahmen der Begründetheit ihres Rechtsbehelfs auch darauf berufen können, dass es an einer ihres Erachtens im Baugenehmigungsverfahren durchzuführenden Umweltverträglichkeitsprüfung mangelt, kommt es damit nicht entscheidungserheblich an. Allerdings kann die diesbezügliche Prüfung entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts jedenfalls nicht deshalb unterbleiben, weil die Vorschriften des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung nicht drittschützend sind. Auch kommt es nicht auf die Frage an, ob § 4 Abs. 3 UmwRG eine Klagebefugnis begründet. Vielmehr können sich die Kläger gegenüber der angegriffenen Baugenehmigung bereits klagebefugnisbegründend auf das Gebot der Rücksichtnahme berufen. Für ihren Rechtsbehelf ist damit eine Begründetheitsprüfung eröffnet, deren Maßstab durch § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 UmwRG auf objektive Rechtsverstöße im Sinne des § 4 Abs. 1 UmwRG erweitert wird.
48 
bb) Sind mit der voraussichtlichen Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme durch die angegriffene Baugenehmigung tragende Erwägungen des Verwaltungsgerichts erschüttert und trägt die Begründung des Verwaltungsgerichts die Ablehnung des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz nicht, hat der Senat zwar grundsätzlich in eine umfassende Prüfung einzutreten. Der nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO sowie § 212a BauGB statthafte Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes der Antragsteller ist danach hier allerdings zulässig und ohne Weiteres begründet. Denn mit Blick auf die feststellbare Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung, eine daraus folgende Verletzung der Antragsteller in eigenen Rechten und die damit bestehenden Erfolgsaussichten der Klage überwiegt das Aufschubinteresse der Antragsteller (§ 80 Abs. 1 VwGO) das Interesse der Beigeladenen an einer sofortigen Vollziehung. Raum für eine weitergehende Folgenabwägung - unter Einbeziehung der wirtschaftlichen Folgen für die Beigeladene und der Auswirkungen auf die Antragsteller - bleibt damit nicht, da an dem Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsakts schon aus Gründen der Rechtstaatlichkeit kein öffentliches Interesse bestehen kann (vgl. Saurenhaus/Buchheister in Wysk, VwGO, 2. Auflage 2016, § 80 Rn. 50).
49 
cc) Damit ist unter Abänderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Baugenehmigung vom 26. Oktober 2018 anzuordnen.
50 
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3 VwGO. Der in der Sache unterlegenen Beigeladenen, die keinen Antrag gestellt hat, können keine Kosten auferlegt werden.
51 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 sowie § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. den Empfehlungen in Nrn. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 und folgt der nicht beanstandeten Wertfestsetzung im ersten Rechtszug.
52 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen