Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28. September 2020 - 5 K 4268/20 - wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass Satz 1 des Beschlusstenors wie folgt neu gefasst wird:
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 19.200,-- EUR festgesetzt.
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| Die vom Antragsgegner erhobene Beschwerde gegen den stattgebenden Teil des Beschlusses vom 28.09.2020 ist zulässig, bleibt aber im Ergebnis ohne Erfolg, da hinsichtlich des Beschwerdegegenstands ein Fall der sog. faktischen Vollziehung vorliegt. |
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| Satz 1 des Tenors des Beschlusses vom 28.09.2020 lautet: „Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 21.08.2020 gegen den Bescheid des Landratsamts Böblingen vom 30.04.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.07.2020 wird wiederhergestellt bzw. angeordnet, soweit der Bescheid des Landratsamts vom 30.04.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.07.2020 auch die Fahrzeuge mit den amtlichen Kennzeichen ...-... ... und ...-... ... betrifft“. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt und im Hinblick auf die drei von der Fahrtenbuchauflage betroffenen Fahrzeuge die Kosten des Verfahrens im Verhältnis 1/3 zu 2/3 zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner aufgeteilt. |
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| Inhalt und Umfang des Entscheidungstenors lassen sich unter Heranziehung der im Beschluss wiedergegebenen Gründe hinreichend zweifelsfrei bestimmen. So hat das Landratsamt im Ausgangsbescheid vom 30.04.2020 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ...-... ..., welches auf die Antragstellerin, eine GmbH & Co. KG, zugelassen war, eine Fahrtenbuchauflage verhängt, die für 24 Monate ab Zustellung des Bescheids und auch für Nachfolge- und Ersatzfahrzeuge gilt. Im Widerspruchsbescheid vom 20.07.2020 hat das Regierungspräsidium Stuttgart den Ausgangsbescheid zu Lasten der widersprechenden Antragstellerin abgeändert, indem es die Fahrtenbuchauflage auf die beiden weiteren auf die Antragstellerin zugelassenen (Firmen-)Fahrzeuge mit den amtlichen Kennzeichen ...-... ... und ...-... ... einschließlich deren Nachfolge- und Ersatzfahrzeuge erstreckt und den Beginn der 24-monatigen Laufzeit der Fahrtenbuchauflage neu festgesetzt hat (ab Zustellung des Widerspruchsbescheids). Aus Tenor und Gründen des Beschlusses vom 28.09.2020 folgt eindeutig, dass das Verwaltungsgericht die angegriffenen Bescheide ausschließlich im Hinblick auf die Einbeziehung der zwei weiteren Fahrzeuge in die Fahrtenbuchauflage durch die Ziffer 1 des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.07.2020 als voraussichtlich rechtswidrig beanstandet und nur insoweit die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt bzw. angeordnet hat. Das Verwaltungsgericht hat klar zum Ausdruck gebracht, dass es die angegriffenen Bescheide im Übrigen (also ohne die Erstreckung auf zwei weitere Fahrzeuge) für voraussichtlich rechtens ansieht und deshalb nur eine Teilaufhebung in Betracht kommt. Von seinem Rechtsstandpunkt aus hätte das Verwaltungsgericht den Tenor seiner Entscheidung inhaltsgleich auch so fassen können, dass es die aufschiebende Wirkung der Klage nur hinsichtlich des Teils des Widerspruchsbescheids wiederhergestellt hätte, in dem die Erstreckung der Fahrtenbuchauflage auf die zwei weiteren Fahrzeuge verfügt worden ist (siehe insoweit obige Neufassung des Beschlusstenors durch den Senat). |
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| Selbst die insoweit möglicherweise problematische Erhebung der Gebühr für die Widerspruchsentscheidung würde durch die nach Auffassung des Verwaltungsgerichts voraussichtlich rechtswidrige Erstreckungsregelung nicht berührt werden. Der im Widerspruchsbescheid enthaltenen Begründung ist zu entnehmen, dass die Gebühr dem Grund und der Höhe nach nur für die Zurückweisung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den (als solchen vom Verwaltungsgericht nicht beanstandeten) Ausgangsbescheid erhoben worden ist, also nicht zugleich auch für die Abänderung des Ausgangsbescheids. Die Abänderung des Ausgangsbescheids durch die Widerspruchsbehörde war damit nicht Gegenstand der jeweiligen Gebührenerhebungen in den angegriffenen Bescheiden. |
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| Soweit im Beschluss vom 28.09.2020 das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt hat, ist Bindungswirkung eingetreten, da gegen den ablehnenden Teil von der insoweit unterlegenen Antragstellerin kein Rechtsmittel eingelegt wurde. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist allein der stattgebende Teil des Beschlusses, da dieser vom Antragsgegner mit der Beschwerde angegriffen worden ist. Ziel der Beschwerde ist, dass unter teilweiser Änderung des Beschlusses vom 28.09.2020 der Antrag der Antragstellerin nach § 80 Abs. 5 VwGO insgesamt abgelehnt wird. Der Antragsgegner ist der Auffassung, dass die Erstreckung der Fahrtenbuchauflage auf die zwei weiteren Fahrzeuge durch den Widerspruchsbescheid zu Unrecht vom Verwaltungsgericht materiell-rechtlich beanstandet worden sei, sodass auch gegen deren sofortige Vollziehbarkeit nichts zu erinnern sei. |
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| Der Antragsgegner hat mit den in seiner Beschwerdebegründung rechtzeitig dargelegten Gründen, auf deren Prüfung das Beschwerdegericht nach § 146 Abs. 4 Satz 1, 3 und 6 VwGO bei Beschwerden gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich beschränkt ist, die Richtigkeit der von ihm angegriffenen (Teil-)Entscheidung hinreichend erschüttert, sodass der von der Antragstellerin gestellte Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO - soweit er Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist - einer umfassenden Prüfung durch den Senat unterliegt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.01.2018 - 10 S 2000/17 - juris Rn. 2 und Beschluss vom 27.02.2014 - 8 S 2146/13 - juris Rn. 9 ff.; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 02.03.2020 - 4 MB 5/20 - juris Rn. 5; Külpmann in Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl., Rn. 1161). Zu Recht hat der Antragsgegner eine Verletzung seines aus Artikel 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO resultierenden Anspruchs auf rechtliches Gehör im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gerügt, da das Verwaltungsgericht nach Antragseingang dem Antragsgegner eine bis zum 14.10.2020 laufende Frist zur Stellungnahme und Vorlage der Behördenakten eingeräumt hatte. Die rechtzeitig am 02.10.2020 beim Verwaltungsgericht eingegangene umfangreiche Antragserwiderung, der die Behördenakten beigefügt waren, wurde aber vom Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, da dieses - ohne erkennbaren Grund - bereits am 28.09.2020 den streitigen Beschluss gefasst hatte. |
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| Unabhängig von diesem Gehörsverstoß hat der Antragsgegner - soweit es um die Erstreckung der Fahrtenbuchauflage auf die zwei weiteren Fahrzeuge geht - auch die inhaltliche Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung in Frage gestellt. So hat das Verwaltungsgericht die Erstreckung allein deshalb für rechtswidrig angesehen, weil eine solche nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO in dem Fall, dass in der Vergangenheit nicht bereits mehrere unaufgeklärte Verkehrsordnungswidrigkeiten begangen worden seien, allenfalls dann in Betracht komme, wenn eine unaufgeklärte Verkehrsstraftat vorliege. Hier sei aber mit dem auf die Antragstellerin zugelassenen Fahrzeug bisher nur eine nicht aufgeklärte Verkehrsordnungswidrigkeit begangen worden (Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von 120 km/h um - toleranzbereinigt - 52 km/h; hierfür vorgesehene Sanktion: 240,-- EUR Geldbuße, einmonatiges Fahrverbot und 2 Punkte). Gegen diese Argumentation hat der Antragsgegner zutreffend eingewandt, dass weder § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO noch der vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 14.01.2014 - 10 S 2438/13 - hinreichend deutlich eine solche Beschränkung auf eine Verkehrsstraftat entnommen werden könne. In der Entscheidung wird ausgeführt, dass „eine Einbeziehung aller Fahrzeuge des Halters ... entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht nur dann ermessensfehlerfrei möglich sein [dürfte], wenn mit verschiedenen Fahrzeugen des Halters in der Vergangenheit bereits wiederholt Verkehrsordnungswidrigkeiten begangen worden sind ... [sondern] auch dann ..., wenn - wie hier - statt mehrerer unaufgeklärter Verkehrsordnungswidrigkeiten eine erhebliche Verkehrsstraftat vorliegt und aufgrund des Verhaltens des Halters und seiner Nutzungsgepflogenheiten auch mit anderen Fahrzeugen einschlägige Zuwiderhandlungen zu erwarten sind“ (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.01.2014 - 10 S 2438/13 - juris Rn. 9). Damit wurde ersichtlich nur anhand des damaligen (Einzel-)Falls sozusagen erweiternd entschieden, dass die Erstreckung der Fahrtenbuchauflage auf alle Fahrzeuge des Halters „auch dann“ in Betracht kommt, wenn nur eine gewichtige Verkehrsstraftat vorliegt, nicht aber zugleich begrenzend, dass im Fall einer einzelnen unaufgeklärten Tat eine Erstreckung „nur dann“ in Betracht komme, wenn es sich dabei um eine Verkehrsstraftat handele (siehe auch den amtlichen Leitsatz des Beschlusses vom 14.01.2014). Um die Frage der materiellen Rechtmäßigkeit der streitigen Erstreckung beantworten zu können, hätte es hier einer (vom Verwaltungsgericht nicht vorgenommenen) sorgfältigen Prüfung des Einzelfalls unter Berücksichtigung des umfangreichen Vorbringens beider Beteiligter und in Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung bedurft. |
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| Die im Rahmen des Beschwerdegegenstands vom Senat vorzunehmende umfassende Prüfung des von der Antragstellerin gestellten Aussetzungsantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ergibt, dass dieser - unabhängig von einer Interessenabwägung und unabhängig von der Frage der materiellen Rechtmäßigkeit der streitigen Erstreckung - schon deshalb Erfolg hat, weil hier ein Fall der sog. faktischen Vollziehung vorliegt. Die Anfechtungsklage der Antragstellerin entfaltet nach § 80 Abs. 1 VwGO kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung gegen die in Ziffer 1 des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.07.2020 ausgesprochene Erstreckung der (ursprünglichen) Fahrtenbuchauflage auf die beiden weiteren Fahrzeuge der Antragstellerin. Da der Antragsgegner - trotz des rechtlichen Hinweises des Senats - nach wir vor auf dem Standpunkt steht, dass die insoweit im Widerspruchsbescheid enthaltene Erstreckungsentscheidung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO sofort vollziehbar ist, liegt hier insoweit ein Fall der sog. faktischen Vollziehung vor. In einem solchen Fall ist eine gerichtliche Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs nicht möglich, weil der Suspensiveffekt bereits durch den eingelegten Rechtsbehelf eingetreten ist. Zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Artikel 19 Abs. 4 Satz 1 GG) stellt das Gericht bei der sog. faktischen Vollziehung analog § 80 Abs. 5 VwGO fest, dass der eingelegte Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat; eine Interessenabwägung oder inhaltliche Prüfung unterbleibt, weil schon allein der nach § 80 Abs. 1 VwGO eingetretene Suspensiveffekt eine Vollziehung verbietet (zum Ganzen vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.02.2010 - 10 S 2702/09 - juris Rn. 2 ff. und Beschluss vom 09.09.1999 - 1 S 1306/99 - NVwZ-RR 2000, 189; Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, § 80 Rn. 352 ff., 449; Külpmann a. a. O. Rn. 1040 ff.). |
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| Der Senat teilt auch nicht das - hilfsweise - Vorbringen des Antragsgegners, dass der insoweit erstinstanzlich gestellte Aussetzungsantrag der Antragstellerin nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO als unzulässig abzulehnen sei, weil er wegen des nach § 80 Abs. 1 VwGO eingetretenen Suspensiveffekts ins Leere gehe. Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO wird über den Eintritt oder Nichteintritt der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO gestritten (vgl. Schoch a. a. O. Rn. 355). Bei einem Aussetzungsantrag und bei einem Feststellungsantrag handelt es sich um ein einheitliches Rechtsschutzbegehren, welches darauf gerichtet ist, von der Vollziehung des Verwaltungsakts einstweilen verschont zu bleiben. Deshalb war bei der nach Artikel 19 Abs. 4 Satz 1 GG gebotenen rechtsschutzfreundlichen sachdienlichen Auslegung (§ 122 Abs. 1 i. V. m. § 88 VwGO) das erstinstanzliche Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin als Feststellungsantrag analog § 80 Abs. 5 VwGO zu verstehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.02.2010 a. a. O. Rn. 5 und Beschluss vom 09.09.1999 a. a. O.; Külpmann a. a. O. Rn. 1048 m. w. N. auch zur Gegenansicht). |
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| Entgegen der Auffassung des Antragsgegners liegt hinsichtlich der im Widerspruchsbescheid ausgesprochenen Erstreckung der im Ausgangsbescheid nur für ein Kraftfahrzeug verfügten Fahrtenbuchauflage auf die beiden weiteren auf die Antragstellerin zugelassenen Kraftfahrzeuge eine behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO nicht vor. Der Widerspruchsbescheid vom 20.07.2020 ändert in seinem Tenor (Entscheidungsformel, -satz) die Ziffer 1 Satz 1 (wegen Erstreckung und Verlängerung) und Ziffer 3 Satz 2 (wegen Anpassung der Vorlagepflichten an die Verlängerung) des verfügenden Teils des Ausgangsbescheids vom 30.04.2020, die ausschließlich Regelungen zur Fahrtenbuchauflage im Sinne von § 35 Satz 1 LVwVfG enthalten, und weist „im Übrigen“ den Widerspruch der Antragstellerin gegen den Ausgangsbescheid zurück. Ziffer 4 des Ausgangsbescheids, in der von der Ausgangsbehörde der Sofortvollzug angeordnet wird, wird dagegen im Tenor des Widerspruchsbescheids nicht angesprochen. Hinsichtlich der im Tenor des Widerspruchsbescheids zu Lasten der Antragstellerin vorgenommenen substanziellen Verschlechterung der von ihr angegriffenen Ausgangsverfügung (sog. reformatio in peius) findet sich weder im Tenor noch in den Gründen des Widerspruchsbescheids eine gesonderte behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, sodass die (auch) gegen diese Verböserung erhobene Klage nach § 80 Abs. 1 VwGO insoweit aufschiebende Wirkung entfaltet. |
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| Die Widerspruchsbehörde ist erkennbar davon ausgegangen, dass sich mit der im Widerspruchsbescheid verfügten partiellen Änderung der Hauptregelung des Tenors des Ausgangsbescheids, die die Fahrtenbuchauflage (§ 35 Satz 1 LVwVfG) betrifft, die im Ausgangsbescheid unter Ziffer 4 als Nebenentscheidung enthaltene Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit automatisch auch auf die durch den Widerspruchsbescheid geänderte Hauptregelung erstreckt. Das Verwaltungsgericht dürfte diese Auffassung geteilt haben, da es seine nur die im Widerspruchsbescheid ausgesprochene Erstreckung der Fahrtenbuchauflage betreffende Aussetzungsentscheidung ausdrücklich auf die in Ziffer 4 des Ausgangsbescheids enthaltene Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit gestützt hat (vgl. S. 2 f. des Beschlussabdrucks). Eine solche automatische „erweiterte“ Geltung der im Ausgangsbescheid enthaltenen Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit lässt sich jedoch weder aus der Zurückweisung des Widerspruchs „im Übrigen“ noch aus dem Gegenstand der Anfechtungsklage ableiten. Widerspruch (§§ 68 ff. VwGO) und Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1, § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) haben (nur) einen Verwaltungsakt im Sinne von § 35 VwVfG zum Gegenstand. Die Vollziehbarkeitsanordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist hingegen mangels sachlicher Regelung kein Verwaltungsakt, sondern nur eine verfahrensrechtliche Nebenentscheidung zu einem Verwaltungsakt, indem sie eine rechtliche Aussage zum Zeitpunkt von dessen Wirksamkeit und Vollziehbarkeit trifft (vgl. Schoch a. a. O. Rn. 199); sie ist Gegenstand des gegenüber dem Hauptsacheverfahren selbständigen Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes nach den §§ 80 ff. VwGO (vgl. Schoch a. a. O. Vorbemerkung § 80 Rn. 53). |
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| Bei der vom Landratsamt in Ziffer 4 des Ausgangsbescheids ausgesprochenen Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die sich nach Zeitpunkt, Inhalt und Regelungsumfang ausschließlich auf die in den Ziffern 1 bis 3 des Ausgangsbescheids der Antragstellerin für (nur) ein Kraftfahrzeug auferlegte Fahrtenbuchauflage beziehen kann. Eine gleichsam dynamische, auch in der Zukunft neu erlassene oder wesentlich geänderte („verschärfte“) Verwaltungsakte miteinschließende Vollziehungsanordnung „auf Vorrat“ widerspricht Wortlaut, Systematik und Regelungszweck der gesetzlichen Ermächtigung in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO (vgl. Schoch a. a. O. § 80 Rn. 11 ff., 223 ff., 242 ff.; Külpmann a. a. O. Rn. 725 ff.; VG Cottbus, Beschluss vom 10.12.2008 - 3 L 238/08 - juris Rn. 1 f.). Für eine solche dynamische Vollziehungsanordnung besteht auch kein Bedarf, da bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen von der Ausgangsbehörde und - jedenfalls im Rahmen des Widerspruchsverfahrens - auch von der Widerspruchsbehörde eine weitere Vollziehungsanordnung zur Rechtsdurchsetzung jederzeit von Amts wegen getroffen werden kann (vgl. Schoch a. a. O. Rn. 200, 235 ff., 264; Külpmann a. a. O. Rn. 728 ff.). |
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| Am Vorliegen einer sog. faktischen Vollziehung vermag auch der - auf den rechtlichen Hinweis des Senats hin - erfolgte Vortrag des Antragsgegners nichts zu ändern: So sei zwar zuzugeben, dass dem Tenor des Widerspruchsbescheids keine gesonderte Vollziehungsanordnung entnommen werden könne, jedoch würde aus den Gründen des Widerspruchsbescheids der eindeutige Wille der Widerspruchsbehörde hervorgehen, auch die verfügte Verböserung (Erweiterung und Verlängerung der Fahrtenbuchauflage des Ausgangsbescheids) der sofortigen Vollziehbarkeit zu unterwerfen. Nur so würden die Ausführungen im Widerspruchsbescheid zu den Belangen der Gefahrenabwehr, die die deutlich verschärfte Fahrtenbuchauflage rechtfertigen würden, einen Sinn ergeben. |
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| Mit diesem Vortrag verkennt der Antragsgegner zunächst die Bedeutung des Tenors des Widerspruchsbescheids, der grundsätzlich aus Gründen der inhaltlichen Bestimmtheit (§ 79 i. V. m. § 37 Abs. 1 LVwVfG) alle wesentlichen (Haupt- und Neben-)Entscheidungen enthalten sollte (vgl. BayVGH, Beschluss vom 24.03.1999 - 10 CS 99.27 - juris Rn. 19). Gerade dann, wenn die behördliche Entscheidung, die sofortige Vollziehbarkeit anzuordnen, nicht in den Tenor aufgenommen wird, ist von einer besonderen behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO nur dann auszugehen, wenn sich eine solche klar aus dem sonstigen Inhalt des Widerspruchsbescheids ergibt. Dies ist hier nicht der Fall. |
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| Eine gesonderte Anordnung im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO setzt eine eigens auf die sofortige Vollziehung gerichtete Willensentschließung der Behörde und deren ausdrückliche Kundgabe an den Betroffenen voraus; daher scheidet eine stillschweigende oder konkludente Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts aus (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.04.1994 - 1 S 1144/94 - juris Rn. 10; Schoch a. a. O. Rn. 242). Auch die einem Verwaltungsakt immanente Dringlichkeit befreit die Behörde nicht von den gesetzlich vorgeschriebenen formellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für eine Vollziehungsanordnung (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 21.11.1994 - 2 S 28/94 - juris Rn. 7; Schoch a. a. O.). Keine selbstständige Vollziehbarkeitsanordnung der Widerspruchsbehörde liegt vor, wenn diese lediglich die Begründung der Anordnung der Ausgangsbehörde ergänzt; in einem solchen Fall hat die Widerspruchsbehörde keine eigene Entscheidung über die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts getroffen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 24.03.1999 a. a. O.; Schoch a. a. O.). Um eine gesonderte Vollziehungsanordnung anzunehmen, reicht es auch nicht aus, wenn die Behörde den Verwaltungsakt vollzieht, eine knappe Frist zur Ausführung des Verwaltungsakts setzt, in der Begründung des Verwaltungsakts auf ein öffentliches Vollzugsinteresse hinweist, ohne die sofortige Vollziehbarkeit besonders anzuordnen, oder nur in der Rechtsmittelbelehrung erklärt, Widerspruch und Anfechtungsklage hätten keine aufschiebende Wirkung (vgl. Külpmann a. a. O. Rn. 735 m. w. N.). |
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| Im vorliegenden Fall ist schon eine eigenständige Willensentschließung der Widerspruchsbehörde, selbst eine Vollziehungsanordnung zu treffen, nicht hinreichend zu erkennen. Wie ausgeführt, ist dem Widerspruchsbescheid vielmehr zu entnehmen, dass die Widerspruchsbehörde (wie auch später das Verwaltungsgericht im angegriffenen Beschluss) wohl davon ausging, dass sich die im Ausgangsbescheid getroffene Vollziehungsanordnung automatisch auch auf die durch den Widerspruchsbescheid verfügte Verböserung der im Ausgangsbescheid enthaltenen Fahrtenbuchauflage erstreckt (entsprechend § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Dies erklärt auch den Umstand, dass die nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO vorgeschriebene gesonderte Begründung für eine Vollziehungsanordnung der Widerspruchsbehörde im Widerspruchsbescheid fehlt. Zu keinem anderen Ergebnis führt auch der vom Antragsgegner als Beleg einer von der Widerspruchsbehörde eigenständig getroffenen Vollziehungsanordnung angeführte Satz: „Die Anordnung zur Vorlage der Fahrtenbücher ist nach § 80 Abs. 1 Nr. 4 VwGO sofort vollziehbar“. Dieser Satz findet sich inmitten der im Widerspruchsbescheid unter dem Gliederungspunkt „Androhung des Zwangsgelds“ enthaltenen Ausführungen zur Begründung der Zurückweisungsentscheidung und bezieht sich allein auf Ziffer 3 Satz 4 und 5 des Tenors des Ausgangsbescheids, in der für den Fall, dass das Fahrtenbuch nicht oder nicht rechtzeitig oder nicht vollständig ausgefüllt vorgelegt wird, ein Zwangsgeld angedroht wird. Vor dem Hintergrund des Standorts dieses Satzes in der Begründung des Widerspruchsbescheids und dass dieser Satz sich explizit nur auf die „Anordnung zur Vorlage“ bezieht und hinsichtlich seiner Aussage für sich allein steht, deutet die Verwendung des Wortes „ist“ im Kontext mit dem übrigen Inhalt des Widerspruchsbescheids wiederum darauf hin, dass die hier lediglich festgestellte sofortige Vollziehbarkeit nach „§ 80 Abs. 1 Nr. 4 VwGO“ auf die Vollziehungsanordnung im Ausgangsbescheid zurückgeführt werden soll. Nach alledem kann hier von einer eindeutigen Verlautbarung der Widerspruchsbehörde, selbst eine Vollziehungsanordnung hinsichtlich der gesamten Verböserung getroffen zu haben, keine Rede sein. |
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| Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2, §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. den Empfehlungen Nr. 1.5 und 46.11 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt z. B. in Schoch/Schneider, VwGO, unter § 163). Für den Streitwert des Beschwerdeverfahrens hält der Senat eine Halbierung des Hauptsachestreitwerts in Höhe von 19.200,-- EUR (zwei Fahrzeuge x 24 Monate x 400,-- EUR) wegen der faktischen Vorwegnahme der Hauptsache für nicht angezeigt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.11.2015 - 10 S 2047/15 - juris Rn. 3 und 6). |
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| Dieser Beschluss ist unanfechtbar. |
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