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| Der Kläger ist nach seinem Vorbringen bundesweit als Veranstaltungstechniker tätig. Er begehrt vom Beklagten Entschädigungszahlungen in Höhe von 4.288 EUR für seinen Verdienstausfall, welchen er aufgrund von generellen, coronabedingten Veranstaltungsverboten in Baden-Württemberg erlitten hat. Er wandte sich hierzu vorgerichtlich an die Regierungspräsidien Freiburg, Tübingen und Stuttgart. Das Ministerium für Soziales und Integration antwortete ihm mit Schreiben vom 24.11.2020 und teilte ihm mit, dass aufgrund der durch die Corona-Verordnungen erfolgten Betriebsuntersagungen und Einschränkungen von Veranstaltungen keine Entschädigungsansprüche gegen das Land Baden-Württemberg bestünden. Die mit seiner Klage geltend gemachten Entschädigungszahlungen stützt der Kläger auf eine analoge Anwendung des § 56 IfSG, das Vorliegen eines enteignenden Eingriffs, den allgemeinen Aufopferungsanspruch, § 100 PolG und hilfsweise auf Amtshaftung. |
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| Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 05.08.2021 den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Stuttgart verwiesen. Für das Begehren des Klägers sei der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet. Für die geltend gemachten Ansprüche aus enteignendem Eingriff, aufgrund des allgemeinen Aufopferungsanspruchs, aus § 100 PolG und hilfsweise aufgrund von Amtshaftung sei der Kläger auf den ordentlichen Rechtsweg zu verweisen. Der Anspruch aufgrund enteignenden Eingriffs zähle zu den Ansprüchen aus Aufopferung für das gemeine Wohl, für die nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO der ordentliche Rechtsweg gegeben sei. Über den Entschädigungsanspruch nach § 100 PolG entschieden gemäß § 103 PolG die ordentlichen Gerichte. Auch für den hilfsweise geltend gemachten Amtshaftungsanspruch gegen den Staat sei nach Art. 34 Satz 3 GG der ordentliche Rechtsweg gegeben. Der Verweisung stehe auch nicht § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG entgegen. Für den hilfsweise geltend gemachten Amtshaftungsanspruch könne bereits nach § 17 Abs. 2 Satz 2 GVG der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht ausgeschlossen werden. Aber auch für die übrigen Ansprüche eröffne § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG dem Kläger nicht die Möglichkeit, diese rechtswegfremden Ansprüche vor den Verwaltungsgerichten geltend zu machen. Denn es sei nach jeder rechtlichen Betrachtungsweise ausgeschlossen, dass das Klagebegehren auf eine Anspruchsgrundlage gestützt werden könne, für die die Verwaltungsgerichtsbarkeit zuständig sei. Auch der geltend gemachte Anspruch aus § 56 IfSG in analoger Anwendung eröffne nicht den Verwaltungsrechtsweg. Ein solcher Anspruch nach § 56 IfSG in analoger Weise bestehe offensichtlich nicht. Allein die Benennung einer öffentlich-rechtlichen Norm und die Behauptung ihrer (fernliegenden) analogen Anwendbarkeit könne nicht die freie Wahl des Rechtswegs begründen. Anderweitig stünde es im Belieben des Klägers, sich den gewünschten Rechtsweg auszusuchen. |
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| Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde. Er bringt vor, der Gesetzgeber habe mit dem neu in Kraft gesetzten § 68 Abs.1 IfSG klar zum Ausdruck gebracht, dass alle Entschädigungsansprüche nach § 56 IfSG vor den Verwaltungsgerichten verhandelt werden sollten. Dass mit „alle" Streitigkeiten auch die über die analoge Anwendung des § 56 IfSG gemeint seien, ergebe sich aus der BT-Drucksache 19/24334, S. 75. Genauso sähen es das Verwaltungsgericht Darmstadt (Beschluss vom 28.06.2021 - 4 K 414/21.DA -) und auch die Behörden, welche über Entschädigungsansprüche zu entscheiden hätten und in ihren Rechtsbehelfsbelehrungen ein verwaltungsrechtliches Vorverfahren vorschrieben oder direkt ein Verwaltungsgericht als zuständiges Gericht bestimmten. Hauptanspruch des Klägers sei § 56 IfSG in analoger Anwendung. Dass dieser Anspruch bestehe, sei wohl unstreitig zumindest vertretbar. Es bestehe sehr wohl ein Wille des Gesetzgebers, betroffene Unternehmen und Selbständige finanziell vor den Corona-Maßnahmen zu schützen. Sonst würde es Soforthilfen und Ähnliches gar nicht geben. Dies zeige, dass eine planwidrige Regelungslücke bestehe. Der Gesetzgeber habe bei Erlass des neuen § 68 IfSG gewusst, dass massenhaft Entschädigungsanträge auf Basis des § 56 IfSG in analoger Anwendung eingereicht werden würden. Sei der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet, ergebe sich die Gefahr, dass aufgrund des neu gefassten § 68 Abs.1 IfSG auch die Zivilgerichte ihre Unzuständigkeit für den Anspruch aus § 56 IfSG in analoger Anwendung annähmen. § 173 VwGO i.V.m. § 17a GVG gestatte dem Gericht die Verweisung des Rechtsstreits nur dann, wenn der beschrittene Rechtsweg (komplett) unzulässig sei. Der Rechtsweg sei nur dann unzulässig, wenn nach jeder rechtlichen Betrachtungsweise auszuschließen sei, dass das Klagebegehren auf eine Anspruchsgrundlage gestützt werden könne, für die das angerufene Verwaltungsgericht zuständig sei. Der Kläger sei bereit, auf entsprechenden gerichtlichen Hinweis auf die Geltendmachung des Amtshaftungsanspruchs in diesem Verfahren zu verzichten, wenn der Rechtsstreit dann vor dem Verwaltungsgericht weitergeführt werden könne. |
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| Der Beklagte tritt der Beschwerde entgegen. Es sei unklar, warum der Kläger sich gegen eine Abgabe des Verfahrens an das Landgericht Stuttgart wehre, obwohl dort - im Gegensatz zu einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren - die von ihm geltend gemachten Ansprüche gesamtheitlich und damit deutlich prozessökonomischer geprüft werden könnten. Der Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts sei richtig. Eine analoge Anwendung des § 56 IfSG komme nicht in Betracht. Der Kläger verweise zu Unrecht auf Soforthilfeprogramme. Diese belegten gerade das Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke. Hätte der Gesetzgeber Entschädigungsansprüche für Betriebsschließungen und ähnliche Maßnahmen vorsehen wollen, hätte er dies gesetzlich geregelt. Die Verweisung sei auch sinnvoll. Denn die Entscheidung über diese staats/amtshaftungsrechtlichen Ansprüche sei gemäß § 17 Abs. 2 S. 2 GVG i.V.m. Art. 34 Satz 3 GG den Zivilgerichten zugewiesen. Diese Zuweisung sei ausschließlich, da sie auf Ebene des Grundgesetzes vorgenommen worden sei. Die einfach-gesetzliche Norm des § 17 Abs. 2 GVG könne an dieser grundgesetzlichen Zuweisung daher nichts ändern. Damit könnte das Verwaltungsgericht ausschließlich über die Ansprüche nach § 56 IfSG (analog), aber nicht über die staatshaftungsrechtlichen Ansprüche entscheiden. Das sei auch nicht im Sinne des Klägers sinnvoll, selbst wenn er anbiete, auf diese zu verzichten. Tatsächlich verzichtet habe er auf sie aber nicht. Das Landgericht Stuttgart habe auch schon in zahlreichen, ähnlich gelagerten Fällen entschieden und Ansprüche nach § 56 IfSG (analog) dabei miteinbezogen. Von der Kenntnis des Klägers dieser Entscheidungen sei vermutlich auch sein Wunsch getrieben, die Klage unbedingt von einem anderen Gericht als dem tatsächlich zuständigen Landgericht Stuttgart entscheiden zu lassen. Denn das Landgericht Stuttgart habe bisher alle entsprechenden Klagen abgewiesen. |
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| Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt und die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. |
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| 1. Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Stuttgart verwiesen. |
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| Die Norm des § 68 Abs. 1 Satz 1 IfSG erfasst nur die Ansprüche nach den §§ 56 bis 58 IfSG. Ein solcher Anspruch besteht hier nicht (a). Ansprüche, die auf eine analoge Anwendung dieser Vorschriften gestützt werden, können die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte nach § 68 Abs. 1 Satz 1 IfSG nicht begründen (b). Sie ergibt sich auch nicht aus anderen Gründen (c und d). |
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| a) Eine Entschädigungspflicht des Beklagten nach § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG, über die im Streitfall die Verwaltungsgerichte zu entscheiden haben (vgl. § 68 IfSG n.F.), ist nicht ersichtlich. Der Kläger war nicht „auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit“ unterlegen oder unterworfen und hat dadurch einen Verdienstausfall erlitten. Auch der Kläger macht nicht geltend, dass ein Anspruch gemäß § 56 IfSG in direkter Anwendung besteht. |
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| b) Ein Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG in entsprechender Anwendung kommt nicht in Betracht. Er wird in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung - soweit ersichtlich - einhellig verneint (vgl. LG München I, Urteil vom 28.04.2021 - 15 O 10858/20 u.a. - BeckRS 2021, 8842 Rn. 22 ff.; LG Hamburg, Urteil vom 09.04.2021 - 303 O 65/20 - juris Rn. 40 ff.; LG Potsdam, Urteil vom 26.01.2021 - 4 O 146/20 - BeckRS 2021, 14870 Rn. 47 ff.; LG Köln, Urteil vom 12.01.2021 - 5 O 215/20 - juris Rn. 32 ff.; LG Berlin, Urteil vom 13.10.2020 - 2 O 247/20 - juris Rn. 32 ff.; LG Hannover, Urteil vom 09.07.2020 - 8 O 2/20 - juris Rn. 32 ff.; LG Heilbronn, Beschluss vom 29. April 2020 - 4 O 82/20 - juris Rn. 25). Dies ist auch inhaltlich zutreffend. |
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| Bis zum Inkrafttreten des Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 (BGBl. I 2397) war für Entschädigungsansprüche nach § 56 IfSG und Erstattungsansprüche nach § 56 Abs. 4 Satz 2 IfSG der ordentliche Rechtsweg gegeben (vgl. § 68 Abs. 1 IfSG a.F.). Dass die Neufassung von § 68 Abs. 1 IfSG „für Streitigkeiten über Ansprüche nach den §§ 56 bis 58 und 65 gegen das nach § 66 Abs. 1 IfSG zur Zahlung verpflichtete Land“ nunmehr den Verwaltungsrechtsweg vorsieht, gilt nicht für den auf eine entsprechende Anwendung von § 56 IfSG gestützten Anspruch. Insbesondere folgt dies auch nicht aus den vom Kläger in Anspruch genommenen Gesetzesmaterialien. Dort heißt es lediglich: |
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| „Alle Streitigkeiten über Ansprüche nach den §§ 56 bis 58 gegen das nach § 66 Absatz 1 Satz 1 zur Zahlung verpflichtete Land sollen künftig dem Verwaltungsrechtsweg zugewiesen werden (Satz 1). Mit dieser Änderung sind künftig auch die Vorschriften über das Vorverfahren (§§ 68 ff. der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) für entsprechende Ansprüche zu beachten. Für Streitigkeiten über Ansprüche nach § 65 bleibt wie bisher der ordentliche Rechtsweg eröffnet (Satz 2). Anlässlich dieser Änderung werden auch die Verweisungsfehler korrigiert, die der bisherige § 68 Absatz 1 enthält mit der Folge, dass in dieser Vorschrift derzeit nicht alle Ansprüche nach den §§ 56 bis 58 erwähnt sind.“ |
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| (BT-Drucksache 19/24334, S. 75) |
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| Diese Begründung bezieht sich nur auf Streitigkeiten über die im Infektionsschutzgesetz ausdrücklich geregelten Ansprüche (ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.05.2021 - 1 L 16/21 - juris Rn. 6). Hätte der Gesetzgeber für Entschädigungsansprüche wie den vom Kläger geltend gemachten eine Entschädigungsregelung im Infektionsschutzgesetz vorsehen wollen, hätte er dies bei einer der Novellierungen des Infektionsschutzgesetzes seit dem März 2020 ausdrücklich regeln können und müssen. Gegen eine insoweit bestehende planwidrige Regelungslücke im Infektionsschutzgesetz spricht gerade, dass dem Gesetzgeber bekannt war und ist, dass Tausende von Betriebsinhabern, Gewerbetreibenden, Selbständigen der Auffassung sind, dass ihnen eine Entschädigung wegen pandemiebedingter Ausfälle zustehen müsste, und dies in der Öffentlichkeit breit diskutiert wurde. Zudem wurde die analoge Anwendung des § 56 IfSG bereits vor Erlass des Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 in der Literatur diskutiert (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O.). Gegen eine analoge Anwendbarkeit des Infektionsschutzgesetzes sprechen schließlich die entsprechenden Hilfsprogramme des Bundes und der Länder, die Hilfen jenseits gesetzlicher Regelungen zum Gegenstand haben. Das belegt, dass Bund und Länder bewusst davon abgesehen haben, insoweit gesetzliche Entschädigungstatbestände zu schaffen. |
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| Mit der in der Literatur vertretenen Ansicht, dass den von einer Corona-Bekämpfungsmaßnahme Betroffenen erst recht ein Ausgleich ihrer Vermögensnachteile zu gewähren sei (vgl. Rommelfanger, COVuR 2020,178, 180; Papier, DRiZ 2020, 180, 183), kann ebenfalls keine planwidrige Regelungslücke belegt werden. Denn diese plädieren de lege ferenda für eine gesetzliche Verankerung von Ausgleichsregelungen, fordern mithin ein gesetzliches Tätigwerden, da nach der geltenden Rechtslage die - u.a. vom Kläger behaupteten - Entschädigungsansprüche nicht bestehen. |
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| Unerheblich ist das Vorbringen des Klägers, es ergebe sich die Gefahr, dass aufgrund des neu gefassten § 68 Abs.1 IfSG auch die Zivilgerichte ihre Unzuständigkeit für den Anspruch aus § 56 IfSG in analoger Anwendung annähmen und er den behaupteten Anspruch bei keinem Gericht geltend machen könne. Denn ein rechtskräftiger Verweisungsbeschluss führt für das verwiesene Gericht hinsichtlich des Rechtswegs zu einer Bindung (§ 17a Abs. 2 Satz 3 GVG). |
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| Ebenfalls unbegründet ist der klägerische Hinweis auf Rechtsbehelfsbelehrungen von Behörden, die für vergleichbare Fälle ein Verwaltungsgericht als zuständiges Gericht bestimmten. Rechtsbehelfsbelehrungen können einen nicht gegebenen Rechtsweg nicht begründen (ebenso OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O.). |
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| c) Für die Ansprüche aus enteignendem Eingriff, Aufopferung, § 100 PolG und Amtshaftung ist - wovon auch der Kläger ausgeht - der ordentliche Rechtsweg gegeben. Auf die zutreffenden Gründe des Verwaltungsgerichts nimmt der Senat insoweit Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). |
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| d) Da eine Rechtswegzuständigkeit der Verwaltungsgerichte unter keinem Gesichtspunkt erkennbar ist, ergibt sich eine Zuständigkeit auch nicht aus § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG. Auf einen etwaigen Verzicht auf Ansprüche kommt es daher nicht an. |
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| Ein Streitwert muss nicht festgesetzt werden, weil bei Erfolglosigkeit der Beschwerde eine vom Streitwert unabhängige Gerichtsgebühr von 66,00 EUR anzusetzen ist (vgl. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG). |
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| 3. Die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht ist zuzulassen. Die Voraussetzungen für die Zulassung nach § 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG liegen vor. Die Rechtsfrage, ob die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs nach § 56 IfSG in analoger Anwendung für Fälle von Verdienstausfall, welcher aufgrund von Beschränkungen durch infektionsschutzrechtliche Vorschriften in der Pandemie des Coronavirus SARS-CoV-2 eingetreten ist, den Verwaltungsrechtsweg eröffnet, betrifft eine unbestimmte Vielzahl weiterer Fälle, ist klärungsbedürftig und klärungsfähig. |
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