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| Die Antragsteller wenden sich gegen den Bebauungsplan „24/4 Rainstraße Ost“ der Antragsgegnerin, mit dem im Stadtteil Kochendorf der Bereich zwischen der Bach-, der Rain- und der N... Straße sowie der ... überplant wird. Im vorliegenden Verfahren begehren sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO. |
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| Der von der Bachstraße im Norden, der Rainstraße und der N... Straße im Westen sowie der ... im Süden gebildete Bereich ist jeweils an den Straßenrändern mit Wohnhäusern bebaut. Im Inneren des Bereichs liegt eine im Wesentlichen unbebaute, von Nord nach Süd teilweise bis über 80 m breite Fläche, die sich nach Osten hin in die freie Landschaft öffnet. Das Gelände fällt dort von Süd nach Nord stark ab. Die N. W. GmbH & Co KG (Vorhabenträger), die jedenfalls Eigentümerin der im Inneren des Bereichs gelegenen und bislang unbebauten Grundstücke Flst.Nrn. ..., ..., ... und ... ist, plant dort einen Wohnkomplex mit ca. 70 Wohnungen in sechs Baukörpern zu errichten. Die Antragsgegnerin war der Auffassung, dass der fragliche Bereich zwar im Innenbereich liege, das vom Vorhabenträger geplante Projekt dort jedoch wegen seiner Größe nicht nach § 34 BauGB genehmigt werden könne. Da die Antragsgegnerin das Projekt aber befürwortete, weil es der Innenentwicklung dienen und zur Deckung des Wohnraumbedarfs beitragen soll, beschloss sie am 23.11.2021 den im beschleunigten Verfahren gemäß § 13 a BauGB aufgestellten Bebauungsplan „24/4 Rainstraße Ost“ mit örtlichen Bauvorschriften. Dessen Geltungsbereich wird im Westen von der Rainstraße begrenzt. Er erstreckt sich von dort in seinem nördlichen Teil ca. 50 bis 60 m und weiter südlich bis zu ungefähr 100 m nach Osten. Im Norden bilden die Wohnbebauung an der Bachstraße und im Süden die Wohnhäuser an der ... die Grenze seines Geltungsbereichs. |
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| Der Bebauungsplan setzt als Art der baulichen Nutzung ein allgemeines Wohngebiet fest und weist insgesamt 10 Baufenster aus. Drei Baufenster im nördlichen Teil umfassen die dort bereits vorhandene Bebauung und ermöglichen zukünftig eine intensivere bauliche Nutzung. Im Südwesten wurde auf dem Grundstück Flst.Nr. ... ebenfalls ein Baufenster ausgewiesen, weil dessen Eigentümer den Abbruch des dortigen kleinen Hauses und einen größeren Neubau plant. Die sechs anderen, an der Rainstraße und im Inneren des Bebauungsplangebiets gelegenen Baufenster sind wohl zur Bebauung durch den Vorhabenträger vorgesehen. Zur Bestimmung der Höhe der baulichen Anlagen setzt der Bebauungsplan für jedes Baufenster eine Bezugshöhe als unteren Bezugspunkt fest. Je nachdem, ob für das Baufenster in den örtlichen Bauvorschriften als Dachform ein Flachdach oder ein Satteldach festgesetzt wird, werden die maximale Gebäudehöhe bzw. die maximale Trauf- und Firsthöhe festgelegt. |
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| Der Antragsteller zu 1 ist Eigentümer des Grundstücks Flst.Nr. ..., ...-... .... Es erstreckt sich von der ... im Süden bis zum Wegegrundstück Flst.Nr. ... im Norden. Im südlichen Teil ist es mit einem Wohnhaus bebaut. Die im Westen bis zur N... Straße folgenden Wohnhäuser bilden eine Häuserreihe unmittelbar südlich des Bebauungsplangebiets. Der nördliche Teil des Grundstücks ist unbebaut und wird als Grünfläche genutzt, die im Westen an den bislang ebenfalls unbebauten inneren Bereich des Bebauungsplangebiets grenzt. |
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| Das Grundstück Flst.Nr. ..., N... Straße ..., steht im Eigentum des Antragstellers zu 2. Es ist mit einem Wohnhaus bebaut und grenzt auf seiner Nordseite unmittelbar an das im Bebauungsplangebiet gelegene Grundstück Flst.Nr. ... an. |
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| Der Senat entscheidet über die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in der Besetzung von drei Richtern (§ 9 Abs. 3 Satz 1 erster Hs. VwGO); § 4 AGVwGO ist auf Entscheidungen nach § 47 Abs. 6 VwGO nicht anwendbar (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.12.2008 - GRS 1/08 - ESVGH 59, 154, juris Rn. 12). |
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| 1. Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO sind zulässig. |
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| a) Die Antragsteller zu 1 und zu 2 sind antragsbefugt. Sie können im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO geltend machen, durch den Bebauungsplan in ihren Rechten verletzt zu werden (vgl. dazu, dass auch die Zulässigkeit eines Antrags gemäß § 47 Abs. 6 VwGO grundsätzlich die Antragsbefugnis gemäß § 47 Abs. 2 VwGO voraussetzt, Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Großkommentar, 5. Aufl., 2018, RdNr. 387 zu § 47). Die Antragsteller sind Eigentümer außerhalb des Bebauungsplangebiets gelegener Grundstücke. Zur Begründung der Antragsbefugnis können sie sich darauf berufen, ihre eigenen Belange seien in der Abwägung nicht richtig berücksichtigt worden. Dazu genügt es, wenn sie einen eigenen Belang als verletzt bezeichnen, der für die Abwägung beachtlich ist; ob dieser zutreffend abgewogen worden ist, bleibt dann - von Evidenzfällen abgesehen - der Prüfung der Begründetheit vorbehalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.06.2011 - 4 CN 1.10 - BVerwGE 140, 41; Beschluss vom 01.07.2020 - 4 BN 49.19 - juris Rn. 7; Beschluss vom 10.02.2016 - 4 BN 37.15 - ZfBR 2016, 376; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.10.2020 - 3 S 1117/20 - juris Rn. 21). |
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| aa) Die Antragsteller tragen u. a. vor, die Antragsgegnerin sei ausweislich der Begründung zum Bebauungsplan (dort Nr. 6.2) davon ausgegangen, dass die Tiefgarage mit 88 Stellplätzen über drei örtlich getrennt voneinander angeordnete Zufahrten erschlossen werde und so eine gleichmäßige Verteilung des zusätzlich verursachten Verkehrs erreicht werden könne. Tatsächlich sei nach dem Bebauungsplan jedoch nicht planungsrechtlich gesichert, dass die Zufahrten entsprechend eingerichtet würden. Möglich sei auch, die Zufahrt an einer Stelle zu konzentrieren mit einer höheren Verkehrs-(Lärm-)belastung an dieser Stelle in der Folge. |
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| bb) Die Antragsteller rügen weiter, dass der Bebauungsplan in unmittelbarer Nähe ihrer Grundstücke in einem Bereich, der bislang als Außenbereich gemäß § 35 BauGB nur in sehr eingeschränktem Umfang einer Bebauung zugänglich gewesen sei, jetzt eine nach dem Maß der baulichen Nutzung besonders intensive Wohnbebauung ermögliche. In der Sache berufen sie sich damit auf ihren eigenen Belang an der (möglichst weitgehenden) Aufrechterhaltung des bisherigen planungsrechtlichen Zustands. |
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| cc) Aus beiden geltend gemachten Gesichtspunkten ergibt sich die Antragsbefugnis der Antragsteller. |
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| (1) Das Interesse des Planbetroffenen, von einer planbedingten Zunahme des Verkehrslärms verschont zu werden, ist ein abwägungserheblicher Belang, wenn es über die Bagatellgrenze hinaus betroffen wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.07.2017 - 4 BN 10.17 - juris Rn. 9 m.w.N.). Ist ein mit vermehrten Lärmimmissionen verbundenes erhöhtes Verkehrsaufkommen in der Umgebung des Plangebiets nicht das Ergebnis einer allgemeinen Veränderung der Verkehrslage, sondern - entfernungsunabhängig - eine planbedingte Folge, so ist das Lärmschutzinteresse der Betroffenen, sofern es in abwägungserheblicher Weise zu Buche schlägt, als Teil des Abwägungsmaterials bei der Planungsentscheidung zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 08.06.2004 - 4 BN 19.04 - juris Rn. 6). Nach dieser Rechtslage können die Antragsteller die Antragsbefugnis daraus ableiten, dass nach dem Bebauungsplan die Zufahrt zur Tiefgarage konzentriert an einer für sie ungünstigen Stelle angebracht werden kann. |
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| (2) Zwar gibt es, wie aus § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB folgt, grundsätzlich keinen Anspruch auf Fortbestand einer bisherigen Planung oder auf Unterlassung einer Planung (vgl. Schrödter/Wahlhäuser, in: Schrödter, BauGB, 9. Aufl., 2019, Rn. 56 zu § 1). Führt eine Planung aber dazu, dass Nachbargrundstücke in anderer Weise als bisher genutzt werden dürfen, so gehören die Interessen der Nachbarn an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes grundsätzlich zum notwendigen Abwägungsmaterial. Ob der Nachbar mit einer solchen Entwicklung rechnen musste, ist für die Antragsbefugnis in diesen Fällen grundsätzlich ebenso unerheblich wie die Frage, ob der Nachbar ein subjektives öffentliches Recht oder einen Anspruch auf die Beibehaltung des bisherigen Zustandes hat. Es reicht vielmehr grundsätzlich aus, wenn die bisherige Situation den Nachbarn tatsächlich begünstigt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 09.02.1995 - 4 NB 17.94 - BauR 1995, 499). Das ist hier der Fall. Denn das Bebauungsplangebiet war bislang - auch wenn man der Auffassung der Antragsgegnerin folgen wollte, es sei als unbeplanter Innenbereich i.S. des § 34 BauGB einzustufen - nur in deutlich geringerem Maße baulich nutzbar. Das ergibt sich aus der Begründung des Bebauungsplans. Danach geht die Antragsgegnerin zwar davon aus, dass das Bebauungsplangebiet bereits bisher als Innenbereich nach § 34 BauGB habe bebaut werden können. Den Bebauungsplan hat sie aber aufgestellt, um die ins Auge gefasste intensivere Bebauung zu ermöglichen. Ob die Antragsgegnerin diesen Belang mit dem nötigen Gewicht in der Abwägung berücksichtigt hat, ist eine Frage der Begründetheit. Vorliegend lässt sich jedenfalls nicht sagen, dass dem Interesse an der Aufrechterhaltung des bisherigen Zustands nur so geringes Gewicht zukommt, dass der entsprechende Belang als geringfügig nicht in die Abwägung eingestellt werden muss (eine solche Konstellation ist nach der o.g. Entscheidung des BVerwG etwa gegeben, wenn durch den Plan Gewerbebauten in 300 m Entfernung errichtet werden sollen). |
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| b) Die Antragsteller haben bislang in der Hauptsache noch kein Normenkontrollverfahren anhängig gemacht. Das steht der Zulässigkeit der Anträge indessen nicht entgegen. Nach dem insoweit entsprechend anwendbaren § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann die einstweilige Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO auch bereits vor der Stellung des Normenkontrollantrags beantragt werden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.02.1990 - 10a ND 14/89 - BauR 1991, 47). Die Frist dafür ist noch offen. |
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| 2. Die Anträge sind auch begründet. |
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| Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab sind danach jedenfalls bei Bebauungsplänen zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollantrags. Ist dieser voraussichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne des § 47 Abs. 6 VwGO geboten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.02.2015 - 4 VR 5.14 - BauR 2015, 968). Erweist sich dagegen, dass der Antrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug der angegriffenen Vorschrift bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. Der sogenannte Anordnungsanspruch ist dann jedenfalls gegeben. Eine einstweilige Anordnung kann ergehen, wenn und soweit der (weitere) Vollzug des Bebauungsplans vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar und damit auch ein Anordnungsgrund gegeben ist (vgl. dazu ausführlich Schoch, in: Schoch/Schneider, VwGO, Komm., Rn. 164 ff. zu § 47, Stand: Februar 2022). |
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| a) Der erforderliche Anordnungsanspruch ist gegeben. Ein Normenkontrollantrag in der Hauptsache wird voraussichtlich Erfolg haben. |
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| aa) Ein solcher Normenkontrollantrag ist - gegenwärtig - wohl zulässig. |
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| Der Satzungsbeschluss wurde am 16.12.2021 öffentlich bekanntgemacht. Die mit der öffentlichen Bekanntmachung zu laufen beginnende Jahresfrist aus § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist damit noch offen. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, sind die Antragsteller auch antragsbefugt. |
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| bb) Er ist voraussichtlich auch begründet. |
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| Der Bebauungsplan dürfte unwirksam sein. Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob alle von den Antragstellern gerügten Fehler tatsächlich vorliegen. Jedenfalls weist der Bebauungsplan einen beachtlichen Fehler im Abwägungsvorgang auf, der zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans führen dürfte (§ 2 Abs. 3 BauGB). |
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| (1) Wie oben bereits ausgeführt, hat die Antragsgegnerin ausweislich der Begründung zum Bebauungsplan (dort Nr. 6.2) ihrer Abwägungsentscheidung die Annahme zu Grunde gelegt, die Tiefgarage mit 88 Stellplätzen werde über drei örtlich getrennt voneinander angeordnete Zufahrten erschlossen, um so eine gleichmäßige Verteilung des zusätzlich verursachten Verkehrs und - so dürfte zu ergänzen sein - eine deutliche Zunahme der Verkehrs- und Lärmbelastung für die jeweils Betroffenen zu vermeiden. Die Antragsgegnerin hat ihrer Abwägungsentscheidung dabei ersichtlich das vom Vorhabenträger ins Auge gefasste Projekt zu Grunde gelegt, das - auch die Antragsteller ziehen das nicht in Zweifel - wohl die Einrichtung der Stellplätze in einer Tiefgarage und deren Erschließung über drei getrennt voneinander angebrachte Zufahrten vorsieht. Indessen ist planungsrechtlich nicht gesichert, dass die Zufahrt über drei getrennt voneinander und jeweils an den im zeichnerischen Teil des Bebauungsplans durch eine schwarze Pfeilspitze dafür vorgesehenen Stellen erfolgt. |
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| (2) Zweifelhaft erscheint bereits, ob es sich bei der Ausweisung der Tiefgaragenzufahrten durch die schwarze Pfeilspitze um eine verbindliche Festsetzung handelt. Sie wird im zeichnerischen Teil des Bebauungsplans unter Punkt „10. Sonstige Planzeichen und Darstellungen“ und dort unter Nr. 10.6 als „geplante Tiefgaragenzufahrt“ erklärt. Bereits das Wort „geplant“ deutet daraufhin, dass es sich eben nicht um eine verbindliche Festsetzung handelt. Unter Punkt 10 sind auch im Übrigen mehrere Zeichen und Darstellungen aufgenommen, die keine verbindliche planerische Regelung beinhalten. Für eine verbindliche planerische Regelung dürfte es auch an einer Rechtsgrundlage fehlen. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB kann im Bebauungsplan zwar der Anschluss anderer Flächen an die Verkehrsflächen im Bebauungsplan festgesetzt werden. Allenfalls die Pfeilspitzen an der Rainstraße und der N... Straße könnten indessen als entsprechende Regelung verstanden werden, weil sie unmittelbar von der Straße die Einfahrt zur Tiefgarage weisen. Anders ist dies mit der Pfeilspitze im nordöstlichen Bereich des Bebauungsplangebiets. Diese ist deutlich entfernt von der nächstgelegenen Verkehrsfläche im Bebauungsplan eingezeichnet und weist daher allenfalls eine Tiefgaragenzufahrt aus, aber nicht deren Anschluss an eine Verkehrsfläche. Auch die Antragsgegnerin nimmt konsequent dazu in der Antragserwiderung an, die Festsetzung der Tiefgaragenzufahrt sei nicht verbindlich. Die Zufahrten zur Tiefgarage können mithin auch an jeder beliebigen anderen Stelle eingerichtet werden. Eine Verteilung auf drei Zufahrten ist ebenfalls nicht vorgeschrieben, sondern auch eine Konzentration auf eine Zufahrt ist möglich. Es liegt auf der Hand, dass die Verkehrs- und deshalb auch die Lärmbelastung für die Anwohner dann entsprechend höher ist. |
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| (3) Die Antragsgegnerin ist deshalb bei der Abwägung in einem wesentlichen Punkt, der ihr hätte bekannt sein müssen, von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen und hat das Abwägungsmaterial nicht i.S. des § 2 Abs. 3 BauGB zutreffend ermittelt (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 18.01.2017 - 15 N 14.2033 - juris). Dieser Fehler ist nach § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB relevant. Denn auch die sonstigen dort genannten Voraussetzungen liegen vor. Der Fehler ist offensichtlich, denn er ergibt sich aus den Akten; der Erforschung des inneren Willens der Gemeinderäte bedarf es nicht. Er ist auch auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen. Es besteht die konkrete Möglichkeit, dass ohne den Mangel die Planung anders ausgefallen wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.05.2010 - 4 C 7.09 - BVerwGE 137, 74). |
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| Wie ausgeführt, ist das Interesse der Planbetroffenen von einer planbedingten Zunahme des Verkehrslärms verschont zu bleiben, ein abwägungsrelevanter Belang, sofern sie über die Bagatellgrenze hinaus betroffen werden. Jedenfalls wenn der Zugang zur Tiefgarage auf eine Zufahrt konzentriert wird, dürfte eine solche Betroffenheit wahrscheinlich sein, sich ohne gutachterliche Grobabschätzung jedenfalls nicht ausschließen lassen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 28.05.2020 - 2 K 49/18 - juris Rn. 71; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.04.2018 - 1 C 11559/16 - juris Rn. 33). Vor diesem Hintergrund ist es nicht fernliegend, dass die Antragsgegnerin anders geplant hätte, wenn sie den Sachverhalt richtig ermittelt hätte. Die Antragsteller berufen sich insoweit auch auf einen eigenen Belang, denn bei der gegebenen planungsrechtlichen Situation ist es im Bereich des Möglichen, dass die Zufahrt(en) zur Tiefgarage so eingerichtet wird/werden, dass sie für sie mit abwägungsrelevanten Beeinträchtigungen verbunden sind. |
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| (4) Die Antragsgegnerin hält dem entgegen, angesichts der Hanglage könnten die Stellplätze für alle in den einzelnen Baufenstern vorgesehenen Bauwerke allein in der Tiefgarage eingerichtet werden. Eine andere Form der Erschließung sei unrealistisch und daher nicht abwägungsrelevant. Dieser Sachvortrag mag zutreffen. Zu einer Entscheidung zu Gunsten der Antragsgegnerin führt er nicht. Denn wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, geht es nicht um die Frage, ob die Stellplätze in einer Tiefgarage oder oberirdisch eingerichtet werden sollen. Maßgeblich ist, wie die Zufahrt zur Tiefgarage geregelt werden soll und welche Belastungen damit u.a. für die Antragsteller verbunden sein können. Auch mag es sein, dass die Tiefgarage wegen der Hanglage zwangsläufig mehrere Ebenen aufweisen muss. Daraus folgt jedoch gleichfalls nicht, dass jede Ebene mit einer gesonderten Zufahrt (und noch dazu an der im Bebauungsplan dafür eingezeichneten Stelle) ausgestattet sein muss. |
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| b) Der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsgrund ist gleichfalls gegeben. |
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| aa) Die Antragsteller argumentieren, ein Anordnungsgrund ergebe sich im vorliegenden Fall schon daraus, dass der Bebauungsplan die Verwirklichung eines konkreten Projekts ermöglichen solle und daher zeitnah mit der Erteilung der dafür erforderlichen Baugenehmigungen zu rechnen sei. Sie hätten einen Anspruch, dass die Abwägung im Rahmen eines solchen Bebauungsplans korrekt erfolge. Dieser Anspruch laufe weitgehend leer, wenn der Anordnungsgrund verneint werde. Denn der Rechtsschutz im Normenkontrollverfahren komme regelmäßig zu spät. Das ins Auge gefasste Projekt sei dann in der Regel bereits verwirklicht, und der subjektive Rechtsschutz gegen die Baugenehmigung(en) bleibe hinsichtlich des Prüfungsumfangs deutlich hinter dem im objektiven Normenkontrollverfahren zurück. |
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| bb) Dieser sehr weitgehenden Auffassung dürfte nicht zu folgen sein. Die Antragsteller berufen sich dafür auf eine Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (Beschluss vom 23.03.2021 - 1 B 406/20 - juris). Dieser ist eine entsprechende Aussage indessen nicht zu entnehmen. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht prüft zunächst, ob eine einstweilige Anordnung zur Abwehr schwerer Nachteile dringend geboten ist. Es verneint diese Frage, weil die abwägungserheblichen Belange der Antragsteller fehlerfrei ermittelt, bewertet und berücksichtigt worden sind. Dieser Ansatz deckt sich mit der Rechtsprechung des Senats. Nicht die fehlerhafte Berücksichtigung jedes (beliebigen) abwägungserheblichen Belangs führt zu einem Anordnungsgrund. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Abwehr schwerer Nachteile setzt als notwendige Bedingung voraus, dass es sich um einen eigenen Belang der Antragsteller handelt (vgl. Senatsbeschluss vom 11.04.2022 - 3 S 470/22 - juris). |
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| In der Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts heißt es weiter: |
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| Die einstweilige Anordnung ist auch nicht aus anderen wichtigen Gründen i. S. d. § 47 Abs. 6 VwGO zu erlassen. Bei den anderen wichtigen Gründen nach § 47 Abs. 6 VwGO handelt es sich um einen Auffangtatbestand, der es dem Normenkontrollgericht ermöglicht, eine beantragte einstweilige Anordnung zu erlassen, wann immer es dies, insbesondere im öffentlichen oder im Interesse der Allgemeinheit für dringend geboten erachtet. Dieser Anordnungsgrund dient, anders als der der Abwehr „schwerer Nachteile“, nicht in erster Linie dem Individualrechtsschutz, sondern vor allem dem öffentlichen Interesse an der Wirksamkeit der Normenkontrolle, die nicht durch die zwischenzeitliche Schaffung vollendeter Tatsachen ihrer rechtsstaatlichen Funktion beraubt werden soll (Dombert, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 604; a. A.: OVG NRW, Beschl. v 14. Juli 2014 - 2 B 581/14.NE -, juris Rn. 29). |
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| Auch diese Ausführungen sind nicht so zu verstehen, dass sich aus jedem beliebigen Fehler der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsgrund „aus anderen wichtigen Gründen“ ergeben kann. Dies gilt insbesondere für Fehler im Rahmen der Abwägung, denn sonst liefe die Beschränkung auf eigene Belange der Antragsteller bei dem Prüfungspunkt „zur Abwehr schwerer Nachteile“ in der Sache leer. |
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| cc) Wo hier die Grenzen zu ziehen sind, bedarf im konkreten Fall keiner abschließenden Entscheidung. Der Anordnungsgrund ergibt sich vorliegend daraus, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Abwehr schwerer Nachteile für die Antragsteller dringend geboten ist. Denn wie sich aus den obigen Ausführungen zum Anordnungsanspruch ergibt, hat die Antragsgegnerin bei der Abwägung eigene Belange der Antragsteller nicht ausreichend ermittelt. |
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| dd) Der Senat hat allerdings bereits entschieden, dass auch Fehler im Abwägungsvorgang den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht rechtfertigen, wenn diese in einem ergänzenden Verfahren gemäß § 214 Abs. 4 BauGB geheilt werden können (Beschluss vom 13.05.2020 - 3 S 3137/19 - VBlBW 2021, 29). Diese Rechtsprechung ist auf Kritik gestoßen. Bei der vom Senat zu Grunde gelegten Fallgestaltung sei eine einstweilige Anordnung zu erlassen. Anderenfalls könne die Baugenehmigung mit irreversiblen Folgen erteilt werden, während das Gelingen des Heilungsakts ungewiss sei. Sei der Fehler in einem ergänzenden Verfahren geheilt worden, könne dem mit einer Änderung der Eilentscheidung gemäß § 80 Abs. 7 VwGO Rechnung getragen werden (Schoch, in: Schoch/Schneider, VwGO, Komm., Rn. 168 a zu § 47, Stand: Februar 2022). Es mag offenbleiben, ob der o.g. Beschluss des Senats so verstanden werden konnte, dass die - bei Fehlern im Abwägungsvorgang - im Grunde immer mögliche Fehlerheilung gemäß § 214 Abs. 4 BauGB den Erlass einer einstweiligen Anordnung ausschließt. In diesem Falle wäre sie dahin zu konkretisieren, dass dies nur der Fall ist, wenn die Fehlerheilung im ergänzenden Verfahren offensichtlich möglich ist, ohne den Inhalt des Bebauungsplans zu ändern (in vergleichbarem Sinne auch OVG Niedersachsen, Beschluss vom 25.02.2014 - 1 MN 245/13 - NVwZ-RR 2014, 463). Trägt die Antragsgegnerin im konkreten Fall dem o.g. Fehler bei der Ermittlung des Abwägungsmaterials in einem ergänzenden Verfahren Rechnung, so ist jedoch mit einer Änderung des Inhalts des Bebauungsplans - auch zum Nachteil der Antragsteller - konkret zu rechnen. |
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| c) Die Antragsteller haben mehrere weitere Fehler geltend gemacht. Inwieweit der entsprechende Vortrag auf Rechtsfehler des Bebauungsplans führt, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigen können, bedarf nach dem Vorstehenden keiner Entscheidung mehr. Der Senat weist jedoch - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - darauf hin, dass der Bebauungsplan auch noch aus anderen Gründen unwirksam sein könnte. |
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| So erscheint es angesichts der doch recht großen unbebauten Fläche und deren Öffnung nach Osten zur freien Landschaft hin gut möglich, dass das Bebauungsplangebiet als Außenbereich im Innenbereich und nicht als unbeplanter Innenbereich einzustufen ist. Zur Klärung der Frage, ob ein Außenbereich im Innenbereich im beschleunigten Verfahren gemäß § 13 a BauGB überplant werden kann, hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 14.06.2021 im Verfahren 4 BN 63.20 die Revision gegen das von der Antragsgegnerin zum Beleg ihrer Auffassung herangezogene Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 17.08.2020 - 2 D 27/19.NE - zugelassen. |
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| Zweifelhaft erscheint auch, ob durch die als Konditionalsatz formulierte Regelung in Nr. 1.3. der örtlichen Bauvorschriften gewährleistet ist, dass das oberste Geschoss nicht als Vollgeschoss ausgebildet werden darf und gegenüber den Antragstellern als Staffelgeschoss mit zurückversetzter Außenwand in Erscheinung tritt. |
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| Die Antragsteller machen auch geltend, dass auf dem Grundstück Flst.Nr. ... tatsächlich eine Bebauung mit vier Vollgeschossen möglich sei und nicht nur mit zwei, wie die Antragsgegnerin dies in der Abwägung angenommen hat. Auch diese Argumentation ist angesichts der Dachhöhe von 4,5 m, der uneingeschränkten Zulässigkeit von Dachgauben und der Möglichkeit, durch Abgrabungen in dem nach Norden abfallenden Gelände auch das Geschoss unterhalb der Bezugshöhe als Vollgeschoss auszugestalten, durchaus plausibel. In diesem Fall würde der Bebauungsplan in dem allgemeinen Wohngebiet eine Geschossflächenzahl von 1,6 ermöglichen, was nicht zulässig ist (§ 25 e BauNVO, § 17 BauNVO a.F., § 20 Abs. 1 und 2 BauNVO, § 2 Abs. 6 LBO). |
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| Abschließend geklärt werden müssen diese Frage aber nicht, ebenso kann offen bleiben, ob es für die Regelungen in Nr. 2.1 Satz 2 und Nr. 4.2 der textlichen Festsetzungen zum Bebauungsplan eine Rechtsgrundlage gibt und diese damit zulässig sind. |
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| 3. Der Senat sieht davon ab, den Antragstellern eine Frist zur Einleitung des Normenkontrollverfahrens in der Hauptsache zu stellen. Sollten die Antragsteller die Jahresfrist dafür aus § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht einhalten, kann die Antragsgegnerin ohnehin die Aufhebung der vorliegenden einstweiligen Anordnung erreichen. |
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| Der Beschluss ist unanfechtbar. |
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