Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (1. Senat) - 1 C 11559/16
Tenor
Der Bebauungsplans „R...-Park“ der Antragsgegnerin vom 19. Oktober 2016 wird für unwirksam erklärt.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsgegnerin und die Beigeladene jeweils zur Hälfte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Bebauungsplans der Antragsgegnerin, mit dem diese eine vormals durch die US-Streitkräfte genutzte Konversionsfläche überplant hat.
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Der Antragsteller ist Miteigentümer des außerhalb des Plangebietes gelegenen Grundstücks Gemarkung S..., Flur ..., Parzellen Nrn. .../... und .../... („I... L... ...“), das mit einem von ihm und seiner Familie genutzten Wohnhaus bebaut ist und im Bereich eines durch Bebauungsplan festgesetzten allgemeinen Wohngebietes liegt. In einer Entfernung von ca. 60 bis 70 Metern führt südlich des Grundstückes die Landesstraße L 433 vorbei, über die das Grundstück des Antragstellers durch die von der Landestraße abzweigende Straße „I... L...“ erschlossen wird.
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Der angefochtene Bebauungsplan „R...-Park“ der Antragsgegnerin umfasst das Gelände, das bis zum Jahr 2009 von den amerikanischen Streitkräften militärisch genutzt wurde („A... B... & H... D...“) und seitdem brachlag. Der Bebauungsplan setzt verschiedene Sonderflächen für eine Sport- und Freizeitnutzung, Freizeitwohnflächen sowie Gewerbegebietsflächen fest. Im nordöstlichen Teil des Plangebiets waren zunächst Sonderflächen für eine motorsportliche Nutzung vorgesehen. Insgesamt hat die Antragsgegnerin eine Fläche von rund 70.000 m² überplant.
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Am 13. November 2014 fasste der Rat der Antragsgegnerin den Aufstellungsbeschluss zu dem Teilbebauungsplan „R...-Park – Teilbereich 1 Mitte“ und zu dem Teilbebauungsplan „R...-Park – Teilbereich 2 Nordost“. Am 12. April 2015 beschloss er die Aufstellung für den Teilbebauungsplan „R...-Park – Teilbereich 3. West“. Nach Durchführung der frühzeitigen Unterrichtung der Öffentlichkeit und der frühzeitigen Beteiligung der Träger öffentlicher Belange beschloss der Rat am 7. Dezember 2015 die Zusammenlegung der drei Teilbebauungspläne unter der Bezeichnung „R...-Park“. Die Offenlage des Plans erfolgte vom 21. April bis zum 23. Mai 2016, parallel dazu die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange.
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Im Verlauf der Planaufstellung legte die Beigeladene als Trägerin des Vorhabens unter anderem ein Verkehrsgutachten und eine schalltechnische Untersuchung zu den Auswirkungen des Bebauungsplans vor, die zu folgenden Ergebnissen führten:
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Die Verkehrsuntersuchung des Büros V... J... vom Februar 2016 prognostiziert ein durch das gesamte ursprüngliche Plangebiet verursachtes zusätzliches Verkehrsaufkommen (Beschäftigten-, Besucher- und Lieferverkehr) von insgesamt 3.821 Fahrten pro Tag, wovon 2.185 Fahrten auf den Beschäftigtenverkehr entfallen. Für die Zusatzbelastung der L 433 ist nach dem Gutachten lediglich der Beschäftigtenverkehr relevant, wobei der Gutachter davon ausgeht, dass ca. 20 % dieses Verkehrsaufkommens aus dem Bereich H.../M.../L... fließen und ganz überwiegend über die L 433 durch die Ortsdurchfahrt S... verlaufen wird.
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Die schalltechnische Verträglichkeitsuntersuchung des Büros M... GmbH vom 15. Februar 2016 kommt zu dem Ergebnis, dass die vom Plangebiet verursachten Geräuschimmissionen (Sport-, Gewerbe- und Freizeitgeräusche) in der Nachbarschaft die maßgeblichen Richtwerte der TA- Lärm bzw. der DIN 18005 und der Freizeitrichtlinie einhalten. In Bezug auf die vom zusätzlichen Verkehrsaufkommen des Plangebiets verursachten Verkehrsgeräusche sind die Auswirkungen des Zusatzverkehrs auf der L 433 nicht Gegenstand der Untersuchung gewesen. Vielmehr bezieht sich die schalltechnische Verträglichkeitsuntersuchung insoweit allein auf die Ortsdurchfahrten der B 420 in D... und K... sowie auf die Ortsdurchfahrt S...
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Im Rahmen der Beteiligung der Öffentlichkeit machte der Antragsteller im Wesentlichen geltend, der Planung verletze ihn in seinen Rechten, weil er bei einer Verwirklichung des Plans, insbesondere der vorgesehenen „Off-Road-Strecke“ im nordöstlichen Teil des vorgesehenen Plangebietes unzumutbaren Lärm-, Staub-, Betriebsstoff- und Abgasimmissionen ausgesetzt sei. Des Weiteren trug er vor, der Bebauungsplan verletze Belange des Natur- und Artenschutzes.
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In seiner Sitzung vom 13. September 2016 wies der Stadtrat der Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf eine Verwaltungsvorlage u.a. die Einwendungen des Antragstellers zurück. Ferner nahm er die ursprünglich geplanten Festsetzungen für die Teilbereiche „Sonstiges Sondergebiet SO 1a“ (Offroad: Entwicklung/Veranstaltung), „Sonstiges Sondergebiet SO 1b (Offroad: Fahrbetrieb/Veranstaltung) und Sonstiges Sondergebiet SO 1d (Offroad: Serviceeinrichtungen) aus den Festsetzungen der Planung heraus und beschloss, ohne im Übrigen den Geltungsbereich einzugrenzen, den Bebauungsplan als Satzung, die am 17. Oktober 2016 ausgefertigt wurde und mit ihrer am 19. Oktober 2016 erfolgten öffentlichen Bekanntmachung in Kraft trat.
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Zur Begründung seines am 14. November 2016 gestellten Normenkontrollantrages hat der Antragsteller eine Vielzahl von Einwendungen erhoben. Im Wesentlichen macht er Folgendes geltend:
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Sein Antrag sei zulässig, insbesondere sei er antragsbefugt. Als Planaußenlieger könne er geltend machen, durch die Planung in eigenen abwägungserheblichen Belangen verletzt zu sein. Dazu zähle sein Interesse an der Vermeidung von Verkehrslärmimmissionen, die durch den planbedingten Mehrverkehr auf der L 433 entstünden. Die in den Planunterlagen enthaltene Verkehrsuntersuchung des Büros V... J... vom Februar 2016 sei unvollständig, weil der Mehrverkehr auf der L 433 auf der Basis der Route 2 nicht exakt ermittelt worden sei. Aufbauend darauf enthalte die eingeholte schalltechnische Verträglichkeitsuntersuchung keine Aussage über die planbedingte Verkehrslärmzunahme auf der in der Nähe seines Grundstücks vorbeiführenden L 433. Insoweit müsse sich die Antragsgegnerin ein Ermittlungsdefizit vorhalten lassen, das einen ihn betreffenden abwägungserheblichen Belang begründe. Seine Antragsbefugnis ergebe sich auch daraus, dass die Antragsgegnerin die durch die geplanten Nutzungen im Plangebiet zu erwartenden Lärmbelastungen fehlerhaft ermittelt habe.
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Der Normenkontrollantrag sei auch begründet, denn der Bebauungsplan sei aus formellen und materiellen Gründen unwirksam. Der Plan leide an Verkündungsmängeln, verstoße gegen §§ 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 Abs. 3 BauGB, gegen Vorgaben der Raumordnung, berücksichtige nicht die agrarstrukturellen Belange, enthalte keine ausreichenden Festsetzungen zum Schutz gegen Lärm und zum Gesundheitsschutz der voraussichtlich im Plangebiet tätigen Arbeitnehmer und leide an Abwägungsfehlern.
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Der Antragsteller beantragt,
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den Bebauungsplan „R...-Park“ der Antragsgegnerin vom 19. Oktober 2016 für unwirksam zu erklären.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Normenkontrollantrag abzulehnen.
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Sie ist der Auffassung, dem Antragsteller fehle es bereits an der Antragsbefugnis. Als Grundstückseigentümer außerhalb des Plangebietes habe er keine planbedingten Beeinträchtigungen zu befürchten, insbesondere könne der Antragsteller die geltend gemachte Antragsbefugnis nicht aus einer von ihm befürchteten Zunahme der Lärmimmissionen herleiten. Auf der Grundlage der erstellten schalltechnischen Verträglichkeitsuntersuchung ergebe sich, dass eine Zunahme von Lärmimmissionen aus dem Plangebiet selbst für das Wohngrundstück des Antragstellers nicht zu erwarten sei. Bezüglich der Lärmimmissionen durch den planbedingten Zusatzverkehr auf der L 433 sei ein Ermittlungsdefizit zu verneinen. Vielmehr ergebe sich aus der im Planaufstellungsverfahren eingeholten Verkehrsuntersuchung, dass für die L 433 lediglich mit einer planbedingten Verkehrszunahme von 287 Kfz/24h zu rechnen sei. Dieser planbedingte Mehrverkehr führe zu keiner abwägungsrelevanten Erhöhung des Dauerschallpegels oberhalb der Geringfügigkeitsschwelle, so dass ein Ermittlungsdefizit nicht vorliege. Auf der Basis des in der Verkehrsuntersuchung prognostizierten Mehrverkehrs auf der L 433 ergebe sich für das Grundstück des Antragstellers allenfalls eine minimale Erhöhung des Verkehrslärms um weniger als 1 dB(A). Diese Erhöhung liege im Irrelevanzbereich. Ungeachtet der damit gegebenen Unzulässigkeit des Normenkontrollantrags, sei das Rechtschutzbegehren auch in der Sache unbegründet, weil Abwägungsfehler nach § 1 Abs. 7 BauGB nicht vorlägen, insbesondere sei auch dem Aspekt des Lärmschutzes ausreichend Rechnung getragen worden. Jedenfalls sei, soweit entgegen ihrer Auffassung von einem Ermittlungsdefizit ausgegangen werde, der Fehler im Sinne des § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB nicht beachtlich. Auch die weiteren Einwände des Antragstellers gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplans seien, wie im Einzelnen dargelegt wird, nicht begründet.
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Die Beigeladene beantragt,
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den Normenkontrollantrag abzulehnen.
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Sie schließt sich im Wesentlichen dem Vortag der Antragsgegnerin an, wobei sie nochmals hervorhebt, dass sie den Normenkontrollantrag bereits für unzulässig hält, weil es dem Antragsteller an der erforderlichen Antragsbefugnis fehle. Im Übrigen lägen die vom Antragsteller geltend gemachten formellen und materiellen Fehler des angegriffenen Bebauungsplans nicht vor.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Planaufstellungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Der Normenkontrollantrag ist zulässig und auch in der Sache begründet.
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Durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags bestehen entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin und der Beigeladenen nicht. Insbesondere ist der Antragsteller im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt.
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Nach dieser Vorschrift ist jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Der Antragsteller muss Tatsachen vortragen, die es möglich erscheinen lassen, dass die angegriffene Rechtsvorschrift oder deren Anwendung seine Rechte verletzt (vgl. BVerwG, Urteile vom 10. März 1998 – 4 CN 6.97 – und vom 24. September 1998 – 4 CN 2.98 –, jeweils nach juris). Da das Grundstück des Antragstellers außerhalb des Geltungsbereichs des angegriffenen Bebauungsplans liegt und er daher nicht unmittelbar durch Festsetzungen des Bebauungsplans in seinem Eigentum betroffen ist, kann er sich als Planaußenlieger gegen einen Bebauungsplan nur dann wenden, wenn er zumindest substantiiert darlegt, dass sein aus dem insofern drittschützenden Abwägungsgebot nach § 1 Abs. 7 Baugesetzbuch – BauGB – folgendes subjektiv-öffentliches Recht auf gerechte Abwägung seiner Belange beeinträchtigt sein kann. Dies setzt voraus, dass der Antragsteller Tatsachen vorträgt, die eine fehlerhafte Behandlung gerade seiner abwägungsbeachtlichen – insbesondere nicht nur geringwertigen sowie schutzwürdigen – Belange in der Abwägung als nicht ausgeschlossen erscheinen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 1998, a.a.O.).
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Der Antragsteller kann sich vorliegend auf sein Interesse berufen, von zusätzlichen Verkehrslärmimmissionen verschont zu werden, die durch den planbedingt ausgelösten Mehrverkehr auf der in der Nähe seines Grundstücks entlangführenden L 433 entstehen (vgl. zur Relevanz der Erhöhung von Verkehrslärm zur Begründung der Antragsbefugnis z.B. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1999 – 4 CN 6/98 –, juris). Ein mit nicht unerheblichen zusätzlichen Verkehrsimmissionen verbundener Mehrverkehr auf der L 433 wird planungsbedingt dadurch verursacht, dass nach der Verkehrsuntersuchung vom Februar 2016 ein Teil des dem Plangebiet zuzurechnenden Beschäftigtenverkehrs über die genannte Strecke der L 433 führen wird. Dieser Belange ist hier nicht, wie die Antragsgegnerin und die Beigeladene meinen, wegen erkennbar nur geringfügiger Betroffenheit des Grundstücks des Antragstellers abwägungsunbeachtlich. Der Antragsteller hat im Einzelnen dezidiert vorgetragen, aus welchem Grund sein Interesse an der Vermeidung von zusätzlichen Belastungen durch die Zunahme des Straßenverkehrs in der Abwägung nicht zutreffend berücksichtigt worden sei und im Einzelnen dargelegt, dass die eingeholte Verkehrsuntersuchung und die schalltechnische Verträglichkeitsuntersuchung zu seinen Lasten lückenhaft sind und Fehler aufweisen. Das dahingehende Vorbringen genügt den Anforderungen, die an die Geltendmachung eines Abwägungsmangels im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung zu stellen sind.
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Der Normenkontrollantrag ist auch begründet.
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Der angegriffene Bebauungsplan der Antragsgegnerin ist unwirksam, weil er in beachtlicher Weise gegen höherrangige Rechtsvorschriften verstößt. Dabei kommt es für die Begründetheit eines Normenkontrollantrags – anders als bei sog. Individualklagen in Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO – nicht darauf an, ob der jeweilige Antragsteller selbst in subjektiven Rechten verletzt ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Dezember 2000 – 4 BN 59/00 –, juris). Dementsprechend hat der Senat im Rahmen der Begründetheit des Antrags nicht zu prüfen, ob als rechtswidrig erkannte Regelungen den Antragsteller in eigenen subjektiven Rechten verletzen.
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Ausgehend von diesem Prüfungsmaßstab verstößt der angefochtene Bebauungsplan gegen höherrangiges Recht, nämlich gegen das Gebot der Ermittlung und zutreffenden Bewertung der abwägungsbeachtlichen Belange nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 BauGB. Dieses nunmehr als Verfahrensnorm ausgestaltete Gebot tritt selbständig vor die (inhaltlichen) Anforderungen an die verhältnismäßige Gewichtung und den gerechten Ausgleich der konkurrierenden Belange gemäß § 1 Abs. 7 BauGB (vgl. OVG RP, Urteile vom 31. Juli 2008 – 1 C 10193/08.OVG – und vom 18. Juni 2008 – 8 C 10128/08.OVG –, jeweils nach juris). Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Abwägung ist zunächst, dass die Belange nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 BauGB ermittelt und eingestellt worden sind. Inhaltlich entspricht die Vorschrift der bisherigen sich aus dem Abwägungsgebot ergebenden Rechtslage, nach der die Berücksichtigung aller bedeutsamen Belange in der Abwägung zunächst deren ordnungsgemäße Ermittlung und zutreffende Bewertung voraussetzt (BVerwG, Urteil vom 09. April 2008, DVBl. 2008, 859 unter Hinweis auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 15/2250, S. 42). Die Bewertung nach dieser Vorschrift bedeutet daher vor dem Hintergrund einer noch vorzunehmenden Abwägungsentscheidung die Feststellung des jeweiligen Gewichts der abwägungserheblichen Belange. Daher sind Art und Ausmaß des Berührtseins des Belangs durch die betreffende Bauleitplanung sowie das Gewicht des jeweiligen Belangs im Verhältnis zu seiner Betroffenheit zu ermitteln und zu bewerten. Ebenso wie dem Abwägungsgebot aus § 1 Abs. 7 BauGB kommt damit bereits den vorgelagerten Ermittlungs- und Bewertungspflichten nach § 2 Abs. 3 BauGB besondere Bedeutung im Rahmen der inhaltsbestimmenden Funktion der Bauleitplanung i.S. des Art. 14 Abs. 1 und 2 Satz 2 GG zu.
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Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich die Planung im vorliegenden Fall als fehlerhaft. Die Antragsgegnerin hat nämlich entgegen § 2 Abs. 3 BauGB Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind, nicht hinreichend ermittelt. Dieser Mangel ist auch offensichtlich und hat schließlich zu einem fehlerhaften Abwägungsergebnis geführt.
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Die Antragsgegnerin hat nicht hinreichend ermittelt und bewertet, welche Lärmauswirkungen der bei Umsetzung des Bebauungsplans ausgehende Mehrverkehr auf der L 433 auf das Wohngrundstück des Antragstellers hat.
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Da sich der Antragsteller im Planungsverfahren ausdrücklich auf die künftige Lärmbelastung berufen hat, wäre es Sache der Antragsgegnerin gewesen, dem zunächst ermittelnd nachzugehen, um die zu prognostizierende Belastung des Antragstellers richtig bewerten und mit dem gebotenen Gewicht der Abwägung zu Grunde legen zu können (vgl. OVG RP, Urteil vom 12. Mai 2016 – 1 C 10321/15.OVG –, juris sowie BayVGH, Urteil vom 28. April 2017 – 15 N 5.967 –, juris). Lärmschutzbelange sind grundsätzlich dann in die Abwägung einzubeziehen, wenn die Lärmbelastung infolge des Bebauungsplans ansteigt, wobei auch eine planbedingte Zunahme des Verkehrslärms daher grundsätzlich zu den abwägungsrelevanten Belangen bei der Aufstellung eines Bebauungsplans gehört (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. März 2013 – 4 BN 39.12 – juris, m.w.N). Ist die planbedingt zu erwartende Lärmzunahme jedoch nur völlig geringfügig oder wirkt sie sich nur ganz unwesentlich, d.h. nicht über eine zu vernachlässigende Bagatellgrenze hinaus auf ein Grundstück aus, so braucht der Plangeber sie nicht in die Abwägung einzustellen (vgl. OVG RP, Urteil vom 12. Mai 2016 a.a.O.; BVerwG, Beschluss 8. Juni 2004 – 4 BN 19.04 – juris sowie BayVGH, Beschluss vom 19. August 2016 – 9 NE 16.1512 –).
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Ob vermehrte Verkehrslärmbeeinträchtigungen mehr als geringfügig zu Buche schlagen, lässt sich dabei nicht anhand fester Maßstäbe beurteilen, insbesondere lässt sich die Schwelle der Abwägungsrelevanz bei Verkehrslärmerhöhungen nicht alleine durch einen Vergleich von Lärmmesswerten mit bestimmten Richtwerten o.ä. bestimmen. Auch eine Lärmbelastung unterhalb der Grenze schädlicher Umwelteinwirkungen und unterhalb einschlägiger Orientierungs- bzw. Grenzwerte (vgl. z.B. Beiblatt 1 zu DIN 18005 – Teil 1; § 2 16. BImSchV; Nr. 6 TA Lärm) kann zum Abwägungsmaterial gehören (vgl. OVG NRW, Urteil vom 8. Oktober 2015 – 2 D 35/14.NE –; VGH BW, Urteil vom 12. Juni 2012 – 8 S 1337/10 – , jeweils nach juris); dasselbe kann sogar bei einer Verkehrslärmzunahme der Fall sein, die für das menschliche Ohr kaum wahrnehmbar ist (vgl. BayVGH, Beschluss vom 26.März 2014 – 9 NE 13.2213 – sowie für den Fall einer Verkehrslärmzunahme unterhalb des 3 dB(A)-Kriteriums des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 16. BImSchV BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2013 – 4 CN 3.12 –, jeweils nach juris). Erforderlich ist jeweils eine einzelfallbezogene, wertende Betrachtung der konkreten Verhältnisse unter Berücksichtigung der Vorbelastung und Schutzwürdigkeit des jeweiligen Gebiets (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 2015 – 4 BN 18.14 – m.w.N, juris sowie BayVGH, Beschluss vom 28. April 2017 – 15 N 15.967 – juris). Soweit nicht von vornherein ersichtlich ist, dass es zu keinem abwägungsrelevanten Lärmzuwachs kommen kann, treffen die planende Gemeinde im Vorfeld der eigentlichen Abwägung gem. § 2 Abs. 3 BauGB entsprechende Ermittlungspflichten. Erst wenn der Rat der Kommune klare Vorstellungen von den immissionsschutzrechtlichen Auswirkungen seiner Planung hat, kann er abschätzen, ob die Schwelle der Abwägungsrelevanz erreicht ist bzw. mit welchem Gewicht eine zu prognostizierende Belastung in die Abwägung einzustellen ist. Verfügt er insoweit nicht selbst über eine zuverlässige Datenbasis, so muss sich der Rat die erforderlichen Kenntnisse anderweitig verschaffen. Die Einholung eines Immissionsgutachtens bietet sich als ein für diesen Zweck geeignetes Mittel an (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 2003 – 4 BN 51.03 –; BayVGH, Urteil vom 27. April 2016 – 9 N 13.1408 – jeweils nach juris). Die planende Gemeinde muss aber nicht stets umfangreiche gutachterliche Ermittlungen anstellen, um die konkrete Größenordnung der planbedingten Lärmauswirkungen exakt zu bestimmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn schon eine grobe Abschätzung eindeutig erkennen lässt, dass wegen des ersichtlich geringen Ausmaßes zusätzlicher planbedingter Verkehrsbewegungen beachtliche nachteilige Lärmbeeinträchtigungen offensichtlich ausscheiden. Allerdings muss eine ermittelte Prognose hinreichend aussagekräftig sein, um die konkrete Planungssituation abwägungsgerecht beurteilen zu können. Der Satzungsgeber muss sich als Grundlage seiner Abwägungsentscheidung in einer Weise mit den zu erwartenden Lärmbeeinträchtigungen vertraut machen, die es ihm ermöglicht, hieraus entstehende Konflikte umfassend in ihrer Tragweite zu erkennen. Nur wenn dies der Fall ist, kann er zu einer sachgerechten Problembewältigung im Rahmen der Abwägung überhaupt in der Lage sein (vgl. OVG RP, Urteil vom 15. November 2011 – 8 C 10906/11.OVG – BayVGH, Urteil vom 28. April 2017 – 15 N 15.967 – und VGH BW, Urteil vom 24. Juli 2015 – 8 S 538/12 – jeweils nach juris). Führt ein Bebauungsplan zu einer erhöhten Verkehrsbelastung einer Straße mit möglichen Lärmimmissionen für eine vorhandene Wohnbebauung, kann nach Maßgabe von § 2 Abs. 3 BauGB nur dann auf die Ermittlung konkret zu erwartender Immissionswerte verzichtet werden, wenn schon nach der Zahl der täglich zu erwartenden Kfz-Bewegungen im Hinblick auf die konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls keine Belästigungen zu besorgen sind, die die Geringfügigkeits- oder Bagatellgrenze überschreiten. Allerdings wird auch die Einschätzung, ob die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschritten wird, regelmäßig, d.h. soweit es nicht z.B. um Fallgestaltungen geht, bei denen über einen kleinräumigen Bebauungsplan nur die Möglichkeit des Zuwachses einzelner Häuser in der Nachbarschaft ermöglicht wird (vgl. BayVGH, Urteil vom 24. November 2017, – 15 N 16.2158 – m.w.N, juris sowie BVerwG, Beschluss vom 24. August 2017 – 4 BN 35.17 – juris), nicht ohne sachverständige Grobabschätzung der zu erwartenden Immissionen möglich sein.
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Das Bundesverwaltungsgericht hat den durch einen Bebauungsplan ermöglichten zusätzlichen Verkehr von 20 bis 30 Einzel- oder Doppelwohnhäusern, der teilweise am Grundstück des dortigen Antragstellers vorbeigeführt wurde, für so geringfügig gehalten, dass es die Abwägungsrelevanz verneint hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1999 – 4 CN 1.98 – juris). Der Hessische Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass in Baugebieten, in denen durch Bebauungsplan nur wenige Einzelhäuser bzw. Wohneinheiten zugelassen wurden, durch den anliegerbedingten zusätzlichen Kraftfahrzeugverkehr keine abwägungsrelevanten Beeinträchtigungen hervorgerufen werden (vgl. HessVGH, Urteil vom 28. März 2011 – 4 C 2708/09.N – zu 18 Wohneinheiten, Urteil vom 7. April 2014 – 3 C 914/13.N – zu 30 Wohneinheiten in einem reinen Wohngebiet, jeweils nach juris). Dabei stellt er vor allem auf die Anzahl der zu erwartenden Fahrbewegungen ab und geht in der Regel davon aus, dass die Betroffenheit der Anlieger bei einer voraussichtlichen Zunahme des Verkehrs von bis zu 200 Fahrzeugbewegungen täglich nur geringfügig und daher nicht mehr abwägungsrelevant ist (vgl. Urteile vom 29. Juni 2016 – 4 C 1440/14.N – und vom 17. August 2017 – 4 C 2760/16.N –, jeweils nach juris). Der Bayerische Verwaltungsgerichthof und andere Oberverwaltungsgerichte haben sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (vgl. BayVGH Urteil vom 16. Mai 2017 – 15 N 15.1485 – hinsichtlich eines planungsbedingten Mehrverkehrs von 74 Fahrzeugbewegungen pro Tag – bestätigt durch Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24. August 2017 – 4 BN 35/17–; VGH BW, Urteil vom 21. April 2015 – 3 S 748/13 – zu 12 Wohneinheiten unter Annahme einer Anzahl von 45 Verkehrsbewegungen und OVG SA, Beschluss vom 8. Januar 2015 – 2 R 94/14 – zu 26 Wohneinheiten und 19 Einfamilienhäusern bei teilweise am Grundstück des Antragstellers vorbeigeführtem Verkehr, zitiert jeweils nach juris).
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Ausgehend von diesen Grundsätzen, die der Senat teilt, stellt es vorliegend einen Verstoß gegen § 2 Abs. 3 BauGB dar, dass die Antragsgegnerin die planbedingte Zunahme der Verkehrslärmbelastung für das Wohngrundstück des Antragstellers auf der in einem Abstand von ca. 60 bis 70 Meter an dessen Grundstück vorbeiführenden L 433 als Grundlage für die Abwägung und den Satzungsbeschluss nicht hinreichend aufgeklärt hat.
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Ausweislich der Verkehrsuntersuchung vom Februar 2016 führt der bei Umsetzung des Bebauungsplans zu erwartende Kraftfahrzeugverkehr, der von den Beschäftigten ausgeht, zu einer erhöhten Verkehrsbelastung auf der in der Nachbarschaft des Grundstücks des Antragstellers vorbeiführenden L 433, während sowohl der prognostizierte Besucher- als auch der Anlieferungsverkehr insoweit keine Auswirkungen auf die Verkehrsbelastung dieser Straße haben. Die Verkehrsuntersuchung, die sich auf das gesamte ursprüngliche Plangebiet, das heißt einschließlich der bis zum Satzungsbeschluss ausgeschieden Teilbereiche „Sonstiges Sondergebiet SO 1a“ (Offroad: Entwicklung/Veranstaltung), „Sonstiges Sondergebiet SO 1b (Offroad: Fahrbetrieb/Veranstaltung) und Sonstiges Sondergebiet SO 1d (Offroad: Serviceeinrichtungen) bezieht, geht davon aus, dass ein planbedingter Beschäftigtenverkehr von insgesamt 2.185 Kfz/24h entsteht, wobei auf die L 433 ( Route 2) ein Anteil von bis zu 20 % entfällt ( vgl. Bl. 1958 und 1967 der Verwaltungsakten). Dies entspricht einer Mehrbelastung von 437 Kfz/24h, wobei die Verkehrsuntersuchung indessen einen von der festgesetzten, 4,67 ha umfassenden Sonderfläche SO 4 (Freizeit) ausgehenden Beschäftigtenverkehr ohne nähere Begründung nicht berücksichtigt hat (vgl. Bl. 1956 der Verwaltungsakten). Selbst wenn man auf der Grundlage der in der Verkehrsuntersuchung genannten Alternative annimmt, dass ein Drittel des grundsätzlich auf die Route 2 entfallenden Beschäftigtenverkehrs letztendlich über die Route 3 und damit nicht über die L 433 in der Nähe des Grundstücks des Antragstellers verlaufen sollte (vgl. Bl. 1958 der Verwaltungsakten), verbleibt es für diese Straße bei einer Zusatzbelastung von 292 Kfz/24 h in Bezug auf das gesamte ursprüngliche Plangebiet, auf das sich die Verkehrsuntersuchung bezieht. Da der als Satzung beschlossene und den Gegenstand des Normenkontrollantrags bildende Bebauungsplan für die ursprüngliche vorgesehenen, etwa 10 Hektar umfassenden „Sonstigen Sondergebiete SO 1a, 1b und 1d“ keine Festsetzungen vorgenommen hat, reduziert sich unter der im Übrigen unveränderten Annahme, dass in diesen ausgegliederten Teilbereichen ein Beschäftigtenverkehr von ca. 33 Kfz/24h zu erwarten ist, die planbedingte Zusatzbelastung der L 433 ausgehend von 437 Kfz/h (kein Beschäftigtenverkehr auf der Route 3) um 7 Kfz/h auf 430 Kfz/24h bzw. ausgehend von 292 Kfz/24h (über die Route 3 fließt ein Drittel des Beschäftigtenverkehrs aus Richtung H.../M.../L...) um 3 Kfz/24h auf 289 Kfz/24h.
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Selbst dieser letztgenannte unterste Wert überschreitet indessen deutlich die oben umschriebene Bagatellgrenze, unterhalb der bei der erforderlichen Einbeziehung der konkreten Gegebenheiten des Einzelfalles in der Regel davon ausgegangen werden kann, dass ein planbedingter Mehrverkehr im Hinblick auf Verkehrslärmimmissionen lediglich eine geringfügige Beeinträchtigung des Interesses eines Straßenanliegers darstellt und deshalb eine Lärmimmission weder ermittelt werden muss noch einen abwägungsbeachtlichen Belang darstellt. Vielmehr hätte der Antragsgegnerin gemäß § 2 Abs. 3 BauGB oblegen, den Umfang und die Auswirkungen der planbedingten Zunahme der Verkehrslärmbelastung für den Antragsteller näher zu ermitteln, weil es vor dem Hintergrund des in der Verkehrsuntersuchung vom Februar 2016 prognostizierten zusätzlichen Verkehrsaufkommens auf der L 433 nicht von vorneherein ersichtlich war, dass eine zusätzliche Lärmbelastung des Antragstellers im abwägungsunerheblichen Bagatell- bzw. Irrelevanzbereich liegen werde ( vgl. zu ähnlichen Fallgestaltungen BayVGH, Urteil vom 24. November 2017 – 15 N 16.2158 –; OVG RP, Urteil vom 15. November 2011, – 8 C 10906/11.OVG –; VGH BW, Urteil vom 24. Juli 2015 – 8 S 538/12 – und OVG NRW, Urteil vom 11. Dezember 2008 – 7 D 92/07.NE –, jeweils nach juris).
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Soweit die Antragsgegnerin und die Beigeladenen der Auffassung sind, auch unter Berücksichtigung der in der genannten Verkehrsuntersuchung ermittelten Erhöhung der planbedingten Verkehrsbelastung der L 433 ergebe sich für die Ortslage S... und damit auch für das Grundstück des Antragstellers eine zusätzliche Lärmbelastung von maximal 1 dB(A), die in dieser Größenordnung im nicht wahrnehmbaren Bereich liege und deshalb irrelevant sei, vermag ihnen der Senat darin nicht zu folgen. Vielmehr handelt es sich bezüglich dieser Annahme der beiden Beteiligten um eine reine Mutmaßung, die nicht näher substantiiert wird. Die erforderliche Substantiierung ergibt sich auch nicht aus dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Fax des Büros Bauer vom 17. April 2018, weil sich dieses Dokument in einer Behauptung des Verfassers erschöpft, die zusätzliche Lärmbelastung liege bei maximal 1 dB(A). Woraus der Verfasser, dessen Sachkenntnis weder aus dem Schreiben ersichtlich ist noch sonst erläutert wird, diese Einschätzung herleitet, wird nicht dargelegt. Deshalb muss es dabei verbleiben, dass es dem Rat der Antragsgegnerin oblegen hätte, die planbedingte Lärmzusatzbelastung zu ermitteln.
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Dem Rat der Antragsgegnerin war es deshalb auf der fehlenden Ermittlungsgrundlage nicht möglich, alle lärmrelevanten Gesichtspunkte sachgerecht abzuwägen bzw. eindeutig zu entscheiden, mit welchem Gewicht die durch die gesteigerte Nutzung der L 433 verkehrsbedingt zu erwartende Lärmzusatzbelastung in die Abwägung einzustellen war.
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Besteht hiernach bei der Ermittlung der Lärmbeeinträchtigungen ein Defizit, so erweist sich dieser Fehler des Bebauungsplanes auch als beachtlich gemäß §§ 214, 215 BauGB.
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Nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB ist ein Verfahrensfehler, der darauf beruht, dass die Gemeinde entgegen § 2 Abs. 3 BauGB einen von der Planung berührten Belang, der ihr bekannt war oder hätte bekannt sein müssen, in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt und bewertet hat, nur dann als beachtlich einzustufen, wenn der Mangel offensichtlich und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen ist.
- 42
Diese Voraussetzungen für die Beachtlichkeit der unzureichenden Ermittlung der planbedingten Verkehrslärmzunahme liegen hier vor. Das bei der Erstellung des Bebauungsplanes eingetretene Ermittlungsdefizit ist offensichtlich. Von einer Offensichtlichkeit des Mangels ist auszugehen, wenn der Mangel die äußere Seite des Abwägungsvorganges betrifft und auf objektiv erfassbaren Sachumständen beruht. Es müssen konkrete Umstände vorliegen, die positiv die Schlussfolgerung zulassen, dass entscheidungsrelevante Umstände keinen Eingang in die Abwägung gefunden haben (BVerwG, Urteile vom 31. Dezember 2012 – 4 CN 1.11 – und vom 21. August 1981 – 4 C 57.80 –, sowie OVG RP, Urteil vom 12. Mai 2016 – 1 C 10321/15 – m.w.N., jeweils nach juris). Der Umstand, dass die Lärmbeeinträchtigungen durch den planbedingten Mehrverkehr auf der L 433 nicht hinreichend ermittelt und zum Gegenstand der Beratung im Stadtrat gemacht wurden, stellt ein objektiv erkennbar werdendes Versäumnis bei der Planung dar. Aus den Planungsvorgängen ist ersichtlich, dass der Stadtrat der Antragsgegnerin sich nicht umfassend mit dieser Frage auseinandergesetzt hat.
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Die unterlassene weitere Aufklärung der Lärmschutzproblematik wirkt sich auch auf das Ergebnis der Planung aus.
- 44
Dies ist dann der Fall, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Planung nach der erforderlichen Ermittlung und Abwägung anders ausgefallen wäre (BVerwG, Urteil vom 22. September 2010 – 4 CN 2.10 – m.w.N., juris,). Hinsichtlich der Bewältigung von Konflikten wegen der durch planbedingten Mehrverkehr auf der L 433 verursachten Lärmbelastung ist die konkrete Möglichkeit einer anderen Planung ohne den Mangel gegeben. Hier ist, soweit nach einer fehlerfreien Prognose der planbedingten Verkehrslärmzunahme die Irrelevanzgrenze überschritten werden sollte, neben einem Überdenken der konkreten Planungsgestaltung, an eine andere Verkehrsführung sowie gegebenenfalls an eine mögliche Festsetzung von Vorkehrungen zur Verminderung von Lärmimmissionen zu denken.
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Da der festgestellte und gemäß § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB beachtliche Mangel mit dem vorliegenden Normenkontrollantrag innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des Bebauungsplans schriftlich und unter Darlegung des Sachverhaltes, der die Verletzung begründen soll, gegenüber der Antragsgegnerin gerügt worden ist, ist der zugrundeliegende Verfahrensfehler schließlich auch nicht gemäß § 215 Abs. 1 BauGB unbeachtlich geworden.
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Zudem erweist sich der streitgegenständliche Bebauungsplan zur Überzeugung des Senats auch deshalb als unwirksam, weil er in seiner konkreten Ausgestaltung gegen das Erforderlichkeitsgebot des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB verstößt.
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Nach der letztgenannten Bestimmung haben die Gemeinden Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit dies für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Was in diesem Sinne erforderlich ist, richtet sich nach der planerischen Konzeption der Gemeinde, die gesetzlich dazu ermächtigt ist, diejenige Städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen Entwicklungs- und Ordnungsvorstellungen entspricht (BVerwG, Urteil vom 10. September 2015 – 4 CN8.14 –, juris). Dem in § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB angelegten Kriterium der städtebaulichen Rechtfertigung kommt dieselbe Funktion zu wie demjenigen der Planrechtfertigung im Planfeststellungsrecht, nämlich die Planung, die ihre Rechtfertigung nicht in sich selbst trägt, im Hinblick auf die damit verbundenen Rechtseinwirkungen in Einklang mit den gesetzlich zulässigen Planungszielen zu bringen und auf diese Weise grundsätzlich zu rechtfertigen. Nicht erforderlich i.S. von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB sind danach Pläne, die nicht dem wahren Willen der Gemeinde entsprechen, bei denen also zwischen Planungswillen und Planungsinhalt eine Diskrepanz besteht (Fälle des sogenannten „Etikettenschwindels“, vgl. dazu OVG RP, Urteil vom 28. Juni 2016 – 1 C 10678/15.OVG –, juris) sowie Pläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuches nicht bestimmt sind. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist ferner verletzt, wenn ein Bebauungsplan aus tatsächlichen oder Rechtsgründen auf Dauer oder auf unabsehbare Zeit der Vollzugsfähigkeit entbehrt (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2002 – 4 CN 14.00 –, juris). In dieser Auslegung setzt § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Bauleitplanung eine erste, wenn auch strikt bindende Schranke, die lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe ausschließt. Sie betrifft die generelle Erforderlichkeit der Planung, nicht hingegen die Einzelheiten einer konkreten planerischen Lösung. (BVerwG, Urteil vom 5. Mai 2015 – 4 CN 4.14 –, juris).
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Im vorliegenden Fall mangelt es dem streitgegenständlichen Bebauungsplan deshalb an der nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB notwendige Erforderlichkeit, weil die Antragsgegnerin die in der ursprünglichen Fassung als Teilbereiche „Sonstiges Sondergebiet SO 1a“ (Offroad: Entwicklung/Veranstaltung), „Sonstiges Sondergebiet SO 1b (Offroad: Fahrbetrieb/Veranstaltung) und Sonstiges Sondergebiet SO 1d (Offroad: Serviceeinrichtungen) vorgesehenen Flächen zwar einerseits in dem Geltungsbereich des Bebauungsplans belassen, andererseits aber für diese Flächen keine konkreten Nutzungen festgesetzt hat. Ungeachtet der Frage, ob der Bebauungsplan der Antragsgegnerin in dieser konkreten Ausgestaltung damit noch dem Erfordernis des Bestimmtheitsgebotes genügt, ist jedenfalls die Erforderlichkeit der Planung deshalb zu verneinen, weil die Sinnhaftigkeit und damit die Plankonzeption der Antragsgegnerin für die Einbeziehung von Flächen in den Geltungsbereich eines Bebauungsplanes unter dem gleichzeitigen Verzicht auf Festsetzungen für diese Flächen nicht erkennbar sind. Für die Einbeziehung von Flächen in einen Bebauungsplan, hinsichtlich derer es an Festsetzungen fehlt, aus denen sich ergibt, ob und gegebenenfalls in welcher Weise sie baulich nutzbar sind, besteht kein Bedürfnis. Eine solche Planung ist nicht erforderlich und verstößt gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB.
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Ob darüber hinaus bei der Aufstellung des angegriffenen Bebauungsplans noch weitere formell- und/oder materiell-rechtliche Vorschriften verletzt worden sind – insbesondere ob der Bebauungsplan mit den Zielen der Raumordnung in Einklang steht –, bedarf danach mangels Entscheidungserheblichkeit keiner näheren Prüfung.
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 und 3 Satz 1 VwGO.
- 51
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.
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Beschluss
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Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.000,00 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, LKRZ 2014, 169).
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