Urteil vom Amtsgericht Dortmund - 413 C 2710/20
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten um auf die Klägerin nach § 86 VVG übergegangene Schadensersatzansprüche anlässlich von Fräsarbeiten der Beklagten zur Verlegung von Elektroleitungen.
3Die Klägerin ist Haftpflichtversicherer der Firma D GmbH (im Folgenden VN) in Dortmund, welche als Hauptunternehmerin für die Bauleitung für das im Jahr 1965 erbaute Bauvorhaben Mehrfamilienhaus I in M zuständig war. Das Mehrfamilienhaus wurde vollmodernisiert. Die VN beauftragte die Beklagte mit der Durchführung der Elektroarbeiten als Subunternehmerin. Dabei informierte sie die Beklagte nicht darüber, dass im Rahmen der späteren Schadensstelle im Deckenbereich eine Putz- bzw Betonüberdeckung der Bewehrung von lediglich 1,3 cm gegeben war. Im Zuge dieser Arbeiten führten Mitarbeiter der Beklagten in dem vorbenannten Objekt im Deckenbereich Fräsarbeiten durch, die die Stabilität der Decke beeinträchtigten. Zur Stabilisierung war die vorhandene Stahlbetondecke durch Unterzüge, die in die tragenden Wände eingelegt wurden, zu verstärken. Sowohl die VN als auch die Beklagte meldeten den Schaden ihren Versicherungen. Als Versicherer des Hauptunternehmers trat die Klägerin sodann für ihre Versicherungsnehmerin in die Regulierung ein. Sie zahlte Schadensbeseitigungskosten für die vorbenannten Arbeiten in Höhe von 19.707,45 EUR sowie Regulierungskosten in Höhe von 1.127,57 EUR. Nach erfolgter Zahlung forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung in Höhe von 19.707,54 EUR auf. Die Haftpflichtversicherung der Beklagten zahlte in der Folge 14.266,00 EUR an die Klägerin und brachte dabei zunächst eine Selbstbeteiligung der Beklagten in Höhe von 1.500 sowie einen 20%igen Mithaftungsanteil der VN in Abzug. Die Beklagte zahlte in der Folge den Eigenanteil in Höhe von 1.500,00 EUR an die Klägerin.
4Die Klägerin ist der Ansicht, dass eine Mithaftung ihrer Versicherungsnehmerin für die Entstehung des Schadens nicht anzunehmen sei. Sie sei nicht zur Überwachung der Arbeiten der Beklagten verpflichtet gewesen.
5Sie beantragt,
6die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.941,54 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 10.09.2019 zu zahlen.
7Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
8Die Beklagte behauptet, dass erst beim Ausbrechen der Schlitze bemerkt worden sei, dass Bewehrung durchtrennt worden ist.
9Sie ist der Ansicht, dass durch die VN eine Aufklärung über die konkreten Umstände vor Ort, insbesondere der geringen Überdeckung der Bewehrung im Deckenbereich, hätte erfolgen müssen.
10Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 13.01.2022 sowie das Ergänzungsgutachten vom 25.04.2022 verwiesen. Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie den weiteren Akteninhalt verwiesen.
11Das Gericht hat mit Zustimmung beider Parteien eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren unter Nachlass einer Schriftsatzfrist bis 22.06.2022 angeordnet.
12Entscheidungsgründe:
13A.
14Die zulässige Klage ist unbegründet.
15Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen auf sie gemäß § 86 I 1 VVG übergegangenen Anspruch auf Zahlung von 3.941,54 EUR zuzüglich der begehrten Zinsen.
16Der Schadensersatzanspruch der VN gemäß §§ 280 I, 631 I BGB gegenüber der Beklagten ist durch Erfüllung erloschen, § 362 I BGB. Ein über die insgesamt durch die mit Wirkung für die Beklagte erfolgte Zahlung hinausgehender Anspruch auf Schadensersatz bestand für die VN nicht und konnte daher auch nicht auf die Klägerin übergehen.
17Die Beklagte hat schuldhaft einen Schaden verursacht. Durch die Schlitzarbeiten im Deckenbereich des streitgegenständlichen Bauvorhabens ist Bewehrung in einem Ausmaße beschädigt worden, welches Stabilisierungsarbeiten in einem Kostenvolumen von 19.707.54 EUR erforderlich machte. Indes hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden der VN von mindestens 20 % mitgewirkt, § 254 I BGB. Insoweit kann es dahinstehen, ob seitens der VN eine Bauüberwachungspflicht der Schlitzarbeiten bestand. Jedenfalls hat die VN gegen die ihr gegenüber der Beklagten obliegende Informationspflicht hinsichtlich der genauen Begebenheiten vor Ort sowie gegen die ihr als Generalunternehmerin obliegende Koordinationspflicht verstoßen.
18I.
19Es hätte der VN oblegen, sich mit den Örtlichkeiten dergestalt vertraut zu machen, dass die Putzüberdeckung des Betons bekannt gewesen und an die Beklagte weitergegeben worden wäre. Der VN mussten Baujahr und Zustand des Objektes bekannt sein. Gemäß der überzeugenden und nachvollziehbaren – im Übrigen von keiner Seite angegriffenen - Angaben der Sachverständigen bestand bereits aufgrund des Baustandards zum Zeitpunkt des Baujahres Anlass zur Ermittlung der tatsächlichen Putzüberdeckung der Betondecke, da Schlitzarbeiten in den Beton im Deckenbereich ohne Vorgabe des Statikers unzulässig sind. Insoweit steht zudem zu beachten, dass der VN die Ermittlung der Putzüberdeckung durch Probebohrungen problemlos zumindest dergestalt möglich gewesen wäre, festzustellen, dass diese kritisch gering ist. Es ist jedoch klägerseits trotz des Alters der Immobilie keinerlei relevante Informationsweitergabe an die Beklagte ausgeführt worden.
20II.
21Darüber hinaus hat die VN auch gegen die ihr als Generalunternehmerin obliegende Koordinierungspflicht verstoßen. Sie hat gemäß der Ausführungen der Sachverständigen die Art der Ausführung der jeweiligen Gewerke gemäß den örtlichen Gegebenheiten im Zusammenspiel der Gewerke festzulegen. Dem ist die VN nicht nachgekommen. Weder hat sie gegenüber ihrem Auftraggeber Bedenken gegenüber der Ausführung der Verlegung der Leitungen unter Putz angemeldet, noch hat sie die Durchführung im Deckenbereich auf Putz der Beklagten vorgegeben.
22III.
23Das Gericht bewertet den Mitverschuldensanteil gemäß § 254 I BGB auf mindestens 20 %. Die Koordinierungsarbeiten samt der damit einhergehenden Informationspflichten der Subunternehmer stellt für den Generalunternehmer nicht nur eine untergeordnete Nebenpflicht dar. Dies muss insbesondere für den Fall sicherheitsrelevanter Vorgaben – wie vorliegend – gelten. Dem Generalunternehmen sind gerade die genauen Örtlichkeiten bekannt und er hat Zugriff auf sämtliche planungsrelevanten Unterlagen wie beispielsweise die Statik. Die Subunternehmen sind aus diesem Grunde entweder auf Vorlage der entsprechenden Unterlagen oder auf genaue Vorgaben und Informationen angewiesen.
24Dabei wird nicht übersehen, dass im Rahmen der Schlitzarbeiten ggfls hätte auffallen müssen/können, dass Bewehrung durchtrennt wurde. Dies führt zu einer ganz wesentlichen Haftung der Beklagten. Aus den vorbenannten Gründen aber haftet die Beklagte nicht vollumfänglich.
25B.
26Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I, 708 Nr.11, 711 ZPO.
27Der Streitwert wird auf 3.941,54 EUR festgesetzt.
28Rechtsbehelfsbelehrung:
29A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
301. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
312. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
32Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils bei dem Landgericht Dortmund, Kaiserstr. 34, 44135 Dortmund, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
33Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils gegenüber dem Landgericht Dortmund zu begründen.
34Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Dortmund durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
35Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
36B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Dortmund statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Dortmund, Gerichtsstraße 22, 44135 Dortmund, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
37Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
38Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
39Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013, das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 und das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen.
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Referenzen
- § 86 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 254 Mitverschulden 2x
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- BGB § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung 1x
- § 86 I 1 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 362 Erlöschen durch Leistung 1x