Beschluss vom Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) - 71 F 268/17


Tenor

1. Der Antrag wird abgewiesen.

2. Von der Kostenerhebung wird abgesehen.

Gründe

I.

1

Die am XX.XX.2001 geborene Antragsgegnerin und der am XX.XX.1996 geborene Antragsgegner haben am XX.XX.2017 in ihrem Geburtsort in Ort, Bulgarien, die Ehe geschlossen. Die Antragsgegner wohnen in Frankenthal.

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Mit Verfügung vom 05.12.2017 wurde die Zustellung des Antrags an die Antragsgegner veranlasst und diese auf den im Verfahren bestehenden Anwaltszwang hingewiesen. Ferner wurde die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass Bedenken hinsichtlich der Schlüssigkeit des Antrags bestehen.

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Die Antragstellerin beantragt,

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die am XX.XX.2017 in Ort/Bulgarien geschlossene Ehe aufzuheben.

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Die nicht anwaltlich vertretenen Antragsgegner beantragen den Antrag zurückzuweisen.

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Das Gericht hat die Beteiligten persönlich angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Protokoll vom 16.01.2018 (Blatt 33 der Akte) verwiesen.

II.

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Der zulässige Antrag ist nicht begründet. Die Ehe der Antragsgegner ist nicht aufzuheben. Angesichts der Unbegründetheit des Antrags kommt es auf den Umstand, dass die Antragsgegner entgegen §§ 121 Nr. 2, 114 Abs. 1 FamFG nicht anwaltlich vertreten sind, nicht an.

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1. Die Voraussetzungen der Eheaufhebung liegen nicht vor.

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1.1 Die Ehe der Antragsgegner wurde in Bulgarien wirksam geschlossen. Gemäß Art. 13 Abs. 1 EGBGB unterliegen die Voraussetzungen der Eheschließung für jeden Verlobten dem Recht des Staates, dem er angehört. Beide Antragsgegner sind bulgarischer Staatsangehörigkeit. Die Voraussetzungen der Eheschließung unterliegen somit bulgarischem Recht. Wie sich aus der antragstellerseits vorgelegten Eheurkunde vom XX.XX.2017 jedenfalls indiziell ergibt, haben die Antragsgegner in Bulgarien formwirksam die Ehe geschlossen. Nachdem entgegenstehende Anhaltspunkte nicht vorliegen, ist davon auszugehen, dass die Ehe nach den in Bulgarien geltenden Vorschriften wirksam zu Stande gekommen ist.

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1.2 Gemäß Art. 13 Abs. 3 Nr. 2 EGBGB ist die nach ausländischem Recht geschlossene Ehe nach deutschem Recht aufhebbar, wenn der Verlobte im Zeitpunkt der Eheschließung das 16., aber nicht das 18. Lebensjahr vollendet hatte. Dies ist vorliegend hinsichtlich der Antragsgegnerin der Fall. Die Ehemündigkeit als Voraussetzung der Schließung einer Ehe nach deutschem Recht ergibt sich aus § 1303 Satz 1 BGB. Hiernach darf eine Ehe nicht vor Eintritt der Volljährigkeit eingegangen werden. Gemäß § 2 BGB tritt die Volljährigkeit mit der Vollendung des 18. Lebensjahres ein. Die Aufhebung der Ehe nach deutschem Recht richtet sich nach den §§ 1313 ff. BGB. Die Aufhebung ist nach § 1313 S. 1 auf Antrag durch richterliche Entscheidung möglich. Gemäß § 1314 Abs. 1 Nr. 1 BGB kann eine Ehe aufgehoben werden, wenn sie entgegen § 1303 Satz 1 BGB mit einem Minderjährigen geschlossen worden ist, der im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr vollendet hat. Dies ist vorliegend hinsichtlich der Antragsgegnerin der Fall. Die Antragsberechtigung der Antragstellerin folgt aus § 1316 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Die Antragsfrist des § 1317 Abs. 1 Satz 1 BGB ist unproblematisch eingehalten.

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1.3 § 1314 BGB ist indes als „Kann-Vorschrift" ausgestaltet und räumt daher dem Familiengericht ein Ermessen dahingehend ein, ob die Ehe aufgehoben wird. Da es sich vorliegend um die Ehe von EU-Bürgern handelt, ist die Vorschrift auch im Lichte des Europarechts auszulegen. Vor dem Hintergrund des europäischen Grundsatzes der Freizügigkeit, wie er insbesondere in der namensrechtlichen Rechtsprechung des EuGH zum Ausdruck gekommen ist (vgl. hierzu Coester in FamRZ 2017, 77) sind im EU-Ausland wirksam geschlossene Ehen grundsätzlich anzuerkennen. Die generelle Einstufung von im Ausland nach ausländischem Recht wirksam geschlossene Minderjährigenehen als Nicht-Ehen würde dazu führen, dass eine in Schottland oder Portugal oder wie hier in Bulgarien geschlossene Ehe mit einem 16-jährigen Partner ebenso wie eine in Frankreich oder Italien mit richterlichem Dispens oder in Spanien nach Mündigkeitserklärung geschlossene Minderjährigenehe nicht existent würde, auch wenn die Ehegatten - unter Umstände erst nach vielen Jahren - nach Deutschland kämen (so jedenfalls für den Fall der Nichtehe Coester, a.a.O.). Ob dies im Einzelfall anders zu beurteilen ist, wenn einer der Partner das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder etwa die Ehe erkennbar gegen dessen Willen geschlossen wurde, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Denn die Antragsgegnerin hatte im Zeitpunkt der Eheschließung jedenfalls das 16. Lebensjahr vollendet und im Rahmen der Anhörung zum Ausdruck gebracht, den Antragsgegner freiwillig geheiratet zu haben.

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1.4 Die Aufhebung der Ehe ist darüber hinaus gem. § 1315 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b ausgeschlossen. Die Aufrechterhaltung der Ehe erscheint ausnahmsweise geboten, da aufgrund außergewöhnlicher Umstände die Aufhebung der Ehe für den minderjährigen Ehegatten eine schwere Härte darstellen würde. Die Antragsgegner haben freiwillig und wirksam in Bulgarien die Ehe geschlossen. Sie haben bereits ein Kind und erwarten ein zweites Kind. Die Antragsgegnerin verfügt abgesehen von der Grundschule über keinerlei Schulabschluss und auch keine berufliche Ausbildung. Die wirksame Eheschließung bietet ihr insofern zumindest einen gewissen Grad an wirtschaftlicher Absicherung. Die Aufhebung der Ehe würde sich insofern und zudem im Hinblick auf den oben dargestellten Eingriff in die Freizügigkeit der Antragsgegner als EU-Bürger als schwere Härte für die Antragsgegnerin darstellen.

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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 FamFG.

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