Beschluss vom Amtsgericht Halberstadt - 8 F 262/13

Tenor

1. Dem Antragsteller wird das Sorgerecht für L. T. gemeinsam mit der Antragsgegnerin übertragen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Verfahrenswert: 3.000 Euro.

Gründe

I.

1

Antragsteller und Antragsgegnerin sind die Eltern der am 22.12.2005 geborenen L. T. Dies steht fest aufgrund der Urkunde des Standesamtes ... vom 03.08.2011 über die Anerkennung der Vaterschaft. L. lebt bei ihrer Mutter, der Kindesvater hat Umgang mit seiner Tochter. Das Sorgerecht steht gemäß § 1626a Abs. 2 BGB der Kindesmutter allein zu.

2

Der Kindesvater beantragt, ihm neben der Kindesmutter das gemeinsame Sorgerecht zu übertragen.

3

Die Kindesmutter erhebt dagegen Bedenken. In der mündlichen Verhandlung vom 14.08.2013 hat sie erklärt, sie hätten während der Zeit ihres Zusammenlebens gemeinsam die Entscheidungen um L. getroffen. Jetzt wolle sie aber nicht, daß der Kindesvater mitentscheide. Sie halte ihn über alles Wichtige auf dem Laufenden und gewähre ihm Umgang. Für sie gebe es keinen Anlaß, zusätzlich auch noch das gemeinsame Sorgerecht herzustellen. Dazu sei zuviel vorgekommen, auch an Gewaltsituationen gegenüber der Kindesmutter.

II.

4

Grundlage der Entscheidung sind §§ 1626a und 1671 BGB in der Fassung, die sie durch das Sorgerechtsreformgesetz vom 16.04.2013 (BGBl. 2013 I S. 795) erhalten haben.

5

§ 1626a BGB lautet:

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Elterliche Sorge nicht miteinander
verheirateter Eltern; Sorgeerklärungen

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(1) Sind die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, so steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu,

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1. wenn sie erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen (Sorgeerklärungen),

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2. wenn sie einander heiraten oder

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3. soweit ihnen das Familiengericht die elterliche Sorge gemeinsam überträgt.

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(2) Das Familiengericht überträgt gemäß Absatz 1 Nummer 3 auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge beiden Eltern gemeinsam, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht. Trägt der andere Elternteil keine Gründe vor, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegen stehen können, und sind solche Gründe auch sonst nicht ersichtlich, wird vermutet, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht.

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(3) Im Übrigen hat die Mutter die elterliche Sorge.“

13

Neu gegenüber dem bisherigen § 1626a BGB ist die Möglichkeit der Schaffung des gemeinsamen elterlichen Sorgerechts durch Gerichtsentscheidung. Eine solche Gerichtsentscheidung stellt dann zwischen den Eltern und dem Kind den gleichen Zustand her, wie er wäre, wenn die Eltern miteinander verheiratet sind oder verheiratet waren.

14

Damit ist gesetzlich klargestellt, daß gegen den Wunsch nach gemeinsamem Sorgerecht nur noch solche Argumente Berücksichtigung finden sollen, die im Falle verheirateter Eltern dazu führen könnten, das gemeinsame Sorgerecht zu beenden und das Sorgerecht einem Elternteil allein zu übertragen.

III.

15

L.s Eltern haben keine Sorgeerklärung abgegeben, so daß die Antragsgegnerin zunächst das alleinige Sorgerecht besitzt. Die Begründung gemeinsamen Sorgerechts widerspricht nicht dem Kindeswohl, so daß es nach § 1626a Abs. 2 S. 1 BGB herzustellen ist.

16

Das Gericht hat nach der Verhandlung verschiedene Anfragen an Ärzte und Kliniken gestellt, sich von der Kindesmutter das Untersuchungsheft vorlegen lassen und Bemühungen unternommen, mit der Schule in Kontakt zu treten. Darauf kommt es nach Auffassung des nunmehr zuständigen Richters jedoch nicht so sehr an. Nach den Weichenstellungen des Sorgerechtsreformgesetzes muß der Kindesvater nicht beweisen, daß er das gemeinsame Sorgerecht „verdient“ hat, und kommt seine Beteiligung nicht erst dann in Betracht, wenn der Kindesmutter irgendwelche „Mängel“ in der Erziehung vorzuhalten sind. Das gemeinsame Sorgerecht ist vielmehr zu schaffen, wenn nichts Wesentliches dagegen spricht, wie es im Falle verheirateter Eltern auch entstehen würde, ohne daß die Eltern nach der Geburt eines Kindes einer Eignungsprüfung unterzogen werden.

17

Argumente, die im Falle verheirateter Eltern dazu führen könnten, einem Elternteil das Sorgerecht allein zu übertragen, bestehen nicht. Soweit die Kindesmutter davon spricht, der Kindesvater habe ihr gegenüber Gewalt angewendet, ist dazu nichts Genaueres geschildert worden, so daß weder Zeit noch Umstände eingeschätzt werden können. Zugleich macht sie ja auch geltend, sie hätten schon seit 2007 getrennte Wohnungen, es habe sich um eine On/Off-Beziehung gehandelt und sie seien eigentlich bis zum Freitag vor der Verhandlung zusammen gewesen.

18

Der Einwand, der Kindesvater werde über alles Wichtige auf dem Laufenden gehalten und habe auch großzügigen Umgang, so daß für gemeinsames Sorgerecht kein Anlaß bestehe, kann dem Antrag nicht entgegen stehen.

19

Nach § 1687 Abs. 1 BGB kann von zwei Sorgeberechtigten derjenige die Angelegenheiten des täglichen Lebens allein regeln, bei dem sich das Kind aufhält. Damit wirkt sich das gemeinsame Sorgerecht letztlich nur bei den gelegentlichen elterlichen Entscheidungen mit besonderer Tragweite aus, die die Eltern entweder gemeinsam erarbeiten oder bei fehlender Einigung gemäß § 1628 BGB durch das Gericht treffen lassen müssen.

20

Der hier offenbar vorliegende Wunsch, nicht von der Bereitschaft des anderen Elternteils zur Zusammenarbeit abhängig sein, ist ein Bedenken, das das Sorgerechtsreformgesetz vom 16.04.2013 gerade für nicht ausschlaggebend und unbeachtlich erklärt.

21

Es wird damit von den Kindeseltern in Konstellationen wie der vorliegenden verlangt, daß sie nach Wegen und Möglichkeiten suchen, wie sie das gemeinsame Sorgerecht im Sinne des Kindes verantwortungsvoll ausüben können.

22

Für ein gemeinsames Sorgerecht sprechen sich auch das Jugendamt und der Verfahrensbeistand aus.

IV.

23

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 81 FamFG, die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 45 Abs. 1 FamGKG.

V.

24

Gegen diese Entscheidung kann ein Beteiligter, dessen Rechte beeinträchtigt werden, innerhalb eines Monats Beschwerde einlegen. Die Frist beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht Halberstadt durch Einreichung einer unterzeichneten Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde muß die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, daß Beschwerde gegen diesen Beschluß eingelegt wird. Maßgeblich ist der Tag des Eingangs bei dem Gericht.


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