Beschluss vom Amtsgericht Ludwigslust - 5 F 98/09

Tenor

I. Der Antragsteller wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, an die Antragsgegnerin ab dem 02.07.2009 monatlich im Voraus Kindesunterhalt für die gemeinsame minderjährige Tochter L. F., geb. in 2001, in Höhe von 200,00 € zu zahlen.

II. Der Streitwert für das Verfahren der einstweiligen Anordnung wird auf bis zu 1.200,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

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Die Parteien streiten im Wege eines Verfahrens der einstweiligen Anordnung über die Zahlung von Kindesunterhalt.

2

Zwischen den verheirateten, aber getrennt lebenden Parteien ist zum vorliegenden Aktenzeichen ein Ehescheidungsverfahren anhängig. Aus der Ehe der Parteien ist die gemeinsame Tochter L. F., geb. in 2001, hervorgegangen; sie lebt bei der Antragsgegnerin in P., der mit rechtskräftigem Beschluss des AG L. zu dem Aktenzeichen 5 F 98/09-SO das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen worden ist. Der Antragsteller verfügt über ein monatliche Nettoeinkommen in Höhe von 1.200,00 € und ist von der Antragsgegnerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 26.03.2009 zur diesbezüglichen Auskunftserteilung aufgefordert worden. Eine Unterhaltszahlung hat der Antragsteller in der Folge abgelehnt.

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Die Antragsgegnerin macht einen Unterhaltsanspruch des Kindes nun im Wege einer einstweiligen Anordnung gerichtlich geltend. Die Antragsgegnerin behauptet, für den Schulbesuch in P. fielen monatlich 110,00 € bzw, 150,00 € an; der weitere Bedarf des Kindes belaufe sich hinsichtlich Verpflegung, Kleidung und Unterkunft auf 85,00 €. Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antragsteller zu verpflichten, an die Antragsgegnerin ab Zustellung des Antrages jeweils im voraus einen monatlichen Notunterhalt in Höhe von 200,00 € für die gemeinsame minderjährige Tochter L. F., geb. in 2001, zu zahlen.

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Der Antragsteller beantragt,

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den Antrag zurückzuweisen.

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Der Antragsteller ist der Auffassung, die Antragsgegnerin habe den Bedarf des Kindes nicht ausreichend unter Berücksichtigung der Unterschiede in den allgemeinen Lebenshaltungskosten zwischen D. u. P. dargelegt. Soweit sie in dem Verfahren zur elterlichen Sorge selbst erklärt habe, über ein Einkommen von 300,00 € monatlich zu verfügen, das in P. ausreichend sei, könne dies durch den Kindesunterhalt nicht praktisch verdoppelt werden.

II.

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Der Antragsteller war im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, an die Antragsgegnerin ab dem 02.07.2009 monatlich im Voraus Kindesunterhalt für die gemeinsame minderjährige Tochter L. F., geb. in 2001, in Höhe von 200,00 € zu zahlen.

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1. Der Antrag ist gemäß §§ 620 Nr. 4, 620a Abs. 2 Satz 1 ZPO zulässig. Insbesondere besteht das erforderliche Regelungsbedürfnis für die Antragsgegnerin. Ein solches ist gegeben, wenn ein schutzwürdiges Bedürfnis für die Erlangung eines Unterhaltstitels in einem einfachen und beschleunigten Verfahren gegeben ist; dieses besteht, wenn ein vollstreckbarer Unterhaltstitel nicht vorhanden ist und der Unterhaltsschuldner trotz dahingehender Aufforderung nicht bereit ist, den geschuldeten Unterhalt freiwillig zu zahlen (vgl. Gießler, Vorläufiger Rechtsschutz in Ehe-, Familien- und Kindschaftssachen, 3. Aufl., 2000, Rn. 53 und 576 ff. m. w. N.).

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2. Der Antrag ist auch begründet. Die Antragsgegnerin hat einen Anspruch gegen den Antragsteller auf die Zahlung von monatlichem Kindesunterhalt in Höhe von 200,00 € für die gemeinsame minderjährige Tochter gemäß Art. 18 Abs. 5 EGBGB, §§ 1601, 1602, 1610, 1612 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 BGB.

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a. Zur Anwendung kommt im vorliegenden Fall trotz des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes in P. gemäß Art. 18 Abs. 5 EGBGB deutsches Recht; danach ist deutsches Recht anzuwenden, wenn sowohl der Berechtigte als auch der Verpflichtete Deutsche sind und der Verpflichtete seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat.

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b. Der Barunterhalt minderjähriger Kinder bestimmt sich nach den Sätzen der so genannten Düsseldorfer Tabelle. Die Tabellensätze sind auf den Fall zugeschnitten, dass der Unterhaltspflichtige drei Berechtigten Unterhalt zu gewähren hat; bei einer größeren oder geringeren Anzahl Unterhaltsberechtigter sind in der Regel Ab- oder Zuschläge durch Einstufung in eine niedrigere oder höhere Einkommensgruppe vorzunehmen (Ziffer 11 der unterhaltsrechtlichen Leitlinien des OLG Rostock).

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aa. Mit einem monatlichen Einkommen in Höhe von 1.200,00 € fällt der Antragsteller in die Einkommensgruppe 1. Auch wenn der Antragsteller nur dem gemeinsamen Kind der Parteien unterhaltspflichtig ist, kommt eine Höherstufung aus dieser Einkommensgruppe nicht in Betracht (vgl. Palandt-Diederichsen, Kommentar zum BGB, 65. Aufkl., 2006, vor § 1601 Rn. 18 m. w. N.). Der Bedarf der in die zweite Altersstufe fallenden Tochter der Parteien ergibt sich damit grundsätzlich in Höhe von 322,00 €.

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bb. Es muss jedoch dabei Berücksichtigung finden, dass das Kind nicht in D., sondern in P. lebt und sich der Bedarf im Hinblick auf Unterschiede in den Lebenshaltungskosten damit anders darstellen kann.

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(1) Bei der Bemessung des Unterhaltsanspruchs vor einem solchen Hintergrund ist der Unterhaltsbedarf dann in der Weise zu ermitteln, dass der sich nach deutschem Recht auf der Grundlage des Einkommens des Unterhaltspflichtigen ergebende Tabellenunterhalt unter Berücksichtigung der Verbrauchergeldparität und des Wechselkurses derart an die Lebensverhältnisse an dem im Ausland befindlichen gewöhnlichen Aufenthaltsort angepasst wird, dass dem Kind dort ein Betrag zur Verfügung steht, dessen Kaufkraft dem deutschen Tabellenunterhalt entspricht.

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Besteht ein so genannter Bedarfsverbund, weil der Bedarf des Unterhaltsberechtigten aus dem Einkommen des Unterhaltsverpflichteten ermittelt wird, so ist eine weitere Bedarfskorrektur vorzunehmen, soweit Abweichungen der Verbrauchergeldparität von der Devisenparität zu Bedarfsveränderungen führen. Denn es ist eine Verteilung des Gesamtbedarfes der Beteiligten anzustreben, die der ursprünglichen Bedarfsberechnung entspricht; lebt der Berechtigte etwa in einem billigeren Land und braucht damit weniger, soll ihm die resultierende Entlastung des Pflichtigen aufgrund des bestehenden Bedarfsverbundes zugute kommen und es vermindert sich in der Folge die Herabsetzung seines Bedarfes (vgl. zum Ganzen Wendl/Staudigl-Dose. Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., 2004, § 7 Rn. 23 ff. m. w. N.; Gutdeutsch/Zieroth, Verbrauchergeldparität und Unterhalt, FamRZ 1993, 1152).

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Bei dieser Art der Bedarfsermittlung erübrigt sich die weitere Aufklärung eines konkreten Bedarfes des Kindes an seinem Aufenthaltsort im Ausland. Denn es wird einerseits von den allgemein anerkannten Pauschalierungen des Unterhaltsbedarfes im Rahmen der aktuellen Unterhaltstabellen ausgegangen, während andererseits Unterschiede in den allgemeinen Lebenshaltungskosten gleich mit zwei Faktoren in Form der Verbrauchergeld- und der Devisenparität einbezogen werden sowie eine angemessene Verteilung des zur Verfügung stehenden Einkommens zwischen den Beteiligten der Bedarfsgemeinschaft erzielt wird. Es ist nicht erkennbar, wie sich ein entsprechendes Ergebnis mit einer konkreten Bedarfsermittlung, die ohnehin ebenfalls nur auf Näherungswerte hinauslaufen könnte, erreichen ließe; ebenso wenig ist es danach relevant, was für einen Betrag die Antragsgegnerin selbst als Familieneinkommen in P. gegebenenfalls als ausreichend ansieht.

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(2) Ausgehend von den Werten für den Monat Juli 2009, wie sie das Statistische Bundesamt ermittelt hat, betragen für einen € in P. die Verbrauchergeldparität 5.155,4811 und die Devisenparität 7.054,8600; es ergibt sich damit ein Verhältnis der beiden Faktoren zueinander in Höhe von ([100 x 7.054,8600 - 100 x 5.155,4811] : 5.155,4811 =) etwa 35 %, um welche die Verbrauchergeldparität den Devisenkurs übersteigt.

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Ein Bedarf in Höhe von 322,00 € würde etwa 25 % von dem Einkommen des Antragstellers in Höhe von 1.200,00 € entsprechen; unter Berücksichtigung der zuvor ermittelten Verbrauchergeldparität ist der Bedarf des gemeinsamen Kindes der Parteien somit um 21 % zu verringern, sodass (322,00 € x 79 % =) gerundet 255,00 € verbleiben. Dieses Ergebnis wird durch eine Kontrollrechnung bestätigt, wenn durch einen Wertgewinn beim Umtausch dieser verminderte Unterhalt wieder um 35 % auf dann (255,00 € x 135 % =) etwa 345,00 € erhöht und ins Verhältnis zu dem dem Antragsteller noch zur Verfügung stehenden Betrag in Höhe von (1.200,00 € - 255,00 € =) 945,00 € gesetzt wird; der Unterhaltsbetrag entspräche noch immer (345,00 € : [345,00 € + 945,00 € =] 1.290,00 € =) etwa 25 % der gesamten Bedarfsdeckung (vgl. zu den Rechenwegen im Einzelnen Wendl/Staudigl-Dose, a. a. O., und Gutdeutsch/Zieroth, a. a. O.).

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c. Kindergeld ist von dem so ermittelten Bedarf nicht in Abzug zu bringen.

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aa. Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG werden für die Zahlung von Kindergeld Kinder nicht berücksichtigt, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, haben, es sei denn, sie leben im Haushalt eines Berechtigten im Sinne des § 62 Abs. 1 Nr. 2a EStG. Nach der letzteren Vorschrift hat für Kinder Anspruch auf Kindergeld, wer ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland nach § 1 Abs. 2 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist. Nach dieser Regelung wiederum sind unbeschränkt einkommensteuerpflichtig deutsche Staatsangehörige, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehen und dafür Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse beziehen.

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bb. Dass die Voraussetzungen einer Kindergeldberechtigung bei der Antragsgegnerin in diesem Sinne vorlägen, ist nicht erkennbar.

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d. Der für das Kind der Parteien errechnete Unterhaltsbedarf liegt einerseits noch unter dem im Rahmen des Verfahrens der einstweiligen Anordnung begehrten Betrages, während andererseits seiner Zahlung Einschränkungen der Leistungsfähigkeit des Antragstellers nicht entgegenstehen; diesem verbleibt bei einem Einkommen in Höhe von 1.200,00 € im Falle der Zahlung von 200,00 € jedenfalls sein notwendiger Selbstbehalt in Höhe von 900,00 €.

III.

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Die im Verfahren der einstweiligen Anordnung entstehenden Kosten gelten gemäß § 620g, 1. Halbsatz ZPO für die Kostenentscheidung als Teil der Kosten der Hauptsache.

IV.

25

Der Streitwert für das Verfahren der einstweiligen Anordnung war gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 GKG a. F. nach dem sechsmonatigen Bezug der beantragten Unterhaltsleistung auf bis zu 1.200,00 € festzusetzen.

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