Beschluss vom Amtsgericht Ludwigslust - 5 F 135/10

Tenor

I. Der Antragteller erhält Verfahrenskostenhilfe für den beabsichtigten Antrag für die erste Instanz ohne Ratenzahlung.

II. Der Antrag des Antragstellers auf Beiordnung eines Rechtsanwaltes wird zurückgewiesen.

Gründe

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I. Die Parteien streiten über das Bestehen eines Vater-Kind-Verhältnisses zwischen ihnen. Der Antragsteller beabsichtigt, ein gerichtliches Vaterschaftsfeststellungsverfahren durchzuführen, wofür er die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe einschließlich der Beiordnung eines Rechtsanwaltes beantragt. Der Antragsgegner verweist darauf, dass er zu der Einholung eines privaten Abstammungsgutachtens bereit sei und dem Antragsteller eine entsprechende Erklärung gemäß § 1598a BGB habe zukommen lassen, ohne eine Erklärung darauf zu erhalten.

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II. Dem Antragsteller war Verfahrenskostenhilfe für den beabsichtigten Antrag für die erste Instanz ohne Ratenzahlung zu gewähren, weil er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht dazu in der Lage ist, zu den Verfahrenskosten beizutragen; dagegen war sein Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwaltes zurückzuweisen.

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1. Der beabsichtigte Antrag hinsichtlich einer Feststellung der Vaterschaft des Antragsgegners bezüglich des Antragstellers ist trotz der Bereitschaft des ersteren zu der Einholung eines privaten Abstammungsgutachtens nicht mutwillig im Sinne von § 114 ZPO. Eine auf eigene Kosten prozessierende Partei würde genauso handeln, anstatt zunächst ein privates Abstammungsgutachten einzuholen und sodann abzuwarten, ob der Antragsgegner dieses zum Anlass nimmt, die Vaterschaft anzuerkennen. Ein solche Verfahrensweise ist mit dem Risiko behaftet, dass nicht die Blut- oder Speichelproben der Beteiligten untersucht werden, und ferner, dass der Antragsgegner sich auch im Fall einer hohen Wahrscheinlichkeit ungeachtet seiner jetzt anderslautenden Absichten nicht zur Vaterschaftsanerkennung entschließen kann. Das Gesetz eröffnet nur für den Fall eines Vertrauensverhältnisses zwischen den Eltern mit der Anerkennung der Vaterschaft einen schnellen und einfachen Weg, um den Status eines Kindes zu klären. Für alle anderen Fälle - also auch wie hier bei gewissem Zweifel - ist die Klage auf Vaterschaftsfeststellung gemäß § 1600d BGB die gesetzlich vorgesehene Form, den Vater zu bestimmen. Auch der Antragstellerin darf deshalb auf justizförmige Weise eine Klärung herbeiführen (vgl. OLG Hamm FamRZ 2004, 549).

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2. Jedoch wird gemäß § 78 Abs. 2 FamFG einem Beteiligten auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl nur dann beigeordnet, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint, soweit eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben ist.

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a. Bei der Schaffung dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber bewusst ausschließlich auf die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage abgestellt und wollte die Erforderlichkeit einer Anwaltsbeiordnung nach objektiven Kriterien beurteilt sehen. Die Schwere des Eingriffs in die Rechte eines Beteiligten rechtfertigt nach Auffassung des Gesetzgebers die Beiordnung eines Rechtsanwalts auf der Grundlage bewilligter Verfahrenskostenhilfe regelmäßig nicht. Auch den Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit, der nach dem bis zum 31.08.2009 anzuwendenden Recht die Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß § 121 Abs. 2, 2. Alt. ZPO dann zwingend vorsah, wenn der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten war, hat der Gesetzgeber bewusst für Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zu denen nunmehr alle Abstammungssachen gehören, aufgegeben. Aufgrund der gesetzgeberischen Absicht, die Beiordnung von Rechtsanwälten zu beschränken, ist die Erforderlichkeit der Beiordnung an einem engen Maßstab zu messen.

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b. Die vorzunehmende Abwägung bei der Einschätzung der Schwierigkeit des vorliegenden Verfahrens führt zu dem Ergebnis, dass die Beiordnung eines Rechtsanwaltes nicht erforderlich ist, weil der Sachverhalt einfach ist und keine Gründe ersichtlich sind, aufgrund derer angenommen werden müsste, dass der Antragsteller bzw. dessen gesetzliche Vertreterin, die das Verfahren im Namen des selbst prozessunfähigen Antragstellers führt, sich nicht selbst vertreten könnte. Der Antragsgegner hat nicht einmal konkret Mehrverkehr der Mutter des Antragstellers eingewandt oder eine bestimmte andere Person als möglichen Vater benannt. Der Vortrag des Antragstellers selbst ist in tatsächlicher Hinsicht einfach, so dass er bzw. seine gesetzliche Vertreterin in der Lage gewesen wäre, diesen Vortrag persönlich anzubringen (vgl. zum Ganzen OLG Saarbrücken FamRB 2010, 139; OLG Schleswig MDR 2003, 393).

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c. Im übrigen hätte der Antragsteller bzw. dessen gesetzliche Vertreterin die Möglichkeit gehabt, sich nach dem BeratungshilfeG durch einen Rechtsanwalt beraten zu lassen und anschließend den Verfahrenskostenhilfeantrag und den bedingten Antrag hinsichtlich einer Feststellung der Vaterschaft zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts anzubringen (vgl. OLG Schleswig a. a. O.). Nach der Reform des familienrechtlichen Verfahrens mit der Einführung des § 78 Abs. 2 FamFG wird zudem auch nicht mehr an der Auffassung festzuhalten sein, die Beiordnung eines Rechtsanwalts könne nicht mit der Begründung versagt werden, es bestehe die Möglichkeit, die Beistandschaft des Jugendamts gemäß § 1712 BGB zu beantragen. Die Begründung dieser Ansicht erscheint bereits insofern befremdlich, als sie unter anderem auf den gesetzgeberischen Willen der Freiwilligkeit der Beistandschaft abstellte, dem gegenüber auch fiskalische Erwägungen zurücktreten müssten (vgl. BGH FamRZ 2006, 481); denn wenn das Motiv der Regelungen zur Verfahrenskostenhilfe ist, den bedürftigen Beteiligten nicht schlechter zu stellen als den vermögenden, kann auch hier allein fraglich sein, ob eine auf eigene Kosten prozessierende Partei nicht ebenfalls zunächst die für sie kostengünstigere oder sogar kostenlose Unterstützungsmöglichkeit in Form einer Beistandschaft in Anspruch nehmen würde (vgl. OLG Zweibrücken FamRZ 2003, 1936). Jedenfalls aber wird die Betreuung eines Beteiligten durch das in entsprechenden Verfahren zumindest nicht unerfahrene Jugendamt im Rahmen einer Beistandschaft gemäß § 1712 BGB bei der Beurteilung der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage im Sinne von § 78 Abs. 2 FamFG mit heranzuziehen sein; unabhängig davon, ob dem Jugendamt dann Spezialkenntnisse in der betroffenen Materie im eigentlichen Sinne zukommen (insoweit zweifelnd BGH a. a. O.), wäre die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage eines Verfahrens wie des vorliegenden dann zumindest durch die Mitwirkung des Jugendamtes als Beistand des Antragstellers für diesen soweit gemindert, dass spätestens dadurch die Beiordnung eines Rechtsanwaltes entbehrlich würde.

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