Beschluss vom Amtsgericht Magdeburg - 340 IN 687/12 (381)

Tenor

1. Die Verfahren 340 IN 687/12 (381) und 340 IN 724/12 (381) werden verbunden; das erstgenannte Verfahren führt.

2. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird unter Aufhebung aller vorläufigen Sicherungsmaßnahmen - mangels Masse - abgewiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

4. Der Gegenstandswert wird auf 18.598,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Mit Schriftsatz vom 30. Mai 2012 stellte die AOK Nordost über das Vermögen der als in M. geschäftsansässig im Handelsregister eingetragenen und vormals in B. geschäftsansässig gewesenen Antragsgegnerin Insolvenzantrag. Eine aktuelle Aufstellung der Antragstellerin ergibt mittlerweile Rückstände auf seit Januar 2012 fällige Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 18.597,51 Euro.

2

Der jetzige Geschäftsführer der Antragsgegnerin ist seit dem 22. Mai 2012 bestellt.

3

Nachdem das Verfahren zunächst beim Amtsgericht – Insolvenzgericht - Charlottenburg geführt und von dort mit Beschluss vom 02. August 2012 an das hiesige Gericht verwiesen worden war, hat das Gericht mit Beschluss vom 21. August 2012 einen Sachverständigen eingesetzt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den Beschluss Bezug genommen und verwiesen.

4

Eine Zustellung des vorgenannten Beschlusses an den Geschäftsführer unter der in M. bekannt gewordenen Anschrift der Antragsgegnerin gelang nicht. Auch die dem Gericht zu dieser Zeit bekannte Privatanschrift des Geschäftsführers in B. führte nicht zur Zustellung.

5

Eine Gewerbeamtsanfrage ergab, dass ein Unternehmen unter der Anschrift der Antragsgegnerin in M. nicht zu ermitteln sei. Grundeigentum der Antragsgegnerin in M. und im Bezirk des Amtsgerichts Charlottenburg war ebenfalls nicht zu ermitteln.

6

Mit Zwischenbericht vom 19. Oktober 2012 teilte der Sachverständige unter Beifügung von Fotos mit, dass sich unter der Anschrift der Antragsgegnerin in M. ein seit längerem leerstehendes Wohnhaus in Plattenbauweise befinde. Anhaltspunkte auf Büroräume der Antragsgegnerin oder überhaupt eine operative Tätigkeit der Antragsgegnerin in M. fand der Sachverständige hingegen nicht.

7

Dem Sachverständigen gelang es außerdem, mit früheren Geschäftsführern der Antragsgegnerin Kontakt aufzunehmen. Eine sichere Beurteilung der aktuellen wirtschaftlichen Lage war dem Sachverständigen aufgrund der übersandten Auskünfte aber nicht möglich.

8

Das Gericht hat Auskünfte beim Einwohnermeldeamt in B. eingeholt. Danach sei eine Anschrift für den Geschäftsführer der Antragsgegnerin in allen Bezirken B. s nicht zu ermitteln.

II.

9

Die Abweisung des Eröffnungsantrags vom 19. Juni 2012 – und nicht nur eine Zurückweisung – beruht auf § 26 Abs. 1 InsO.

10

Die durchgeführten Ermittlungen haben ergeben, dass der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Der Sachverständige hat zwar mitgeteilt, dass er die Vermögensverhältnisse der Antragsgegnerin – aufgrund fehlender aktueller Erkenntnisse – nicht mit der notwendigen Sicherheit beurteilen könne.

11

Gleichwohl gelangt das Gericht zu der Überzeugung, dass Zahlungsunfähigkeit im Sinne von § 17 InsO vorliegt, die zur Abweisung mangels Masse nach § 26 InsO führt.

12

Nach § 26 Abs. 1 InsO ist der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens abzuweisen, wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die Kosten des Verfahrens zu decken. Nach dem Wortlaut der Vorschrift handelt es sich um eine Prognoseentscheidung, die naturgemäß Unsicherheiten beinhaltet.  Ausreichend für eine Abweisung mangels Masse ist deshalb ein Sachverhalt, wonach eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass die Masse nicht ausreichend wird, um die Verfahrenskosten zu decken. Das setzt aber eine Ermittlung des Sachverhalts im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 5 InsO) durch das Gericht voraus (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23. November 2011, Az. 11 W 142/01 – zitiert nach juris). Ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit ist hierfür ausreichend (AG Göttingen, Az. 74 IN 84/01 – zitiert nach juris).

13

Das Gericht hat nach dem Grundsatz der Amtsermittlung aus § 5 InsO Ermittlungen angestellt.

14

Der Sachverständige hat u.a. Ermittlungen zum Sitz der Gesellschaft angestellt. Die Ermittlungsbemühungen sind im Sande verlaufen. Einen operativen Geschäftsbetrieb konnte der Sachverständige nicht feststellen. Das lässt – auch ohne überprüfbare Unterlagen – ohne weiteres und nach allgemeiner Lebenserfahrung darauf schließen, dass die Gesellschaft nicht über eingerichtete Gewerberäume mit werthaltiger Inneneinrichtung oder ähnlichen Wertgegenständen verfügt. Dieser Schluss bestätigt sich insbesondere in der Feststellung des Sachverständigen, dass sich unter der Geschäftsanschrift der Antragsgegnerin lediglich ein leerstehendes Wohnhaus in Plattenbauweise befindet. Anhaltspunkte für andere Anschriften ergaben sich nicht.

15

Weiterhin hat der Sachverständige ermitteln können, dass eine operative Tätigkeit der Antragsgegnerin nicht zu erkennen sei.

16

Beides spricht dafür, dass die Antragsgegnerin seither und insbesondere in letzter Zeit keinerlei Umsatz erwirtschaftet hat und Vermögenswerte schaffen konnte. Bereits danach besteht ein starker Anhalt für das Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit im Sinne von § 17 InsO.

17

Neben den vorgenannten Umständen müssen in die Beurteilung für das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes aber auch die Angaben der Antragstellerin einbezogen werden. Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 13. April 2006 (Az. IX ZB 118/04 – zitiert nach juris) hervorgehoben, dass der Amtsermittlungsgrundsatz gebiete, auch den Sachvortrag der Antrag stellenden Gläubigerin in die Beurteilung, ob Zahlungsunfähigkeit vorliege, einzubeziehen. Dieser dürfe nicht ausgeblendet werden. Aus diesen und weiteren Tatsachen könne sich nämlich ein starkes Beweisanzeichen dafür ergeben, welches auf Zahlungsunfähigkeit hindeute.

18

Danach ist von Verbindlichkeiten wenigstens in Höhe von 18.597,51 Euro auszugehen. Das ergibt sich aus den Angaben der Antragstellerin. Das Gericht sieht keinen Anlass, die Richtigkeit dieser Angaben zu bezweifeln. Die Angaben der Antragstellerin erhärten damit die Annahme einer Zahlungsunfähigkeit.

19

Die Voraussetzungen von § 26 Abs. 1 InsO sind zur Überzeugung des Gerichts erfüllt, so dass der Antrag mangels Masse abzuweisen war.

20

Das Gericht schließt sich nicht einer in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht an, dass ein zulässiger Antrag unbegründet – und ein Antrag deshalb zurückzuweisen – sei, wenn sich das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes nicht sicher beurteilen lasse. Zwar mag es für die Gesellschaft günstig sein, wenn ein gegen sie gerichteter Fremdantrag lediglich zurückgewiesen wird, wenn der Geschäftsführer unbekannten Aufenthalts ist, Geschäftsunterlagen fehlen und deshalb die Möglichkeit besteht, dass es noch Vermögen gibt (LG Erfurt, Beschluss vom 22. Januar 2001, Az. 7a T 195/00 – zitiert nach juris). Die ermittelten Umstände sprechen in dem vorliegenden Fall aber nach praktischer Erfahrung für das Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit. Es ist nach allgemeiner Lebenserfahrung nämlich nicht mehr ernsthaft damit zu rechnen, dass nach bislang vergangener Zeit und den wenigen Ermittlungsansätzen noch ein der Antragsgegnerin gehörendes Vermögen ermittelt und der Antragsgegnerin in rechtlich einwandfreier Weise zugeordnet werden kann, so dass sich aufgrund dieser Erkenntnis dann die aktuelle Vermögenslage sicher beurteilen lassen wird.

21

Eine vorherige Anhörung der Antragsgegnerin war entbehrlich (§ 10 InsO). Der Geschäftsführer ist unbekannten Aufenthalts. Die Erkenntnismöglichkeiten des Gerichts sind außerdem erschöpft.

22

Sicherungsmaßnahmen nach §§ 21, 22 InsO sind damit nicht mehr erforderlich.

23

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 4 InsO, 91 Abs. 1 ZPO. Es erscheint insbesondere unbillig, im vorliegenden Fall einen Antragsteller mit Verfahrenskosten zu belasten. Der Insolvenzantrag war schließlich zulässig und im Ergebnis auch begründet.

24

Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf §§ 58 Abs. 1, 2, 63 Abs. 2 GKG.


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