Urteil vom Amtsgericht Schopfheim - 1 C 369/02

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 4.873,89 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 02. 02. 2002 zu bezahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i. H. v. EUR 6.300,00 vorläufig vollstreckbar.

Sicherheit kann durch selbstschuldnerische, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland als Zoll- und Steuerbürge anerkannten Kreditinstitutes erbracht werden.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt von der Beklagten restliche Auszahlung aus einer Kapitallebensversicherung.
Der Kläger hatte als Inhaber des Gasthauses „H.“ seine dort angestellte Ehefrau N. unter der Versicherungsscheinnummer ... bei der Beklagten durch eine betriebliche Direktversicherung, die als Kapitallebensversicherung ausgestaltet war, versichert. Die Ehe zwischen dem Kläger und N. wurde durch Urteil des Familiengerichts Bad Säckingen vom 21.02.1994 - 2F 130/92- rechtskräftig geschieden. Die Ehefrau war aus dem Arbeitsverhältnis zum Kläger ausgeschieden und hatte zu diesem Zeitpunkt unverfallbare Versorgungsansprüche aus der Direktversicherung erworben.
Im Termin vom 21. 12. 1994 vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe -Familiensenat der Außenstelle Freiburg- schlossen der Kläger und seine Ehefrau über den Zugewinnausgleich die Vereinbarung, wonach der Kläger sich verpflichtete, an seine Ehefrau einen Ausgleichsbetrag in Höhe von DM 37.000,00 zu bezahlen. Unberücksichtigt blieben dabei die unverfallbaren Anwartschaften der Ehefrau aus der Direktversicherung. Diesbezüglich einigten sich die Eheleute auf der Grundlage des Schreibens der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 23. 03. 1995 , dass der Kläger an seine Ehefrau einen weiteren Betrag von DM 6.250,00 entrichtet und N. die Beklagte unwiderruflich anweist, bei Fälligkeit der Versicherung die Versicherungssumme zuzüglich Leistungen aus der Überschussbeteiligung an den Kläger auszubezahlen. Für den Fall, dass die Auszahlung der Versicherungssumme und die Leistungen aus der Überschussbeteiligung an die Ehefrau erfolgen sollte, verpflichtete sich diese, den Betrag unverzüglich an den Kläger weiterzuleiten und auszuzahlen (AS. 17).
Die Ehefrau des Klägers wies die Beklagte entsprechend an mit Schreiben vom 29.03.1995 (AS. 23). Durch Schreiben vom 26.04.1995, gerichtet an die Ehefrau des Klägers, das die Beklagte an die Prozessbevollmächtigten des Klägers in Abschrift zukommen lies, bestätigte die Beklagte, dass der Kläger als unwiderruflich bezugsberechtigt für alle im Erlebensfall fällig werdenden Versicherungsleistungen vermerkt sei. Ohne schriftliche Zustimmung des Bezugsberechtigten könne sie dieses Bezugsrecht weder widerrufen noch ändern. Der unwiderruflich Bezugsberechtigte habe einen direkten Anspruch auf die Versicherungsleistung, erwerbe aber keine weiteren Rechte an der Versicherung (AS. 31).
Die Parteien des Rechtsstreits setzten den Versicherungsvertrag wieder in Kraft. Zu diesem Zwecke hatte der Kläger unter anderem eine Deckungskapitalnachzahlung in Höhe von DM 9.553,59 zu entrichten (AS. 33ff.).
Am 23.08.2000 informierte die Beklagte sowohl den Kläger als auch dessen geschiedene Ehefrau, dass sie sich wegen des gesetzlichen Abtretungsverbotes in § 2 BetrAVG an die vormalige Bestätigung nicht mehr halten könne und deshalb das unwiderrufliche Bezugsrecht gelöscht habe. Diese Auffassung wiederholte sie mit Schreiben vom 13.09.2000.
Zum 01.12.2001 lief die Kapitallebensversicherung aus. Mit Schreiben vom 02.10.2001 informierte die Beklagte den Kläger hierüber und teilte ihm mit, dass die unverfallbaren Versorgungsansprüche der Ehefrau des Klägers in Höhe von EUR 4.873,89 an ihn ausbezahlt würden, wenn er eine Zahlungsanweisung seiner Ehefrau beibringe. Der Kläger überließ der Beklagten die frühere Erklärung vom 29.03.1995. Die Beklagte zahlte auf Weisung der geschiedenen Ehefrau des Klägers den Betrag von EUR 4.873,89 an diese aus, die jedoch entgegen der Zugewinnausgleichsvereinbarung von dieser nicht an den Kläger weitergeleitet wurde.
Der Kläger erstritt beim Amtsgericht Bad Säckingen am 27.06.2002 ein Urteil gegen seine geschiedene Ehefrau über den Betrag von EUR 4.873,89. Die daraus vom Kläger betriebene Zwangsvollstreckung blieb erfolglos. Die geschiedene Ehefrau des Klägers gab am 30.08.2002 die eidesstattliche Versicherung ab, da sie ohne pfändbares Einkommen und ohne pfändbare Habe sei.
Der Kläger nimmt daher die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch in Höhe des an seine geschiedene Ehefrau ausbezahlten Betrages, weil die Beklagte gegen die Zahlungsanweisung verstoßen habe. Der Kläger ist der Ansicht, dass er nicht gegen das gesetzliche Abtretungsverbot verstoßen habe, da eine Abtretung nicht vorliege. Die Beklagte sei allein schon deshalb zur Auszahlung an den Kläger verpflichtet gewesen, da er entsprechend dem Schreiben der Beklagten vom 02.10.2001 die Zahlungsanweisung seiner geschiedenen Ehefrau aus dem Jahre 1995 vorgelegt habe.
10 
Der Kläger beantragt:
11 
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 4.873,89 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 02.02.2002 zu bezahlen.
12 
Die Beklagte beantragt,
13 
die Klage abzuweisen.
14 
Sie ist der Ansicht, dass sie ihre Verpflichtung aus dem Kapitallebensversicherungsvertrag durch Auszahlung des Betrages in Höhe von EUR 4.873,89 an die geschiedene Ehefrau des Klägers erfüllt habe. Denn das Abtretungsverbot in § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG erfasse auch die Übertragung des unwiderruflichen Bezugsrechtes durch den Arbeitnehmer an einen Dritten, was sich aus Sinn und Zweck dieser Vorschrift ergebe, die sicherstellen solle, dass der ursprüngliche Versorgungszweck der Direktversicherung auch nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten bleibe. Gegen dieses gesetzliche Verbot habe die Beklagte nicht verstoßen dürfen, weshalb sie auch berechtigt gewesen sei, die Bestätigung über die Änderung der unwiderruflichen Bezugsberechtigung zu widerrufen. Im übrigen sei ihr nicht bekannt gewesen, dass der unwiderruflichen Auszahlungsanweisung der geschiedenen Ehefrau des Klägers eine Zugewinnausgleichsvereinbarung zugrunde gelegen habe.
15 
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
16 
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme des Zeugen R. Wegen des Inhaltes dessen Aussagen wird auf das Sitzungsprotokoll vom 04.07.2003 (AS. 199 ff.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
17 
Die zulässige Klage ist begründet.
18 
Dem Kläger steht gegen die Beklagte aus dem im Wege der Direktversicherung abgeschlossenen Kapitallebensversicherungsvertrag , in dem die geschiedene Ehefrau des Klägers als dessen frühere Arbeitnehmerin die versicherte Person war, ein Anspruch auf restliche Zahlung in Höhe von EUR 4.873,89 nach Ablauf der Versicherung zum 01.12.2001 zu. Die Beklagte ist durch Zahlung dieses Betrages, der unstreitig der unverfallbaren Versorgungsanwartschaft der geschiedenen Ehefrau des Klägers aus der Direktversicherung entspricht, an diese von ihrer Schuld nicht durch Erfüllung befreit (§362 BGB) . Denn Gläubiger der von der Beklagten geschuldeten Leistung war auch insoweit der Kläger.
19 
Die Gläubigereigenschaft des Klägers folgt aus der unwiderruflichen Anweisung der geschiedenen Ehefrau des Klägers vom 29.03.1995, bei Vertragsende die Vertragssumme nebst zusätzlichen Leistungen an den Kläger auszubezahlen. Die insoweit Verfügende war verfügungsberechtigt. § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG, wonach der ausgeschiedene Arbeitnehmer Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag in Höhe des durch Beitragszahlungen des Arbeitgebers gebildeten geschäftsplanmäßigen Deckungskapitals weder abtreten noch beleihen kann, steht dem nicht entgegen. Zwar liegen grundsätzlich die Voraussetzungen des Abtretungsverbotes des § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG vor, da die geschiedene Ehefrau unverfallbare Versorgungsanwartschaften unstreitig aus der Direktversicherung erworben hatte. Die unwiderrufliche Auszahlungsanweisung ist in ihren Wirkungen auch der Abtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung gleichzusetzen. Ob dies auch für eine widerrufliche Anweisung gelten würde, kann dahinstehen. Sinn und Zweck des § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG ist es, den Arbeitnehmer daran zu hindern, die erworbene Versorgungsanwartschaft zu liquidieren und für eine anderweitige (aktuelle) Bedürfnisbefriedigung zu nutzen (OLG Stuttgart NJW-RR 2001 150f). Diesem Zweck der Regelung liefe es jedoch zuwider , wenn die geschützte Person gegen Zahlung eines Betrages das Versicherungsunternehmen anweist, im Falle des Ablaufes der Versicherung die erlangten Versorgungsanwartschaften an einen Dritten auszubezahlen. Grundsätzlich entspricht diese Sachlage der Vereinbarung zwischen dem Kläger und seiner geschiedenen Ehefrau im März 1995.
20 
Dennoch ist die unwiderrufliche Anweisung durch die geschiedene Ehefrau des Klägers ausnahmsweise wirksam, da gerade der vorliegende Fall dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung nicht unterfällt und somit eine Abtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag auch nicht unwirksam wäre.
21 
Die Anweisung der geschiedenen Ehefrau des Klägers diente der Erfüllung der nachträglich zwischen den geschiedenen Eheleuten nach rechtskräftiger Scheidung getroffenen Zugewinnausgleichsvereinbarung, die gemäß 1378 Abs. III BGB in einfacher Schriftform wirksam abgeschlossen wurde. Dass Gegenstand des Vertrages ein Zugewinnausgleichsanspruch war, folgt aus dem Schriftwechsel der Prozessbevollmächtigten des Klägers und dessen geschiedener Ehefrau vom 14.02.1995, 22.02.1995 und 27.02.1995 (AS. 135 - 141). Daraus ergibt sich, dass die verfahrensgegenständliche Direktversicherung im gerichtlichen Vergleich nicht berücksichtigt worden war, weil sie als Gegenstand des Zugewinnausgleichs erst danach von den Parteien des Scheidungsverfahrens festgestellt wurde. Das unverfallbare Versorgungsanrecht des bezugsberechtigten Arbeitnehmers aus der zu seiner betrieblichen Altersversorgung abgeschlossenen Direktversicherung ist jedoch in den Zugewinnausgleich einzubeziehen (BGHZ 117,70 ff.). Denn diese Anwartschaft besitzt bereits einen rechtlich geschützten, hinreichend sicheren Wert (BGH a.a.O. mit eingehender Begründung). Insbesondere steht der Einbeziehung der Anwartschaft in den Zugewinnausgleich nicht entgegen, dass der durch die Direktversicherung begünstigte Versicherte den in der Anwartschaft liegenden Vermögenswert bis zum Eintritt des Versicherungsfalles nicht in der Weise nutzbar machen kann, wie ihm dies bei einer von ihm selbst abgeschlossenen Versicherung möglich ist. Dem steht insbesondere das Abtretungsverbot des § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG entgegen. Im Rahmen des Zugewinnausgleichs sind jedoch nicht nur solche Gegenstände berücksichtigungsfähig, deren Wert sogleich verfügbar ist. Auch können Gegenstände des Zugewinnausgleichs nicht nur mit dem Wert angesetzt werden, deren Wert sich sogleich realisieren lässt. Im Zugewinnausgleichsrecht besteht gerade für Fälle, in denen eine sofortige Liquidierung von Gegenständen nicht möglich ist und der Zahlungspflichtige zum sofortigen Ausgleich nicht in der Lage ist, die Möglichkeit, um die Notwendigkeit einer unwirtschaftlichen Liquidierung zu vermeiden, die Ausgleichsforderung gem. § 1382 Abs. 1 und 5 BGB auf Antrag des Schuldners zu stunden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Liquidierung eines Vermögensgegenstandes gegenwärtig aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist, aber in Zukunft hinreichend sicher zu erwarten steht. Dann kommt in Betracht, den Gegenstand nach seinem vollen wirtschaftlichen Wert unter Berücksichtigung verbleibender Unsicherheiten zu schätzen und die Ausgleichsforderung, deren Begleichung dem Schuldner gegenwärtig nicht möglich oder nicht zumutbar ist, auf seinen Antrag bis zu dem vorauszusehenden Zeitpunkt zu stunden, zu dem er den Gegenstand wirtschaftlich sinnvoll verwerten kann (vgl. zum Ganzen BGH a.a.O.).
22 
Genau diese Situation war zum Zeitpunkt der getroffenen Vereinbarung zwischen dem Kläger und seiner geschiedenen Ehefrau im März 1995 gegeben. Die unverfallbare Versorgungsanwartschaft aus der Direktversicherung war nicht sofort zu liquidieren. Die geschiedene Ehefrau des Klägers war zu einem sofortigen Ausgleich offenbar nicht in der Lage, jedenfalls war dieser Ausgleich zum damaligen Zeitpunkt ohne erhebliche Wertverluste nicht zumutbar. Dann ist jedoch die getroffene Vereinbarung, mit der der Kläger zum Zeitpunkt der Verwertbarkeit der Ansprüche seiner geschiedenen Ehefrau aus der Direktversicherung nach Stundung seine ihm zustehenden Zugewinnausgleichforderungen realisieren kann, den gesetzlichen Möglichkeiten des § 1382 Abs. 1 und 5 BGB entsprechend erfolgt. Wenn die Vereinbarung folglich insofern mit der Intention des Gesetzgebers konform geht , kann sie andererseits dem Sinn und Zweck des § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG nicht widersprechen und ist deshalb als wirksam zu erachten. Ob die getroffene Zugewinnausgleichsvereinbarung letztendlich die der geschiedenen Ehefrau des Klägers erworbenen Versorgungsanwartschaften in wirtschaftlicher Hinsicht entsprach und einen zutreffenden Zugewinnausgleich dem Kläger zusprach, kann dahinstehen.
23 
Im Übrigen ist davon auszugehen, dass die Personen, denen der Arbeitnehmer, der Bezugsberechtigter im Rahmen einer Direktversicherung ist, Unterhalt bzw. einen sonstigen familienrechtlich begründeten Ausgleich schuldet, in den § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG zugrundeliegenden Versorgungszweck einbezogen sind. Denn die durch den Arbeitnehmer aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit erworbene Altersversorgung hat Versorgungszweck nicht nur für ihn selbst, sondern auch für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen. Daher widerspricht es dem Sicherungszweck dieser Norm nicht, läuft vielmehr mit ihm konform, wenn in Bezug auf unterhalts- bzw. sonstige familienrechtliche Ausgleichsansprüche, wozu auch Zugewinnausgleichsansprüche zählen, bereits in der Anwartschaftsphase eine Befriedigungsmöglichkeit für den späteren Zeitpunkt der Anspruchsfälligkeit ermöglicht wird, wie dies vorliegend geschehen ist (OLG Stuttgart NJW-RR 2001, 150ff.).
24 
Außerdem liegt hier der Sonderfall vor, dass Arbeitgeber und Begünstigter aus der Zahlungsanweisung personengleich sind. Der Kläger hätte damit die Direktversicherung kündigen, den Auszahlungsbetrag abtreten oder an sich auszahlen lassen könne (siehe z.B. LG Frankfurt NJW-RR 1995, 162 ff.). Hierdurch hätte er sich zwar gegenüber seiner Ehefrau schadensersatzpflichtig gemacht ( § 1 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG). Deren vorzeitiger Verzicht auf derartige Schadensersatzansprüche unterfällt nicht § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG. Ob letztendlich eine analoge Anwendung dieser Vorschrift dennoch diesen Verzicht unwirksam machen würde, kann im Hinblick auf das Vorstehende dahinstehen.
25 
Da die Beklagte Kenntnis von der unwiderruflichen Auszahlungsanweisung hatte, hatte die Zahlung an die ursprüngliche Gläubigerin keine befreiende Wirkung (§ 407 Abs. 1 BGB analog).
26 
Auch aus schadensersatzrechtlichen Gesichtspunkten würde die Beklagte haften, da sie schuldhaft den mit dem Kläger geschlossenen Versicherungsvertrag dadurch verletzt hat, dass sie die wirksame unwiderrufliche Anweisung der geschiedenen Ehefrau des Klägers, den Versicherungsbetrag an diesen auszubezahlen, missachtete. Selbst wenn die Beklagte in rechtlicher Hinsicht über die Bedeutung und den Umfang des § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG berechtigterweise im Unklaren gewesen wäre , hätte Sie zur Vermeidung gegen sie gerichteter Schadensersatzansprüche den Betrag hinterlegen müssen. Dass ihr selbst unbekannt war, dass die Zahlungsanweisung einer Zugewinnausgleichsvereinbarung des Klägers und seiner geschiedenen Ehefrau, der Versicherten, entsprang, entlastet sie nicht. Denn der Zeuge Richter, der für die Beklagte die Änderung des Versicherungsvertrages mit dem Kläger vermittelte, hatte jedenfalls Kenntnis davon, dass an die Ehefrau des Klägers der „Rückkaufswert“ aus der Direktversicherung ausbezahlt wurde und dass sich die Eheleute Neudecker scheiden lassen wollten. Dass dann mit dem Vereinbarten der Zugewinnausgleich geregelt werden sollte, lag nahe. Die Beklagte hat sich die Kenntnis ihres Versicherungsvertreters zurechnen zu lassen (§ 166 Abs. 1 BGB) und im übrigen ihr fehlendes Verschulden zu beweisen ( § 282 BGB a. F. ).
27 
Da die Beklagte mit Schreiben vom 01. 02. 2002 die Erfüllung der Ansprüche des Klägers ablehnte, befindet sie sich ab dem 02.02.2002 schuldhaft in Verzug. Der gesetzliche Verzugszins war daher ab diesem Zeitpunkt zuzusprechen.
28 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
29 
Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit wurde gemäß § 709 ZPO getroffen.

Gründe

 
17 
Die zulässige Klage ist begründet.
18 
Dem Kläger steht gegen die Beklagte aus dem im Wege der Direktversicherung abgeschlossenen Kapitallebensversicherungsvertrag , in dem die geschiedene Ehefrau des Klägers als dessen frühere Arbeitnehmerin die versicherte Person war, ein Anspruch auf restliche Zahlung in Höhe von EUR 4.873,89 nach Ablauf der Versicherung zum 01.12.2001 zu. Die Beklagte ist durch Zahlung dieses Betrages, der unstreitig der unverfallbaren Versorgungsanwartschaft der geschiedenen Ehefrau des Klägers aus der Direktversicherung entspricht, an diese von ihrer Schuld nicht durch Erfüllung befreit (§362 BGB) . Denn Gläubiger der von der Beklagten geschuldeten Leistung war auch insoweit der Kläger.
19 
Die Gläubigereigenschaft des Klägers folgt aus der unwiderruflichen Anweisung der geschiedenen Ehefrau des Klägers vom 29.03.1995, bei Vertragsende die Vertragssumme nebst zusätzlichen Leistungen an den Kläger auszubezahlen. Die insoweit Verfügende war verfügungsberechtigt. § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG, wonach der ausgeschiedene Arbeitnehmer Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag in Höhe des durch Beitragszahlungen des Arbeitgebers gebildeten geschäftsplanmäßigen Deckungskapitals weder abtreten noch beleihen kann, steht dem nicht entgegen. Zwar liegen grundsätzlich die Voraussetzungen des Abtretungsverbotes des § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG vor, da die geschiedene Ehefrau unverfallbare Versorgungsanwartschaften unstreitig aus der Direktversicherung erworben hatte. Die unwiderrufliche Auszahlungsanweisung ist in ihren Wirkungen auch der Abtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung gleichzusetzen. Ob dies auch für eine widerrufliche Anweisung gelten würde, kann dahinstehen. Sinn und Zweck des § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG ist es, den Arbeitnehmer daran zu hindern, die erworbene Versorgungsanwartschaft zu liquidieren und für eine anderweitige (aktuelle) Bedürfnisbefriedigung zu nutzen (OLG Stuttgart NJW-RR 2001 150f). Diesem Zweck der Regelung liefe es jedoch zuwider , wenn die geschützte Person gegen Zahlung eines Betrages das Versicherungsunternehmen anweist, im Falle des Ablaufes der Versicherung die erlangten Versorgungsanwartschaften an einen Dritten auszubezahlen. Grundsätzlich entspricht diese Sachlage der Vereinbarung zwischen dem Kläger und seiner geschiedenen Ehefrau im März 1995.
20 
Dennoch ist die unwiderrufliche Anweisung durch die geschiedene Ehefrau des Klägers ausnahmsweise wirksam, da gerade der vorliegende Fall dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung nicht unterfällt und somit eine Abtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag auch nicht unwirksam wäre.
21 
Die Anweisung der geschiedenen Ehefrau des Klägers diente der Erfüllung der nachträglich zwischen den geschiedenen Eheleuten nach rechtskräftiger Scheidung getroffenen Zugewinnausgleichsvereinbarung, die gemäß 1378 Abs. III BGB in einfacher Schriftform wirksam abgeschlossen wurde. Dass Gegenstand des Vertrages ein Zugewinnausgleichsanspruch war, folgt aus dem Schriftwechsel der Prozessbevollmächtigten des Klägers und dessen geschiedener Ehefrau vom 14.02.1995, 22.02.1995 und 27.02.1995 (AS. 135 - 141). Daraus ergibt sich, dass die verfahrensgegenständliche Direktversicherung im gerichtlichen Vergleich nicht berücksichtigt worden war, weil sie als Gegenstand des Zugewinnausgleichs erst danach von den Parteien des Scheidungsverfahrens festgestellt wurde. Das unverfallbare Versorgungsanrecht des bezugsberechtigten Arbeitnehmers aus der zu seiner betrieblichen Altersversorgung abgeschlossenen Direktversicherung ist jedoch in den Zugewinnausgleich einzubeziehen (BGHZ 117,70 ff.). Denn diese Anwartschaft besitzt bereits einen rechtlich geschützten, hinreichend sicheren Wert (BGH a.a.O. mit eingehender Begründung). Insbesondere steht der Einbeziehung der Anwartschaft in den Zugewinnausgleich nicht entgegen, dass der durch die Direktversicherung begünstigte Versicherte den in der Anwartschaft liegenden Vermögenswert bis zum Eintritt des Versicherungsfalles nicht in der Weise nutzbar machen kann, wie ihm dies bei einer von ihm selbst abgeschlossenen Versicherung möglich ist. Dem steht insbesondere das Abtretungsverbot des § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG entgegen. Im Rahmen des Zugewinnausgleichs sind jedoch nicht nur solche Gegenstände berücksichtigungsfähig, deren Wert sogleich verfügbar ist. Auch können Gegenstände des Zugewinnausgleichs nicht nur mit dem Wert angesetzt werden, deren Wert sich sogleich realisieren lässt. Im Zugewinnausgleichsrecht besteht gerade für Fälle, in denen eine sofortige Liquidierung von Gegenständen nicht möglich ist und der Zahlungspflichtige zum sofortigen Ausgleich nicht in der Lage ist, die Möglichkeit, um die Notwendigkeit einer unwirtschaftlichen Liquidierung zu vermeiden, die Ausgleichsforderung gem. § 1382 Abs. 1 und 5 BGB auf Antrag des Schuldners zu stunden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Liquidierung eines Vermögensgegenstandes gegenwärtig aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist, aber in Zukunft hinreichend sicher zu erwarten steht. Dann kommt in Betracht, den Gegenstand nach seinem vollen wirtschaftlichen Wert unter Berücksichtigung verbleibender Unsicherheiten zu schätzen und die Ausgleichsforderung, deren Begleichung dem Schuldner gegenwärtig nicht möglich oder nicht zumutbar ist, auf seinen Antrag bis zu dem vorauszusehenden Zeitpunkt zu stunden, zu dem er den Gegenstand wirtschaftlich sinnvoll verwerten kann (vgl. zum Ganzen BGH a.a.O.).
22 
Genau diese Situation war zum Zeitpunkt der getroffenen Vereinbarung zwischen dem Kläger und seiner geschiedenen Ehefrau im März 1995 gegeben. Die unverfallbare Versorgungsanwartschaft aus der Direktversicherung war nicht sofort zu liquidieren. Die geschiedene Ehefrau des Klägers war zu einem sofortigen Ausgleich offenbar nicht in der Lage, jedenfalls war dieser Ausgleich zum damaligen Zeitpunkt ohne erhebliche Wertverluste nicht zumutbar. Dann ist jedoch die getroffene Vereinbarung, mit der der Kläger zum Zeitpunkt der Verwertbarkeit der Ansprüche seiner geschiedenen Ehefrau aus der Direktversicherung nach Stundung seine ihm zustehenden Zugewinnausgleichforderungen realisieren kann, den gesetzlichen Möglichkeiten des § 1382 Abs. 1 und 5 BGB entsprechend erfolgt. Wenn die Vereinbarung folglich insofern mit der Intention des Gesetzgebers konform geht , kann sie andererseits dem Sinn und Zweck des § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG nicht widersprechen und ist deshalb als wirksam zu erachten. Ob die getroffene Zugewinnausgleichsvereinbarung letztendlich die der geschiedenen Ehefrau des Klägers erworbenen Versorgungsanwartschaften in wirtschaftlicher Hinsicht entsprach und einen zutreffenden Zugewinnausgleich dem Kläger zusprach, kann dahinstehen.
23 
Im Übrigen ist davon auszugehen, dass die Personen, denen der Arbeitnehmer, der Bezugsberechtigter im Rahmen einer Direktversicherung ist, Unterhalt bzw. einen sonstigen familienrechtlich begründeten Ausgleich schuldet, in den § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG zugrundeliegenden Versorgungszweck einbezogen sind. Denn die durch den Arbeitnehmer aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit erworbene Altersversorgung hat Versorgungszweck nicht nur für ihn selbst, sondern auch für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen. Daher widerspricht es dem Sicherungszweck dieser Norm nicht, läuft vielmehr mit ihm konform, wenn in Bezug auf unterhalts- bzw. sonstige familienrechtliche Ausgleichsansprüche, wozu auch Zugewinnausgleichsansprüche zählen, bereits in der Anwartschaftsphase eine Befriedigungsmöglichkeit für den späteren Zeitpunkt der Anspruchsfälligkeit ermöglicht wird, wie dies vorliegend geschehen ist (OLG Stuttgart NJW-RR 2001, 150ff.).
24 
Außerdem liegt hier der Sonderfall vor, dass Arbeitgeber und Begünstigter aus der Zahlungsanweisung personengleich sind. Der Kläger hätte damit die Direktversicherung kündigen, den Auszahlungsbetrag abtreten oder an sich auszahlen lassen könne (siehe z.B. LG Frankfurt NJW-RR 1995, 162 ff.). Hierdurch hätte er sich zwar gegenüber seiner Ehefrau schadensersatzpflichtig gemacht ( § 1 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG). Deren vorzeitiger Verzicht auf derartige Schadensersatzansprüche unterfällt nicht § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG. Ob letztendlich eine analoge Anwendung dieser Vorschrift dennoch diesen Verzicht unwirksam machen würde, kann im Hinblick auf das Vorstehende dahinstehen.
25 
Da die Beklagte Kenntnis von der unwiderruflichen Auszahlungsanweisung hatte, hatte die Zahlung an die ursprüngliche Gläubigerin keine befreiende Wirkung (§ 407 Abs. 1 BGB analog).
26 
Auch aus schadensersatzrechtlichen Gesichtspunkten würde die Beklagte haften, da sie schuldhaft den mit dem Kläger geschlossenen Versicherungsvertrag dadurch verletzt hat, dass sie die wirksame unwiderrufliche Anweisung der geschiedenen Ehefrau des Klägers, den Versicherungsbetrag an diesen auszubezahlen, missachtete. Selbst wenn die Beklagte in rechtlicher Hinsicht über die Bedeutung und den Umfang des § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG berechtigterweise im Unklaren gewesen wäre , hätte Sie zur Vermeidung gegen sie gerichteter Schadensersatzansprüche den Betrag hinterlegen müssen. Dass ihr selbst unbekannt war, dass die Zahlungsanweisung einer Zugewinnausgleichsvereinbarung des Klägers und seiner geschiedenen Ehefrau, der Versicherten, entsprang, entlastet sie nicht. Denn der Zeuge Richter, der für die Beklagte die Änderung des Versicherungsvertrages mit dem Kläger vermittelte, hatte jedenfalls Kenntnis davon, dass an die Ehefrau des Klägers der „Rückkaufswert“ aus der Direktversicherung ausbezahlt wurde und dass sich die Eheleute Neudecker scheiden lassen wollten. Dass dann mit dem Vereinbarten der Zugewinnausgleich geregelt werden sollte, lag nahe. Die Beklagte hat sich die Kenntnis ihres Versicherungsvertreters zurechnen zu lassen (§ 166 Abs. 1 BGB) und im übrigen ihr fehlendes Verschulden zu beweisen ( § 282 BGB a. F. ).
27 
Da die Beklagte mit Schreiben vom 01. 02. 2002 die Erfüllung der Ansprüche des Klägers ablehnte, befindet sie sich ab dem 02.02.2002 schuldhaft in Verzug. Der gesetzliche Verzugszins war daher ab diesem Zeitpunkt zuzusprechen.
28 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
29 
Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit wurde gemäß § 709 ZPO getroffen.

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