Urteil vom Amtsgericht Wesel - 4 C 90/14
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.620,25 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.02.2014 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem mittlerweile beendeten Mandatsverhältnis betreffend Beratungsleistungen in Steuerangelegenheiten.
3Der Kläger hatte jahrelang die Dienste der Steuerberaterin X in Anspruch genommen. Er hatte ihr monatlich einen Betrag in Höhe von 292,15 € sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 150 € überwiesen. Bei dem letzteren Betrag handelte es sich um eine à-conto-Zahlung im Hinblick auf einen zu erstellenden Jahresabschluss. Im November 2012 wandte die Steuerberaterin X sich schriftlich an den Kläger und bat darum, diese Beträge künftig auf das Konto des Beklagten zu überweisen, an den sie ihre Praxis übergebe (Bl 56 dA). Kurz vor diesem Schreiben hatte Frau X den Beklagten begleitet, als dieser sich bei dem Kläger vorgestellt hatte (Bl 52 dA). Die Parteien hatten ein Einvernehmen dahingehend erzielt, dass der Beklagte künftig die steuerlichen Angelegenheiten des Klägers erledige; der genaue Inhalt der Abrede ist zwischen den Parteien streitig.
4In den Monaten Januar bis November 2013 zahlte der Kläger an den Beklagten 11 x 150 = 1.650 €. Die Rückzahlung dieses Betrages macht er in der Hauptsache mit der vorliegenden Klage geltend. Der Beklagte hat grundsätzlich stets anerkannt, dass der Kläger einen Rückforderungsanspruch betreffend der auf die Erstellung des Jahresabschlusses vorschüssig geleisteten Zahlungen hat, die nicht durch ein Tätigwerden des Beklagten im Rahmen der Jahresabschlusserstellung durch diesen verdient wurden (Bl 63 dA).
5Der Beklagte seinerseits hat mit Rechnung vom 29.01.2014 Tätigkeiten abgerechnet (Bl 16 dA). Unter Anrechnung der erhaltenen 1.650 € errechnet er einen offenen Zahlbetrag in Höhe von 333,31 €. Diesen Betrag macht er im Wege der Widerklage geltend.
6Der Kläger behauptet, es sei mit dem Beklagten vereinbart worden, dass dieser das Mandat der Steuerberaterin X zu unveränderten Konditionen übernehme. Mit dieser aber sei stets vereinbart gewesen, dass sie für 292,15 € brutto pauschal die Buchführung erledige (Bl 25, 53 dA). Daher stünden dem Beklagten die mit Rechnung vom 29.01.2014 geltend gemachten Honorare nicht zu, mit Ausnahme eines Betrages in Höhe von 25 € netto für die Meldung zur Berufsgenossenschaft. Insofern hat der Kläger eine Aufrechnung erklärt (Bl 27 dA) mit einem ihm seiner Ansicht nach zustehenden Anspruch auf Schadensersatz.
7Der Kläger beantragt,
8den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.650 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.02.2014 zu zahlen.
9Der Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Im Wege der Widerklage beantragt er,
12den Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, an den Beklagten und Widerkläger 333,31 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07. Februar 2014 zu zahlen.
13Der Widerbeklagte beantragt,
14die Widerklage abzuweisen.
15Der Beklagte behauptet, es sei vereinbart worden, dass er – der Beklagte – sein Honorar strikt nach den geltenden Vorschriften der Steuerberatervergütungsverordnung abrechne (Bl 63 dA). Die Rechnung vom 29.01.2014 sei angemessen. Aus dieser Rechnung ergebe sich ein Bruttobetrag in Höhe von 1.983,30 €. Er – der Beklagte – habe gegen den Rückforderungsanspruch des Klägers aufgerechnet, so dass er nur noch den Betrag in Höhe von 333,31 € geltend mache (Bl 38 dA).
16Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze und Unterlagen verwiesen.
17Entscheidungsgründe:
18Klage und Widerklage sind zulässig.
19Die Klage ist teilweise begründet. Die Widerklage ist unbegründet.
20I.
21Die Widerklage ist zulässig. Entgegen der Auffassung des Klägers und Widerbeklagten ist die Benennung eines vollständigen Rubrums nicht erforderlich. Denn die hinreichende Identifizierung der Parteien sowie des Streitgegenstandes ist bei einer Widerklage ohnehin gegeben; es gibt keine Zweifel, wer Widerkläger und wer Widerbeklagter sind.
22II.
23Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von (1.650 – 29,75 =) 1.620,25 €.
241.
25Der Kläger hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Rückzahlung der à conto geleisteten Zahlungen gemäß § 311 BGB, da zwischen den Parteien die Abrede bestand, dass die monatlichen Zahlungen geleistet wurden im Vorgriff auf eine möglicherweise künftig entstehende Verbindlichkeit aus einem noch abzuschließenden Werkvertrag betreffend die Erstellung des Jahresabschlusses. Hierüber besteht zwischen den Parteien kein Streit; auch der Beklagte erkennt an, dass der Betrag in Höhe 1.650 € nicht ins Verdienen gebracht wurde.
262.
27Streitig ist allein, ob der klägerische Anspruch durch eine Aufrechnung erloschen ist. Eine Erstattung, wie sie seitens des Beklagten mehrfach vorgetragen wird (Bl 14, 36 dA), ist ersichtlich nicht erfolgt. Denn der Beklagte hat keine Beträge ausgezahlt. Denkbar ist allein, dass als Folge einer Aufrechnung die klägerische Forderung erloschen ist, § 389 BGB. In der mündlichen Verhandlung vom 27.01.2015 hat der Beklagtenvertreter erklärt, dass die Verrechnung in der Rechnung vom 29.01.2014 seiner Ansicht nach als Erklärung einer Aufrechnung zu verstehen sei. Dieser Sichtweise kann beigetreten werden. Gleichwohl geht die Aufrechnung weitgehend ins Leere. Denn es fehlt überwiegend an einer aufrechenbaren gleichartigen Gegenforderung.
28a)
29Eine Gegenforderung des Beklagten aus einem Steuerberatungsvertrag gemäߠ §§ 611, 675 BGB, und zwar in Höhe von 1.983,30 € brutto, kann nicht festgestellt werden. Nach dem Vortrag des Beklagten ist ihm ein umfassendes Mandat erteilt worden (Bl 11 dA) mit der Maßgabe, dass nach der einschlägigen Gebührenordnung abgerechnet werden solle. Diese Behauptung des Beklagten hat der Kläger indes bestritten; er behauptet die Vereinbarung einer Pauschale in Höhe von 292,15 € (vgl Bl 74 dA).
30Der Beklagte hatte danach einen Anspruch auf Zahlung von 292,15 € für jeden Monat des Jahres 2013, bis zur Kündigung des Mandats durch den Beklagten. Indes ist dieser Anspruch durch Erfüllung erloschen, § 362 I BGB. Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend erklärt, dass diese Pauschale stets gezahlt worden ist (Bl 80 dA).
31Nach dem Vortrag des Klägers wären dann weitere Ansprüche des Beklagten angesichts der Pauschalpreisvereinbarung ausgeschlossen. Es ist damit Sache des Beklagten, das Fehlen einer Pauschalpreisvereinbarung zu beweisen. Dies hat er indes weder substantiiert dargelegt noch hat er einen Beweis angeboten.
32Ohne Erfolg verweist der Beklagte darauf, dass eine solche Abrede gegen die Gebührenordnung verstieße. Das mag sein, kann aber an dieser Stelle offen bleiben. Denn auch in diesem Falle könnte er – der Beklagte – sich im Verhältnis zum Mandanten nicht darauf berufen, dass er – der Steuerberater – sehenden Auges eine rechtswidrige Abrede getroffen habe und daher nun doch mehr liquidieren könne. Ein solches Vorgehen wäre treuwidrig (dolo-agit-Einwand).
33b)
34Auch ein etwaiger Zahlungsanspruch des Beklagten aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß §§ 812 I 1, erste Variante, 818 II BGB ist nicht feststellbar.
35Streitig ist zwischen den Parteien bereits, ob und in welchem Umfang der Beklagte Vorarbeiten für einen Jahresabschluss erbracht hat (Bl 54 dA). Streitig ist auch, ob der Beklagte eine Anlagenbuchführung durchgeführt hat (Bl 54 dA).
36Weiterhin ist offen, welchen subjektiven Wert diese für den Kläger hatten. Eine aufgedrängte Bereicherung – um eine solche würde es sich handeln, wenn kein Mandat erteilt worden wäre – ist nur mit dem Wert anzusetzen, den diese subjektiv für den Bereicherten hat. Hier ist nicht substantiiert dargelegt, in welchem Umfange der Kläger Steuerberatergebühren einsparen konnte oder auch nur hätte einsparen können auf Grund der seitens des Beklagten geleisteten Vorarbeiten. Es kann dahinstehen, ob der Kläger Auskunft erteilen muss über die tatsächlich geleisteten Zahlungen für den Jahresabschluss 2013. Denn er muss sich entgegenhalten lassen die Ersparnis, die er bei einem gebührenordnungstreuen Steuerberater auf Grund der Vorarbeiten des Beklagten erhalten hätte. Für den Umfang der geleisteten Vorarbeiten und einer etwaigen Ersparnis ist der Beklagte freilich darlegungs- und beweispflichtig. Daran fehlt es vorliegend. Gleiches gilt für die behauptete, aber streitige Durchführung einer Anlagenbuchführung.
37c)
38Unstreitig hat der Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 25 € netto = 29,75 € gemäß §§ 611, 675 BGB für die Anmeldung gegenüber der Berufsgenossenschaft. Entgegen der Auffassung des Klägers ist dieser Anspruch auch nicht durch eine seitens des Klägers erklärte Aufrechnung erloschen, fehlt es doch bereits an der vermeintlichen Gegenforderung auf Schadensersatz. Entgegen der Auffassung des Klägers ist dem Beklagten kein Fehler in der Handhabung des Mandats betreffend den Steuerbescheid für das Jahr 2012 zur Last zu legen. Der Beklagte hatte den Kläger mit Schreiben vom 01.10.2013 umfassend informiert und angeboten, für Rückfragen zur Verfügung zu stehen (Bl 66 dA). Es wäre daher Sache des Klägers gewesen, auf dieses Angebot hinreichend früh einzugehen. Das hat er nicht getan. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen hat er selbst zu verantworten.
39d)
40Ohne Belang sind schließlich die Rechtsbeziehungen des Beklagten zu der Steuerberaterin X. Es kann durchaus dahinstehen, ob ein etwa gezahlter Kaufpreis für die Kanzlei zu mindern ist. Etwaige Zahlungspflichten des Klägers werden dadurch nicht berührt.
41III.
42Der Kläger hat weiterhin einen Anspruch auf Ersatz von Verzögerungsschäden im tenorierten Umfang gemäß §§ 286 ff BGB.
43IV.
44Der Beklagte hat keinen Anspruch auf Zahlung der mit der Widerklage geltend gemachten Beträge.
45Ein Anspruch aus einem Steuerberatungsvertrag gemäß §§ 611, 675 BGB ist zu verneinen. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen. Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.
46V.
47Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 II ZPO.
48Die Entscheidung betreffend die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.
49Streitwert gemäß § 45 I GKG: (1.650 + 333,31 =) 1.983,31 €
50Rechtsbehelfsbelehrung:
51Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
52a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
53b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
54Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Duisburg, König-Heinrich-Platz 1, 47051 Duisburg, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
55Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Duisburg zu begründen.
56Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Duisburg durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
57Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
58Prof. Dr. Stalinski |
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