Urteil vom Arbeitsgericht Bonn - 4 Ca 2979/13
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der Befristung im Arbeitsvertrag vom 25.07.2013 zum 07.02.2014 geendet hat, sondern als unbefristetes Arbeitsverhältnis über den 07.02.2014 hinaus fortbesteht.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Land.
3. Der Streitwert wird auf 12.184,20 € festgesetzt.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger war seit dem 15.10.2007 als Lehrkraft im Schuldienst des beklagten Landes aufgrund von 18 befristeten Verträgen (davon 3 parallel) zu einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 4061,40 Euro an dem T. beschäftigt (siehe die Übersicht über die abgeschlossenen Verträge Bl. 5 d.A. sowie die Verträge Bl. 41ff d.A.). Allen Verträgen lag als Befristungsgrund eine Vertretung, sei es für Erkrankung, sei es für Mutterschutz oder Elternzeit, zugrunde. Ab dem 25.01.2012 wurde der Kläger als Vertretung für Frau E. befristet bis zum 10.02.2012 weiter beschäftigt. Frau E. befand sich in Elternzeit vom 25.01.2012 bis zum 28.11.2013. Sodann wurde ein weiterer befristeter Vertrag vom 11.02.2012 bis zum 21.08.2012 wiederum aufgrund der Elternzeitvertretung für Frau E. geschlossen. Ab dem 22.08.2012 schlossen die Parteien aus demselben Befristungsgrund einen Vertrag bis zum 01.02.2013. Ab dem 02.02.2013 schlossen die Parteien bis zum 03.09.2013 einen befristeten Arbeitsvertrag zur Vertretung von Frau E. und Frau I., die sich ebenfalls in Elternzeit befand. Ab dem 04.09.2013 bis zum 07.02.2014 schlossen sie einen letzten befristeten Arbeitsvertrag, diesmal zur Vertretung von Frau X. die Elternzeit bis zum 04.03.2014 genommen hatte.
3Der Stundenumfang der befristeten Verträge schwankte zwischen 19 Stunden und 26,5 Stunden, in den letzten zwei Jahren wurde der Kläger mit 25,5 Stunden beschäftigt (siehe die Übersicht über die abgeschlossenen Verträge Bl. 5 d. Akte).
4Der Kläger hat eine Ausbildung als E. des Deutschen Sportbundes und unterrichtet im Rahmen eines Lehrauftrags Studenten der E.. Er verfügt über keine sogenannte Lehramtsbefähigung.
5Mit seiner am 22.11.2013 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die im Arbeitsvertrag vom 25.07.2013 vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 07.02.2014. Er bestreitet einen Vertretungsbedarf für Frau X. insbesondere das Vorliegen einer mittelbaren Vertretungskette, da Frau X. die Fächer Englisch und Geschichte unterrichte. Aufgrund der Gesamtdauer und der hohen Zahl an Befristungsverträgen mit häufig hinter dem Befristungsgrund zurückliegender Befristungsdauer sei von einem institutionellen Rechtsmissbrauch auszugehen.
6Der Kläger beantragt,
7festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der klägerischen und der beklagten Partei nicht auf Grund der Befristung im Arbeitsvertrag vom 25.07.2013 zum 07.02.2014 endet, sondern als unbefristetes Arbeitsverhältnis über den 07.02.2014 hinaus fortbesteht.
8Das beklagte Land beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Die Beklagte behauptet unter Darlegung der Vertretungskette im Einzelnen, dass eine mittelbare Stellvertretung des Klägers für Frau X. vorgelegen habe. Hinsichtlich der zahlreichen weiteren Befristungen trägt sie vor, dass die Dauer der Verträge zum einen auf das Ende von Mutterschutz oder Elternzeit ausgelegt waren, zum anderen jedoch Verträge mit Vertretungslehrkräften in der Regel höchstens für ein Schulhalbjahr oder allenfalls für ein Schuljahr abgeschlossen werden könnten. Denn der Grundsatz des wirtschaftlichen und sparsamen Einsatzes von Haushaltsmitteln gebiete es, Verträge mit Vertretungslehrkräften nur so lange abzuschließen, wie der Bedarf sicher vorhersehbar sei. Dies sei wegen des selbständigen Unterrichts von Referendaren, des Epochalunterrichts und einer unter Umständen geänderten Zahl von Eingangsklassen in der Regel nur von Schulhalbjahr zu Schulhalbjahr zu entscheiden. Hierbei handle es sich um eine branchentypische Besonderheit im Schuldienst. Gegen eine rechtsmissbräuchliche Befristungspraxis spreche, dass der Kläger keine Lehramtsbefähigung habe. Das beklagte Land könne nicht verpflichtet sein, entgegen dem Grundsatz der Bestenauslese und den Anforderungen des Lehrerausbildungsgesetzes den Kläger wegen Rechtsmissbrauches einzustellen. Zudem habe das beklagte Land ein berechtigtes Interesse daran, nur Lehramtsinhaber unbefristet einzustellen, die zwei Fächer unterrichten könnten.
11Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
12E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
13A. Die Klage ist zulässig und begründet.
14Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Befristung vom 25.07.2013 zum 07.02.2014 nicht beendet worden. Ob ein Sachgrund der Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG (Vertretung) vorliegt, kann dahingestellt bleiben. Die Befristung ist jedenfalls rechtsmissbräuchlich.
15I. Mit der am 22.11.2013 bei Gericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Klagefrist nach § 17 Satz 1 TzBfG gewahrt.
16II. Die Befristung des streitgegenständlichen Arbeitsvertrages vom 25.07.2013 ist ungeachtet dessen, ob der Sachgrund der Vertretung vorlag, rechtsmissbräuchlich.
171. Die Gerichte dürfen sich bei der Befristungskontrolle nach § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG nicht auf die Prüfung des geltend gemachten Sachgrundes der Vertretung beschränken. Sie sind vielmehr aus unionsrechtlichen Gründen verpflichtet, alle Umstände des Einzelfalles und dabei namentlich die Gesamtdauer und die Zahl der mit derselben Person zur Verrichtung der gleichen Arbeit geschlossenen aufeinanderfolgenden befristeten Verträge zu berücksichtigen, um auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreifen. Diese zusätzliche Prüfung ist im deutschen Recht nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) vorzunehmen (vgl. BAG, Urteil v. 18.07.2012, 7 AZR 443/09, Juris).
18Die nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs vorzunehmende Prüfung verlangt eine Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (vgl. EuGH, Urteil vom 26.01.2012, C-586/10-[Kücük], Juris; BAG, Urteil vom 18.07.2012, 7 AZR 443/09, Rdnr 32 ff., Juris). Von besonderer Bedeutung sind die Gesamtdauer der befristeten Verträge sowie die Anzahl der Vertragsverlängerungen. Ferner ist der Umstand zu berücksichtigen, ob der Arbeitnehmer stets auf demselben Arbeitsplatz mit denselben Aufgaben beschäftigt wird, oder ob es sich um wechselnde, ganz unterschiedliche Aufgaben handelt. Auch wenn ein ständiger Vertretungsbedarf der Annahme des Sachgrundes der Vertretung nicht entgegensteht und daher geeignet ist, die Befristung des Arbeitsverhältnisses mit dem Vertreter zu rechtfertigen, ist er dennoch ein Umstand, der im Rahmen einer umfassende Missbrauchskontrolle in die Gesamtwürdigung einbezogen werden kann. Bei zunehmender Anzahl und Dauer der jeweils befristeten Beschäftigung eines Arbeitnehmers kann es eine missbräuchliche Ausnutzung der dem Arbeitgeber an sich rechtlich eröffneten Befristungsmöglichkeit darstellen, wenn er gegenüber einem bereits langjährig beschäftigten Arbeitnehmer trotz der tatsächlich vorhandenen Möglichkeit einer dauerhaften Einstellung immer wieder auf befristete Verträge zurückgreift. Zu berücksichtigen ist außerdem die Laufzeit der einzelnen befristeten Verträge sowie die Frage, ob und in welchem Maße die vereinbarte Befristungsdauer zeitlich hinter dem zu erwartenden Vertretungsbedarf zurückbleibt. Wird trotz eines tatsächlich zu erwartenden langen Vertretungsbedarfs in rascher Folge mit demselben Arbeitnehmer eine Vielzahl kurzfristiger Arbeitsverhältnisse vereinbart, liegt die Gefahr des Gestaltungsmissbrauchs näher, als wenn die vereinbarte Befristungsdauer zeitlich nicht hinter dem prognostizierten Vertretungsbedarf zurückbleibt. Bei der Gesamtwürdigung können daneben zahlreiche weitere Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Zu denken ist dabei insbesondere an branchenspezifische Besonderheiten etwa bei Saisonbetrieben. Auch können bei der Gesamtbeurteilung grundrechtlich gewährleistete Freiheiten von beträchtlicher Bedeutung sein (vgl. BAG, Urteil vom 18.07.2012, 7 AZR 783/10, Rdnr 35 ff., Juris).
19Das Bundesarbeitsgericht hat sich in zwei grundsätzlichen Entscheidungen zur Missbrauchskontrolle näherer quantitativer Angaben dazu enthalten, wo die zeitlichen und/oder zahlenmäßigen Grenzen für einen Missbrauch genau liegen (vgl. BAG, Urteil vom 18.07.2012, 7 AZR 443/09, 7 AZR 783/10, Juris). Es hat aber grobe Orientierungshilfen gegeben. Zur Bestimmung der Schwelle einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung von Sachgrundbefristungen kann zum einen an die gesetzlichen Wertungen in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG angeknüpft werden. Die Vorschrift macht eine Ausnahme von dem Erfordernis der Sachgrundbefristungen und erleichtert damit den Abschluss von befristeten Verträgen bis zu der festgelegte Höchstdauer von zwei Jahren bei maximal dreimaliger Verlängerungsmöglichkeit. Sie kennzeichnet den nach Auffassung des Gesetzgebers unter allen Umständen unproblematischen Bereich. Ist ein Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG gegeben, lässt erst das erhebliche Überschreiten dieser Grenzwerte den Schluss auf eine missbräuchliche Gestaltung zu. Zumindest regelmäßig besteht hiernach bei Vorliegen eines die Befristung an sich rechtfertigenden Sachgrundes kein gesteigerter Anlass zur Missbrauchskontrolle, wenn die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG für die sachgrundlose Befristung bezeichneten Grenzen nicht um ein Mehrfaches überschritten sind. Werden diese Grenzen jedoch alternativ oder insbesondere kumulativ mehrfach überschritten, ist eine umfassende Missbrauchskontrolle geboten, in deren Rahmen es Sache des Arbeitnehmers ist, noch weitere für einen Missbrauch sprechende Umstände vorzutragen. Werden die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG genannten Grenzen alternativ oder insbesondere kumulativ in besonders gravierendem Ausmaß überschritten, kann eine missbräuchliche Ausnutzung der an sich eröffneten Möglichkeit zur Sachgrundbefristung indiziert sein. In einem solchen Fall hat allerdings der Arbeitgeber regelmäßig die Möglichkeit, die Annahme des indizierten Gestaltungsmissbrauchs durch den Vortrag besonderer Umstände zu entkräften. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Bundesarbeitsgericht bei einer Dauer von insgesamt 7 Jahren und 9 Monaten bei 4 befristeten Arbeitsverhältnissen sowie keinen weiteren – vom Arbeitnehmer vorzutragenden – Umständen keine Anhaltspunkte für einen Missbrauch gesehen (vgl. BAG, 18.07.2012, 7 AZR 783/10, Juris), während es bei einer Gesamtdauer von mehr als 11 Jahren und einer Anzahl von 13 Befristungen sowie einer gleichbleibenden Beschäftigung zur Deckung eines ständigen Vertretungsbedarfs davon ausgegangen ist, die rechtsmissbräuchliche Ausnutzung der an sich eröffneten Möglichkeit der Vertretungsbefristung sei indiziert, könne aber vom Arbeitgeber noch widerlegt werden (vgl. BAG, Urteil vom 18.07.2012, 7 AZR 443/09, Juris). Eine Missbrauchskontrolle kann zudem veranlasst sein, wenn die Gesamtdauer der befristeten Arbeitsverhältnisse mehr als 6 ½ Jahre bei 13 befristeten Arbeitsverträgen beträgt (vgl. BAG, Urteil v. 13.02.2013, 7 AZR 225/11, Rdnr 40 ff., Juris; LAG Köln, Urteil vom 05.09.2013, 13 Sa 659/10, Rdnr 54ff, Juris).
202. Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall eine Missbrauchskontrolle veranlasst. Die Durchführung der Missbrauchskontrolle führt zu dem Ergebnis, dass das beklagte Land seinen Gestaltungsspielraum bei der Befristung der Arbeitsverträge des Klägers missbraucht hat.
21a) Es besteht Veranlassung zur Missbrauchskontrolle. Ausschlaggebende Umstände sind – wovon auch das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 13.02.2013 (7 AZR 225/11) ausgeht – insbesondere die Anzahl und die Dauer der vorangegangenen befristeten Arbeitsverträge.
22Der Kläger war beim beklagten Land mit einer Gesamtdauer von 6 Jahren und 4 Monaten beschäftigt, nämlich vom 15.10.2007 bis zum 07.02.2014.
23Ausschlaggebend für die Veranlassung zur Missbrauchsprüfung ist neben der Gesamtdauer der befristeten Vertragsgestaltung vor allem die Anzahl der Befristungen aufgrund von 18 Arbeitsverträgen, von denen in drei Fällen zwei Arbeitsverträge jedenfalls teilweise parallel liefen.
24b) Die Durchführung der Missbrauchsprüfung führt zu dem Ergebnis, dass das beklagte Land die Befristung des Arbeitsverhältnisses des Klägers rechtsmissbräuchlich gestaltet hat. Dies ergibt eine Würdigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles.
25aa) Die Gesamtdauer von 6 Jahren und 4 Monaten überschreitet die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG für die sachgrundlose Befristung bezeichneten Grenzen um ein Mehrfaches, nämlich um ein Dreifaches. Kumulativ dazu überschreitet die Anzahl der in diesem Zeitraum abgeschlossenen ca. 15 Befristungsverträge (wenn man die parallel laufenden Verträge herausrechnet) die für die sachgrundlose Befristung bezeichneten Grenzen von maximal dreimaliger Verlängerungsmöglichkeit innerhalb von zwei Jahren in einem gravierenden Ausmaß um das Fünffache. Sämtliche Befristungen sind – bis auf eine Ausnahme (Befristung vom 02.07.2009 bis 14.07.2010) jeweils unterjährig. Davon sind allein zwei Befristungen kürzer als ein Monat, drei Befristungen bis zu zwei Monaten und sieben Befristungen zwischen drei und sechs Monaten. Diese Vielzahl der ganz überwiegend kurzen Befristungen haben über den Zeitraum von 6 Jahren und 4 Monaten zu einer besonderen Belastung des Klägers geführt, da ihm eine Lebensplanung, ob in persönlicher, familiärer oder finanzieller Hinsicht, dadurch unzumutbar erschwert oder sogar unmöglich geworden ist.
26bb) Es kommt hinzu, dass insbesondere die Laufzeit der einzelnen befristeten Verträge zeitlich hinter dem zu erwartenden Vertretungsbedarf mehrfach deutlich zurückgeblieben ist, ohne dass es hierfür eine ausreichende Begründung gibt. Dies gilt zum einen für die Elternzeitvertretung für Frau Henseler vom 19.11.2008 bis zum 31.01.2009 und vom 01.02.2009 bis zum 01.07.2009, obwohl Frau Henseler bereits am 22.10.2008 Elternzeit vom 19.11.2008 bis zum 22.09.2010 beantragt hatte (siehe Bl. 155 d.A.). Zum anderen gilt dies auch für die Vertretungsverträge für Frau E., die vom 25.01.2012 bis 10.02.2012, vom 11.02.2012 bis 21.08.2012 und vom 22.08.2012 bis 01.02.2013 jeweils nur zum Schulhalbjahr bzw. zum Schuljahresende liefen, obwohl die Elternzeit bis zum 28.11.2013 andauerte (siehe Bl. 159 d.A). Gleiches gilt für die letzte Befristung vom 04.09.2013 bis zum 07.02.2014, obwohl die Elternzeit von Frau X. bis zum 04.03.2014 andauerte (siehe Bl. 152 d.A.).
27cc) Hinzukommt, dass der Kläger über den gesamten Zeitraum hinweg als Sportlehrer an derselben Schule eingesetzt war.
28dd) Die Einwände des beklagten Landes entkräften diese einen Gestaltungsmissbrauch indizierenden Umstände nicht.
29(1) Das beklagte Land beruft sich auf die fehlende fachliche Qualifikation des Klägers. Der Kläger ist zwar E. und weist daher nicht die Lehramtsbefähigung für den Unterricht an Gymnasien auf. Hierauf kann sich das beklagte Land jedoch wegen seines widersprüchlichen Verhaltens nicht berufen. Denn es hat den Kläger in Kenntnis seiner fehlenden formalen Qualifikation über einen Zeitraum von 6 Jahren und 4 Monaten an einem Gymnasium beschäftigt. Während des befristeten Arbeitsverhältnisses wurde mithin wenig Wert auf das Vorliegen formaler Qualifikationen gelegt.
30Die unbefristete Beschäftigung von Lehrkräften ohne Lehramtsbefähigung ist auch rechtlich zulässig, wie § 4 Abs. 1 OBAS (Ordnung zur berufsbegleitenden Ausbildung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern und der Staatsprüfung) erkennen lässt. Danach können bereits eingestellte Lehrkräfte, die die Voraussetzungen des § 2 erfüllen, seit mindestens zwei Jahren in einem auf Dauer angelegten Beschäftigungsverhältnis in Schulen als Lehrkraft tätig sind und noch keine Lehramtsbefähigung aufgrund eines Vorbereitungsdienstes erworben haben, die Teilnahme an der berufsbegleitenden Ausbildung beantragen. Diese Vorschrift wäre überflüssig, wenn die unbefristete Beschäftigung von Lehrkräften ohne Lehramtsbefähigung unzulässig wäre. Ist die unbefristete Beschäftigung des Klägers auch ohne eine Lehramtsbefähigung jedoch gesetzeskonform, spielt der Umstand, dass es derzeit gegebenenfalls besser geeignete Bewerber um eine Stelle als Lehrkraft gibt, keine Rolle. Denn vorliegend geht es gerade nicht um die Besetzung einer freien Stelle, bei der das Prinzip der Bestenauslese zu berücksichtigen ist. Vielmehr geht es um die Prüfung, ob das beklagte Land sich in dem bestehenden Arbeitsverhältnis gegenüber dem Kläger so verhalten hat, dass es ihn nunmehr entsprechend dem Grundsatz von Treu und Glauben unbefristet weiterbeschäftigen muss.
31Wäre die Ansicht des beklagten Landes richtig, dass es Personen ohne Lehramtsbefähigung nicht unbefristet einstellen muss, sondern nur befristet einstellen darf, führte dies im Umkehrschluss dazu, dass das Fehlen der Lehramtsbefähigung einen Befristungsgrund i.S.d. § 14 Abs.1 TzBfG darstellen müsste. In Betracht käme als Befristungsgrund alleine § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG, wonach in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Befristung rechtfertigen können. Weder in der Kommentarliteratur noch in der Rechtsprechung wird, soweit der Kammer ersichtlich, vertreten, dass ein Arbeitnehmer wegen Fehlens einer an sich von dem Arbeitgeber geforderten Qualifikation nur befristet eingestellt werden darf, bis der Arbeitgeber einen anderen Arbeitnehmer mit der geforderten Qualifikation gefunden hat. Bei den Gründen gem. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG ist vielmehr an solche gedacht, bei denen in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe nur für einen bestimmten Zeitraum vorhanden sind wie z.B. Aufenthaltserlaubnis, Aus- oder Weiterbildungsbedürfnis, Wunsch des Arbeitnehmers nach nur vorübergehender Beschäftigung, Förderung im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (vgl. die Übersicht in ErfK/Müller-Glöge, § 14 TzBfG Rn.51ff m.w.N.). Dieser Umstand rechtfertigt sodann die Befristung. Dies ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, bei dem eine bestimmte Qualifikation auf Dauer nicht vorhanden ist.
32(2) Das beklagte Land kann sich hinsichtlich des Umstandes, dass die Befristungen häufig wesentlich kürzer waren als die zugrunde liegenden Vertretungsfälle, nicht auf den Grundsatz der sparsamen Haushaltsführung berufen. Denn bei einem wie im Falle der Elternzeit auf mehrere Jahre feststehenden Vertretungsbedarf ist nicht ersichtlich, inwieweit das beklagte Land zu Beginn jeden Schulhalbjahres zunächst feststellen muss, ob überhaupt Vertretungsbedarf für diese ausfallende Lehrkraft besteht. Es kann vielmehr genauso wie mit allen festangestellten Lehrkräften auch mit dem Kläger über einen längeren Zeitraum planen und entsprechend seine Stundenplangestaltung zum Schulhalbjahresbeginn vornehmen. Sowohl Epochalunterricht wie auch der Beginn des selbständigen Unterrichts von Referendaren sind langfristig und nicht erst zum Schulhalbjahresbeginn bekannt und planbar. Es ist nicht erkennbar, inwieweit die Beklagte durch die Verkürzung der Befristungen auf ein Schulhalbjahr oder Schuljahr Geld spart. Der Umstand, dass sich die Beklagte eine größtmögliche Flexibilität mit ihren kurzfristigen Befristungen erhalten will, kann den indizierten Missbrauch nicht widerlegen.
33(3) Vor diesem Hintergrund spielt der Umstand, dass der Kläger zwar ganz überwiegend, aber nicht durchgehend mit 25,5 Stunden in der Woche beschäftigt wurde, keine ausschlaggebende Rolle und spricht nicht gegen einen Gestaltungsmissbrauch.
34B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG, § 91 Abs. 1 ZPO.
35C. Der Streitwert wurde gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG, § 3 ZPO festgesetzt.
36RECHTSMITTELBELEHRUNG
37Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei Berufung eingelegt werden. Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
38Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
39Landesarbeitsgericht Köln
40Blumenthalstraße 33
4150670 Köln
42Fax: 0221-7740 356
43eingegangen sein.
44Die elektronische Form wird durch ein qualifiziert signiertes elektronisches Dokument gewahrt, das nach Maßgabe der Verordnung des Justizministeriums über den elek-tronischen Rechtsverkehr bei den Arbeitsgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO ArbG) vom 2. Mai 2013 in der jeweils geltenden Fassung in die elektronische Poststelle zu übermitteln ist. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de.
45Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
46Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
47- 48
1. Rechtsanwälte,
- 49
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
- 50
3. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
52* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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Referenzen
- ArbGG § 46 Grundsatz 1x
- § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG 2x (nicht zugeordnet)
- § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG 4x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- 13 Sa 659/10 1x (nicht zugeordnet)
- § 14 Abs. 1 TzBfG 1x (nicht zugeordnet)
- Urteil vom Bundesarbeitsgericht (7. Senat) - 7 AZR 225/11 1x
- BGB § 242 Leistung nach Treu und Glauben 1x
- § 14 Abs.1 TzBfG 1x (nicht zugeordnet)
- 7 AZR 783/10 3x (nicht zugeordnet)
- § 14 TzBfG 1x (nicht zugeordnet)
- 7 AZR 443/09 4x (nicht zugeordnet)
- ArbGG § 61 Inhalt des Urteils 1x
- § 17 Satz 1 TzBfG 1x (nicht zugeordnet)
- § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG 2x (nicht zugeordnet)
- 7 AZR 225/11 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen 1x