Urteil vom Arbeitsgericht Essen - 1 Ca 81/14
Tenor
1.Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.034,37 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit 01. Januar 2014 zu zahlen.
2.Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3.Der Streitwert wird auf 6.034,37 € festgesetzt.
1
T a t b e s t a n d:
2Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche.
3Die Klägerin ist auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 27.9.1994 mit Wirkung vom 1.11.1994 bei der Beklagten beschäftigt. Auf den Arbeitsvertrag, Bl. 28 ff. der Akten, wird Bezug genommen.
4Die Beklagte ist am 1.1.2002 von der N. AG übernommen worden. Unter dem 9.4.2008 wurde zwischen dem N. G.r und dem bei diesen bestehenden Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung geschlossen, in der es unter Ziffer I. "Geltungsbereich" folgt heißt:
5"Die Betriebsvereinbarung gilt für alle Arbeitnehmer der N. GmbH & Co. KG, die den in der Anlage zu dieser Betriebsvereinbarung befindlichen Änderungsvertrag unterzeichnet haben. Hierbei handelt es sich um Arbeitnehmer, die vor dem 1.1.2005 eingestellt worden sind und die entsprechende Altverträge vereinbart haben."
6Wegen des weiteren Inhalts der Betriebsvereinbarung wird auf die eingereichte Kopie, Bl. 30 ff. der Akten, Bezug genommen.
7Die Parteien streiten seit mehreren Jahren über die Vergütung der Klägerin, insbesondere über die Frage der Anwendbarkeit des TVöD in dynamischer Form. Unter dem 12.02.2010 erging unter dem Az. 7 Ca 3925 / 09 folgendes II. Teilversäumnisurteil:
8" 1. Der Einspruch e. Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 22.12.2009 wird hinsichtlich e. Z. 2 verworfen und das Versäumnisurteil wie folgt aufrechterhalten:
9Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Entgelt nach Entgeltstufe 7A) e. KR - Anwendungstabelle (Anl. 6 zum TVÜ - VKA Stufe 6) zu zahlen (derzeit 2737,64 € brutto).
102. (…)"
11Im Anschluss sind von der Klägerin jährlich Gehaltsrückstände geltend gemacht worden, zuletzt in dem Verfahren 4 Ca 180 / 12 bis zum 31. Dezember 2011 sowie in dem Verfahren 6 Ca 358 / 13 bis zum 31.12.2012. In dem vorliegenden Rechtsstreit ist die Vergütung der Klägerin von Januar bis Dezember 2013 Streitgegenstand.
12Die Beklagte hat an die Klägerin von Januar 2013 bis März 2013 jeweils 2.654 € brutto pro Monat und ab April 2013 2684 € brutto pro Monat gezahlt.
13Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe eine Restvergütung in Höhe von monatlich 285,68 € brutto für die Monate Januar bis März 2013 sowie i.H.v. 255,68 € brutto für die Monate April bis einschließlich Juli 2013 sowie eine Differenz i.H.v. 296,84 € brutto für die Monate August bis Dezember 2013 zu. Die Differenzen ergäben sich daraus, dass entsprechend der Entgelt Gruppe 7a) Stufe 6 nach der KR Anwendungstabelle des TVöD die Vergütung ab dem 1.1.2013 2.939,68 € brutto und ab dem 1.8.2013 2.980,84 € brutto betragen.
14Darüber hinaus bestehe ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Jahressonderzahlung gemäß § 20 TVöD für das Jahr 2013 i.H.v. 90 % des in den Monaten Juli bis September zu zahlenden Gehaltes. Hieraus ergebe sich ein Anspruch i.H.v. 2.670,41 € brutto. Wegen der Berechnung wird Bezug genommen auf die Klageschrift vom 7.1.2013, Bl. 3 der Akte.
15Der TVöD sei auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar. Insoweit verweist die Klägerin auf das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 12.02.2010 (7 Ca 3925/09). Das von der Beklagten in Bezug genommene Urteil des EuGH vom 18.07.2013 sei darüber hinaus auf den Rechtsstreit nicht übertragbar, da die Frage des kollektiven Übergangs von Tarifverträgen im Streit stand.
16Die tarifgerechte Bezahlung der Klägerin sei ständig schriftlich geltend gemacht worden, zuletzt durch Schreiben vom 24. Januar 2013.
17Die Klägerin beantragt mit ihrer am 9.1.2014 beim Arbeitsgericht Essen eingegangenen Klage,
18die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.034,37 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Januar 2014 zu zahlen.
19Die Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Sie ist der Ansicht, der TVöD in der aktuellen Fassung fände auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung. Die Beklagte habe auf den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes keinen Einfluss. Als Unternehmen des Privatrechts habe sie noch nicht einmal die Möglichkeit zum Beitritt des insoweit zuständigen Arbeitgeberverbandes. Hieraus ergebe sich aufgrund europarechtlicher Vorschriften, dass die aufgrund eines Betriebsübergangs wirkenden Kollektivverträge nicht dynamisch für die Beklagte als Betriebsübernehmerin gelten würden. Insoweit verweist die die Beklagter auf das Urteil des EuGH vom 18.7.2013 (Aktenzeichen C - 426 / 11).
22Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den vorangegangenen rechtskräftigen Urteilen, die nach Auffassung der Beklagten keine Wirkung für die Zukunft entfalten könnten.
23Ferner ergebe sich aus dem Gesamtgehalt e. Klägerin aus dem Jahr 2013 i.H.v. 32.545,08 €, dass die Klageforderung um 427,08 € zu hoch sei.
24Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
25E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
26Die Klage ist zulässig und begründet.
27I.
28Die Klägerin hat sowohl einen Anspruch auf Zahlung einer Restvergütung i.H.v. 3.363,96 € brutto für die Monate Januar bis Dezember 2013 (unter 1.) als auch einen Anspruch auf Zahlung einer Jahressonderzahlung i.H.v. 2.670,41 € brutto (unter 2.).
291.
30Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Restvergütung i.H.v. 3.363,96 € brutto für die Monate Januar bis Dezember 2013 ergeben sich aus § 15 TVöD, Entgeltstufe 7 a) der KR Anwendungstabelle, Anlage 6 zum TVÜ VKA Stufe 6 i.V.m. dem Arbeitsvertrag der Klägerin.
31a) Mit rechtskräftigem 2. Teilversäumnisurteil vom 12.3..2010 (Arbeitsgericht Essen 7 Ca 3925 / 09) ist festgestellt, dass die Klägerin in die Entgeltstufe 7 a) der KR Anwendungstabelle (Anl. 6 zum TVÜ VKA Stufe 6) eingruppiert ist. Mit diesem Urteil ist zwischen den Parteien rechtskräftig ein Rechtsverhältnis festgestellt. Gründe für eine Durchbrechung der Rechtskraft hat die Beklagte nicht dargelegt.
32Unerheblich ist dabei, ob das Urteil sachlich richtig ist oder nicht. Die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens gebietet die Rechtsbeständigkeit des Abschlusses von Rechtsstreitigkeiten. Dementsprechend lassen auch eine Änderung der Gesetzgebung oder ein Wandel der Rechtsprechung die Rechtskraftwirkung früherer Urteile regelmäßig unberührt (Vollkommer in Zöller, ZPO, 30. Aufl. vor § 122 Rz. 53).
33b) Der Präklusion des feststellenden Teilversäumnisurteils vom 12.02.2010 steht entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht eine zeitliche Begrenzung der Rechtskraft entgegen.
34Zunächst einmal handelt es sich um ein Gestaltungsurteil, welches die Vergütungsgrundlage der Parteien feststellt. Im Gegensatz zu den nachfolgenden Leistungsurteilen - etwa vom 1.3.2013 (6 Ca 358/13) - wurde nicht allein ein Vergütungsanspruch für einen festgelegten Zeitraum, sondern die Eingruppierung der Klägerin festgelegt, die eine Teilnahme an den tariflichen Vergütungssteigerungen zur Folge hat.
35Zwar kann eine zeitliche Grenze e. Rechtskraft gem. § 322 ZPO bestehen, da lediglich Tatsachen für ein Urteil berücksichtigt werden, die vor der letzten mündlichen Verhandlung eingetreten sind. Der unterlegenen Partei muss es deshalb erlaubt sein, in einem Zweitprozess geltend zu machen, die Rechtslage habe sich gegenüber dem Stand zu dem genannten Zeitpunkt geändert. Entsprechend §§ 767 Abs. 2, 796 Abs. 2 ZPO sind jedoch eine Änderung der Gesetzgebung oder ein Wandel der Rechtsprechung für die Rechtskraftwirkung früherer Urteile unwesentlich; erforderlich ist vielmehr eine wesentliche Änderung der entscheidungserheblichen tatsächlichen Verhältnisse (Vollkommer in Zöllner, ZPO, vor § 322 Rz. 53). Voraussetzung für eine zeitliche Begrenzung des Gestaltungsurteils wäre es also gewesen, dass die Beklagte neue Tatsachen vorbringt, die dazu führen, dass sich zwischenzeitlich das streitgegenständliche Rechtsverhältnis verändert hat. Dies hat sie jedoch nicht getan.
36Vielmehr vertritt die Beklagte lediglich die Ansicht, dass unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH - konkret des X.-Urteils vom 09.03.2006 -AZ C-499/04 - sowie des weiteren Urteils vom 18.07.2013 - AZ C-426/11- die Rechtslage anders zu bewerten wäre: Danach würde die zwischen den Parteien vereinbarte arbeitsvertragliche Inbezugnahme des BAT und der diesen ersetzenden Tarifverträge aufgrund des im Jahre 2002 erfolgten Betriebsübergangs nicht zu einer dynamischen Inbezugnahme des TVöD führen. Dies ist aber kein die Rechtskraft durchbrechender Einwand.
37c) Aufgrund des rechtskräftigen Urteils vom 12.02.2010 hatte die Klägerin damit einen Anspruch auf Vergütungszahlung entsprechend der KR-Anwendungstabelle (Anlage 6 zum TVÜ-VKA Stufe 6) auch für das Kalenderjahr 2013. Die entsprechende Vergütung betrug für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. 7. 2013 monatlich 2.939,68 € sowie vom 1. August bis zum 31. 12. 2013 monatlich 2.980,84 € brutto.
38Unter Berücksichtigung der von der Beklagten geleisteten tatsächlichen Zahlungen ergibt sich ein Anspruch in geltend gemachter Höhe. Denn unstreitig hat die Beklagte an die Klägerin als monatliche Grundvergütung für die Monate Januar bis März 2013 jeweils 2.654,00 € brutto sowie ab April 2013 2.684,00 € brutto gezahlt. Die von der Beklagten eingewandte Zahlung im gesamten Kalenderjahr 2013 ist unerheblich, da nicht konkret dargelegt ist, wie sich die Jahresleistung zusammensetzt, dass also an die Klägerin ausschließlich die monatliche Grundvergütung gezahlt wurde.
392.
40Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Zahlung der Jahressonderzahlung gem. § 20 TVöD für das Jahr 2013 in Höhe von 2.670,41 € brutto.
41a) Der Anspruch der Klägerin gem. § 20 TVöD ist zwischen den Parteien unstreitig.
42Gem. § 2 des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrages ist auf das Arbeitsverhältnis der BAT sowie die diesen Tarifvertrag "ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in ihrer jeweils gültigen Fassung ..." anwendbar. Die Arbeitsvertragsparteien haben damit nicht nur eine Arbeitsvertragliche Verweisung auf den BAT, sondern auch eine Verweisung auf das Nachfolgetarifwerk vereinbart, indem sie auch die "ersetzenden" Tarifverträge eingebunden haben (vgl. BAG vom 16.12.2009 NZA 2010, 401; 19.5.2010 NZA 2010, 1183; 9.6. 2010 NZA 2011, 109; 6.7.2011 NZA 2012, 100).
43b) Soweit die Beklagte die Ansicht vertritt, die Verweisung auf den BAT bzw. TVöD sei aufgrund des Betriebsübergangs vom 1.1.2002 nur statisch, nicht jedoch dynamisch erfolgt, kann dies dahinstehen. Denn vorliegend ist zwischen den Parteien aufgrund des Gestaltungsurteils vom 12.2.2010 die Vergütung der Klägerin rechtskräftig insofern festgestellt, dass sie nach e. Entgeltstufe 7a) der KR-Anwendungstabelle (Anlage 6 zum TVÜ-VKA Stufe 6) zu vergüten ist. § 20 TVöD stellt aber auf die in dem entsprechenden Kalenderjahr zu beanspruchende Vergütung Juli bis September ab. Nach der rechtkräftig festgestellten Tarifgruppe hat die Klägerin einen Anspruch auf Vergütungszahlung in den entsprechenden Monaten in Höhe von insgesamt 8.901,36 €. Hieraus errechnet sich ein Durchschnitt in Höhe von 2.967,12 €. Die der Klägerin gem. § 20 Abs. 3. zustehende Jahressonderleistung in Höhe von 90 % beträgt damit 2.670,41 € brutto.
44Nach alledem war der Klage stattzugeben.
45II.
46Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Der Beklagten als unterlegener Partei waren die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
47Die Streitwertentscheidung erging gem. § 61 GKG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO i.H. des bezifferten Antrags.
48RECHTSMITTELBELEHRUNG
49Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei Berufung eingelegt werden. Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
50Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
51Landesarbeitsgericht E.
52M.-Erhard-Allee 21
5340227 E.
54Fax: 0211 7770-2199
55eingegangen sein.
56Die elektronische Form wird durch ein qualifiziert signiertes elektronisches Dokument gewahrt, das nach Maßgabe der Verordnung des Justizministeriums über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Arbeitsgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO ArbG) vom 2. Mai 2013 in der jeweils geltenden Fassung in die elektronische Poststelle zu übermitteln ist. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de.
57Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
58Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
591.Rechtsanwälte,
602.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
613.juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer e. in Nummer 3. bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit e. Bevollmächtigten haftet.
62Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
63* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
64-Sell -
65Richterin am Arbeitsgericht
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Referenzen
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- ZPO § 767 Vollstreckungsabwehrklage 1x